Saint-Luc – Chandolin • Sur les Hauts de l’Anniviers

Der Ausblick an diesem Morgen könnte nicht besser sein. Bereits gegen acht Uhr erreichen die ersten Sonnenstrahlen unser Zimmer. Der Himmel präsentiert sich wolkenlos und die Temperatur ist mit knapp unter dem Gefrierpunkt ideal für beste Skiverhältnisse. Am gegenüberliegenden Hang beobachte ich, wie die Télécabine Pas de Maimbré im Skigebiet von Anzère ausgaragiert wird. Auch diesem Gebiet wollen wir im späteren Verlauf der Tour noch einen Besuch abstatten. Doch nach einem gemütlichen Morgenessen geht es zwischen zahlreichen Weinbergen hindurch hinab ins Rhônetal und von dort auf der Südseite wieder hinauf.

Spektakuläre Anreise ins Val d’Anniviers

Eine spektakuläre Strasse ermöglicht den Zugang ins Val d’Anniviers, welche sich zunächst in vielen Serpentinen den Hang empor schlängelt. Nur, um schliesslich eine eindrucksvolle Schlucht zu durchqueren, auf der die Strasse gerade eine Autobreite Platz bietet. Im Ortszentrum von Vissoie teilt sich die Strasse. Ein Ast führt weiter in den südlichen Bereich, in dem die Skigebiete von Grimentz und Zinal liegen. Eine zweite Strasse führt auf den Gegenhang nach Vercorin und von dort wieder hinab ins Rhônetal. Die dritte Möglichkeit führt weitere rund 400 Höhenmeter den steilen Abhang hinauf nach Saint-Luc. Viele Chaletbauten säumen hier bereits weit unterhalb des eigentlichen Dorfkerns den Rand der Strasse. Der Weg zum Parkplatz der Standseilbahn Tignousa zieht sich ein wenig hin.

Die Einstiegspunkte in das Skigebiet Saint-Luc – Chandolin

Viertel vor zehn zeigt die Uhr, als wir den Parkplatz in der Nähe der Standseilbahn erreichen. Ein kleinerer Platz direkt an der Bahn ist bereits vollständig belegt, sodass wir einen kleinen Fussmarsch auf uns nehmen müssen. Viel Tauwasser der letzten Tage ist an diesem Vormittag noch gefroren auf dem Weg zur Standseilbahn anzutreffen, was in Skischuhen kein angenehmes Unterfangen darstellt. Letztendlich erweist sich die Wahl des Parkplatzes für Tagesgäste als suboptimal. Gibt es noch zwei weitere Einstiege ins Skigebiet, die wesentlich einfacher zu erreichen sind.

Einmal zu nennen wäre hier der grosse Parkplatz am Dorfrand von Chandolin. Dieser ermöglicht direkten Zugang zu zwei Sesselbahnen, von denen aus man direkt beide Teilsektoren des Skigebiets von Saint-Luc-Chandolin erreichen kann. Andererseits gibt es – was wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wissen – weiter oberhalb an der Talstation des Skilifts La Forêt noch einen weiteren grossen Stellplatz im Wald. Ein vierter Einstieg im Dorfzentrum von Chandolin dürfte für Tagesgäste ebenso ungeeignet gewesen sein wie der von uns gewählte in Saint-Luc. Hier waren vermutlich nur sehr wenige Plätze vorhanden. Vor einigen Jahren wurde dieser Einstieg in Form des Schlepplifts Illhorn 1 ersatzlos gestrichen.

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Ausblick vom Parkplatz auf die Bergwelt des Val d’Anniviers.

Künstliche Beschneiung auf der Talabfahrt

Nach dem Kauf der Karten fährt uns einer der blauen Wagen der Standseilbahn vor der Nase weg. So müssen wir eine Weile warten, bis das Pendant aus der Bergstation im Tal eintrifft. Für einen guten Fotostandort gehen wir direkt in das oberste Abteil mit wunderbarem Blick auf die Trasse und die rechts daneben in Falllinie verlaufende, frisch präparierte schwarze Talabfahrt. Diese weist in diesem sonnenexponierten letzten Abschnitt einen regelrechten Lanzenwald und Vollbeschneiung auf, ohne die aber vermutlich im Frühjahr hier nicht lange Skibetrieb möglich wäre.

