Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall – Die Grande Dame der Alpen

Sie gilt als die Grande Dame der Alpen. Die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall ist die älteste im Originalzustand erhaltene Grosskabinen-Pendelbahn der Welt. Eine Pionieranlage mit einer bewegten Geschichte und einem nostalgischen Charme, der seinesgleichen sucht. 1928 erbaut sind viele Bestandteile der Seilbahn heute noch genau die gleichen wie damals. Tragseile und Kabinen sind mittlerweile über 90 Jahre alt. Und auch wie zum Zeitpunkt der Eröffnung wird die Anlage auch heute noch manuell von einem Maschinist gesteuert.

Bad Reichenhall ist Mitte der 20er Jahre ein überregional bekannter Kurort und blickt zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine viertausendjährige Geschichte zurück. Um im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs Touristen anzulocken und den Kurgästen eine zusätzliche Attraktion bieten zu können, kommen Überlegungen auf, den über der Stadt trohnenden Predigtstuhl durch eine Seilbahn zu erschliessen. Der Bau auf der steilen Strecke ist ein ambitioniertes Vorhaben. Klassische Verkehrsmittel zur Bergerschliessung aus jener Zeit scheiden als Aufstiegshilfe aus. Die bodengebundenen Systeme der Zahnradbahn und Standseilbahn sind für das Terrain nicht geeignet. In Frage kommt einzig eine Luftseilbahn.

Seilbahnen der Firma Bleichert

Mit dem Bau beauftragt wird die Firma Adolf Bleichert & Co. Der Seilbahnhersteller aus Leipzig ist bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Branche tätig und macht sich innert kürzester Zeit weltweit einen Namen. Anfänglich sind es Materialseilbahnen zum Rohstoffabbau, die Bleichert bis ins ferne Afrika und nach Südamerika exportieren kann. Dort sind sie in teils rekordverdächtiger Höhenlage in Betrieb.

Im Zuge der Euphorie der goldenen 20er Jahre erweitert Bleichert das Geschäftsfeld auf Luftseilbahnen für den Personentransport. 1924 schliesst er einen Lizenzvertrag mit dem Südtiroler Seilbahnpionier Luis Zuegg und entwickelt in der Folge das gemeinsame System Bleichert-Zuegg für Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb. Das System erlaubt es als erstes überhaupt, grössere Strecken ohne Zwischenstützen zu überwinden und ermöglicht dank einer Kabinengrösse von rund 25 Personen eine nie dagewesene Transportkapazität. Durch zahlreiche technische Details wie eine Tragseilbremse, Kabinen mit geringer Windanfälligkeit und ein ausgeklügeltes Bergekonzept für den Notfall zeichnen sich die Konstruktionen auch durch einen enorm fortschrittlichen Sicherheitsstandard aus.

Die Predigtstuhlbahn – Eine Pionieranlage

Die Predigtstuhlbahn kann nach nur einem Jahr Bauzeit im Juli 1928 feierlich eröffnet werden. Von der Bergstation bietet sich ein prächtiger Ausblick auf die Alpen und das bayerische Flachland. Auch ein Berghotel empfängt zu dieser Zeit auf dem Gipfel die ersten Gäste. Die technischen Daten der Seilbahn unterstreichen, was für eine Pioniertat alle Beteiligten in so kurzer Zeit vollbringen. Nicht weniger als 2380 Meter beträgt die Streckenlänge, auf der die Kabinen 1140 Höhenmeter überwinden. Drei markante Betonstützen prägen das Bild der Anlage, die bei einer Geschwindigkeit von 5 m/s knapp neun Minuten für einen Fahrtweg benötigt. Besonders imposant kommt die mittlere, 32 Meter hohe Stütze daher. Angetrieben wird die Bahn von der Bergstation aus, die Abspannung der Seile erfolgt im Tal.

Von den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg bleibt die Seilbahn glücklicherweise weitestgehend verschont. So befördert sie seit mittlerweile über neun Jahrzehnten unfallfrei und zuverlässig die Gäste von Bad Reichenhall auf den Predigtstuhl. Seit 2006 steht die Bahn unter Denkmalschutz. So wird sie die Herzen von Nostalgieliebhabern auch in Zukunft weiterhin höherschlagen lassen.

Sesselbahn-Nostalgie auf dem Predigtstuhl

Neben der historischen Pendelbahn bietet der Predigtstuhl Nostalgikern übrigens noch weitere Leckerbissen. Zwei altehrwürdige Einersesselbahnen befinden sich unweit der Bergstation der Predigtstuhlbahn. Beide Anlagen stammen noch aus einer Zeit, als am Predigtstuhl noch Skibetrieb herrschte. Die Sesselbahn Untere Schlegelalm wurde 1957 von der Firma Pohlig erbaut, die Sesselbahn Hochschlegel ist neuer und konnte 1974 durch PHB eröffnet werden.

Nach jahrelangem Stillstand wurden die Sesselbahnen zwischen 2017 und 2019 originalgetreu restauriert und sollen aller Voraussicht nach ab dem Sommer 2020 wieder regelmässig in Betrieb sein. Gemeinsam mit der Luftseilbahn ist das für Seilbahnnostalgiker eine absolut einmalige Möglichkeit, einen Großteil der deutschen Seilbahngeschichte lebendig zu erleben!

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