Die Bocksberg-Seilbahn – Norddeutscher PHB-Klassiker

Norddeutschland ist nicht unbedingt für hohe Gipfel und tiefe Täler bekannt. Weitläufige und flache Heiden prägen das Landschaftsbild genauso wie zahlreiche kleinere und größere Seen. Eine Ausnahme bildet das nördlichste deutsche Mittelgebirge, der Harz. Der Gebirgszug liegt im  Dreiländereck zwischen Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt und erstreckt sich mit dem höchsten Gipfel, dem Brocken, bis in eine Höhe von 1141 Meter. Die ausgedehnten Wälder, zahlreiche Wasserfälle und Seen locken seit jeher Wanderer und Erholungssuchende in den Harz. Im Nationalpark Harz und in drei weiteren Naturparks beheimatet das Gebirge eine artenreiche Flora und Fauna.

Mit zahlreichen größeren Städten wie Göttingen, Braunschweig oder Goslar in der näheren Umgebung besitzt der Harz ein großes Einzugsgebiet. So ist es wenig erstaunlich, dass bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten touristischen Attraktionen im Harz entstehen. Ab 1898 führt eine Eisenbahn auf den Gipfel des Brocken. Die erste Luftseilbahn im Harz nimmt 1929 den Betrieb auf. Die Pendelbahn von Bad Harzburg auf den Burgberg ist ein Produkt der Leipziger Firma Bleichert. Der Zweite Weltkrieg und die nachfolgende deutsche Teilung beeinflussen den Tourismus im Harz in der Folge jedoch erheblich. Die Grenze verläuft fortan mitten durch das Gebirge. Da der Brocken im Sperrgebiet der DDR liegt, ist er nach der Schließung der innerdeutschen Grenze Mitte 1961 für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.

Erschließung neuer Aussichtsgipfel im Harz

Auf westdeutscher Seite erfolgt daher die Erschließung neuer Aussichtsgipfel. Ab 1963 ist der Wurmberg per Seilbahn zugänglich und bietet nicht nur ein Panorama auf die umliegenden Gipfel, sondern auch auf die Schneise der innerdeutschen Grenze, die sich nur einen Steinwurf entfernt befindet. Sieben Jahre später entsteht einige Dutzend Kilometer weiter nördlich eine weitere Ausflugsbahn mit einem kleinen Skigebiet. Der Bocksberg oberhalb der Ortschaft Hahnenklee ist seither mit einer kuppelbaren Kabinenbahn erreichbar.

Wenig erstaunlich ist es die Firma Pohlig-Heckel-Bleichert, die den Auftrag zum Bau der Seilbahn erhält. PHB kann zu diesem Zeitpunkt bereits mit einem umfangreichen Portfolio an Seilbahnen werben. Durch den Erwerb einer Lizenz des Kuppelsystems der Schweizer Firma Giovanola konnte bereits die Vorgängerfirma Pohlig zahlreiche kuppelbare Kleinkabinenbahnen auf dem Gebiet der Bundesrepublik erstellen. Die Bocksbergbahn ist jedoch die erste, die 1970 mit vierplätzigen Kabinen ausgestattet werden soll. Dazu setzt PHB erstmalig die Giovanolaklemme vom Typ 2 ein. Eine Doppelklemme, die aber wie das ältere Modell wieder ausschließlich die Gravitation zur Erzeugung der Klemmkraft nutzt. Die Bahn soll erst der Auftakt zu einer ganzen Serie sein. In den darauffolgenden Jahren entstehen nahezu baugleiche Bahnen in Bad Dürkheim, am Spitzingsee und am Hochgrat.

Mit der Seilbahn von Hahnenklee auf den Bocksberg

Genau wie diese zeichnet sich auch die Anlage am Bocksberg durch ihre massive und langlebige Konstruktion aus. Entsprechend ist die Kabinenbahn bis heute weitgehend im Originalzustand erhalten. Die Bahn läuft mit Förderern und Türöffnern in den Stationen vollautomatisch, der Fahrkomfort ist auch heute noch sehr hoch. Auf einer Streckenlänge von 1,1 Kilometern überwinden die bunten Kabinen 166 Höhenmeter, bevor die Bergstation erreicht ist. Hier, in 726 Metern über dem Meer, befindet sich die Gewichtsabspannung des Förderseils, angetrieben wird die Bahn vom Tal aus. Seit 2014 hat die Bocksbergbahn übrigens noch einen Begleiter. Eine parallele Sesselbahn der Firma Bartholet entlastet die Kabinenbahn und stellt sowohl für Skifahrer im Winter als auch für Biker im Sommer eine Alternative dar.

Mit ihrem recht flachen und unspektakulären Verlauf kann sich die Bocksbergbahn natürlich nicht mit Seilbahnen in den Alpen messen. Als Zubringer zu einem Gipfel mit vielen Attraktionen und einem sehenswerten Panorama auf die umliegenden Berge ist sie aber einen Besuch wert. Und nicht zuletzt natürlich auch deswegen, weil sie als eine der typischen PHB-Seilbahnen ein besonderes Zeitdokument der deutschen Seilbahngeschichte ist.

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