Generell fällt uns hier bereits zum ersten Mal auf, wie bedacht man in Saint-Luc Beschneiungsanlagen einsetzt. Die Einsatzorte sind begrenzt auf das Übungsgelände Tignousa sowie den unteren Bereich der zahlreichen Talabfahrten. Hier dann aber gleich richtig. Wer also dem künstlichen H2O aus dem Weg gehen will, der muss in Saint-Luc keine Heldentaten vollbringen. Der Einsatz beschränkt sich strikt auf jene Bereiche, in denen er sinnvoll ist.

Hinauf ins Skigebiet von Saint-Luc

Binnen weniger Minuten ist der 80 Personen fassende Wagen gefüllt und das Abfahrtssignal ertönt. Schon nach wenigen Sekunden erreicht die Bahn ihre Höchstgeschwindigkeit von 10 m/s und schiesst förmlich wie eine Rakete den Berg hinauf über die immer steiler werdende Trasse. Ein einzigartiges Fahrtgefühl, wie ich es bislang noch nicht erlebt habe! Die Anlage aus dem Jahr 1993 ist ohnehin eine ganz spezielle. Wirft man einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte des Sektors Saint-Luc, so würde man an dieser Stelle auf jeden Fall eine kuppelbare Sesselbahn erwarten. Stand hier doch zuvor eine fix geklemmte Anlage der Firma Müller, welche noch aus der Gründerzeit des Gebiets aus den 60er Jahren stammte.

Standseilbahnen rückten in der Schweiz gegen Ende der 80er Jahre zwar wieder mehr in den Fokus als auch schon. Doch beschränkte sich der Einsatz auf den Ersatz von bestehenden Anlagen dieses Typs oder in einem Relief, das ausschliesslich für unterirdische Anlagen geeignet erschien. Auch ich bin bis zu diesem Tag ein wenig skeptisch, welchen Vorteil der Ersatz einer Sesselbahn durch eine solche Standseilbahn mit sich bringen würde.

Die Standseilbahn Tignousa – ein cleverer Schachzug?

Doch für das Gebiet von Saint-Luc stellt eine derartige Anlage eine ideale Alternative dar. Die mehrheitlich aufgeständerte Bahn ist gegen viel Schnee ebenso unempfindlich wie gegen Wind oder andere widrige Wettereinflüsse. Damit stellt sie ganzjährig einen sicheren Zugang zum Dreh- und Angelpunkt des Gebiets, Tignousa, dar. Speziell für die vielen Skischulen und Familien mit Kindern ist eine derartige Anlage ideal, genauso für den Transport von grösseren Waren. Hinzu kommt, dass die Förderleistung mit 1200 Personen pro Stunde ausreichend konzipiert ist und sich die Fahrzeit aufgrund der immensen Geschwindigkeit auf einen Bruchteil derer des Vorgängers reduziert. Ein gelungener Modellversuch, der fünf Jahre später am Moléson seine Fortsetzung fand. Hier wurde eine Kabinenbahn durch eine Standseilbahn ersetzt.

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Kreuzung mit dem zweiten Wagen in der Ausweiche. Es handelt sich bei der Anlage um die erste Garaventa-eigene Standseilbahn in der Schweiz.

