Davos – Parsenn – Gotschna • Alte Liebe rostet nicht

Gebannt blicke ich auf den Bildschirm, während ich mir noch ein Stück Gipfeli genehmige. Es ist Samstagmorgen, kurz vor halb acht. Die Nacht war kurz, doch angesichts des bevorstehenden Tages bin ich schon zu dieser frühen Stunde voller Tatendrang. Nach einem vom Winde verwehten Auftakt zu einem verlängerten Wochenende am Vortag stehen die Zeichen gut für einen sonnigen Skitag in den Bündner Bergen.

Nach vielen Jahren Abstinenz ist das Skigebiet Arosa-Lenzerheide für den Winter 2018/2019 wieder dem Topcard-Verbund beigetreten. Als Saisonkarteninhaber kann ich daher auch beliebig oft in die benachbarten Skigebiete von Flims-Laax und Davos-Klosters aufbrechen. Das möchte ich bei der nun bereits fortgeschrittenen Saison zum ersten Mal in diesem Winter tun.

Alternativprogramm zu Flims – Laax

Mein Ziel ist Flims, das ich in den Wintermonaten nun schon seit knapp neun Jahren nicht mehr aufgesucht habe. Im Sommer dagegen war es stets die altehrwürdige Cassonsbahn, die mich immer wieder anzog. Doch seit deren Stilllegung im Jahr 2015 und dem Ersatz der kultigen Sesselbahn La Siala im selben Jahr ist Flims auf meiner Prioritätenliste immer weiter gesunken. Doch mit den Luftseilbahnen am Crap Sogn Gion und allen voran der Vorabbahn besitzt das Skigebiet noch immer einige seilbahnhistorisch wertvolle Anlagen. Ein Besuch ist daher mal wieder an der Zeit. Zumal auch die neueren Bahnen in Flims-Laax – anders als in vielen anderen Gebieten – durchaus mit technisch interessanten Bestandteilen locken.

Doch der Blick auf den Laptop-Bildschirm lässt mich an meinem anvisierten Ziel zweifeln. Schon am Vortag waren alle höher gelegenen Bahnen wegen Sturm geschlossen. Auch heute noch soll der Wind stark aus Nordost blasen – und damit aus der für Flims-Laax problematischsten Richtung. Die Wetterstation auf dem Crap Masegn meldet Böen bis 60 km/h. Zu viel für die meisten Seilbahnanlagen.

Nach 14 Jahren zurück zur Parsenn

So entschliesse ich mich zu einem alternativen Ziel und verschiebe den Ausflug auf Sonntag. Die Parsenn in Davos ist nach gar 14 Jahren Abstinenz ein mindestens ebenso lohnenswertes Ziel. Auch hier trifft man die eine oder andere interessante Seilbahnanlage an – und einen separaten Skipass benötige ich dort dank Topcard ebenso wenig wie in Laax.

Über die wie immer leergefegte Gebirgsstrasse entlang der malerischen Dörfer Lantsch/Lenz, Alvaneu, Schmitten und Wiesen erreiche ich in einer guten Dreiviertelstunde den zentral gelegenen Parkplatz in Davos-Platz. Fünf Franken Gebühr sind hier am Ende des Tages zu entrichten. Anders als bei meinem letzten Besuch im März 2005 gibt’s als Tausch allerdings keinen Gutschein für einen „Kafi“ in einem ausgewählten Bergrestaurant mehr.

Davoser Ansturm am frühen Morgen

Bereits zu dieser frühen Stunde erwartet mich im Talstationsgebäude der Parsennbahn eine lange Warteschlange. Zum Glück warten die meisten an der Kasse. So kann ich zügig das Drehkreuz passieren, muss aber trotzdem eine Fahrt der Standseilbahn abwarten. Seit der Sanierung im Jahr 2002 fassen die beiden roten Wagen mit Panoramadach je 200 Personen und zählen damit zu den grösseren Anlagen der Schweiz. Bereits seit 1931 fährt die Parsennbahn auf dieser Strecke. Seinerzeit ist sie eine der ersten Standseilbahnen auf eidgenössischem Boden, die der touristischen Erschliessung der Bergwelt dient. Ihrem ursprünglichen Zweck kommt sie auch heute, fast 90 Jahre später, immer noch bestens nach.

