Alagna – Lost Place und Seilbahngeschichte am Monte Rosa

Karge Landschaften, weite Blicke und die letzten Überreste des einst so ewigen Eises. Die Gegend südlich des Monte Rosa kommt unwirtlich daher. Und doch übt sie bereits seit Jahrhunderten eine Faszination auf Bergsteiger, Wanderer, Skifahrer und Touristen aus. Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts sind die Felsriegel und Geröllhalden bis in eine Höhe von über 3200 Meter über dem Meer auch per Seilbahn bequem zugänglich. Eine Erschliessung, die lange Jahre sogar ein Sommerskigebiet umfasst. An die Stelle der einstigen Pionieranlagen sind heute längst andere Konstruktionen getreten. Nicht weniger beeindruckend, und doch lässt sich auch in Norditalien konstatieren. Nichts ist beständiger als der Wandel. Dieser Beitrag begibt sich auf die Spuren der Anfänge der touristischen Nutzung seilgezogener Aufstiegshilfen. Und widmet sich auch dem, was rund sieben Jahrzehnte später daraus geworden ist.

Dorfzentrum von Alagna

Dorfzentrum von Alagna

Walserdorf Alagna am Ende des Valsesia

Die Reise startet an der Talstation einer Kabinenbahn im Dorf Alagna am Ende des Valsesia. Die Ortschaft im nördlichen Piemont wird im 13. und 14. Jahrhundert von Walsern besiedelt, deren typische Bauten im Dorfkern auch heute noch bestaunt werden können. Zwischen den letzten auf Hauswänden eingravierten alemannischen Texten domiert heute aber längst der Tourismus. Und so ist auch die Seilbahn nach Pianalunga eine leistungsfähige Aufstiegshilfe in ein Skigebiet, das sich hoch über den Häusern von Alagna bis in die Nachbartäler von Gressoney und Champoluc im Aostatal erstreckt.

Erbaut wird die Seilbahn im Jahr 2000 vom Südtiroler Hersteller Agamatic. Das Unternehmen ist zu diesem Zeitpunkt ein etablierter Experte für kuppelbare Umlaufbahnen in Italien, sodass die Technik der Anlage zunächst nichts Aussergewöhnliches ist. Ein Blick auf die technischen Daten verrät dann aber recht schnell, dass die Bahn aus der Masse heraussticht. Fast drei Kilometer beträgt die Distanz zwischen den beiden Stationen am Ortsrand von Alagna und der Hochebene Pianalunga. Rund 850 Höhenmeter überwinden die Kabinen bei einer Fahrt und dringen bis in 2050 Meter über dem Meer vor. Die Strecke ist dabei abwechslungsreich und gekennzeichnet von mehreren starken Gefällsbrüchen.

Kabinenbahn Alagna-Pianalunga

Auf die Hochebene Pianalunga

Auf Pianalunga angekommen werden die Fahrgäste von der Antriebsstation begrüsst, hinter der sich die weitgehend unterirdische Garagierungshalle befindet. In Alagna ist man sich der Schönheit der Landschaft bewusst und versucht diese so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Übergrosse und auffallende Gebäude wie in anderen grossen Skigebieten sucht man daher vergeblich. Die Kompaktstation der Agamatic-Seilbahn stellt die einzige Ausnahme in der sonst stimmigen Architektur auf Pianalunga dar.

Zwischen den unzähligen Stützen der Seilbahn sind unterwegs auch immer wieder Zeitzeugen der weit verstreuten Walsersiedlung Alagna zu entdecken. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten sind es aber die Schneilanzen entlang der Talabfahrt, die sich nicht so wirklich in das Gesamtbild einfügen möchten. Aber ohne geht es selbst in diesem verschlafenen Dorf nicht mehr, wo ansonsten die Zeit stehen geblieben scheint. Und so stellt auch die moderne Zubringerbahn in das Skigebiet lange Jahre eine Ausnahme dar. Sie ist die erste Errungenschaft eines neuen Stils, dem man sich in Alagna zu Beginn des neuen Jahrtausends verschreibt. Durch den Zusammenschluss mit dem benachbarten Gressoney zu grossen Monte-Rosa-Skiarena folgt eine Abkehr vom Freeride-Paradies, für das Alagna während Jahrzehnten mit seinem Namen steht. Die Kabinenbahn auf der ersten Teilstrecke ist mit ihrer Förderleistung von 1400 Personen pro Stunde und einer Fahrgeschwindigkeit von 5 m/s das Spiegelbild einer Entwicklung hin zu einem massentauglichen Grossskigebiet.

