Vallorcine • Spontaner Einfall

Genau wie am Vorabend geplant treffen wir pünktlich um kurz vor neun Uhr am Parkplatz in Vallorcine ein. Dieser beginnt sich um diese Zeit gerade langsam zu füllen. Nach der üblichen Rüstzeit für den Skitag kommen wir um exakt 9.02 Uhr an der Kasse an, deren Rollo sich wenige Sekunden zuvor geöffnet hat. Die anderen Skifahrer, die zeitgleich mit uns Richtung Kasse marschieren, scheinen alle bereits eine Karte zu haben. Sie machen sich daher direkt auf zur Kabinenbahn, die in diesen Minuten ebenfalls den Betrieb aufnimmt. So sind wir die ersten an diesem Tag, die in Vallorcine ihr Ticket lösen. Die ersten Formalien sind schnell geklärt, zwei Skipässe für Vallorcine und Argentière inklusive Grands-Montets-Gipfel für je 10 Euro Aufpreis.

Erneute Schwierigkeiten bei der Skipass-Reservierung

Da um 23.30 Uhr am Vorabend noch einige Reservierungen für Kabinen zum Gipfel frei gewesen sind, bin ich zuversichtlich, dass diese nicht alle in der vergangenen halben Stunde (die Bahnen in Argentière öffnen bereits um 8.30 Uhr) schon in Anspruch genommen worden sind. Doch zu unserem Erstaunen sagt die Dame an der Kasse gleich ohne Nachfrage unsererseits, dass bereits alle Fahrten reserviert seien.

Da ich das nicht recht glauben kann, bitte ich sie dann doch, nochmals im System nachzuschauen. Und siehe da, plötzlich kann sie uns doch noch zwei freie Plätze für die Kabine Nr. 28 um 13.25 Uhr anbieten. Na geht doch! 20 Minuten vor der planmässigen Abfahrt sollen wir uns mit der schriftlichen Reservierung, die wir bekommen haben, am Schalter in der Mittelstation Lognan in Argentière einfinden. Damit können wir den Skitag ruhig angehen. Gute zwei Stunden sehen wir für Vallorcine und den Col de Balme vor, ehe wir dann gegen 12 Uhr an der Talstation in Argentière sein wollen.

Pistenplan: http://www.chamonix.com/plan-des-pistes … 84,fr.html

Von Vallorcine in Richtung Sonne

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Unterwegs mit der Kabinenbahn Vallorcine-Esserts, die 2004 eine Neuerschliessung darstellte. Sinn und Zweck der Bahn ist in erster Linie, Tagesgästen aus der Schweiz die Anfahrt über den Col des Montets zu ersparen, um gleich ins Skigebiet einsteigen zu können. Wie sich später herausstellen wird, taugt die Bahn ausschliesslich als Zubringer. Die Abfahrt ist nicht mehr als ein Skiweg mit einer nicht enden wollenden Zahl an Serpentinen.

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Die luftige Bergstation dieser modernen Anlage, die sich in Sachen Fahrkomfort nicht hinter der Konkurrenz verstecken muss.

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Schon einige Jahre mehr hat die Sesselbahn zum Tête de Balme auf dem Buckel, stammt aber ebenfalls aus dem Hause Poma. Auch sie stellte in den 90er Jahren eine Neuerschliessung dar und ist heute quasi die zweite Sektion ab Vallorcine. Erreichbar ist die von der Bergstation der Kabinenbahn über eine nette Waldabfahrt. Laut Schweizer Landeskarte gab es offenbar in diesem Bereich bereits vor der Sesselbahn Seilbahnanlagen, die allerdings nicht öffentlich waren.

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Nach über 600 überwundenen Höhenmetern baut sich kurz vor der Bergstation das Mont-Blanc-Massiv auf eindrückliche Weise vor uns auf.

Eindrückliches Panorama auf Mont Blanc und Co.

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Da ich aufgrund des spontanen Entschlusses, nach Vallorcine zu fahren, nicht genau weiss, welche Hersteller mich im Gebiet erwarten, ist meine Freude umso grösser, als ich auf dem Tête de Balme dieses moderne Montagner-Exemplar eines Stangenschleppers erblicke. Montagner, die mysteriöse Firma aus Allonzier, erstellte zwar während vielen Jahrzehnten Stangenschlepplifte, aber nur in geringer Stückzahl und weit verstreut in ganz Frankreich. Meine letzte Montagner-Fahrt dürfte inzwischen über 15 Jahre her sein. Damals an einem Übungslift in den Vogesen, der schon seit Jahren nicht mehr existiert.