Der Umstieg auf die zweite Sektion in der Zwischenstation Höhenweg geht schnell vonstatten, sodass ich wenige Minuten später bereits auf dem 2660 Meter hohen Weissfluhjoch stehe. 2010 ersetzt eine neue Anlage auch auf dieser Teilstrecke das Original der Von Rollschen Eisenwerke aus dem Jahr 1932. Die Wagen bieten allerdings nur 110 Personen Platz.

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Die zweite Sektion der Parsennbahn vom Höhenweg zum Weissfluhjoch.

Einfahren im Dorftäli und Hauptertäli

Das spielt allerdings keine allzu grosse Rolle, denn die zweite Sektion wird auf fast ihrer gesamten Länge von der Sesselbahn Dorftäli gedoppelt. Für Wiederholungsfahrten ist sie die attraktivere Variante und entlastet mit ihrer stündlichen Förderleistung von 2600 Personen die Standseilbahn deutlich.

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Eine schnelle Abfahrt durch das Dorftäli bringt mich zur gleichnamigen Sesselbahn von Garaventa. 2000 gebaut zählt sie zu den ersten Sechsersesselbahnen, die nach dem MCS-System gebaut wurden.

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Sie ersetzt einen 1971 gebauten Schlepplift des gleichen Herstellers, der im oberen Teil eine Zwirbelkurve besass. Die Umlenkung des talfahrenden Seils stand dabei spektakulär auf einem Felsgrat.

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Gab es ursprünglich nicht weniger als fünf Kurvenschlepplifte auf der Parsenn, sind heute noch gerade zwei von ihnen übrig geblieben. Einer ist der Schlepplift Hauptertäli, der wie sein Pendant im Dorftäli 1971 eine Neuerschliessung darstellt. Rechts hinter der Talstation zeugt das Gebäude der Strelapass-Luftseilbahn von der einstigen Verbindung zur Schatzalp. Während andernorts Skigebietsverbindungen wie Pilze aus dem Boden spriessen, schafft man es in Davos nicht einmal, die bestehenden zu halten.

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So bleibt mit dem Schlepplift Hauptertäli wenigstens eine ruhige Ecke des Parsennskigebiets. Mit zwei Kurven auf der Bergseite spannt der Lift ein Viereck auf. Ganz oben grüssen aus luftiger Höhe die Kabinen der Weissfluhbahn, die zum höchsten Punkt des Skigebiets führt.

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Die Bergstation fällt Garaventa-typisch eher spartanisch und mit viel Sichtbeton aus. Die Ersatzumlenkscheibe, die von einem der zahlreichen anderen Garaventa-Schlepplift an der Parsenn stammt, fristet immer noch ihr Dasein.

Das Fondei und die Erschliessung mit der Schiferbahn

Nach dem lockeren Einfahren am Hauptertäli breche ich zu einem der Hauptgründe für meinen Besuch auf. Wenn schon keine Vorab-Kabinenbahn heute, dann wenigstens eine andere interessante Umlaufbahn. Mit mehr als 5,3 Kilometern Länge ist die Schiferbahn nicht nur ein seilbahntechnisches Schmuckstück, sie ist zweifelsohne auch eine der für Skifahrer interessantesten Anlagen an der Parsenn. 1987 entsteht sie als Neuerschliessung zwischen dem Weiler Schifer und dem Weissfluhjoch. Durch Pisten ist das Gelände zwar schon vorher erschlossen, jedoch eignen sich die Abfahrten kaum für Wiederholungsfahrten. Vor dem Bau der Schiferbahn ist stets eine Talabfahrt bis nach Klosters notwendig. Alternativ dient der kurze Schlepplift Kreuzweg als Rückbringer im oberen Teil.