Kabinenbahn Alagna-Pianalunga

Zum Zeitpunkt der Eröffnung der Kabinenbahn im Jahr 2000 existiert die Verbindung zwischen Alagna und Gressoney per Seilbahn aber nur in den Köpfen der Planer. Realität wird sie erst vier Jahre später mit dem Bau einer direkten Aufstiegshilfe von Pianalunga zum Passo dei Salati als zweite Sektion der Seilbahnkette von Alagna. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Wechsel zwischen den beiden Talschaften nur über abgelegene Freeride-Routen möglich.

Funifor-Neuheit als Verbindung zwischen Alagna und Gressoney

Der Bau der Seilbahn zum Passo dei Salati ist aber auch aus seilbahnhistorischer Sicht ein ganz besonderer. Noch heute ist die gewöhnungsbedürftige Optik der Seilbahn ein Indiz dafür. In Alagna entsteht 2004 das erst zweite sogenannte Funifor der Welt. Das System ist angelehnt an eine klassische Pendelbahn mit zwei Kabinen, weist im Detail aber weitreichende Unterschiede auf. Bereits auf den ersten Blick sticht der grosse Abstand der Tragseile auf den beiden Fahrspuren ins Auge. Das Funifor zeichnet sich dadurch aus, dass die Distanz der Tragseile die Breite der Kabine übersteigt, wodurch das System eine viel bessere Windstabilität aufweist als eine klassische Pendelbahn. Wohl auch deshalb ist die begriffliche Nähe zu dem Funitel-System aus den 90er Jahren, das sich ebenfalls durch den grossen horizontalen Abstand zweier Seile charakterisiert, nicht ganz überraschend.

Der weitaus grössere Unterschied zur klassischen Pendelbahn besteht beim Funifor aber darin, dass es sich um zwei voneinander unabhängige Fahrspuren handelt. Die Kabinen sind also nicht mit dem gleichen Zugseilstrang verbunden, sondern besitzen jeweils einen eigenen Antrieb. Dadurch kann bei geringem Andrang auch nur mit einer Kabine gefahren werden, noch dazu ermöglicht die Redundanz einen Verzicht auf eine dedizierte Bergebahn im Fall einer Panne. Im Notfall kann die zweite Kabine der anderen zu Hilfe eilen. Im schroffen Gelände der Bahn in Alagna keine schlechte Idee.

Funifor von Doppelmayr zum Passo dei Salati

Von Südtirol ins Piemont

Stichwort Strecke, das Funifor in Alagna zeichnet sich durch zwei sehr unterschiedliche Abschnitte aus. Die erste Streckenhälfte ist mit ihrem Bodenabstand und einem langen Spannfeld überaus spektakulär. Ist die Hochebene Cimalegna einmal erreicht, wird das Gelände deutlich sanfter und skitauglicher. Aufgrund dieser Gegebenheiten stattet man das Funifor auch mit einer Zwischenstation an der dritten Stütze aus. Der Hauptgrund für die Entscheidung zum Einsatz des Funifor-Systems, denn dank der voneinander unabhängigen Fahrspuren können die Zwischenhalte auf der Strecke bedarfsgesteuert erfolgen und dementsprechend minimiert werden. Seit dem Jahr 2017 hat die Zwischenstation jedoch insofern an Bedeutung verloren, als dass der Bereich seither redundant von einer deutlich leistungsfähigeren kuppelbaren Sesselbahn erschlossen ist.

