Schon am Vorabend entscheiden wir uns dazu, am heutigen Tag das Skigebiet von Ovronnaz aufzusuchen. Ein Gebiet, das wir bereits vom Sommer kennen. Doch die einmalige Lage inmitten steiler Couloirs hoch über dem Rhônetal möchten wir nun auch einmal im Winter erleben. Zudem finden sich über Ovronnaz in einschlägigen Foren ausschliesslich positive Stimmen und zu guter Letzt ist es eines der wenigen Walliser Skigebiete, das in unserer Sammlung noch fehlt. Gründe genug also, dass wir uns am Morgen via Leytron auf den Weg nach Ovronnaz machen. Vorbei an den Weinbergen auf den Südhängen des Tals hinauf auf rund 1300 Meter Seehöhe.
Vorbei an Weinbergen nach Ovronnaz
Bereits beim Blick auf den Pistenplan gewinnt man den Eindruck, dass Ovronnaz trotz seiner auf den ersten Blick geringen Grösse durchaus eine etwas spezielle Erschliessung durch die Seilbahnen und Skilifte besitzt. Nahezu jede Anlage weist eine leicht andere Hangrichtung auf und verläuft in einem gänzlich eigenen Bereich, der von den anderen Bahnen aus meist nicht einsehbar ist. Drei Sesselbahnen umfasst das Gebiet inzwischen, nachdem der Skilift Bougnonne 2009 durch eine fix geklemmte Vierersesselbahn ersetzt wurde. Als Zubringer dient eine klapprige Baco-Poma-Sesselbahn von 1993, die in diesem Sommer eine neue Konzession für die nächsten 35 Jahre erhalten hat. Rund um den Dreh- und Angelpunkt des Gebiets, Jorasse, erschliesst die Sesselbahn Col de la Forcle einige Abfahrten und ist eine der Hauptbeschäftigungsanlagen im Gebiet. Ein kurzer Poma-Übungslift rundet das Angebot in diesem Bereich ab.
Zum höchsten Punkt des Gebiets gelangt man jedoch ausschliesslich per Schlepplift. Auf den Namen Tsantonnaire hört die Anlage, die bis auf knapp 2500 Meter führt. Selbstverständlich mit Kurve, wie es sich für einen Poma-Schlepplift gehört. An der Bergstation bietet sich neben der Möglichkeit einer Wiederholungsfahrt auch die Option, zum Skilift Petit Pré abzufahren, einem modernen Müller-Skilift aus den 80er Jahren. Dieser erschliesst eine vom restlichen Skigebiet abgetrennte Geländekammer mit relativ flachen Abfahrten. Der letzte noch zu erwähnende, aber bei weitem nicht der uninteressanteste, ist der Skilift Châtillon. Im selben Jahr erbaut wie Petit Pré besitzt auch er die typischen Müller-Schräg-T-Stützen im oberen Teil. Im unteren Streckendrittel verwendet er die Stützen des Vorgängers weiter. Der Lift zählt zu den steilsten der Schweiz und zeichnet sich durch ein schwierig zu befahrendes Trassee aus, welches genau wie Abfahrt von einer Pistenraupe noch nichts gesehen hat.
Mit der steilen Sesselbahn Jorasse geht es ins Skigebiet
Bergfahrt mit der Sesselbahn Ovronnaz-Jorasse. Die komischen Magnet-Knöpfe zum Festkleben der Skischüler hat man glücklicherweise wieder abmontiert.
Stellenweise ist die Bahn extrem steil. Der Unterschied dieser Bahn vom Typ Omega im Vergleich zu den ersten kuppelbaren Poma-Bahnen vom Typ Alpha ist deutlich. Sie klappert eine Oktave höher ;) .
Sesselbahn Ovronnaz-Jorasse in Höhe der ehemaligen Bergstation des Vorgängers. Dieser wurde in den 70ern noch vor dem endgültigen Ersatz zur heutigen Bergstation verlängert. Darunter der Skilift Châtillon mit dem noch humanen unteren Streckendrittel.
Wenige Augenblicke später treffen wir bereits auf die Sesselbahn Bougnonne, die in einer unglaublichen Langsamkeit den Berg hinaufkriecht. Warum um alles in der Welt fix geklemmte Vierersesselbahnen so oft gebaut werden, ist mir ein Rätsel. Sehr schade um den alten Müller-Skilift, der war die 100 Mal bessere Variante.
Während der Fahrt eröffnet sich ein erster Blick auf die Skipisten am Col de la Forcle.
Die Sella Ronda von Ovronnaz
In der Sesselbahn Bougnonne. Der Berg links hört auf den Namen Six Armailles und ist sozusagen die Sella Ronda von Ovronnaz. Hier ist eine 360°-Umrundung möglich.