So versucht man sich bereits in den 60er Jahren erstmalig an der Erschliessung dieses Bereichs. In den Jahren 1965 und 1966 entstehen zwei Schlepplifte mit stattlichen Höhendifferenzen im Fondei, einem Tal oberhalb von Langwies. Von dem kleinen Weiler Barga startet je ein Schlepplift in Richtung des Kreuzwegs im Parsenngebiet und einer in Richtung des Strassberger Fürgglis, Luftlinie nur noch wenige hundert Meter vom Skigebiet der Fideriser Heuberge entfernt. Für den ersten Lift zeichnet noch die Firma Skima unter Federführung von Theo Brunner verantwortlich, den zweiten Lift erstellt Brunner, der sich zwischenzeitlich mit Skima überworfen hat – dann selbst unter dem Namen Tebru. Es ist eines der letzten Male, dass der Name des talentierten Konstrukteurs in den Schweizer Seilbahngeschichtsbüchern auftaucht. Im selben Jahr entsteht an der Madrisa noch der Schlepplift Schaffürggli, dann zieht sich Tebru – der sich von Städeli und Skima ausgenommen fühlt – aus dem Seilbahnbau zurück.

Aber auch die Schlepplifte im Fondei haben keinen nachhaltigen Erfolg. Streitigkeiten zwischen der Betreibergesellschaft und den Parsennbahnen sorgen dafür, dass die Lifte nur einen oder zwei Winter in Betrieb sind. Danach werden sie sich selbst überlassen, bis sie in den 90er Jahren letztlich fast vollständig rückgebaut werden. Heute zeugt nur noch das aufwendig hergerichtete Trassee von der einstigen touristischen Erschliessung des Fondei.

1300 Höhenmeter von der Weissfluh bis nach Schifer

Der Bau der Schiferbahn bedeutet nach der gescheiterten Erschliessung im Fondei daher eine immense Aufwertung für das Parsenngebiet. Auf diese Weise können fortan zahlreiche abgelegene Pisten besser erschlossen werden. Allen voran die beiden schwarzen Abfahrten von der Weissfluh. Über 1300 Höhenmeter überwindet der Wintersportler auf diesem Weg, bis er die Talstation der Schiferbahn erreicht. Von dort geht es weiter hinab bis in Prättigau nach Saas oder Küblis. Das allerdings bis heute ohne Seilbahn-Rückbringer.

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Aufgrund ihrer immensen Länge wird die Schiferbahn in zwei Sektionen aufgeteilt. Hier im Bild ist die zweite, mit 3,6 Kilometern längere Sektion zu sehen. Dahinter befindet sich die Weissfluh mit ihrer steilen, abgelegenen Gipfelpiste.

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Unverkennbar handelt es sich bei der Schiferbahn um ein Produkt von Von Roll. Neben der Rinderbergbahn in Zweisimmen ist sie 1987 eine der ersten beiden, die mit den noch recht neuen Klemmen vom Typ VH400 ausgestattet wird. Wie üblich kommen sie bei den sechsplätzigen Kabinen in Doppelversion zum Einsatz. Die Klemmen gehen auf Ideen der Firma Habegger zurück, die Anfang der 80er Jahre durch Von Roll übernommen wurde. Sie beenden die erfolglosen Experimente mit den Typen VR103 und VR104, die Von Roll Mitte der 80er sogar dazu veranlassen, das fast vierzigjährige Giovanola-System wieder einzusetzen.

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Die immense Länge der Schiferbahn kommt auf diesem Foto ein wenig zur Geltung. Die Station Obersäss bildet das Ende der ersten Teilstrecke, die zweite Sektion geht noch weit über den Horizont hinaus.

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An der Talstation angekommen erwartet mich eine lange Warteschlange. Fast zehn Minuten vergehen, bis ich eine der blauen Kabinen besteigen kann. Eigentlich habe ich darauf gehofft, dass der samstägliche Bettenwechsel für etwas ruhigere Verhältnisse sorgt. Aber das gute Wetter scheint unzählige Tagesgäste anzulocken.

20 Minuten Bergfahrt mit der Schiferbahn

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Über 20 Minuten vergehen, bis das Weissfluhjoch wieder erreicht ist.

