Die Blaue Stunde fotografieren – Tipps & Ideen

Die Sonne steht noch hoch über dem Horizont, als ich meine Fototasche für den heutigen Ausflug zusammenstelle. Ein durchweg sonniger Tag neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für Landschaftsfotografie. Denn auch als die Sonne sich dem Horizont nähert, sind keine Wolken in Sicht.

Der Sonnenuntergang ist aber auch gar nicht mein heutiges Ziel. Ich begebe mich auf ungewohntes Territorium für einen Landschaftsfotografen und fahre in die Stadt. Erst einige Zeit nach Sonnenuntergang treffe ich an meinem anvisierten Standort ein. Die ersten Lichter in den Bürogebäuden fangen an zu leuchten. Der Himmel ist gegen Westen noch immer hell – die Blaue Stunde hat begonnen.

Was ist die Blaue Stunde?

Die Blaue Stunde bezeichnet einen Zeitraum in der Dämmerung nach Sonnenuntergang und vor Einbruch der nächtlichen Dunkelheit. Der Begriff leitet sich von der bläulichen Färbung des Himmels in dieser Zeit ab. Auch am Ende der Nacht vor Sonnenaufgang ist diese Himmelsfärbung zu beobachten.

Für die Fotografie ist dieser Zeitraum aus verschiedenen Gründen besonders interessant. Typischerweise beginnen in dieser Zeit in Städten die Straßenlaternen und Gebäude zu leuchten. Gleichzeitig ist der Himmel aber noch relativ hell, sodass der Kontrast zwischen den beiden Elementen etwas abgemildert wird. Zudem ergibt sich ein starker komplementärer Farbkontrast zwischen dem tiefen Blau des Himmels und dem künstlichen, gelblich-orangen Licht der Lichter in der Stadt. Dadurch werden Fotos sehr farbenfroh.

Anders als man es vielleicht vermuten würde, dauert die Blaue Stunde nicht genau eine Stunde. Je nach Jahreszeit und Standort auf der Erde ist die Dauer unterschiedlich lang. Im mitteleuropäischen Raum beträgt die Dauer im Sommer und im Winter rund eine halbe Stunde, im Frühling und im Herbst bis zu 50 Minuten. Je weiter man sich vom Äquator entfernt, desto länger dauert die blaue Stunde. So kann sich die Dauer auf mehrere Stunden bis hin zu mehreren Tagen erstrecken, wenn man sich in die Nähe der Pole begibt.

Blaue Stunde in Sydney

Tipps für Fotografieren in der Blauen Stunde

Fotografieren in der Blauen Stunde kann also sehr spannend sein. Auch Motive, die am Tag vielleicht völlig uninteressant erscheinen, werden in der Blauen Stunde sprichwörtlich in ein anderes Licht gerückt. Für das optimale Foto-Ergebnis in der Blauen Stunde sollen die folgenden acht Tipps weiterhelfen.

1. Gute Vorbereitung

Wie immer in der Fotografie ist eine gute Vorbereitung auf ein Foto schon die halbe Miete. Es empfiehlt sich daher, mögliche Standorte und Motive bereits am Tag auszukundschaften. Auch die Berechnung des richtigen Zeitraums für die blaue Stunde kann ungewollte Überraschungen ersparen.

Glücklicherweise gibt es mittlerweile viele gute Apps, die einem für einen bestimmten Standort den genauen Ort und Zeitpunkt des Sonnenuntergangs sowie die Dauer der Dämmerung und der blauen Stunde ermitteln. Ein Beispiel für eine solche App ist das Programm PhotoPills, das sowohl für Android als auch für iOS erhältlich ist.

