Mit der Seilbahn auf den Hohen Kasten

Ganz unscheinbar startet in der Ortschaft Brülisau seit den 1960er Jahren eine Seilbahn. Gleich neben der Kirche entstehen zu dieser Zeit ein Parkplatz und ein kleines Gebäude, das die Kabinen einer Pendelbahn beherbergt. Auf den ersten Blick wirkt die Seilbahn nicht wirklich spektakulär. Die flache Ausfahrt aus der Talstation ist jedoch kein Abbild des weiteren Verlaufs. Denn mit dem Hohen Kasten erschliesst die Anlage einen der schönsten Aussichtsgipfel der Ostschweiz.

Seilbahn-Talstation in Brülisau

Und tatsächlich ist auch die Strecke der Seilbahn abgesehen vom flachen untersten Abschnitt ziemlich einmalig. Zwei hohe Fachwerkstützen mit 35 respektive 55 Meter Höhe passieren die beiden Kabinen auf ihrem Weg zum Gipfel, der nach und nach immer steiler wird. 857 Meter beträgt die Höhendifferenz zwischen der Talstation in Brülisau und der Bergstation auf dem Hohen Kasten. Mit Baujahr 1964 zählt die Luftseilbahn zu den ältesten noch in Betrieb befindlichen ihrer Art in der Schweiz. Und seinerzeit ist sie auch eine der ersten, die eine derart lange Strecke überwindet. Knapp 2,7 Kilometer schräge Länge werden zu dieser Zeit in den Alpen nur an wenigen anderen Orten übertroffen.

Luftseilbahn Brülisau - Hoher Kasten

Luftseilbahn Brülisau - Hoher Kasten

Seilbahn-Flaggschiff am Hohen Kasten

Nicht viele Konstrukteure sind in der ersten Hälfte der 1960er Jahre in der Lage, ein solches Flaggschiff zu planen und zu konstruieren. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die renommierte Maschinenfabrik Habegger den Zuschlag für den Bau erhält. Der Seilbahnpionier aus Thun ist damals einer der führenden Schweizer Hersteller, wenn es um den Bau von grossen Pendelbahnen geht. Doch die Kastenbahn ist auch für Habegger ein Novum. Mit einer Kabinengrösse von je 60 Personen ist es die grösste Anlage, die Habegger bis dato in der Schweiz erstellen kann. Nur die nationale Konkurrenz aus dem Hause Von Roll hat zu dieser Zeit noch grössere Anlagen im Portfolio.

Doch die grossen Kabinen werden aufgrund der Streckenlänge dringend benötigt. Denn selbst mit dieser Ausstattung bringt es die Anlage gerade einmal auf moderate 300 Personen Förderleistung je Stunde und Richtung. Weil der Hohe Kasten aber auch nach dem Bau der Seilbahn ein reiner Aussichtsgipfel bleibt und sich anders als an vielen anderen Orten kein ausgewachsenes Skigebiet anschliesst, ist die Kapazität bis heute meist ausreichend bemessen. Heute ist die Förderleistung sogar noch etwas geringer, da die seit 2011 eingesetzte zweite Kabinengeneration nur noch 51 Personen Platz bietet. Abgesehen von diesem Umbau, der seinerzeit durch die Firma Garaventa erfolgt, ist die Anlage aber auch heute noch optisch weitgehend original erhalten. Auch das typische Habegger-Laufwerk für zwei Tragseile mit seinen markanten Fangbremsen am oberen Ende ist daher nach wie vor im Einsatz.

Luftseilbahn Brülisau - Hoher Kasten

Luftseilbahn Brülisau - Hoher Kasten

360°-Panorama auf die Ostschweiz

Einmal oben angekommen bietet sich dann ein fantastisches 360°-Panorama auf die Berge der Ostschweiz, auf den Bodensee und die Vorarlberger Gipfel. Wie ein Fels in der Brandung thront der 1793 Meter hohe Gipfel über der Rheintalebene, die über 1300 Meter weiter unterhalb liegt. Auf der Ostseite fällt der Hang noch steiler ab als auf der Seite der Seilbahn und sorgt dadurch für einen einmaligen Ausblick.

Die Wege entlang des Gipfelgrats bieten eine ebenso beeindruckende Sicht, sodass der Hohe Kasten auch ein beliebtes Wanderziel darstellt. Wer es gemütlicher will, der nimmt auch für die Talfahrt wieder die Seilbahn, aus der die Tiefblicke ebenfalls imposant sind. Die Fahrt über das lange Spannfeld zwischen Bergstation und oberer Stütze nimmt eine ganze Weile in Anspruch, da die Anlage mit einer Fahrgeschwindigkeit von 7 m/s nicht unbedingt zu den schnellsten ihrer Art zählt. Für die notwendige Bewegungsenergie sorgt ein Antrieb in der Talstation der Seilbahn, der genau wie die restliche technische Ausrüstung im Jahr 2014 umfassend erneuert wird.

Panorama vom Hohen Kasten Richtung Säntis

Säntis

Rheintal mit Bodensee bei Bregenz

Blick ins Rheintal vom Hohen Kasten

Ereignisreiche Geschichte

Noch oberhalb der besagten zweiten Fachwerkstütze begegnen sich die beiden Kabinen der Firma CWA, die übrigens trotz des Neubaus optisch stark an ihre Vorgänger angelehnt sind. Der Neubau der Kabinen wird im Jahr 2010 erforderlich, als ein Unfall zu einer Beschädigung der Originalexemplare führt. Ausgelöst durch einen Bedienfehler rast seinerzeit eine unbesetzte Kabine während einer Revisionsfahrt ungebremst in die Talstation und wird dabei irreparabel beschädigt.

Ein Jahr später erstrahlt die Anlage wieder in neuem Glanz und erleichtert den Weg auf den Hohen Kasten erheblich. Gemeinsam mit den nahegelegenen Luftseilbahnen auf den Kronberg und zur Ebenalp zählt sie ohne Zweifel zu den schönsten Seilbahnen im Appenzell. Letztere ist übrigens ein Grund, warum die Seilbahn auf den Hohen Kasten um ein Haar nie gebaut worden wäre. Weil die Behörden einen Konkurrenzkampf beider Bahnen befürchten, erteilen sie vorerst nur der Ebenalpbahn eine Konzession. Diese reicht ihr Gesuch früher ein und erhält daher den Zuschlag. Erst nachdem die Ebenalp regelrechte Scharen von Touristen anzieht, willigt man auch für den Hohen Kasten ein. Nie Realität wird dagegen eine ebenso angedachte Seilbahn vom Rheintal auf den Kasten-Gipfel. Diese wäre an der steil abfallenden Ostseite zum Stehen gekommen und hätte das Seilbahn-Erlebnis noch deutlich erweitert. Doch auch mit der bestehenden Anlage ist der Hohe Kasten aus Seilbahnsicht definitiv einen Besuch wert!

Luftseilbahn Brülisau - Hoher Kasten

Luftseilbahn Brülisau - Hoher Kasten

Panorama vom Hohen Kasten Richtung Bodensee

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