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Unterwegs grüsst der kurze Schlepplift Kreuzweg-Parsennfurka, der als Rückbringer in den Hauptteil des Skigebiets dient. Auf dem Hügel am linken Bildrand endete einst der aus dem Fondei kommende Schlepplift Barga-Kreuzweg.

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Nach mehreren hohen Stützen ist das Weissfluhjoch erreicht. Die riesigen Fachwerkkonstruktionen sind ein Vermächtnis des Giovanola-Systems, das zur Vermeidung der aufwendigen Niederhaltekonstruktionen stets auf hohe Stützen und wenige Gefällsbrüche setzte.

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Die Dimensionen sind imposant.

Konträre Eindrücke zwischen Weissfluh und Parsennfurka

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Mit der Weissfluh-Pendelbahn geht es daraufhin zum höchsten Punkt des Skigebiets in gut 2800 Metern Höhe. Stützenlos pendeln zwei Kabinen über die kurze Strecke. 1955 erreicht die erste Kabine mit Fahrgästen die Weissfluh, erst 1962 erfolgt der Umbau auf Doppelspur. 1983 ersetzt Garaventa die durch Von Roll konstruierte Anlage durch das heutige Exemplar.

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Das Panorama auf die umliegenden Gipfel und Skigebiete lädt zum Verweilen ein. Hier exemplarisch der Blick auf Arosa.

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Ein weiteres Mal geht es hinab in Richtung Schiferbahn, …

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… diesmal aber nur bis zum Schlepplift Kreuzweg. Seit 1962 ist über diesen kurzen Lift der Rückweg in Richtung Parsennhütte sichergestellt. Das Original von Oehler ist allerdings bereits zu Beginn der 80er Jahre diesem Exemplar von Garaventa gewichen.

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Auf der Vorderseite der Parsennfurka erwartet mich ein starker Kontrast zu den bisherigen Eindrücken. Die relativ neue Parsennfurka-Sesselbahn zieht wie üblich die Massen an.

Die Zwirbelkurve des Schlepplifts Seetäli

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Ich mache erst einmal einen grossen Bogen um die Bahn und widme mich dem Schlepplift Seetäli. Hier geht es deutlich ruhiger zu und her.

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Auch wenn er nur eine einzige Abfahrt erschliesst, so wird an dieser Stelle bereits eine positive Eigenschaft des Skigebiets Parsenn deutlich. Mehr als in den meisten anderen Skigebieten dieser Grösse erschliessen die Anlagen meist voneinander völlig unabhängige Geländekammern. Das macht das Skifahren sehr abwechslungsreich, zumal sich die Geländekammern in alle denkbaren Hangexpositionen erstrecken.

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Aus seilbahntechnischer Sicht besonders reizvoll ist aber natürlich die Zwirbelkurve des Seetälilifts. Sie ist das letzte Relikt dieser einstigen Zwirbelkurven-Hochburg. Auch die Schlepplifte Totalp, Meierhoftäli und Dorftäli besassen solche Konstruktionen, teilweise sogar gepaart mit zusätzlichen Dreiecks-Seilführungen.

Seilbahnen rund um den Gotschnagrat

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Weit weniger spannend kommt die Sesselbahn Gruobenalp daher. Seit 1995 stellt sie die Verbindung zum Gotschnagrat sicher und entlastet dabei den Schlepplift Parsennmäder. In technischer Sicht handelt es sich um eine typische Sesselbahn der Firma Garaventa aus der Prä-MCS-Zeit. Die Strecke ist kurz, die Pisten entlang der Bahn zu voll. Die optisch wenig ansprechenden Stationsbauten im Wellblechdesign tragen auch nicht gerade dazu bei, dass die Anlage in meiner Beliebtheitsskala nach oben klettert.

