Davos – Pischa • Premiere und Derniere

Es gibt Skigebiete, die hat man während vielen Jahren auf seiner Liste potentieller Ziele. Und doch geht sich ein Besuch aus welchen Gründen auch immer irgendwie letztlich doch nicht aus. Bei der Pischa war das bei mir jahrelang der Fall. Schon als man beschloss, einen Teil der Skipisten nicht mehr zu präparieren, wäre ich eigentlich gerne einmal hingefahren. Aber nachdem das Vorhaben im letzten Winter mit Vollbetrieb scheiterte, hatte ich als Pistenskifahrer auch nie wirklich grosse Lust, in späteren Jahren dem Freerideareal einen Besuch abzustatten. Das änderte sich schliesslich, als man dann doch wieder zum Pistenbetrieb überging.

Die Pischa ganz oben auf der Prioritätenliste

Offenbar war ich nicht der einzige mit dieser Ansicht. Da es in den letzten Wintern aber in anderen Skigebieten immer wieder dringendere Fälle gab, bei denen Bahnen ersetzt oder stillgelegt wurden, verschwand die Pischa wieder ein wenig von meinem Radar. Anfang 2015 änderte sich das erneut, als die Schliessung der Schlepplifte und die Einstellung des Pistenskigebiets für die kommende Wintersaison angekündigt wurde. Zumindest einen Besuch wollte ich mir allerdings nicht entgehen lassen, zumal das Skigebiet vom Pistenplan her genau meinem Gusto entsprach: lange Schlepplifte mit mehreren Abfahrten, eine Pendelbahn als Zubringer und ganz sicher gemütliches Skifahren fernab von Halli-Galli und Schicki-Micki.

Nach der unerwarteten Ankündigung stand die Pischa für die Ostertage also plötzlich ganz oben auf der Prioritätenliste. Doch das brachte wiederum einige andere Probleme mit sich. Denn mit der Sesselbahn La Siala in Flims und der Sesselbahn Alp Stätz in meinem Hausskigebiet, der Lenzerheide, standen noch zwei weitere Bahnen auf dem Programm, die ich zwingend in ihrer letzten Saison dokumentieren wollte. Drei Tage würden sich wohl schon irgendwie ausgehen, dachte ich, machte die Rechnung aber nicht mit dem Wetter. Die Aussichten in der Woche vor Ostern waren unterirdisch, doch halbwegs passables Wetter wäre die Voraussetzung für eine Dokumentation.

Ein Tag Sonne und drei zu besuchende Skigebiete

Es zeichnete sich ab, dass der Samstag vor der Karwoche wohl oder übel die einzige Möglichkeit in der gesamten Woche werden sollte, an dem gutes Fotowetter herrschen sollte. So überlegte ich am Vorabend fieberhaft, wie ich nun vorgehen sollte. Eine Fahrt mit der Sesselbahn Alp Stätz genoss die höchste Priorität. Weniger wegen der Technik, sondern eher aus emotionalen Gründen, war diese Bahn doch so etwas wie meine Haus- und Hof-Sesselbahn vor der Haustür. Andererseits hätte ich da im Laufe der Woche eventuell auch mal noch Gelegenheit, in einem günstigen Moment schnell die Ski anzuschnallen und Videos zu drehen.

La Siala wäre sicher technisch die interessanteste Anlage. Diese hatte ich aber zumindest fotografisch schonmal abgelichtet, aber ein paar Videos wären natürlich auch nicht schlecht … Und dann noch die Pischa. Alles an einem Tag geht nicht, dazu liegen die Gebiete zu weit auseinander. Schnell wurde mir dann klar, dass ich wohl am Mittag das Gebiet wechseln müsste, um wenigstens zwei Sachen abhaken zu können.

Also mal nach den Tarifen geschaut. Weder in Flims noch an der Pischa gab es eine Vormittagskarte. Flims-Laax bot sogar nicht einmal eine Nachmittagskarte an, damit war das in jedem Fall schonmal aussen vor. Dank Saisonkarte musste ich mir auf der Lenzerheide keine Gedanken um etwaige Tarife machen (hier hätte es aber tatsächlich auch eine Vormittagskarte gegeben!), sodass der Fall schnell klar war. Am Vormittag ein paar Stunden auf der Lenzerheide, die Sesselbahn Alp Stätz bei Berg- und Talfahrt ablichten und dann am Mittag schnell rüber nach Davos zur Pischa. La Siala würde sich zur Not auch noch nach Ostern ausgehen, dachte ich.