Mit Sektion Nummer drei geht es hinauf bis Tsantonnaire. Für einen Poma-Skilift fährt er allerdings ziemlich gemächlich, was den Fahrspass ein wenig einschränkt. Die genialen Abfahrten entschädigen dafür umso mehr.
Die recht ruppige Kurve des Skilifts Tsantonnaire.
Panorama bis zum Mont Blanc
Von der Bergstation bietet sich dieses Panorama über das Rhônetal bis hin zum Mont-Blanc-Massiv hinter dem Col de Fenestral rechts im Bild.
Über einen Ziehweg erreichen wir den Skilift Petit Pré, an dessen Bergstation sich eine kleine Buvette befindet. Der Lift beginnt in einem Loch, eine Rückkehr ins Tal ist nur von der Bergstation möglich. Aus diesem Grund schliesst er auch bereits um 16 Uhr.
Genau wie die Schwesteranlage Châtillon besitzt der Lift eine leichte Linkskurve.
Die Kurve ist ein ziemliches Geratter, fährt sich aber recht flüssig. Und das trotz der hier scheinbar schlecht gewarteten und extrem ruppigen Borer-Gehänge.
Zeit, auf die Vorderseite zurückzukehren für eine Fahrt mit der Sesselbahn Col de la Forcle. Die Sesselbahn vom Typ MCS bedient den Paradehang des Gebiets und ist recht gut ausgelastet. Die zugehörige Piste ist besonders im unteren Teil, der auch von den beiden anderen Sesselbahnen bedient wird, sichtbar gut gefüllt.
Charakteristisches Merkmal der Bahn sind die extrem hohen Fundamente gegen Lawinenschäden.
Bergstation auf dem Col de la Forcle. Auch von hier aus kann der Skilift Petit Pré erreicht werden.
Schlepplift Châtillon – das Kuriosum des Skigebiets Ovronnaz
Damit nun aber zum wohl kuriosesten Skilift des Skigebiets, dem Skilift Châtillon. Als „Téléski difficile“ ist er ausgezeichnet und einer der ganz wenigen Skilifte, bei denen diese Bezeichnung meiner Meinung nach auch zutreffend ist.
Die ersten 150 Meter Strecke sind noch präpariert, aber dann wird es erst richtig spannend. Das Trassee liegt quer am seitlich abfallenden Hang und ist gerade breit genug für ein Paar Ski. Aber es wird noch besser!
Kaum sind die Portalstützen des Vorgängers passiert, biegt der Lift links ab und hier wird es dann erst richtig steil. Besser kann man einen Skilift nicht in die Landschaft stellen :D .
Im steilsten Abschnitt. Anhand der Bäume kann man in etwa erahnen, in welchem „Aufzug“ man sich hier befindet.
Nach rund 400 Höhenmetern ist es dann geschafft. Hier bietet sich die dritte Möglichkeit, zum Skilift Petit Pré zu gelangen. Wir ziehen aber die unpräparierte schwarze Abfahrt direkt am Skilift vor.
Die angesprochene Piste von unten. Der sichtbare Teil ist bereits am Vormittag sehr gut zu fahren, während der obere, sehr schmale Abschnitt durch die Buckel noch recht hart ist. Wir verzichten daher vorerst auf eine Wiederholungsfahrt und machen uns auf nach Ovronnaz, um die Talabfahrten zu testen. Diese stellen sich als ebenso interessant wie der Rest des Skigebiets heraus, sodass wir hier gleich beide Varianten in Folge befahren.
Vorbereitungen für den nächsten Skitag während der Mittagspause
Nach einigen weiteren Fahrten entschliessen wir uns zu einer Mittagsrast im Bergrestaurant Jorasse. Praktischerweise bietet das Restaurant Gratis-Wifi an, was mir die Möglichkeit gibt, schonmal den nächsten Skitag vorzubereiten. Was gibt es da jetzt schon vorzubereiten? An einem normalen Tag vermutlich herzlich wenig, doch für den morgigen Mittwoch planen wir, das Skigebiet von Argentière aufzusuchen. Das Gebiet nahe Chamonix besitzt die Besonderheit, dass die Bahn auf die Aiguille des Grands Montets, dem höchsten Punkt des Skigebiets, nicht im normalen Skitarif eingebunden ist und die Fahrten trotz des Aufpreises von 10 Euro sehr beliebt sind.
Daher wird empfohlen, eine Kabine zu einer bestimmten Uhrzeit zu reservieren, damit man sich nicht in die (vermutlich oftmals lange) Warteschlange einreihen muss. Das Konzept, das auf den ersten Blick recht sinnvoll erscheint, hat jedoch so seine Tücken. Das musste ich bereits am Vorabend festellen. Für die Reservierung ist eine Registrierung auf der Webseite der Betreiber notwendig. Was die so alles wissen wollen! Name, Adresse, Nationalität, Geburtsdatum, E-Mail, Telefon, Handy. Alles Pflichtfelder. Naja, jedenfalls konnte ich dann einsehen, welche Fahrten für den Dienstag schon ausgebucht waren und da staunte ich nicht schlecht. Bis 14.30 Uhr waren bereits alle Fahrten belegt. Aus diesem Grund fällten wir dann auch letztendlich den Entschluss, nach Ovronnaz zu fahren.
