Nostalgische Seilbahnen am Montserrat und in Barcelona

Spanien ist nicht unbedingt der Ort auf der Weltkarte, den man am ehesten mit Seilbahnen, Bergen und dem Skisport in Verbindung bringt. Zu Unrecht, denn das Land auf der iberischen Halbinsel bietet weit mehr als organisierte Busfahrten zu Strandkörben, Party und Ballermann. Die Gipfel der Pyrenäen und der Sierra Nevada sind mindestens ebenso eindrücklich wie die restlichen Gebirgszüge und Landschaften. Auch Freunde der stillen Natur kommen in Spanien ganz auf ihre Kosten.

Und natürlich hat das Land auch in Sachen Seilbahnen eine ganze Menge zu bieten. Allerdings nicht in erster Linie in den Bergen, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Die Anlagen in den Skigebieten Spaniens sind mehrheitlich moderner Natur und daher weder aus technischer noch aus historischer Sicht wirklich interessant. Die wahren Perlen der Seilbahngeschichte findet man in viel niedrigeren Gefilden. Nämlich in und rund um die katalanische Hauptstadt Barcelona.

Eine Seilbahn zur Weltausstellung in Barcelona

Seilbahnen, die auf großen Messen oder Ausstellungen über das Gelände führen, gehören seit Mitte des 20. Jahrhunderts fast schon zum guten Ton. Von der legendären VR101-Sesselbahn bis hin zur Zweiseilumlaufbahn, egal ob in den Alpen oder an der Ostsee, Austellungsbahnen trifft man seit vielen Jahrzehnten in ganz Europa an. In den 1920er Jahren ist das noch alles andere als selbstverständlich.

Zur Weltausstellung in Barcelona 1929 gedenkt man erstmalig, eine Seilbahn als Attraktion für die Besucher auf dem Ausstellungsgelände zu errichten. Einerseits soll es die Anlage ermöglichen, vom Hafen schnell und unkompliziert zum Hausberg Montjuïc zu gelangen. Andererseits soll eine Fahrt mit der Bahn aber auch eine fabelhafte Aussicht auf die Stadt, den Hafen und das Mittelmeer bieten. Aus diesem Grund entscheidet man sich zum Bau einer weltweit einmaligen Konstruktion. Zwei Türme im Hafen dienen neben der Bergstation am Montjuïc als Stationen für den Zu- und Ausstieg. Die Anlage selbst überwindet damit keine nennenswerte Höhendifferenz. Für diese sind die Aufzüge im 86 Meter hohen Torre Sant Sebastià und im 119 Meter hohen Torre Jaume I zuständig.

Hafenseilbahn Port de Barcelona

Hafenseilbahn Port de Barcelona

Das wegweisende System Bleichert-Zuegg

Luftseilbahnen für den Personentransport sind in der Zwischenkriegszeit noch rar gesäht. Es ist in erster Linie die deutsche Firma Adolph Bleichert, die im Bau dieser Anlagen tätig ist. Seit mehreren Jahrzehnten ist der Leipziger Hersteller auf den Bau von Materialseilbahnen zum Rohstoffabbau in der ganzen Welt spezialisiert. Ab 1926 entstehen die ersten Anlagen für Personentransporte. Erstellt nach dem wegweisenden System Bleichert-Zuegg, das auf Entwicklungen des Südtiroler Unternehmers Luis Zuegg zurückgeht. Dieser hat während des Ersten Weltkriegs zahlreiche Seilbahnanlagen für Soldatentransporte errichtet und zählt seinerzeit zu den Pionieren auf dem Gebiet des Seilbahnbaus.

Auch der Auftrag für den Bau der Hafenseilbahn von Barcelona geht an die Firma Bleichert. Geplant ist eine rechtzeitige Fertigstellung zur Eröffnung der Weltausstellung. Allerdings kann die Bahn nach zahlreichen Schwierigkeiten beim Bau erst zwei Jahre später – im September 1931 – eröffnet werden. Nichtsdestotrotz ist sie damit nach der 1928 eröffneten Krossobanan in Norwegen eine der ersten Anlagen nach dem System Bleichert-Zuegg außerhalb der Alpen. Mit dem Torre Jaume I besitzt sie allerdings die seinerzeit höchste Seilbahnstütze der Welt. Der Rekord wird erst 1966 mit dem Bau der dritten Sektion Luftseilbahn zum Kapruner Kitzsteinhorn in Österreich gebrochen. Einmalig ist zudem die Tatsache, dass die Anlage vier Kabinen besitzt. Je zwei davon pendeln dabei zwischen den Endstationen und der Zwischenstation im Torre Jaume I. Dort müssen die Fahrgäste für eine Weiterfahrt umsteigen.

