Mit nicht weniger als 580 Pistenkilometern sind die Portes du Soleil zwischen der Schweiz und Frankreich eines der grössten Skigebiete der Welt. Gelegen im Angesicht der markanten Dents du Midi erstreckt sich das Areal über mehrere Täler und Gebirgszüge hinweg und bietet immer wieder neue Ausblicke auf die Walliser und Savoyer Alpen.
Auch zahlreiche interessante Seilbahnen sind in den Portes du Soleil anzutreffen. Ganz im Zentrum dreht gar eine der historisch bedeutsamsten Anlagen unserer Zeit ihre Runden. Die Sesselbahn von Morgins zur Foilleuse ist eine der ältesten noch erhaltenen kuppelbaren Sesselbahnen der Alpen. Die Ortschaft Morgins liegt auf Schweizer Seite am gleichnamigen Passübergang, der nach Frankreich führt. Mitten im Dorfzentrum startet die Sesselbahn zur Foilleuse unweit der Kirche. Schon auf den ersten Blick ist es für das geübte Auge erkennbar, dass es sich um eine Anlage des Seilbahnherstellers Städeli handelt. Die Maschinenfabrik aus dem Kanton Zürich ist im Wallis während Jahrzehnten einer der Hauptlieferanten, wenn es um Schlepplifte und Sesselbahnen geht. Der aufstrebende Wintersport in den 60er und 70er Jahren sorgt dafür, dass an hunderten Anlagen das Firmenschild mit den markanten Initialien WSO anzutreffen ist.
Städeli und die kuppelbaren Seilbahnen
Zu Beginn der 80er Jahre steigt Städeli wie viele andere Hersteller in den Bau kuppelbarer Anlagen ein. Das Lösen der Sessel vom Seil in den Stationen ermöglicht höhere Geschwindigkeiten auf der Strecke, kürzere Fahrzeiten und höhere Förderleistungen als zuvor. Ein neuartiges Kuppelsystem mit einer einfach aufgebauten Tellerfederklemme sorgt dafür, dass Städeli die Vorteile der Technologie ab 1983 auskosten kann. In jenem Jahr entstehen nicht weniger als drei kuppelbare Sesselbahnen. Zwei davon in Arosa und die dritte in Morgins. Städeli stattet sie mit dreiplätzigen Sesseln aus. Ein Schlupfloch in den gesetzlichen Bestimmungen, die ab einer Fahrzeuggrösse von vier Personen eine Doppelklemme vorsehen. Die Dreiersessel kommen dagegen mit deutlich günstigeren Einfachversionen aus. Seinem Design bleibt Städeli aber treu. Und so sind auch die neuen Sessel genau wie ihre altbekannten zweiplätzigen Pendants mit den charakteristischen hellblauen Plastiklatten ausgestattet.
Mit bis zu vier Meter pro Sekunde schweben die Sessel entlang der 1,4 Kilometer langen Strecke. Als zentraler Zubringer in das Skigebiet zwischen Morgins und Champéry benötigt die Anlage eine entsprechend hohe Förderleistung. Ein enges Intervall der Sessel ermöglicht eine in den 80er Jahren nie dagewesene stündliche Kapazität von 1800 Personen je Richtung. Da die Anlage auch von Wanderern genutzt wird, ist sie auch für die Talfahrt zugelassen. Achteinhalb Minuten dauert eine Fahrt über die Strecke, die nahezu auf ihrer gesamten Länge im Wald verläuft.
500 Höhenmeter sind überwunden, wenn die Sessel die in 1820 Metern über dem Meer gelegene Bergstation erreichen. Der grösste Teil der Höhendifferenz wird dabei in der unteren Streckenhälfte überwunden, bevor nach einem flachen Mittelteil kurz vor der Bergstation noch einmal ein letzter Anstieg erfolgt. In diesem Bereich doppelt lange Jahre ein Poma-Schlepplift die Sesselbahn. Der Schlepplift Plan Joyeux, ursprünglich bereits 1961 erstellt, ist heute aber nicht mehr in Betrieb.
Von Morgins durch den Wald zur Foilleuse
Nach 19 Zwischenstützen ist die Bergstation schliesslich erreicht. Bei ihrem Anblick ist nur offensichtlich, von wem sich Städeli hat inspirieren lassen. Als erster Schweizer Hersteller setzt er bei kuppelbaren Anlagen auf eine kompakte Bauweise mit Tunnelröhren auf den Beschleunigungs- und Verzögerungsstrecken. Das Prinzip, das auf die französischen Hersteller Poma und Montaz Mautino zurückgeht, kann sich in den folgenden Jahrzehnten aufgrund der günstigen Herstellungskosten mehr und mehr durchsetzen. Die Integration der Seilbahntechnik in ausgewachsene Gebäude wird in der Folge zu einer echten Seltenheit.
Städeli bringt in der Bergstation trotz der Kompaktbauweise auch den Antrieb unter. Die Abspannung des Förderseils erfolgt dagegen per Gegengewicht in einem Spannschacht in der Talstation in Morgins. Auch die Abstandsregulierung der 124 Sessel erfolgt im Tal. In der Bergstation werden die Kettenförderer lediglich zum kontinuierlichen Transport der Sessel genutzt.
Geschichtsträchtiger Ort in den Portes du Soleil
Mittlerweile ist die Sesselbahn Foilleuse bereits die dritte Generation an diesem Hang. Den Anfang macht 1958 eine Einersesselbahn. Es ist seinerzeit bereits die zweite ihrer Art in Morgins, denn zu diesem Zeitpunkt erschliesst eine Anlage des gleichen Typs bereits seit acht Jahren den Gegenhang. Der Zuwachs an der Foilleuse stammt schon damals aus dem Hause Städeli und bringt eine Besonderheit mit. Auf den Einersesseln sitzen die Fahrgäste für einen besseren Panoramagenuss quer zur Fahrtrichtung. 1972 folgt die zweite Generation. Erneut von Städeli, nur diesmal mit zweiplätzigen Sesseln. Auch die Förderleistung der neuen Anlage ist jedoch mittelfristig nicht ausreichend, sodass elf Jahre später Generation Nummer drei folgt, der ein deutlich längeres Leben vergönnt ist.
Doch 2023 werden die Dreiersessel nach vier Jahrzehnten Betrieb voraussichtlich ihre letzten Runden drehen. Auch die Städeli-Ära an diesem Hang würde nach dann 65 Jahren zu Ende gehen. Eine vierte Generation Seilbahn von Morgins zur Foilleuse ist in Planung. Und gewiss wird die Zahl der Sitzplätze pro Fahrzeug diesmal stärker ansteigen als je zuvor. Eine moderne Anlage soll die Gäste fortan von Morgins in das Skigebiet der Portes du Soleil bringen. Wer noch einmal mit einer der ältesten kuppelbaren Sesselbahnen der Alpen fahren möchte, hat im kommenden Winter aber nochmal eine wahrscheinlich letzte Gelegenheit dazu!
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.