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Mein nächstes Ziel ist daher der Schlepplift Parsennmäder. Bereits seit den 50er Jahren erschliesst er diesen Hang für den Skibetrieb. Nach dem Bau der Luftseilbahn von Klosters auf den Gotschnagrat im Jahre 1950 erstellt die Firma Oehler sieben Jahre später diesen Lift für Wiederholungsfahrten. Er ergänzt damit den bereits 1952 eröffneten Schlepplift an der Parsennfurka, der bis dato ein recht isoliertes Dasein fristet.

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Mit dem Original hat der heutige Lift bis auf die Stützen jedoch nicht mehr viel gemeinsam. 1977 ersetzt die Firma Garaventa die bestehende Anlage auf leicht verlängerter Trasse. Leider erfolgt der Zustieg mittlerweile grundsätzlich nur noch ab dem Zwischeneinstieg, sodass das untere Drittel für den Skibetrieb nicht mehr zugänglich ist.

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Im oberen Streckenteil besitzt der Schlepplift Parsennmäder Fachwerk-Portalstützen von Garaventa.

Genussskifahren an der Schwarzseealp

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Über eine bereits recht sulzige Abfahrt erreiche ich den Sektor an der Schwarzseealp. Auch hier dreht seit dem Jahr 1995 eine kuppelbare Sesselbahn der Firma Garaventa ihre Runden. Mit ähnlich wenig ansehnlichen Stationen wie auf der Gruobenalp.

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Die Bahn selbst ist dagegen genau nach meinem Geschmack. Ein zweckmässiger Kompaktexpress, der nicht allzu viele Leute in diesen ruhigen Sektor zieht, aber dennoch schnell und kompromisslos den Berg hinauf donnert. Er ersetzt eine der ersten fix geklemmten Sesselbahnen von Garaventa aus dem Jahre 1970.

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Im oberen Teil übernimmt er die Stützen seines Vorgängers und unterstreicht damit die grossen Vorteile, die dieses System hat. Möglichst viel Bestandsmaterial übernehmen, die Kosten entsprechend gering halten und trotzdem die Fahrzeiten gegenüber den fix geklemmten Vorgängern deutlich verringern. Von Roll und Garaventa machen es in den 90er Jahren vor und retten damit das eine oder andere Skigebiet. Leider kann sich das System langfristig nicht am Markt halten.

Klosters und der Gotschnagrat

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Vom Gotschnagrat bietet sich auch ein Blick in das Skigebiet an der Madrisa. Besonders in Auge sticht die neue Sesselbahn Schaffürggli, die einen Doppelschlepplift ersetzt. Wehmütig fällt der Blick auch auf den noch existenten, aber seit Jahren stillgelegten Schlepplift Glatteggen am linken Bildrand.

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Die Talabfahrt nach Klosters ist ein besonderer Genuss fürs Auge. Skifahrerisch ist sie dagegen wenig anspruchsvoll.

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So geht es nach vielen Kilometern gleiten mit der Gotschnabahn zurück ins Skigebiet. 1987 ersetzt die heutige Anlage das Exemplar aus den 50ern. Wieder ist es die Firma Von Roll, die den Bauauftrag erhält.

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Beibehalten wird auch die Zwischenstation auf dem Gotschnaboden. Hier startet eine Abfahrtsroute ins Tal, präparierte Pisten gibt es in diesem Bereich nicht. Die zweite Sektion bietet mit Kabinen für 100 Personen nominell weniger Platz als die erste mit ihren 125er-Kabinen, gleicht das aber durch die kürzere Fahrzeit auf kürzerer Strecke wieder aus.

Parsennfurka und Totalp – Perlen des Industrieskifahrens

Am Gotschnagrat angekommen begebe ich mich gleich auf den Rückweg in Richtung Parsennhütte. Der Weg führt mich dabei vorbei an der Gruobenalp zur Sesselbahn Parsennfurka. Anders als vor deren Bau ist nun keine lange Querfahrt mehr erforderlich. Dank der deutlich tiefer gelegenen Talstation im Vergleich zu den Vorgänger-Schleppliften ist die Bahn besser zu erreichen und entzerrt das einstige Nadelöhr an der Parsennhütte ein wenig.