Hafenseilbahn Port de Barcelona

Hafenseilbahn Port de Barcelona

Die bewegte Geschichte der Hafenseilbahn von Barcelona

Ein wirklicher Erfolg ist der Bau der Bahn nicht. Bereits kurze Zeit nach der Eröffnung werden die Einrichtungen während des spanischen Bürgerkriegs nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg steht sogar der Abriss der Anlage im Raum, kann aber nicht zuletzt durch den Planer Friedrich Gründel höchstpersönlich verhindert werden. 1963 geht die Bahn mit zwei Kabinen, die fortan die komplette Strecke befahren, wieder in Betrieb. Seit einem weiteren Betriebsunterbruch zwischen 1995 und 2000 ist die Anlage nach wie vor ein beliebtes Touristenziel in Barcelona. Nicht selten muss man eine Wartezeit von über einer Stunde für eine Fahrt mit der nostalgischen Seilbahn in Kauf nehmen.

Die Bauteile der Anlage stammen noch weitgehend aus dem Jahre 1931. Sowohl der Antrieb als auch die charakteristischen, roten Kabinen für 20 Personen versprühen noch immer den Flair der 1930er Jahre. Nach der Predigstuhlbahn in Bad Reichenhall und der erwähnten Krossobanan in Norwegen ist die Hafenseilbahn Barcelona damit eine der ältesten noch in Betrieb befindlichen Luftseilbahnen der Welt.

Die Luftseilbahn Aeri de Montserrat

Doch im näheren Umkreis ist sie nicht die einzige, auf die dieses Attribut zutrifft. Weniger als eine Autostunde weiter nördlich befindet sich mit der Montserrat-Seilbahn eine weitere Anlage des Systems Bleichert-Zuegg. Das 1200 Meter hohe Sandsteingebirge ist nicht nur ein Wahrzeichen der Region Katalonien. An seinem Rand besteht seit dem 11. Jahrhundert ein überregional bekanntes Benediktinerkloster, das heute jährlich von hunderttausenden Pilgern besucht wird. Seit 1892 ist das Kloster über eine Zahnradbahn erreichbar. Diese stellt eine Fortsetzung der Eisenbahnstrecke von Barcelona nach Manresa dar.

Kloster Montserrat

Seilbahn Aeri de Montserrat

1930 erfolgt als deutlich schnellere Verbindung aus dem Llobregat-Tal der Bau einer Luftseilbahn als Zubringer zu dem Kloster. Es ist eine Bahn, die unübersehbar die Handschrift der Firma Bleichert trägt. Wie die Hafenseilbahn in Barcelona besitzt sie zwei zwölfeckige Kabinen, je ein Trag- und Zugseil pro Fahrspur sowie ein Hilfsseil für Bergungszwecke. Anders als in Barcelona sind die beiden Kabinen in gelb gehalten und verleihen der Anlage damit ihr charakteristisches Aussehen. Genau wie zahlreiche andere Bleichert-Anlagen besitzt sie zwei Stützen aus Beton. Die zweite liegt auf einem kleinen Felsvorsprung und sorgt mit ihrer geringen Höhe dafür, dass die Kabinen hier spektakulär nur knapp über dem Boden entlang fahren.

Seilbahn Aeri de Montserrat

Seilbahn Aeri de Montserrat

Seilbahn Aeri de Montserrat

Pioniertaten der Weltseilbahngeschichte

Genau wie die Bahn in Barcelona wird auch der Betrieb am Montserrat während des Bürgerkriegs vorübergehend eingestellt. Anders als die Zahnradbahn, die zwischen 1957 und 2003 stillgelegt bleibt, transportiert die Luftseilbahn aber seit Jahrzehnten Besucher zum Montserrat. Sie ist damit neben dem Kloster selbst ein ikonischer Bestandteil des Bergmassivs und gewiss eine Reise wert.

Der beeindruckenden Ingenieurskunst der Firma Bleichert ist es zu verdanken, dass auch diese Anlage noch nahezu im Originalzustand verkehrt. Neben der erwähnten Seilbahn auf den Predigstuhl in Bad Reichenhall, die mit Baujahr 1928 noch eine Spur älter ist, zählen die Bleichert-Seilbahnen rund um Barcelona zu den ältesten noch in Betrieb befindlichen der Welt. Sie verkörpern auch heute noch die frühen Pioniertaten der Weltseilbahngeschichte. Eine Fahrt mit ihnen ist daher (nicht nur) für Seilbahn-Nostalgiker unbedingt empfehlenswert.

Seilbahn Aeri de Montserrat

Hafenseilbahn Port de Barcelona

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