Funifor von Doppelmayr zum Passo dei Salati

Funifor von Doppelmayr zum Passo dei Salati

Dem Funifor kommt als Zubringer und Beschäftigungsanlage aber ebenfalls eine strategisch wichtige Bedeutung zu. Nach dem im Jahr 2000 am Stilfser Joch durch den Erfinder Hölzl eröffneten Prototyp ist die Anlage vier Jahre später die erste mit Zwischenstützen. Konstruiert wird sie damals bereits unter dem Namen Doppelmayr. Der Vorarlberger Seilbahnriese, der zuvor gemeinsam mit Hölzl den Umlaufbahn-Spezialisten Agamatic in Norditalien etabliert, übernimmt 2002 auch den Südtiroler Seilbahnpionier und fusioniert die beiden Firmen zur neuen Tochter Doppelmayr Italia.

Der Standort in Lana bleibt der Funifor-Technologie daraufhin treu. Und so entstehen in der Folge nicht nur in Italien, sondern auch im angrenzenden Ausland mehrere dieser besonderen Seilbahnen. Das Exemplar in Alagna ist mit einer Streckenlänge von über 3,1 Kilometern, einer Höhendifferenz von 930 Metern und einer Förderleistung von 800 Personen pro Stunde aber bis heute eines der herausragendsten überhaupt. Die Fahrt über die Felskante und das anschliessende lange Spannfeld bis Pianalunga sorgt auch zwei Jahrzehnte später immer noch für Nervenkitzel.

Panorama vom Passo dei Salati

Vom Passo dei Salati weiter hinauf

Ganz abgesehen von der Trassierung besticht das Funifor zum Passo dei Salati aber vor allem mit seiner grossen Wichtigkeit für das Skigebiet Monte Rosa. Nur wenige Meter von der Bergstation entfernt befindet sich jene der Kabinenbahn, die die Passhöhe von Seiten Gressoneys erklimmt. Dem Design der Bergstation ist unverkennbar zu entnehmen, dass es sich dabei um die ältere der beiden Bahnen handelt. Ein typisches Exemplar von Leitner mit Stehkabinen, das hier im Jahr 1989 den Betrieb aufnimmt. Erst durch den Bau dieser Anlage ist es möglich, von Gressoney aus per Skiroute ohne zwischenzeitlichen Aufstieg nach Alagna abzufahren. Die Vorgänger-Sesselbahn endet bis dahin nämlich ein gutes Stück unterhalb der Passhöhe. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Pass mit seinen knapp 3000 Metern über dem Meer für andere ein perfekter Beobachtungsposten.

Kabinenbahn von Gressoney am Passo dei Salati

Steinwild am Passo dei Salati

Doch trotz der immensen Höhe über dem Meeresspiegel ist auf dem Passo dei Salati noch nicht Endstation in Sachen Seilbahnen und Skigebiet. Seit dem Jahr 2009 geht es mit einer zusätzlichen Funifor-Sektion noch einmal weitere 315 Höhenmeter nach oben. Die Anlage zur Punta Indren mit ihren beiden 70-plätzigen Kabinen ist in jeder Hinsicht ein gutes Stück kleiner als das fünf Jahre ältere Funifor zum Passo dei Salati. Sie besitzt nur eine einzige Zwischenstütze auf der knapp 1,6 Kilometern langen Strecke und kommt auch sonst eher spartanisch daher. Die Trassierung durch das schroffe Gelände, das mit seinen Geröllhalden einer Mondlandschaft ähnelt, ist aber nicht weniger beeindruckend.

Funifor zur Punta Indren

Mit jedem Meter, den die Bergstation näher rückt, nehmen auch die Gletscher unterhalb der 4200 Meter hohen Vincentpyramide immer mehr Raum im Blickfeld ein. Einst sieht die Planung vor, hier eine Seilbahn bis zur Cresta Rossa in 3600 Metern über dem Meer zu konstruieren. Sogar die Bauseilbahn für den Transport des erforderlichen Materials steht schon, doch Realität wird das Projekt letztlich nie. Stattdessen nimmt das Funifor den Betrieb auf und erreicht damit einen nicht ganz unbekannten Ort.

Denn erschlossen ist dieses Gelände im Bereich der Punta Indren schon viele Jahrzehnte zuvor per Seilbahn. Allerdings auf ganz anderem Weg. Damals erfreut sich der Indrengletscher sogar mehrerer Schlepplifte, die den Gästen auch Skivergnügen während der Sommermonate ermöglichen. An die vergangenen Zeiten erinnert heute nichts mehr. Längst sind die Schlepplifte verschwunden, und auch der einstige Gletscher ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst.

