Cirque de Troumouse – Geheimtipp in den Pyrenäen

Auf halber Strecke taucht der Gedanke auf, ob das hier wirklich so eine tolle Idee ist. Von den umliegenden Bergen ist ziemlich genau der Teil sichtbar, der sich unterhalb der Baumgrenze befindet. Darüber hat es sich der Hochnebel inzwischen auch ganz zuhinterst im Tal bequem gemacht. Der Motorradfahrer, der mich kurz zuvor noch waghalsig in einer blinden Linkskurve überholt hat, kommt mir wieder entgegen. Hat er sich vom Nebel abschrecken lassen? Oder vielleicht von dem kleinen Mauthäuschen, das sich plötzlich vor mir aufbaut?

Fünf Euro kostet die Weiterfahrt ab dem kleinen Weiler Héas. Das ist allerdings auch die einzige wirkliche Option, denn viele Alternativen bieten sich hier nicht. Abgesehen von einem leeren Schotterparkplatz und einer kleinen Auberge gibt es in Héas nichts, weswegen sich ein längerer Aufenthalt lohnen würde. Das eigentliche Ziel liegt noch fast 1000 Höhenmeter entfernt.

Nebel am Lac des Gloriettes

Verdutzte Schafe und eine dichte Wolkendecke

Dass man es überhaupt bis hierher schafft, setzt eine gewisse Vorbereitung voraus. Andernfalls ist die Verlockung zu groß, ab der Ortschaft Gèdre der Autokolonne in das Bergdorf Gavarnie zu folgen. Nur wer die Abzweigung der unscheinbaren Straße am oberen Ortsende von Gèdre entdeckt, erreicht überhaupt das Mauthäuschen in Héas.

Wegen des Nebels bin ich unschlüssig, ob ich den Weg nach oben wagen soll. Die Dame an der Mautstelle kann mir die Frage nicht beantworten, ob das Ende der Straße über der Wolkendecke liegt. Doch was bleibt mir schon anderes übrig, als es einfach zu wagen? Wenige Augenblicke später setze ich meine Fahrt ins Ungewisse fort. Kurve um Kurve schlängelt sich der Weg nach oben. Die Auberge von Héas wird kleiner und kleiner, bevor sie hinter dem Bergrücken verschwindet. Immer wieder sehen mich einzelne Schafe fragend an, während ich um sie herum zirkele. Die „zones pastorales“ mit ihren freilaufenden Herden haben in den Pyrenäen eine lange Tradition. Auch als ich die Auberge de Maillet in 1800 Metern Höhe erreiche, begrüßen mich einige verdutzte Schafe.

Ein atemberaubendes Naturschauspiel

Menschen sind dagegen keine auszumachen. Selbst die zahlreichen Baustellen zur Instandhaltung der Straße, die ich unterwegs antreffe, sind verwaist. Doch mit jeder Kehre keimt die Hoffnung auf. Wie schon am Pic du Midi sind es erst kleine Löcher in der Wolkendecke, durch die blauer Himmel zum Vorschein kommt. Nur wenige hundert Meter vor dem provisorischen Ende der Straße in knapp 2100 Metern Höhe gibt der Nebel den Blick auf die umliegenden Berge frei.

Der Anblick ist gewaltig. Ich stehe inmitten eines weiten Hochtals von vier Kilometern Durchmesser. Umringt von hohen Felswänden, deren Ende in über 3000 Metern Höhe die Grenze zu Spanien bildet. Der Cirque de Troumouse ist ein atemberaundes Naturschauspiel. Und anders als Gavarnie im Nachbartal ist der Kessel um einiges natürlicher. Das liegt in erster Linie daran, dass er einen weitaus geringeren Bekanntheitsgrad besitzt. Der Parkplatz am Ende der Straße kann einen Bruchteil der Fahrzeuge von Gavarnie beherbergen. Liegt es am fehlenden hohen Wasserfall?

Panorama Cirque de Troumouse in den Pyrenäen

Cirque de Troumouse im Nationalpark Pyrenäen

Anders ist die Diskrepanz im Besucheraufkommen jedenfalls kaum erklärbar. Denn die Landschaft hier oben ist nicht weniger imposant. Die Nebelfetzen, die an diesem Nachmittag immer wieder in den Kessel hineinziehen, verstärken die ganz spezielle Atmosphäre. Mitten im Cirque de Troumouse wacht eine weiße Madonna über die zahlreichen Kuhherden. Ich geselle mich zu ihr und lasse die Landschaft auf mich wirken. Wie schon im Nachbartal ist allein der Anblick der Szenerie ausreichend, um Stunden mit Sitzen und Staunen zu verbringen. Mit dem Unterschied, dass man am Cirque de Troumouse auch am Nachmittag keine Völkerwanderung fürchten muss. Was mitunter auch daran liegen dürfte, dass sich die Besucher auf den zahlreichen Wanderwegen durch den Kessel besser verteilen.

Cirque de Troumouse im Nationalpark Pyrenäen

Cirque de Troumouse im Nationalpark Pyrenäen

Cirque de Troumouse im Nationalpark Pyrenäen

Cirque de Troumouse – ein Pyrenäen-Klassiker?

Am frühen Abend füllt sich der Kessel dann aber doch noch mit Nebel. Genau wie für die wenigen anderen Fahrzeuge ist es damit auch für mich Zeit, wieder ins Tal aufzubrechen. Wie viele sich wohl am Mauthäuschen von Héas zur Umkehr entschlossen haben? Wie viele überhaupt in Gèdre von der Hauptstraße abgebogen sind? Ich werde es nicht erfahren. Was ich dagegen sicher weiß, ist dass der Cirque de Troumouse einer der letzten Geheimtipps der Pyrenäen sein dürfte.

Am Abend erreiche ich die Ortschaft Cauterets. Nicht weniger als sieben Campingplätze stehen mir hier unweit der Pont d’Espagne zur Auswahl. Große Parkplätze mit Bustransfer aus den tiefergelegenen Orten zu der Brücke habe ich bereits hinter mir gelassen. Gemeinsam mit dem Cirque de Gavarnie, Lourdes und dem Pic du Midi zählt die Pont d’Espagne zu den vier Klassikern der französischen Pyrenäen. Ein Glück, dass es auch noch andere Orte gibt …

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