Vormittägliche Dokumentation auf der Lenzerheide

Gesagt, getan, und so stand ich noch vor Betriebsbeginn um 8.30 Uhr bei bestem Wetter an der Talstation in Churwalden, die ich rund viereinhalb Stunden später, um viele Gigabyte Film und Foto reicher, wieder erreichte. Ziemlich genau um zwölf Uhr brach ich dann in Churwalden nach Davos auf. Und dank freier Strasse erreichte ich schon 50 Minuten später die Talstation der Pischabahn oberhalb von Davos. Mittagessen gab es unterwegs, sodass ich nach dem Anziehen der Skiausrüstung und dem Kauf der 13-Uhr-Karte gerade noch die fünf Minuten später abfahrende Kabine ins Mitteltälli erwischte. Über das Skigebiet wurde ja in letzter Zeit bereits allerlei geschrieben, sodass ich auf die Geschichte und die heutige Situation nicht im Detail eingehen möchte. Nachfolgend stattdessen zwei Pistenpläne, die die Unterschiede vor und nach dem ersten Kahlschlag im Jahr 2005 verdeutlichen.

Vor 2005: Pistenplan vor 2005
2014/2015: Pistenplan Saison 2014/2015

Die Pischa – Eindrücke aus einem Geisterskigebiet

Flüelapassstrasse im März
Ein Blick über die Flüelapassstrasse, die auf Davoser Seite im Winter wieder bis zur Passhöhe geräumt wird. Trotzdem dürfte der Wegfall dieser früher vielbefahrenen Route ins Engadin nach der Eröffnung des Vereinatunnels dem Gebiet letztendlich das Genick gebrochen haben.

Luftseilbahn Dörfji - Pischa
Unterwegs mit der Luftseilbahn Marke Von Roll ins Skigebiet. Schon durch den leeren Parkplatz konnte man sich ausmalen, dass wohl nicht viele Leute im Gebiet unterwegs sein würden.

Traumabfahrten am Schlepplift Flüelamäder

Leere Skipiste am Schlepplift Flüelamäder
Über eine landschaftlich herrliche und schön coupierte Piste ging es für mich zuerst zum Schlepplift Flüelamäder. Der Garaventa-Schlepplift, der noch aus der Gründerzeit des Gebiets stammt, war ebensowenig frequentiert wie die Piste, die ich gerade hinter mir gelassen hatte. Nämlich gar nicht.

Mäderbeiz am Schlepplift Flüelamäder
Vorbei an der Mäderbeiz ging es zum Einstieg des Schlepplifts Flüelamäder.

Schlepplift Flüelamäder
Schlepplift Flüelamäder. Abgesehen von den Wanderern an der Bergstation der Luftseilbahn hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Menschenseele gesehen.

Schlepplift Flüelamäder
Im oberen Teil dieser Anlage, die mehr als 400 Höhenmeter innert kurzer Zeit überwindet und damit eine geniale Wiederholungsanlage darstellt.

Warum um alles in der Welt fährt hier niemand Ski?

Luftseilbahn Dörfji - Pischa mit Bergkulisse
Ab und zu fiel der Blick auch auf die Luftseilbahn, die nach wie vor nur wenige Gäste transportierte. Den 15-Minuten-Takt musste man zeitweise gar nicht fahren, da schlichtweg niemand da war, der zur entsprechenden Uhrzeit mit der Bahn fahren wollte. Und das an so einem Tag – Wochenende, bestes Skiwetter, vermutlich der einzige schöne Tag der ganzen Woche… Warum um alles in der Welt fährt hier niemand hin?

Einsamer Liftwart am Schlepplift Flüelamäder
Der Liftwart an der Bergstation führt ein einsames Leben. Noch immer hatte ich im ganzen Gebiet nicht einen einzigen Skifahrer ausser mir entdecken können.

Schlepplift Flüelamäder mit Davos im Tal
Etwas fassungslos machte ich mich zunächst einmal wieder auf zur Talstation. Die hier zu sehende Abfahrt am Lift entlang erreicht man nur von der Bergstation desselben. Die zweite Abfahrt am Schlepplift Flüelamäder wurde ja leider schon vor einigen Jahren aufgegeben.

Schlepplift Flüelamäder mit Davos im Tal
Immer noch am Schlepplift Flüelamäder und immer noch kein Mensch zu sehen. Zu meinem Erstaunen waren die Schneeverhältnisse trotz der fortgeschrittenen Tageszeit immer noch absolut optimal. Mehrheitlich pulver, ganz vereinzelt leicht pappig werdend, aber ein absoluter Genuss. Die Kuppen luden auch auf dieser Piste immer mal wieder zum Abheben ein.

Sonnige Pulverhänge und keine Menschenseele weit und breit

Skipiste auf der Pischa
Nach einer weiteren Fahrt entschloss ich mich dann, zum Schlepplift Mitteltälli zu queren, was über eine flachere Abfahrt von der Bergstation Flüelamäder möglich ist. Und da – ja, wer genau hinsieht erkennt es – an der Pistenkreuzung in der rechten Bildhälfte standen tatsächlich zwei andere Skifahrer!