Funifor zur Punta Indren

Funifor zur Punta Indren

Indrengletscher als Teil des ehemaligen Sommerskigebiets am Monte Rosa

Karge Landschaft im Monte-Rosa-Massiv

Die Bergstation des Funifors wirkt in der leblosen Landschaft daher fast etwas verloren. Im Sommer wird sie abgesehen von aussichtshungrigen Tagesgästen vor allem von Bergsteigern genutzt, die mit der Seilbahn den Weg zu den etwas weiter oberhalb gelegenen Rifugios abkürzen. Im Winter ist die Bahn dagegen vor allem Zubringer zu mehreren Skirouten, die hinab in Richtung Gressoney führen. Zumindest ein wenig hält die Bahn damit die lange Tradition von Alagna als Freeride-Destination weiter aufrecht.

Doch der Standort der Bergstation erlaubt es heute nicht mehr, von dort ohne zusätzlichen Aufstieg in Richtung Alagna abzufahren. Die Trassierung der Anlage ist eine ganz andere als zum Zeitpunkt der Ersterschliessung dieses Geländes in den 60er Jahren. Eine Wiederherstellung des Status Quo ist zwar seit Jahren in der Diskussion. Doch sie würde grössere Investitionen erfordern, als es zunächst erscheinen mag. Ob und wann die legendären Freeride-Abfahrten von der Punta Indren auf piemontesischer Seite in Richtung Alpe Balma und Alagna wieder bequem erreichbar sein werden, steht daher in den Sternen.

Für die meisten Skigäste und Bergsteiger ist das neue Funifor dagegen eine adäquate Aufstiegshilfe. Und auch für Seilbahnnostalgiker bringt die neue Linienwahl Vorteile mit sich. Denn jenseits des Passo dei Salati warten noch heute die verborgenen Geheimnisse des alten Alagna. Die seit Jahrzehnten unberührten Relikte von jenem Alagna, das sich schon in den 40er Jahren mit der ersten modernen kuppelbaren Kabinenbahn Italiens einen Namen machen kann und mit der Eröffnung der Seilbahnen zur Punta Indren zwei Jahrzehnte später in die oberste Ski- und Seilbahnliga der Welt aufsteigt.

Ehemalige Bergstation der Seilbahn Punta Indren

Die Relikte des alten Alagna

Abseits der ausgetretenen Wege und für die meisten Touristen unsichtbar erinnern auch heute noch Relikte an längst vergangene Zeiten. 600 Höhenmeter oberhalb des Dorfzentrums von Alagna trifft man auf die Überreste einer Seilbahn, die den Tourismus in den Alpen revolutioniert und für immer verändert. 1949 nimmt an dieser Stelle die erste kuppelbare Kleinkabinenumlaufbahn Italiens den Betrieb auf. Ein Prototyp des piemontesischen Unternehmens Carlevaro e Savio, das hier erstmalig seine eigens entwickelte Kuppelklemme einsetzt. Anders als in der benachbarten Schweiz setzen die Konstrukteure nicht auf die Gravitation zur Aufbringung der Klemmkraft, sondern auf eine Feder. Ein Prinzip, das noch heute im Seilbahnbau allgegenwärtig ist. Wenige Relikte in exponierter Lage hoch über Alagna erinnern noch heute an die Ursprünge dieser Technologie.