Daher probiere ich, während dem Essen zu schauen, ob heute noch Fahrten frei wären, oder ob wir zwingend einen Tag im Voraus reservieren sollen. Sinnigerweise kann man sich die Reservierungen für denselben Tag im Internet allerdings nicht ansehen. Ein Überblick über die gebuchten Fahrten am folgenden Mittwoch offenbart dann jedoch, dass ähnlich wie am Vorabend bereits wieder viele Fahrten ausgebucht sind, lediglich am Nachmittag sind noch Plätze frei. Nach kurzer Diskussion entscheiden wir uns dann dafür, eine Fahrt am späteren Nachmittag zu buchen. Gesagt, getan. Dann kommt die Meldung, dass der Vorgang nicht am Smartphone ausgeführt werden kann. Ufz, dann muss ich’s halt doch im Hotel versuchen…
Geniale Verhältnisse auch am Nachmittag
Trotz der Schwierigkeiten lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen und geniessen nach dem Mittag noch zahlreiche weitere Fahrten an den verschiedenen Anlagen in Ovronnaz. Dank der geschützten Lage der Pisten in den Geländekammern und die Hangneigung nach Osten sind die Schneeverhältnisse nach wie vor genial. Lediglich beim Skilift Petit Pré kämpfen wir ein wenig mit weichem Schnee, halten uns dann aber vornehmlich am Tsantonnaire sowie am Châtillon auf.
Ein Sprung zur Talstation des Skilifts Tsantonnaire nach der Mittagspause. Das Original wurde 2005 durch das sichtbare Exemplar ersetzt. Überhaupt ist am Lift nur noch wenig Originales zu finden. Auch die Bergstation und einige Stützen wurden bereits ausgetauscht.
Einmal mehr geniessen wir mit die beste Abfahrt im Gebiet am Skilift Tsantonnaire.
Nach einer weiteren Fahrt am Skilift Châtillon kurz vor 16 Uhr machen wir uns noch einmal auf ins Tal, um dann gegen 16.20 Uhr noch die letzte Möglichkeit zu nutzen, bis auf den Col de la Forcle zu fahren. Die Sesselbahnen laufen glücklicherweise bis 16.30 Uhr, was wir perfekt ausnutzen und um 16.28 Uhr zum letzten Mal einchecken, ehe eine gemütliche letzte Abfahrt nach Ovronnaz folgt.
Wie schon bei den Besuchen zuvor behalten wir Ovronnaz mit einem äusserst positiven Gesamteindruck im Gedächtnis. Die Höhen des Skigebiets mit seinen genialen Pisten und interessanten Anlagen gepaart mit den Tiefen des Rhônetals lassen nur ein Fazit zu: gerne wieder!
Chaotische Skipassreservierung für Argentière
Zurück in Saint-Maurice versuche ich mich nochmals mit der Buchung der gewünschten Kabine auf die Grands Montets. Diesmal komme ich immerhin bis zur Buchungsoption, wo mich die nächste Hürde erwartet. Reservierungen sind nur auf eine gültige Skipassnummer vom Chamonix-Pass möglich. Grml… Das hätte man ja nicht gleich am Anfang sagen können? Damit scheidet die Online-Reservierung also endgültig aus. Diese scheint für Tagesgäste offenbar keine Option zu sein. Was also nun? Woanders hinfahren? Auf gut Glück probieren? Problem ist vor allem, dass wir bis Argentière eine knappe Stunde Fahrzeit haben. Um dort als erster an der Kasse zu sein, müssten wir ziemlich früh los und eine Garantie für eine noch mögliche Reservierung gibt es auch nicht.
Da kommt mir die Idee, die Karten schon in dem deutlich näher gelegenen Vallorcine zu kaufen, das ebenfalls zum Chamonix-Verbund zählt. Bis zum Einstieg in das Gebiet haben wir immerhin nur eine halbe Stunde zu fahren. Und da Argentière ohnehin auch an einem Dreivierteltag abgefahren werden kann, könnten wir am Vormittag gerade noch zwei Stunden in Vallorcine verbringen. Selbst wenn wir dann keine Fahrt mehr auf die Grands Montets bekommen würden, hätten wir zumindest zwei Skigebiete kennengelernt.
Wir werden es in jedem Fall versuchen. Um 9 Uhr öffnet die Kasse in Vallorcine, dann müsste es schon noch eine freie Kabine geben?
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.