Ziehweg zum Schlepplift Mitteltälli
Vorbei an einige Arven ging es zum Schlepplift Mitteltälli. Immer wieder staunte ich über das sehenswerte Panorama, das vom Flüelapass bis weit in Richtung Westen reicht. Gepaart mit der sonnigen Lage und der Weite des Hangs wird deutlich, warum man hier 1967 ein Skigebiet hinstellte. Es gibt einfach kein idealeres Skigelände als das hier!

Der Schlepplift Mitteltälli

Schlepplift Mitteltälli
Die Talstation des Schlepplifts Mitteltälli. Während ich hier filmte, wurde ich von zwei weiteren Skifahrern überholt. Rush Hour!

Schlepplift Mitteltälli
Die Talstation mit ihrer Gewichtsabspannung, genau das umgedrehte Spiel zum Schlepplift Flüelamäder. Beide Schlepplifte stammen aus dem Jahr 1967.

Schlepplift Mitteltälli
Der untere Teil des Schlepplifts Mitteltälli ist relativ zum Rest gesehen eher steil.

Schlepplift Mitteltälli
Das erklärt auch, warum man Mitte der 90er Jahre hier noch einen zweiten Schlepplift daneben stellte, der oberhalb des Steilhangs beginnt. Bei dieser Gelegenheit ersetzte man auch die Stützen der älteren Anlage. Dass die parallele, kürzere Anlage bei diesem Andrang nicht in Betrieb war, versteht sich glaube ich von selbst.

Schlepplift Mitteltälli
Blick zur Bergstation mit der Luftseilbahn und dem Restaurant linker Hand. Zwar mit vier weiteren Personen im Lift, aber erneut keiner Menschenseele auf der genial aussehenden Piste links vom Schlepplift.

Schlepplift Mitteltälli
Dank seiner Länge überwindet auch dieser Schlepplift trotz moderater Steigung über 400 Höhenmeter.

Schlepplift Mitteltälli
Die Bergstationsbauweisen machen den Unterschied zwischen der Anlage aus den 60ern und jener aus den 90ern deutlich.

Traurige Anblicke am Mittelgrat

Kindergelände auf der Pischa
An der Bergstation machte ich mich erst einmal auf zum letzten noch nicht abgelichteten Schlepplift am Mittelgrat. In diesem Bereich war tatsächlich etwas mehr Betrieb, allerdings mehrheitlich (Schneeschuh-) Wanderer. Der Boardercrosspark fiel dem Andrang entsprechend klein aus – dafür war die obligatorische vorherige Besichtigung auch schnell durchgeführt. Oder war das hier vielleicht doch eher das Übungsgelände und der Boardercrosspark war gar nicht geöffnet? ;) So jedenfalls musste ich über das Schild schon etwas schmunzeln :) .

Stillgelegter Schlepplift Mittelgrat
Stillgelegter Schlepplift Mittelgrat
Der Schlepplift Mittelgrat, der seit dem ersten Kahlschlag 2005 stillgelegt ist. 80% der Abfahrten kann man so theoretisch zwar immer noch fahren (wenn man sie denn alle präparieren würde), aber dennoch ist die Stilllegung natürlich eine herbe Einschränkung. Ob bewusst oder unterbewusst, auch der normale, nicht in die Skigebietspolitik eingeweihte Gast hat hier mit Sicherheit den Eindruck, dass mehr möglich wäre.

Stillgelegter Schlepplift Mittelgrat
Eine weitere geniale Piste und rechts noch mehr ideales Skigelände. Ich wiederhole mich, aber was zum Teufel hat man hier angestellt, dass hier kein Mensch mehr hinfährt?

Stillgelegter Schlepplift Mittelgrat
Auch der Schlepplift Mittelgrat besass einen Steilhang direkt hinter der Talstation. Um diesen umgehen zu können, richtete man diesen optionalen Zwischeneinstieg ein, vermutlich für schneeärmere Zeiten.

Stillgelegter Schlepplift Mittelgrat
Ein Blick über die Kuppe am Zwischeneinstieg zur Talstation. Dieser Schlepplift war in den 70er Jahren eine Neuerschliessung.

Was zum Teufel hat man hier nur angestellt?

Blick zum verschneiten Flüelapass
Flüelapass.

Schlepplift Mitteltälli
Nach einigen Fahrten am Schlepplift Mitteltälli und einer Abfahrt ins Tal machte ich mich gegen 15.15 Uhr wieder auf zu zwei weiteren Fahrten am Flüelamäder.