Kabine der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere

Aufstieg durch den Wald zum Belvedere

Valle d'Otro

Letzte Stützen der Kabinenbahn Alagna-Belvedere

Ausblick vom Belvedere auf den Talschluss des Valsesia

Ehemalige Bergstation der Kabinenbahn Alagna-Belvedere

Ehemalige Bergstation der Kabinenbahn Alagna-Belvedere

Letzte Stützen der Kabinenbahn Alagna-Belvedere

Nicht umsonst trägt der Ort mit seiner schönen Aussicht auf das Tal den Namen Belvedere. Auch ein Hotel neben der Bergstation empfängt hier einst die Gäste, ein Kabinenabsturz mit tödlichem Ausgang sorgt in den 70er Jahren aber für ein abruptes Ende der Seilbahn und der restlichen Infrastruktur. Nach dem Unglück werden sich die Rollen der Kabinenbahn nie mehr drehen. Und auch die in den 50er Jahren rund um das Belvedere ergänzten Beschäftigungsanlagen für die Skisportler gehen in der Folge nie mehr in Betrieb. Eine steile Einersesselbahn erschliesst auf der Rückseite einige anspruchsvolle Abfahrten mit Blick auf das Valle d’Otro. Auch bei dieser Anlage handelt es sich um einen Prototyp. Es ist 1951 die erste solche Konstruktion der Gebrüder Marchisio, die in der Folge zu einem der bedeutendsten italienischen Seilbahnhersteller heranwachsen.

Überreste der Sesselbahn am Belvedere

Überreste der Sesselbahn am Belvedere

Überreste der Sesselbahn am Belvedere

Überreste der Sesselbahn am Belvedere

Überreste der Sesselbahn am Belvedere

Spuren am Belvedere

Nicht weit davon entfernt entsteht im Jahr darauf aus der Feder Marchisios auch noch ein kleiner Übungslift für die weniger geübten Wintersportler. Auch von ihm haben über ein halbes Jahrhundert nach seiner Stilllegung nur Fragmente überdauert. Es braucht schon ein wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie lebendig es hier einst auf den Skipisten zu und hergeht. Doch die Aura dieses Ortes hat auch heute noch etwas Magisches. Und die Schlepplift-Talstation ist ihrerseits ein Relikt, das an die längst vergangenen Zeiten erinnert.

Relikte des Schlepplifts von Marchisio am Belvedere

Relikte des Schlepplifts von Marchisio am Belvedere

Relikte des Schlepplifts von Marchisio am Belvedere

Pionierarbeit zwischen Alagna und der Punta Indren

Der Wegfall des Skigebiets am Belvedere ist aus touristischer Sicht für Alagna verkraftbar. In den 70er Jahren spielt sich der Skisport ohnehin bereits überwiegend an einem anderen Ort ab. Weit oberhalb des Belvedere ist auch heute noch eine Sesselbahn auf der Hochebene Pianalunga für Skifahrer in Betrieb. Doch im Hintergrund erinnert ein monumentales Gebäude daran, dass auch an diesem Ort einst noch etwas viel Grösseres geschaffen wird. Zahlreiche Relikte lassen den Blick durch die Landschaft schweifen, bis weit entfernt an einem Felsgrat in 3200 Metern über dem Meer ein Gebäude auftaucht. Die sagenumwobene Bergstation der Seilbahn zur Punta Indren.

Sesselbahn zur Bocchetta delle Pisse

Sesselbahn zur Bocchetta delle Pisse

Lost Place Seilbahn-Station Bocchetta delle Pisse im Gebirge

Lost Place Seilbahn-Station Bocchetta delle Pisse im Gebirge

Es ist die oberste Sektion einer Seilbahnkette, die ab der ersten Hälfte der 60er Jahre von Alagna aus in drei Teilabschnitten rund 2000 Meter Höhendifferenz überwindet. Ein Pionierprojekt, das später in den ganzen Alpen Nachahmer findet. Während die ersten beiden Sektionen bereits im Jahr 2000 auf neuer Trasse Nachfolgern Platz machen, bleibt die dritte und spektakulärste Bahn des namhaften Herstellers Ceretti e Tanfani noch sieben weitere Jahre in Betrieb. Ihre Überreste sind auch knapp zwei Jahrzehnte später auf der Station Bocchetta delle Pisse allgegenwärtig. Der Aufgang zum Perron, der Anstehbereich, in dem während Jahrzehnten unzählige Begegnungen zwischen begeisterten Wintersportlern stattgefunden haben, ja sogar die Kabinen und Laufwerke sind noch erhalten. Sehnsüchtig fällt der Blick auf die einst über drei Kilometer lange Strecke durch ein völlig unberührtes Hochtal. Doch die Seilenden hängen regungslos von der Decke der Station herab, der Kommandoraum ist verwaist und die Werkbänke liegen brach.