Aus dem neuen Verlauf resultiert auch eine – zumindest im unteren Teil – interessante Trassierung. Ansonsten finde ich an der Bahn wenig, was mich begeistern könnte. Beworben wird sie beim Bau als erste D-Line-Anlage der Schweiz. Als Fahrgast ist der Unterschied zum alten System ungefähr so spürbar wie der Wechsel von Oktan 98 auf Oktan 100. Optisch bleibt es Standardware mit viel Plastik. Immerhin erhält die Totalp-Sesselbahn damit Konkurrenz als Idiotenhügelbagger.

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Der untere Teil der Sesselbahn Parsennfurka. Ohne Marketing-Namen geht es natürlich auch hier nicht.

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Während der Fahrt kreuzt die Bahn zuerst die Sesselbahn Totalp und unterquert im Anschluss die Luftseilbahn Parsennhütte – eine ziemlich einmalige Kombination.

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Der Sicherheitswahn greift nun auch hier leider um sich. Für mich ist es die erste Bahn überhaupt mit automatischen Schliessbügeln, die ich fahre. Wobei automatisches Schliessen nicht ganz korrekt ist, denn schliessen muss man den Bügel manuell. Er wird nur während der Fahrt verriegelt. Umgehen kann man das vermutlich nur, indem man den Bügel überhaupt nicht schliesst. Was angesichts der unsäglichen Stummelfussraster eine Alternative wäre, aber wahrscheinlich sofort mit einem empörten Nothalt von der Stationsaufsicht quittiert werden würde.

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Das Nadelöhr rund um die Parsennhütte von oben gesehen. Diesen Mainstream-Teil des Skigebiets kann man leider mehrheitlich vergessen. Andererseits ist es gut, dass sich die Massen hier konzentrieren – Abwechslung gibt es in den anderen Bereichen daher glücklicherweise umso mehr.

Massen und Mainstream auf der Totalp

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Eingeläutet hat den Wandel zur Massenabfertigung 1998 die Sesselbahn von der Totalp zum Weissfluhjoch. Zweifelsohne bedient sie den Paradehang des Skigebiets, an dem der Vorgängerschlepplift völlig überfordert war. Aber sie zieht damit eben auch alle selbsternannten Rennfahrer und andere Wahnsinnige an. Nach über 20 Jahren Betrieb erhält sie im kommenden Sommer eine Sanierung, bei der auch die Sessel ausgetauscht werden sollen. Vermutlich sind auch hier automatische Schliessbügel im Anmarsch …

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Andererseits weine ich den derzeitigen Sesseln aber auch keine Träne nach. Die erste Generation Haubensessel von Garaventa war schlichtweg ein unausgereiftes Produkt.

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Spannend wird die Trassierung der Sesselbahn Totalp dann aber doch noch. Im oberen Drittel kreuzt sie einen 2006 angelegten Beschneiungsteich, im Anschluss die Sesselbahn Meierhoftäli und zu guter Letzt geht es steil in Richtung Weissfluhjoch nach oben. Das gefällt schon wesentlich besser als die eher unspektakuläre untere Streckenhälfte.

Abstecher ins Meierhoftäli

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Die kuriose Kreuzung der Sesselbahnen Totalp und Meierhoftäli von unten betrachtet. Letztere ist zwei Jahre älter und besitzt keine Hauben. Gemein haben beide dafür die Tatsache, dass sie jeweils einen äusserst ausgefallenen Kurvenlift ersetzen. Im Meierhoftäli war es ein Lift mit zwei Kurven, der im oberen Teil ein Dreieck aufspannte, bei dem die talwärts fahrenden Bügel über eine Zwirbelkurve zurückgeführt wurden. Die Konstruktion an der Totalp war noch eine Nummer komplizierter. Dort wurde das bergfahrende Seil über drei Kurven geleitet und das talfahrende Seil auf separater Trasse zusätzlich über eine Zwirbelkurve abgelenkt. Eine einmalige Sache mit rund 37 Stützen!

