Am Morgen werde ich diesmal ausnahmsweise nicht von Sonnenstrahlen geweckt, sondern von einer Entenfamilie, die laut quakend über den Campingplatz marschiert. Auch die Nacht durch war es durchwegs laut, einerseits wegen einiger anderer Campinggäste und andererseits wegen eines Baumes, unter dem mein Camper stand. Dieser hat regelmäßig irgendwelche Früchte oder Nüsse abgeworfen, die dann auf das Autodach gefallen sind.
Mit der Fähre durch die Bay of Islands
So nehme ich noch einmal die bislang modernsten und saubersten sanitären Anlagen auf meiner Reise in Anspruch, ehe ich mich von Paihia verabschiede und in Richtung Russell aufbreche. Der Ort liegt auf einer Halbinsel im Bereich der Bay of Islands und ist von Paihia aus nur über eine regelmäßig verkehrende Fähre zu erreichen. Für Fußgänger gibt es die Möglichkeit einer Direktverbindung, Autofahrer nehmen die Überfahrt von Opua nach Okiato in Anspruch.
Am Fährterminal angelangt stelle ich zu meinem Erstaunen fest, dass laut einer großen Tafel die Tickets für die Fähre nicht etwa auf dem Schiff selbst oder an einem Schalter verkauft werden, sondern im nahegelegenen Tante-Emma-Laden. „Die machen sich das Leben aber echt schwer hier“, denke ich noch, als mir Tante Emma höchstpersönlich dann erzählt, dass man die Tickets heute ausnahmsweise doch auf der Fähre erhält und nicht hier im Laden. Na toll, und dafür bin ich jetzt extra hier herumgeeiert und habe ewig nach einem Parkplatz gesucht!
So stelle ich mich also wieder in die Schlange der wartenden Autos und befahre kurze Zeit später die kleine Fähre, die etwa 15 Fahrzeugen Platz bietet. 12,50 NZD kostet die einfache Überfahrt. Den Rückweg benötige ich nicht, da es nach Süden eine Straße Richtung Whangarei gibt. Von Okiato mache ich noch einen kurzen Abstecher nach Russell. Aber wirklich lohnend ist der Weg trotz des schönen Wetters nicht, da die Ausblicke von der Straße recht unspektakulär sind.
Entlang der rauen Pazifikküste
Spannender wird es dafür auf dem Weg nach Whangarei, der größten neuseeländischen Stadt nördlich von Auckland. Die Straße von Russell nach Whangarei ist eine Route, die scheinbar von niemandem genutzt wird, denn teilweise kommt mir über 20 Minuten lang kein einziges Auto entgegen. Kein Wunder eigentlich, wenn man bedenkt, dass es entlang dieser kurvenreichen Straße keine wirklichen Dörfer gibt, sondern nur ganz vereinzelt ein paar Häuser. Das Leben scheint sich hier hauptsächlich weiter im Landesinneren abzuspielen. Der Kontrast zur belebten und touristisch bestens erschlossenen Bay of Islands könnte nicht größer sein.
Landschaftlich ist die Gegend allerdings eine Wucht, denn immer wieder führt die Straße ganz nah an den schroffen Klippen der Pazifikküste vorbei. Es bietet sich mir mit den tief unter mir an die Felsen schlagenden Wellen ein gewaltiges Naturschauspiel, und ich kann gar nicht oft genug für ein Foto anhalten. Im Gegensatz zu vielen anderen neuseeländischen Straßen gibt es hier auch immer wieder Buchten, die sich für einen kurzen Zwischenstopp eignen.
Neuseeländische Kuriositäten
Irgendwann auf meiner Fahrt stoße ich auf eine etwa einen Kilometer lange Baustelle, bei der der Straßenbelag erneuert wird. Was mir in den letzten Tagen schon mehrmals aufgefallen ist, der Straßenbau in Neuseeland ähnelt stark demjenigen in Frankreich. Eine feste Unterlage gibt es meist gar nicht. Stattdessen wird der Boden etwas begradigt und dann eine gehörige Ladung Rollsplitt verteilt, was zu einer rauen und damit beim Fahren ungewöhnlich lauten Oberfläche führt. Erschwerend kommt bei dieser Baustelle hinzu, dass gerade der Belag mit Zement gefestigt wurde. Deswegen ist am Ende der Baustelle ein Schild angebracht, man solle doch auf jeden Fall heute noch sein Auto reinigen, um Schäden am Lack zu vermeiden. Irgendwie sind die Kiwis (Achtung, Wortspiel) ja schon lustige Vögel!
Tapetenwechsel in Oakura
Nach rund eineinhalb Stunden Fahrt taucht mitten im Nirgendwo plötzlich ein Wegweiser mit der Aufschrift „Oakura“ auf. Auf den Namen bin ich irgendwo schon einmal bei meinen Planungen gestoßen, sodass ich kurzerhand abbiege und rund einen Kilometer nach Osten fahre. Dort werde ich mit einem prächtigen Blick auf eine kleine Bucht mit Sandstrand belohnt. Da sich gerade neben der Straße ein größeres, schattiges Picknick-Areal befindet, beschließe ich, meine Mittagsrast einzulegen und endlich den Rest des grauenhaften Toastbrots zu vernichten.