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Doch vor lauter Freude über Montagner wollen wir die anderen Anlagen und das grandiose Panorama nicht vergessen. Richtung Norden bietet sich eine schöne Aussicht auf die Staumauer Emosson, …

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… doch der Blick ins Tal von Chamonix und auf das Mont-Blanc-Massiv ist nochmal eine Nummer grösser!

Taktische Besonderheiten auf dem Weg durch das Skigebiet

Wie schon zwei Tage zuvor in Les Mosses wollen wir uns zunächst zum „hintersten“ Punkt des Gebiets aufmachen, um dann je nach Zeit und Lust auf dem Rückweg die eine oder andere Anlage und Piste noch mitzunehmen. Dazu fahren wir über die noch hart gefrorene, aber genial zu fahrende „Piste des Solonges“ nach Charamillon. Dort endet der zweite Zubringer in das Skigebiet von Le Tour aus kommend. Diese sehr spezielle Bahn hatte ich bereits im Sommer 2011 an einem regnerischen Tag vom Tal aus fotografiert. Nun soll eine Fahrt mit ihr folgen.

Bekanntheit erlangte die Bahn nicht nur aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine der seltenen kuppelbaren Kabinenbahnen von Montaz Mautino handelt, sondern auch, weil sie Stützen des Vorgängers der französischen Firma Weber weiterverwendet. Weber erstellte hier eine Kabinenbahn mit Müller-Schraubklemmen, die wiederum eine Seitwärtssesselbahn mit gleichem Klemmentyp ersetzte. Auch die zweite Sektion war einst mit Seitwärtsesseln ausgerüstet und wurde erst 1992 durch die heutige Sesselbahn ersetzt.

Auf Charamillon angekommen sind wir dann aber doch erstaunt ob des Betriebs an der zweiten Sektion. An der Sesselbahn Autannes ergibt sich eine Wartezeit von geschätzten zwei bis drei Minuten. Da auch jede von unten kommende Kabine voll besetzt ist, entscheiden wir uns gegen eine Abfahrt nach Le Tour, um dort nicht womöglich in eine noch längere Warteschlange zu gelangen. Ein weiteres kultiges Exemplar von Montaz Mautino wird uns ohnehin noch am Nachmittag erwarten. So belasse ich es bei einigen Film- und Fotoaufnahmen der Kabinenbahn und wir machen uns auf zur Sesselbahn Autannes. Diese Doppelmayr-Anlage, ebenfalls ein Produkt aus den 90er Jahren, sieht zwar auf den ersten Blick bei weitem nicht so interessant aus wie die erste Sektion. Sie besitzt aber dennoch einige Besonderheiten, wie sich in den folgenden Minuten heraustellt.

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Kabinenbahn Le Tour-Charamillon mit den markanten Städeli-Klemmen und Fachwerkstützen des Vorgängers im Bildhintergrund.

Besonderheiten an der Sesselbahn Autannes

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Unterwegs in der Sesselbahn Autannes, einem Produkt von Doppelmayr bzw. Etudes de Transport (Doppelmayr France). Für eine kuppelbare Sesselbahn besitzt sie eine äusserst niedrige Fahrgeschwindigkeit. Markant sind auch die für den Seildurchmesser sehr breiten Rollen.

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Ebenfalls ungewohnt die Klemmen vom Typ ET106, mit denen ich in dieser Form noch nie gefahren bin. Aufgrund des Verbots von bistabilen Klemmen in Frankreich setzte Doppelmayr wie bei Bahnen unter der Marke Etudes de Transport üblich auf monostabile offenliegende Spiralfederklemmen.

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Von der Bergstation Autannes ergibt sich dieser Ausblick.

Zurück zu den Wurzeln am Schlepplift Arve

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Nächster an der Reihe ist der Skilift Arve, eine 100% redundante Anlage aus dem Hause Poma. Ursprünglich als Entlastung für die zweite Sektion Seitwärtssesselbahn gebaut, erfreut er sich auch heute noch grosser Beliebtheit. Die Talstation ist der Bauweise nach nicht mehr das Original aus den frühen 60er Jahren. Hier dürfte einst eine Fachwerkstation gestanden sein. Die Stangen scheinen in den letzten 50 Jahren jedoch nicht gewartet worden zu sein. Beim Einkuppeln ins Seil werde ich unsanft einen Meter durch die Luft gewirbelt. Im Hintergrund dreht übrigens der Skilift Aiguillette seine Runden, zu dem wir später noch fahren wollen.