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Der komfortsuchende Gast wird den heutigen Sesselbahnen dagegen vermutlich mehr abgewinnen können. Ohne Zweifel ist der direkte Zugang zum Weissfluhjoch über die Sesselbahn Totalp ein Gewinn. Denn den Komplex – und damit den Zugang zur Weissfluh-Pendelbahn – erreichte man zuvor nur über die Parsennhüttenbahn. Oder mit der kurzen einspurigen Pendelbahn vom Totalpsee, die auch eine schnelle Rückkehr von der Weissfluhabfahrt ermöglichte. Umso unverständlicher ist es, dass man sie 2010 ersatzlos abgebaut hat.

Fluch und Segen im Meierhoftäli

Die Abfahrt entlang der Sesselbahn Meierhoftäli ist flach und nicht besonders abwechslungsreich. Wenig überraschend ist sie daher auch die einzige Sesselbahn, die am heutigen Tag kaum ausgelastet ist. Interessant wird die Piste erst an der Talstation. Von dort geht es weiter hinab über eine schwarze Piste bis zum Wolfgangpass. Dass es an dieser Abfahrt keine Seilbahn gibt, ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist es schade, die Piste nicht für Wiederholungsfahrten nutzen zu können, da man zwingend auf den Skibus angewiesen ist. Andererseits macht sie vielleicht auch gerade das erst so reizvoll.

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An der Talstation der 1996 gebauten Sesselbahn Meierhoftäli.

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Die Kreuzung mit der Sesselbahn Totalp ist auch aus dieser Perspektive fotogen. Insbesondere, weil mit der Schiferbahn im Hintergrund noch eine weitere Anlage durchs Bild führt. Weiter oberhalb wären noch die Seile der Parsennhüttenbahn zu sehen. Rund um das Weissfluhjoch schlägt das Seilbahnerherz höher!

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Die angesprochene Parsennhüttenbahn in Aktion. Schon 1961 erstellt die Firma Von Roll auf dieser Trasse eine Luftseilbahn, die den damals völlig alleinstehenden Schlepplift an der Parsennfurka besser an die bestehenden Anlagen am Weissfluhjoch anbindet. In den Anfangsjahren kommt man von diesem Schlepplift nur über den Wolfgangpass zurück nach Davos. 1987 – und damit notabene im selben Jahr wie die Schiferbahn – ersetzt die Firma Garaventa das Produkt aus Bern durch die heute noch bestehende Bahn.

Tagesausklang an der Schiferbahn

Nach einer späten Mittagspause auf der Parsennhütte suche ich zum Tagesabschluss noch einmal die Schiferbahn auf. Von der Weissfluh stürze ich mich auf die lange Fahrt via Obersäss nach Schifer. Eine abgelegene Piste führt mich durch eine malerische, völlig unberührte Landschaft. Gegen Ende habe ich gar Bedenken, dass ich aus Versehen bereits auf die Piste in Richtung Küblis eingebogen bin. Aber nach vielen Schwüngen erreiche ich dann doch noch die Talstation Schifer. Noch immer reicht die Warteschlange bis weit aus dem Gebäude heraus, noch immer beträgt die Wartezeit über zehn Minuten. Doch nach der genussvollen Abfahrt stört das überhaupt nicht.

Die nicht allzu hohe Förderleistung der Schiferbahn ermöglicht es erst, dass die Pisten in diesem Bereich trotz ihrer Beliebtheit so leer sind. Abermals ist es das ausgewogene Verhältnis zwischen Seilbahn- und Pistenkapazität, mit dem der Charakter eines Skigebiets steht und fällt. Anders als an der Totalp passt es hier.

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Abfahrt in malerischer Landschaft von der Weissfluh nach Schifer.

Fragwürdiges Vergnügen auf dem Weg nach Davos

Zurück auf dem Weissfluhjoch steht mir noch eine letzte Abfahrt zurück ins Tal nach Davos bevor. Die Fahrt durch das Dorftäli ist erneut ein Genuss, ab der Station Höhenweg dagegen das komplette Gegenteil. Eine Abfahrt zum Wolfgangpass wäre vermutlich ratsamer. Doch da ich nicht weiss, wie gut die Skibusanbindung dort ist, gehe ich kein Risiko ein. Die Kunstschneebeeisung auf der schwarzen Abfahrt ist ein Graus. Viele Skifahrer sind völlig überfordert, liegen im Schnee oder schultern gar die Ski, um neben der Piste abzusteigen. Es ist ein umrühmlicher Abschluss eines sonst gelungenen Skitags.