Blaue Stunde in Amsterdam

2. Die richtige Jahres- und Tageszeit

Grundsätzlich findet die blaue Stunde natürlich an jedem Tag im Jahr zwei Mal statt, aber mit teilweise völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Im Hochsommer liegt der Zeitraum meist so früh bzw. spät, dass keine Leute in der Stadt unterwegs sind. Im Winter ist die blaue Stunde dagegen genau während der Hauptverkehrszeit. Entsprechend sind Bürogebäude hell erleuchtet und die Straßen von vielen Scheinwerfern befahren. Ein Foto der blauen Stunde im Winter kann somit völlig anders aussehen als das gleiche Motiv im Sommer.

3. Stativ nutzen

Wie so oft gilt auch beim Fotografieren in der blauen Stunde, dass ein Stativ von Vorteil ist. Typischerweise ist es zu diesem Zeitpunkt bereits so dunkel, dass die Belichtungszeit mehrere Sekunden beträgt. Aus der Hand würden die Fotos verwackeln, sodass die Kamera auf einem festen Untergrund aufliegen sollte. Das muss natürlich nicht unbedingt ein Stativ sein. Auch eine Mauer oder ein Geländer lässt sich als Unterlage zweckentfremden.

Saarpolygon in Ensdorf zur Blauen Stunde

4. Im M-Modus die Blaue Stunde fotografieren

Wegen der wechselnden Lichtverhältnisse und der starken Kontraste zwischen Lichtern und Gebäuden in der Stadt empfiehlt es sich, sämtliche Kameraeinstellungen manuell vorzunehmen. In den Automatik-Modi wird die Kamera dazu tendieren, die Belichtungszeit zu verkürzen und entsprechend die ISO-Empfindlichkeit hochschrauben. Das ist aber nicht im Sinne des Erfinders.

Daher am besten den M-Modus wählen, ISO auf den Basiswert fixieren und dann sowohl Blende als auch Belichtungszeit anpassen. Typischerweise liegt die Belichtungszeit während der blauen Stunde bei 10-30 Sekunden, wenn Blendenwerte um f/8 genutzt werden.

5. Blende schließen

Ein Bildelement, das Fotos aus der blauen Stunde so speziell macht, sind Sonnensterne. Diese entstehen, wenn sich helle Lichtquellen im Bild befinden. Das kann die Sonne sein (daher auch der Name), das können aber auch Autoscheinwerfer oder Straßenlaternen sein. Gerade letztere wird man bei der Fotografie in der Blauen Stunde häufiger antreffen.

Wie die Sonnensterne aussehen, ist abhängig von dem genutzten Objektiv. Beeinflussen kann man das Aussehen aber auch über die Blende. Im Normalfall ist es so, dass mit weiter geschlossener Blende die Sonnensterne definierter und prominenter werden. Meistens sind sie bei Werten ab f/11 gut erkennbar. Hier hilft es, einfach verschiedene Blendenwerte auszuprobieren.

Blaue Stunde in Rom

6. Manuell fokussieren

Je nach Standort wird es in der blauen Stunde so dunkel sein, dass der Autofokus der Kamera versagt. Daher empfiehlt es sich, auf den manuellen Fokus zurückzugreifen. Bei spiegellosen Systemkameras ist die Nutzung des manuellen Fokus dank Kantenanhebung und Fokuslupe zum Glück sehr einfach.

7. In RAW fotografieren

Wegen der starken Kontraste ist es bei der Fotografie in der blauen Stunde eigentlich unumgänglich, im RAW-Format zu fotografieren. Das Rohdatenformat bietet einfach viel mehr Spielraum in der Nachbearbeitung.

8. Zubehör für die Blaue Stunde nicht vergessen

Mit Kamera und Stativ ist es noch nicht getan. Vor dem Aufbruch in die blaue Stunde sollte man sich vergewissern, auch das wichtigste Zubehör in der Fototasche zu haben. Speicherkarten und Ersatzakkus sind Pflicht, gegebenenfalls kann auch ein Fernauslöser hilfreich sein. Auch eine Taschenlampe und ein Reinigungsset sind nützliche Accessoires, im Winter empfiehlt es sich auch, Handschuhe einzupacken.

Blaue Stunde in Amsterdam

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