Treppenaufgang zur Station der Seilbahn Punta Indren

Treppenaufgang zur Station der Seilbahn Punta Indren

Aussicht von der Station Bocchetta delle Pisse

Ehemaliger Wartebereich in der Station der Seilbahn Punta Indren

Blick aus der Seilbahn-Station zur Punta Indren

Kabine und Laufwerk der Pendelbahn zur Punta Indren in Alagna

Seilbahn-Station Bocchetta delle Pisse

Kommandoraum der stillgelegten Seilbahn Punta Indren in Alagna

Seilbahn zum Sommerski am Monte Rosa

Alagna ist während Jahrzehnten ein Paradies für Freerider und widersetzt sich dem allgegenwärtigen Drang zum Massentourismus. Die altertümlichen Anlagen tragen ihren Teil zum einmaligen Charme des abgelegenen Dorfs am nördlichen Ende des Valsesia bei. Und auch wenn sich Alagna mit seinen aktuellen Anlagen, die Gegenstand des ersten Teils dieser Dokumentation sind, einem neuen Stil verschrieben hat, so erinnert der Antriebsraum der alten Funivia Punta Indren auch heute noch an die vergangenen Zeiten. Es wirkt fast so, als müsste man das Dieselaggregat nur wieder starten, um zum Gipfel und dem ehemaligen Sommerskigebiet zu schweben. Doch die Hänge unterhalb des Monte Rosa sind mittlerweile auf anderem Weg schneller und effizienter erreichbar.

Antrieb der Seilbahn Punta Indren in Alagna

Antrieb der Seilbahn Punta Indren in Alagna

Dieselantrieb Seilbahn Punta Indren

Dieselantrieb Seilbahn Punta Indren

Dieselantrieb Seilbahn Punta Indren

Ehemalige Toiletten Lost Place in Alagna

Die einstige Abfahrt entlang der mystischen dritten Sektion Pendelbahn zur Punta Indren ist dagegen heute nicht mehr befahrbar. Grund dafür ist nicht zuletzt, dass der Rückbringer vom Ende der Abfahrt zur Station Bocchetta delle Pisse den Betrieb ebenfalls schon vor vielen Jahren eingestellt hat. Nicht nur in Alagna geniesst der Balma-Korblift auch heute noch Legenden-Status. Er entsteht als Ergänzung zu den grossen Luftseilbahnen, um die Bocchetta von der Rückseite aus zu erschliessen. Eine Anlage, die in exponiertem Gelände zum Stehen kommt und dafür Tribut zollen muss. Mitte der 80er Jahre zerstört eine Lawine die Talstation. Der Lift wird daraufhin wieder aufgebaut, diesmal mit einem lawinensicheren Betonbunker auf der Alpe Balma und einem langen Spannfeld, dessen Bodenabstand jenseits jedes heutigen Vorstellungsvermögens liegt.

Seilbahn-Ruine an der Bocchetta delle Pisse

Stillgelegter Balma-Korblift

Stillgelegter Balma-Korblift

Stillgelegter Balma-Korblift

Stillgelegter Balma-Korblift

Balma – Die Legende unter den Korbliften

Auch der Balma-Korblift erinnert nach wie vor als stummer Zeitzeuge an jene Jahre, als es rund um die Bocchetta delle Pisse noch deutlich lebhafter zu und her geht als heute. Gewiss, die nach wie vor existente Zweiersesselbahn verbindet Pianalunga und damit die aktuellen Aufstiegshilfen von Alagna mit diesem Ort. Doch sie hält einen gehörigen Sicherheitsabstand ein zu den von der Station gut behüteten Geheimnissen des alten Alagna. Rostige Klemmen, ein ungenutztes Antriebsrad und die Körbe des Balma-Lifts erzählen eine Geschichte, die vielen Besuchern des aktuellen Skigebiets verborgen bleibt. Die Geschichte, wie Alagna die Seilbahnwelt nach dem Zweiten Weltkrieg für immer verändert.

Antriebsscheibe des Balma-Korblifts

Relikte Balma-Korblift in Alagna

Schreibe einen Kommentar

Sicherheitsabfrage *