Unterwegs fällt auch ein sehnsüchtiger Blick auf die Sonnenhänge der Pischa. Vier Jahre ist es inzwischen her, dass ich dem Skigebiet meinen ersten und einzigen Besuch abgestattet habe. Ich denke immer noch gerne zurück an die weitläufigen Hänge, die zweckmässigen Schlepplifte und das urchige Ambiente. Es ist traurig, dass das seit der Schliessung des Pistenbetriebs nun alles der Vergangenheit angehört. Aber die Angebotsverknappung hat in Davos bekanntlich schon seit den Fondeiliften vor über fünfzig Jahren eine gewisse Tradition …

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Das Skigebiet Pischa mit Luftseilbahn – aber ohne Schlepplifte.

Fazit Skigebiet Davos – Parsenn

14 Jahre nach meinem letzten Besuch an der Parsenn bin ich erstaunt, wie wenig sich doch verändert hat. Und das ist äusserst positiv. Anders als man bei der Lage vermuten würde, ist die Parsenn auch heute kein totmodernisiertes Mainstream-Skigebiet. Im Gegensatz zum gegenüberliegenden Jakobshorn ist die Parsenn nach wie vor ein sehr abwechslungsreiches Skigebiet, das mit einer spannenden infrastrukturellen Erschliessung zu begeistern weiss. Es sind die langen Abfahrten, speziell im Bereich Schifer, gepaart mit den stetigen Wechseln zwischen völlig konträren Geländekammern. Abgelegene, unmodellierte Pisten in landschaftlich reizvollem Gelände ohne Seilbahnen in Sichtweite runden den positiven Eindruck ab.

Schon 2005 hat es mir gut gefallen, dass es – vermutlich dank der Schlepplifte – mit dem Seetäli und dem Hauptertäli ruhige, beschauliche Ecken gibt. Gleiches gilt auch für die Hänge an der Schwarzseealp. Die Massen konzentrieren sich rund um die Parsennhütte. Mit der neuen Sesselbahn an der Parsennfurka hat sich dieser Effekt gefühlt noch etwas verstärkt. Doch das ist gut so, denn der Bereich lässt sich leicht umgehen.

Auch in Sachen Seilbahnen – dem eigentlich Grund meines Besuchs – kann die Parsenn mit ihren zahlreichen klassischen Pendelbahnen, der langen Schiferbahn und den Kurvenschleppliften punkten. Letztlich ist die Berginfrastruktur eben doch ein ganz wesentliches Element, das den Charakter eines Skigebiets prägt. Und je abwechslungsreicher (oder wahlweise simpler, spektakulärer) die Infrastruktur ausfällt, desto spannender wirkt ein Skigebiet.

Alte Liebe rostet nicht

Gleichwohl ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Die Talabfahrt nach Davos ist eines Skigebiets wie der Parsenn unwürdig. Die Varianten zum Wolfgangpass mögen eine Alternative sein, bleiben aber mit Skibus die umständlichere Variante. Problematisch ist auch die Erschliessung rund um das Weissfluhjoch. Es ist schade, dass für Wiederholungsfahrten an der Weissfluh stets der lange Weg zur Parsennhütte oder zur Schiferbahn genommen werden muss. Die direkte Anbindung mit der kurzen Luftseilbahn vom Totalpsee war die bessere Lösung. Schade, dass diese Option nun wegfällt.

Trotzdem werden wohl nicht wieder 14 Jahre vergehen, bis mich die Parsenn das nächste Mal sieht. Nicht nur wegen der gültigen Saisonkarte. Das Skigebiet bleibt auch diesmal in äusserst positiver Erinnerung. Alte Liebe rostet eben nicht!

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