Die nostalgische Waldecker Bergbahn am Edersee

Mitten im Herzen Deutschlands, am nördlichen Rand des Landes Hessen, liegt der Naturpark Kellerwald-Edersee. Ein Teil des Parks unterliegt seit 2004  als Nationalpark besonderem Schutz und beheimatet eine artenreiche Flora und Fauna. Sein Name leitet sich von einem der größten Stauseen Deutschlands ab. Der Edersee wird seit 1914 durch die Edertalsperre aufgestaut und bildet heute ein großflächiges Freizeitgebiet. Segeln, Rudern, Angeln und Tauchen zählen zu beliebten Aktivitäten, aber auch zahlreiche Ausflugsschiffe verkehren auf dem See.

Rund 300 Meter vom Ederseeufer entfernt trifft man auf die Waldecker Bergbahn. Sie verbindet den Edersee mit einer weiteren Attraktion, dem Schloss Waldeck. Die Festung wurde im Jahre 1120 erstmalig urkundlich erwähnt und während der folgenden Jahrhunderte mehrfach umfassend erneuert und erweitert. Heute befindet sich in der Anlage ein Museum. Aber auch die Aussicht auf den tief unter ihr liegenden Edersee und den Kellerwald macht sie zu einem beliebten Touristenmagnet.

Seilbahnen in der Nachkriegszeit

Aufgrund der Lage ist der Weg vom See zum hoch über ihm trohnenden Schloss beschwerlich. So ist es nicht verwunderlich, dass man sich in Waldeck bereits zu Beginn der 1960er Jahre mit dem Bau einer bequemen Verbindung befasst. Seilbahnen sind zu diesem Zeitpunkt für den Ski- und Sommertourismus vorwiegend im Gebirge anzutreffen.

Doch auch in zahlreichen deutschen Städten haben seilgezogene Anlagen als Aufstiegshilfen zu Aussichtspunkten oder in Parks Einzug gefunden. Speziell entlang des Rheins finden sich ab den 50er Jahren zahlreiche solche Beispiele.

Der traditionsreiche Seilbahnhersteller Pohlig

Einer der aktivsten Hersteller in der Bundesrepublik ist zu diesem Zeitpunkt die Kölner Firma Pohlig. Das Traditionsunternehmen ist bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts im Seilbahnbau tätig und hat Materialseilbahnen zum Rohstoffabbau in die ganze Welt geliefert. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzt die Firma die etablierte Technik der kuppelbaren Zweiseilumlaufbahn auch bei Personenseilbahnen ein. Anfang der 50er Jahre entstehen in Rottach-Egern und am Spitzingsee zwei solche Bahnen auf deutschem Boden.

Die Zweiseil-Technik erweist sich für viele Standorte aber als überdimensioniert und zu teuer. Aus diesem Grund erwirbt Pohlig eine Lizenz des Schweizer Unternehmens Giovanola zum Bau von Einseilumlaufbahnen mit automatischer Kuppelklemme. Das System der Firma Giovanola zählt während der folgenden Jahrzehnte zu den am meisten gebauten Kuppelsystemen weltweit. Die erste Anlage von Pohlig mit diesem System entsteht 1954 in Rüdesheim am Rhein, zwei Jahre später folgt ein weiteres Exemplar von Garmisch-Partenkirchen zum Eckbauer. 1957 erfolgt der Bau einer weitgehend baugleichen Anlage zur Bundesgartenschau in Köln, 1959 schließlich auch in Dortmund. Zum Einsatz kommen jeweils halboffene Kleinkabinen für zwei Personen.

Die Waldecker Bergbahn – Ein lebendiges Stück Seilbahngeschichte

1961 rücken die Baumaschinen dann für die Waldecker Bergbahn am Edersee an. Unweit des Seeufers wird die Talstation platziert, von wo aus die Strecke zunächst durch den Wald ansteigt. Gegen Ende wird der Verlauf flacher und mündet nahezu horizontal zur Bergstation, die sich unweit des Schlosses befindet. Rund 650 Meter misst der Abstand zwischen den beiden Stationen, die Bergstation liegt dabei gut 100 Meter höher als die Talstation. Angetrieben wird die Seilbahn vom Tal aus, die Abspannung des Förderseils ist in der Bergstation untergebracht. Innerhalb der Stationen erfolgt der Transport der 28 Kabinen von Hand, auch die Türen werden manuell geöffnet und geschlossen.

Die Waldecker Bergbahn ist sowohl für den Hersteller als auch für den Betreiber ein voller Erfolg. Gleichzeitig ist es aber auch die letzte Seilbahn in Deutschland, die unter dem Namen Pohlig entsteht. Im Jahr darauf fusioniert der Hersteller mit den Firmen Heckel und Bleichert zu PHB. Die Einseilumlaufbahntechnik wird auch weiterhin erfolgreich eingesetzt, unter anderem 1965 in München bei einer Bahn auf dem Oktoberfestgelände. Neben der Westfalenpark-Seilbahn in Dortmund ist die Seilbahn zum Schloss Waldeck heute die letzte noch erhaltene dieser Art von Pohlig. Sie ist damit heute nach fast sechs Jahrzehnten Betrieb nicht nur eine Nostalgie-Anlage, sondern ein lebendiger Zeitzeuge aus den wilden 60er Jahren und ein ganz besonderes Stück deutsche Seilbahngeschichte.

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