Luftseilbahn Dörfji - Pischa
Die Talstation der Pischa-Pendelbahn im Betonlook der 60er Jahre. Was ein Jammer kommen die im Original roten Kabinen jetzt im tristen Schwarz daher. Aber es passt zu den Aussichten dieses Skigebiets :( .

Luftseilbahn Dörfji - Pischa
Kurz nach 16 Uhr erreichte ich am Mitteltälli wieder die Bergstation. Eine weitere Fahrt wäre sich zwar zeitlich noch ausgegangen, aber nicht zuletzt durch den immer schwerer werdenden Schnee waren meine Beine langsam aber sicher müde, sodass ich gemütlich den Weg ins Tal antrat. 14.000 Höhenmeter hatte ich trotz der Autofahrt am Mittag insgesamt gemacht, das war definitiv genug.

Premiere und Derniere aus ungewöhnlichem Grund

Dass mein erster Besuch in einem Skigebiet gleichzeitig wohl auch mein letzter sein würde, das gab es in der Vergangenheit immer mal wieder. Allerdings schlichtweg deshalb, weil mir das Gebiet aus diversen Gründen nicht gefallen hatte oder die Erwartungen nicht erfüllen konnte. An der Pischa ist das anders. Selten habe ich ein Gebiet erlebt, das mir so gut gefallen hat. Lange Schlepplifte mit grossen Höhendifferenzen, abwechslungsreiche Abfahrten, sonnige Hangausrichtung und ein gemütlicher Charakter. Und doch werde ich wohl nie wieder hier aufkreuzen.

Ohne die präparierten Pisten und die Schlepplifte ist das Gebiet – sind wir ehrlich – am Ende. Die Tage, an denen man wirklich gut abseits der Piste fahren kann und gleichzeitig genügend Gäste kommen, lassen sich doch je nach Winter an einer Hand abzählen. Zusätzlich bei jeder Abfahrt den uninteressanten letzten Teil ins Tal fahren zu müssen wird sicher nicht für mehr Freude bei den verbliebenen Kunden sorgen. Eine Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen ist für solche kleinen Gebiete sicher der richtige Weg, aber gänzlich ohne Pistenskifahrer ist die Pischa auf lange Sicht verloren. Von den paar Wanderern und Freeridern wird man im Winter nicht leben können.

Aber ich habe angesichts der misslungenen Skigebietspolitik in Davos während der letzten Jahre auch durchaus den Eindruck, dass dieses Szenario auch ein Ziel sein könnte. Sind die Schlepplifte erstmal weg wird es die Luftseilbahn in ein paar Jahren auch nicht mehr geben. Stören wird das manche Personen sicher nicht.

Wie konnte es so weit kommen?

Man fragt sich, wie es denn überhaupt so weit kommen konnte. Mitte der 90er Jahre war die Pischa noch so stark frequentiert, dass man einen neuen Schlepplift baute. Natürlich war der Bau des Vereinatunnels ein schwerer Schlag für das Gebiet. Aber statt während Jahren immer nur am Jakobshorn oder an der Parsenn zu investieren, hätte man eben auch Geld in die kleineren Gebiete stecken müssen, damit die infrastrukturellen Differenzen nicht immer grösser werden.

Ich wage einmal zu behaupten, hätte man an der Pischa statt dem Kahlschlag 2005 z. B. in eine neue Sesselbahn investiert, gäbe es die heutigen Probleme nicht. Wo ist denn der Unterschied zum Jakobshorn, wenn nicht in der Infrastruktur? Das Auto oder den Bus muss man so oder so als Gast in den meisten Fällen nehmen. Da tut die etwas abgelegene Talstation der Pischabahn nichts zur Sache, die fünf Minuten Zeitunterschied sind marginal.

Andererseits ist es aus meiner Sicht alles andere als verständlich, warum das heutige – immer noch hervorragende – Angebot an der Pischa überhaupt nicht wahrgenommen wird. Ich werde es nie verstehen, warum sich die Leute in grossen Gebieten in die Warteschlangen stellen, während an der Pischa kein Mensch unterwegs ist. Für einen Tag ist die Grösse doch völlig ausreichend? Wie auch immer, man wollte die Pischa vermutlich einfach nicht retten. Statt vorwärts zu machen, hat man das Angebot sukzessive verknappt und damit erst recht dafür gesorgt, dass keiner mehr kommt. Mich erinnert das Verhalten an einen Restaurantinhaber, bei dem sich die Kunden über kalte Temperaturen in der Gaststätte beschwerten – die Antwort: „Es kommen so wenige Gäste, für die wenigen brauche ich nicht auch noch zu heizen“. Dass es das Restaurant schon lange nicht mehr gibt, liegt auf der Hand. Hoffen wir, dass es an der Pischa nicht genauso läuft!

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