An einem Tag 840 Kilometer mit dem Zug zurücklegen? Und das für eine einzige Seilbahn? – Ja, das geht. Natürlich nicht für jede Bahn, doch für die letzte verbliebene VR101 der Schweiz ganz sicher. Das vorausgesagte gute Wetter veranlasste mich dazu, noch einmal mit der Sesselbahn Weissenstein zu fahren, da die Zukunft weiterhin ungewiss ist. Bislang hatte ich bei meinen Weissensteinbesuchen nie wirklich Glück mit dem Wetter. Heute, am 6. August soll es anders aussehen. Die Fahrkarten für die halbe Weltreise von Saarbrücken bis Solothurn habe ich bereits am Vortag gekauft.
840 Kilometer im Zug – und alles für eine einzige Seilbahn
Und so stehe ich nach einer halben Stunde Anreise mit der Stadtbahn um 7.15 Uhr am Saarbrücker Hauptbahnhof. Mit einigen Minuten Verspätung geht es mit einem Regionalexpress der französischen SNCF nach Strasbourg los. Dort erwartet mich das erste Abenteuer, da die Deutsche Bahn mir keine Auskunft über die Gleise beim Umsteigen in Strasbourg geben konnte. Glücklicherweise habe ich genug Zeit, um zum Einstiegsportal des Bahnhofs zu laufen und dort nachzuschauen, auf welchem Gleis der Anschlusszug nach Basel abfährt.
Nach knapp drei Stunden Fahrt treffe ich pünktlich am Bahnhof Basel SNCF ein und mache mich auf den Weg durch das Labyrinth der Zollstationen zum anliegenden Bahnhof der SBB, wo ich sogleich einen InterRegio nach Interlaken antreffe. Nach dem Quietschen und Rattern des uralten Zugs der SNCF sitze ich nun im bequemen, klimatisierten Wagen der SBB und geniesse die Fahrt bei strahlendem Sonnenschein nach Olten. Dort steige ich nach dem Kauf einer Fahrkarte für das letzte Teilstück meiner Reise von Solothurn nach Oberdorf um. Nach einem weiteren Wechsel in einen Regio nach Oberdorf treffe ich dort um 12.45 Uhr nach gut fünf Stunden Fahrt an der Talstation der Sesselbahn Weissenstein ein.
Von Oberdorf über den Nesselboden zum Weissenstein
Die berühmte erste Stütze der Sesselbahn Weissenstein über den Bahngleisen der BLS-Strecke Solothurn-Sonzeboz.
Eine Kabine der geplanten Gondelbahn. Auf dass sie nie kommen möge.
Der Blick vom Parkplatz Oberdorf auf die Strecke der Sesselbahn.
Im Inneren der Talstation mit den zahlreichen Umlenkscheiben, die das Seil in den und aus dem Spannschacht führen.
Unterwegs mit Blick zurück auf den Bahnhof Oberdorf. Es ist für mich das erste Mal, dass ich die Sesselbahn mit allen Sesseln in Betrieb sehe.
Während der Bergfahrt zeigt sich deutlich, dass es leider nicht so klar ist wie vorhergesagt. Womöglich werde ich wieder keine Sicht auf die Alpen haben?
Unterwegs im steilsten Abschnitt der ersten Sektion kurz vor der Kuppe, nach der es leicht abschüssig weiter geht.
In der Senke vor der Mittelstation.
Zweite Sektion Nesselboden-Weissenstein.
Die Bergstation, mit einer weitaus weniger komplizierten Anordnung der Abspannung verglichen mit der ersten Sektion.
Blick vom Weissenstein auf die Alpen
Die Aussicht vom Kurhotel Weissenstein. Und man kann die Alpen doch ein wenig sehen, obwohl es sehr diesig ist.
Nach einem kleinen Imbiss auf der Terrasse des Kurhotels mache ich mich auf den Weg ins Tal. Das gute Wetter will ich ausnutzen und auch ein paar Fotos und Videos vom Boden aus machen.
Blick vom eigentlichen Weissensteinpass auf das Kurhotel und die Bergstation der Sesselbahn rechts davon im Wald.
Eine Klemme beim Passieren der letzten Tragestütze vor der Bergstation.
Die Sesselbahn mit Aussicht auf die Alpen und das Mittelland.
Naja, zumindest erahnen kann man die Alpen im Hintergrund. In Wirklichkeit erkennt man sie besser als auf dem Foto.
Unterer Teil der zweiten Sektion.
Der einzige Niederhalter auf der Strecke der zweiten Sektion, abgesehen von jenem bei der Stationsausfahrt.
Die letzte Stütze vor der Mittelstation Nesselboden.
Eine Klemme beim Passieren der Stütze vor der Mittelstation.
Auf Talfahrt mit der ersten Sektion – hoffentlich nicht zum letzten Mal!
Ein letzter Blick auf die Sesselbahn.
Abschied nehmen von der VR101
Nachdem ich an der Talstation wieder ankomme, setze ich mich noch eine Weile in den Schatten und schaue der immer noch gut ausgelasteten Bahn zu und höre dem charakteristischen „klack-klack-klack“ bei der Rollenüberfahrt zu, bis sich der Zug der BLS mit einigen Minuten Verspätung Richtung Moutier in Bewegung setzt. Ich nehme bewusst einen Zug früher als geplant, da die BLS scheinbar nicht zu den pünktlichsten Bahngesellschaften der Schweiz zählt. Zumindest war der Zug auf dem Hinweg schon drei Minuten zu spät und da ich in Moutier nur vier Minuten zum Umsteigen habe, will ich kein Risiko eingehen. Wie erwartet trifft der Zug einige Minuten zu spät in Moutier an. Da aber der Zug Richtung Basel ebenfalls zu spät ist, kann ich auch diesen noch eine Stunde früher nehmen als geplant und treffe gegen 18 Uhr wieder in Basel ein. Dort habe ich nun gut eineinhalb Stunden Aufenthalt.
So schaue ich mir ein wenig die Stadt rund um den Bahnhof an und warte anschliessend auf den ICE nach Mannheim, der sich um 19.27 Uhr in Bewegung setzt. Die restliche Fahrt gestaltet sich unspäktakulär und so treffe ich nach einem weiteren Mal Umsteigen in Mannheim mit einem weiteren ICE um 23.11 Uhr am Saarbrücker Hauptbahnhof ein. Letztlich bin ich um 23.40 Uhr wieder zu Hause. Der wohl längste Tagesausflug meines Lebens hat sein Ende genommen.
Nachtrag vom Dezember 2014
Alles Hoffen und Bangen um den Erhalt der nostalgischen Seilbahn und einem der bedeutendsten Zeitzeugen der herausragenden Schweizer Seilbahnhistorie war letzten Endes vergebens. Die Rollen der VR101 von Oberdorf auf den Weissenstein drehten sich am 1. November 2009, einem sonnigen Sonntag im Spätherbst, zum letzten Mal. Die Befürworter einer gewöhnlichen Kabinenbahn setzten sich durch und die neue Bahn konnte Ende 2014 eröffnet werden. Seither ist der Weissenstein ein Berg wie unzählige andere. Und ich weiss, dass sich der Tagesausflug – und jeder einzelne der 840 Kilometer – im August 2009 mehr als gelohnt haben, um Abschied von einem ganz besonderen Technikdenkmal zu nehmen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.