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Auch am Skilift Arve finden wir trotz der gut ausgelasteten Bahnen völlig leere Pisten an. Das Verhältnis zwischen Lift- und Pistenkapazität ist am Col de Balme sehr ausgewogen.

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Als nächstes wollen wir dem Schlepplift Col einen Besuch abstatten, eine weitere Anlage aus dem Hause Poma. Wegen eines technischen Defekts ist dieser Rückbringer Richtung Tête de Balme jedoch zur Zeit nicht in Betrieb, sodass wir uns noch einmal zur Sesselbahn Autannes aufmachen. An deren Talstation ist die Schlange inzwischen etwas kleiner geworden.

Zurück zum Tête de Balme

Kurz nach dem Ausfahren aus der Talstation hält auch die Sesselbahn Autannes mit einem abrupten Halt an. Es vergehen mehr als fünf Minuten, bis sie sich langsam wieder in Bewegung setzt. Und mit langsam ist auch wirklich langsam gemeint. Weitere fünf Minuten bewegt sie sich im Schritttempo vorwärts, ehe sie endlich auf die normale Geschwindigkeit beschleunigt. An der Bergstation spielt sich das gleiche Spiel erneut ab. Wieder gibt es einen Nothalt nachdem ein Skifahrer gestürzt ist und wieder fährt die Bahn im Anschluss minutenlang im Schritttempo. Normalität hier? Wir erfahren es nicht, da wir als nächstes zum Schlepplift Aiguillette aufbrechen, um dann im Anschluss via Plan des Reines zum Tête de Balme zurückzukehren.

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Der Schlepplift Aiguillette in der Totalen. Wie sein Pendant am Plan des Reines handelt es sich hierbei um eine Montagner-Konstruktion aus den 90er Jahren und damit um eines der letzten Exemplare aus Allonzier.

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Während der Fahrt geniessen wir wieder das geniale Panorama auf den Glacier d’Argentière. Unten links Charamillon, am rechten Bildrand ist das Skiareal von Argentière zu erkennen, unser Nachmittagsziel.

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An der Bergstation des Skilifts Aiguillette bietet sich dieser Blick auf das weitläufige Skiareal am Col de Balme.

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Auch auf Argentière hat man eine gute Sicht. Links oben ist bei genauem Hinsehen die Bergstation der Seilbahn auf die Aiguille des Grands Montets zu erkennen. Der Rest des Skigebiets ist schnell beschrieben. Alles, was sich unterhalb dieser Höhenlinie befindet, ist Skiareal, das von verschiedenen anderen Anlagen zusätzlich erschlossen wird. Das macht Lust auf mehr!

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Unterwegs im Skilift Plan des Reines vor seinen beiden Kurven am Tête de Balme. Auch er ist als „Téléski difficile“ ausgezeichnet. Im Vergleich zum Ovronnaz am Vortag ein schlechter Witz ;) .

Wenig lohnende Abfahrt nach Vallorcine

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Über eine zunächst anspruchsvolle Abfahrt am Tête de Balme geht es anschliessend durch den Wald zurück nach Vallorcine. Was auf dem Pistenplan nach einer interessanten Abfahrt aussieht, entpuppt sich als äusserst langweiligen Skiweg mit konstanter Neigung und einer Serpentine nach der anderen. Für einmal am Tag okay, Wiederholungsfahrten wird man hier aber kaum machen.

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Mit einem letzten Foto lassen wir die Bahnen in Vallorcine hinter uns und widmen uns fortan dem eigentlichen Ziel des Tages, Argentière und Grands Montets.

Zurück am Auto werden die Skischuhe schnell gegen die normalen Halbschuhe gewechselt. In Windeseile geht es über den Col des Montets und hinab nach Argentière. Noch während der Fahrt können wir ein erstes Fazit über das Skigebiet am Col de Balme ziehen. Trotz der wenigen Anlagen wird ein sehr weitläufiges Areal erschlossen, das dank sehr unterschiedlicher Hangneigungen abwechlungsreich und interessant erscheint. Insbesondere im Bereich Vallorcine werden grossen Höhendifferenzen ermöglicht. Auch das Verhältnis zwischen Lift- und Pistenkapazität ist dank der vielen Abfahrten wie angesprochen sehr ausgewogen. Wenngleich eine etwas steilere Abfahrt dem Gebiet nicht schaden würde. Zum Genussskifahren wie an diesem Vormittag sind die Gebietsgrösse und die angebotenen Pisten aber absolut ideal und stellen eine willkommene Ergänzung zu den restlichen, eher freeridelastigen und anspruchsvolleren Hängen rund um Chamonix dar.

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