Auch wenn mir auf dem Weg nach Oakura einige Autos mehr begegnet sind als in den Stunden zuvor, wirkt der ganze Ort wie ausgestorben. Der Strand ist leergefegt, die öffentlichen Toiletten sind „out of order“ und ein paar Möwen sind die einzigen auszumachenden Lebewesen neben mir. Irgendwie schon seltsam, dass sich hierher um diese Jahreszeit niemand mehr verirrt. Im Hochsommer scheint deutlich mehr Betrieb zu sein. Zumindest erweckt die vorhandene Infrastruktur diesen Eindruck. Aber mir soll es Recht sein!
Fotofreuden an den Whangarei Falls
Gegen 14 Uhr breche ich wieder auf und mache mich über eine nun etwas besser frequentierte Straße auf nach Whangarei. Dort will ich je nach Zeit noch einen Abstecher an die Küste einlegen, bevor es zum nächsten Campingplatz gehen soll. Kurz vor dem Ortseingang stoße ich aber auf ein Hinweisschild, welches mich zu den Whangarei-Wasserfällen führt. Auf diese bin ich während meiner Planungen nicht gestoßen. Aber da das Ganze recht interessant klingt, setze ich den Blinker und schaue mir die Sache einmal von nahem an. Und tatsächlich, die Wasserfälle sind wirklich sehenswert. Bei dem bewölkten Himmel bietet es sich zudem an, den Graufilter einzupacken und ein paar Langzeitbelichtungen zu machen, was mir in Piha bei den Kitekite Falls ja nur sehr eingeschränkt gelungen ist. Das Areal am Fuße des Wasserfalls ist wesentlich weitläufiger als in Piha, sodass ich diesmal einige schöne Aufnahmen anfertigen kann.
Kurze Zeit später beginnt es wie aus Eimern zu schütten, was mich einerseits freut, denn dadurch wird das Auto endlich vom ganzen Staub der letzten Tage befreit. Andererseits kommen aber Zweifel auf, ob ich wirklich wie geplant für eine Wanderung noch nach Whangarei Heads und weiter zum Ocean Beach fahren soll. Nachdem der Regen aber schnell wieder nachlässt, siegt dann doch die Neugier. Und etwa 40 Minuten später sowie nach dem Passieren zahlreicher kleinerer Buchten stehe ich wieder einmal an der Pazifikküste. Der Ausblick ist allerdings doch nicht ganz so interessant wie erhofft. Bei meinen Planungen hatte ich eigentlich einen nahegelegenen Berg im Visier, von dem sich sicher eine bessere Sicht bieten würde. Aber nachdem ich wegen meiner Blase immer noch nicht wieder schmerzfrei in meinen Wanderschuhen laufen kann und zudem das Wetter nach wie vor unbeständig ist, verzichte ich auf eine Besteigung.
Tagesabschluss am Uretiti Beach
So breche ich zu meinem Domizil für die Nacht auf, dem DOC-Campingplatz am Uretiti Beach, südlich von Whangarei. Diesen erreiche ich gegen 17.30 Uhr. Laut der Neuseeland-Camping-App ist der Platz im Hochsommer regelrecht überlaufen, doch heute sind nur wenige der 300 Stellplätze belegt. Der Platz liegt in einem riesigen Areal direkt in den Dünen an der Pazifikküste und bietet wie die meisten DOC-Campingplätze nur minimale sanitäre Anlagen in Form von Trockentoiletten und kalten Duschen.
Da die Rezeption erst ab 18 Uhr geöffnet ist, muss ich noch kurz warten, werde aber kurze Zeit später freundlich empfangen und registriere mein Fahrzeug für eine Nacht. Leider regnet es immer noch, sodass ich nach der Suche nach einem geeigneten Stellplatz überlege, wie ich am besten kochen kann, ohne nass zu werden. Denn meinen Gaskocher kann ich nur bei offener Heckklappe bedienen. Nach einiger Zeit hat der Himmel aber doch noch Erbarmen. So kann ich mir endlich einmal mein Gemüse zubereiten, das schon seit Tagen in dem kleinen Staufach im Kofferraum herumliegt. Zu den gebratenen Tomaten und Paprika gibt es noch den vorhandenen Rest Hühnerbrust und fertig ist das Abendessen. Und zum ersten Mal seit Tagen bin ich dann auch vor Einbruch der Dunkelheit mit allen Aufräumarbeiten fertig.
Fazit nach einer Woche Neuseeland
Nach gut einer Woche und den ersten 1.000 Kilometern Fahrt ist damit ein guter Zeitpunkt gekommen, um einmal ein erstes Zwischenfazit zu ziehen. Eigentlich verläuft bislang alles genau wie geplant. Meine grobe Reiseroute kann ich zeitlich einhalten, alle meine erhofften Ziele im Northland habe ich besuchen können und das Wetter hätte viel besser nicht sein können. Auch in Sachen Camping hat sich inzwischen eine gewisse Routine eingestellt. Neuseeland hält auch landschaftlich das, was es in den vielen Reportagen und auf Fotos verspricht. Und dennoch habe ich langsam aber sicher erst einmal genug von den unzähligen Stränden, Küsten und warmen Temperaturen. So ein März ganz ohne Schnee lässt irgendwie doch etwas Wehmut aufkommen. Es wird Zeit, dass ich endlich ins Gebirge komme!
Aber zunächst stehen mit der Coromandel-Halbinsel und der Region um das East Cape noch zwei weitere Ziele am Meer an, bevor es dann gegen Mitte nächster Woche in Richtung des zentralen Vulkanplateaus der Nordinsel gehen soll. Dort möchte ich dann – vorausgesetzt meine Blase am Fuß ist bis dahin wieder vollständig verheilt – einige größere Tageswanderungen in Angriff nehmen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.