Angekommen auf Tignousa

Angekommen auf Tignousa strömen die Insassen der Standseilbahn Richtung Ausgang. Wir schliessen uns ihnen an. Bereits hier gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, das Skigebiet zu erkunden. Eine Abfahrt führt zum etwas abgelegenen Skilift La Forêt sowie zum Übungsskilift Par di Modzes. Die andere führt zum nahe gelegenen Skilift Tignousa, der einerseits eine recht flache Piste in gleichmässiger Hanglage erschliesst, andererseits aber auch den Zugang zum Südteil des Gebiets, namentlich die Skilifte Col des Ombrintzes, Pas de Boeuf und Bella Tola, ermöglicht. Die genannten Anlagen auf Tignousa entstammen noch alle der Gründerzeit des Skigebiets und datieren aus den Jahren 1965 und 1966. Wirklich original daher kommt allerdings nur noch der Skilift La Forêt. Ein steiles Poma-Exemplar! Die anderen beiden Anlagen von Müller sind technisch eher in den 80er Jahren anzusiedeln, wurden sie doch auf Teller respektive Langbügel umgerüstet.

Einfahren am Schlepplift Tignousa

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Der Skilift Tignousa von Müller mit dem Hang, den er erschliesst. Als einer der wenigen Bereiche im oberen Gebietsteil ist hier eine Vollbeschneiung anzutreffen.

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Der Ausblick ist trotz der noch moderaten Höhenlage bereits sehenswert. Links das Skigebiet von Zinal, in der Mitte Grimentz und dahinter das Val de Moiry mit dem hier nicht sichtbaren Stausee.

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Talstation und Einstieg des Schlepplifts Tignousa. Die Station und die erste Stütze wurden beim Umbau auf Langbügel ersetzt. Wie man an der Schräg-T-Konstruktion unschwer erkennen kann, stammt auch sie aus dem Hause des Originalherstellers.

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Unterwegs im Schlepplift Tignousa. Hier im oberen Bereich gibt es keine Beschneiung mehr. Dafür aber umso mehr Möglichkeiten, abseits der Piste seine Schwünge zu ziehen.

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Der Ausstieg des Skilifts Tignousa. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Hier handelt es sich um den einzigen wirklich normalen Schlepplift im gesamten Gebiet!

Nächstes Ziel – Bella Tola

Wir entschliessen uns zunächst, den Südsektor des Gebiets zu erkunden, in dem sich auch der höchste per Skilift erreichbare Punkt des Gebiets, Bella Tola auf knapp 3000 Metern Seehöhe, befindet. Nur bei guten Schnee- und Wetterverhältnissen ist dieser exponierte Poma-Skilift in Betrieb. Um zu ihm zu gelangen, muss zwangsläufig eine Fahrt mit dem Skilift Pas de Boeuf erfolgen. Einem der wohl aussergewöhnlichsten Poma-Skilifte dieses Planeten. Drei Kurven, eine Abfolge von steilen und flachen Passagen, eine Linienführung im Dreieck und eine völlig abgeschiedene Lage fernab jeder präparierten Piste machen jede Fahrt zu einem regelrechten Abenteuer.

Der kuriose Poma-Schlepplift Pas de Boeuf

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Die Talstation des Schlepplifts Pas de Boeuf. Sie ist wesentlich neuer als der Rest vom Lift, der aus dem Jahr 1973 stammt. Vor einigen Jahren versetzte man die Talstation nach links und etwas weiter nach oben, um einen besseren Zugang zu ermöglichen. Dadurch macht der Lift nun nach wenigen 100 Metern eine Links- und nicht wie früher eine Rechtskurve. Ein interessantes Detail weist diese Talstation der modernsten Poma-Bauart auf. Im Normalfall kommen bei Neuanlagen fahrbare Antriebe mit einer hydraulischen Abspannung zum Einsatz. Da man an dieser Anlage die fliegende Umlenkscheibe am Berg aber nicht durch eine fixe Umkehr ersetzte, fehlt die sonst typische Spanneinrichtung in der Talstation.

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Die relativ harmlose Kurve Nummer eins, die, wie man unschwer an den modernen feuerverzinkten Trägern erkennen kann, erst einige Jahre alt ist.

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Nach einer etwas steileren Passage führt die Anlage in völliger Abgeschiedenheit durch eine Hochebene. Die hier sichtbare Spur gehört lediglich zu einer unpräparierten Abfahrtsroute, die präparierten Pisten sind (gefühlt) meilenweit entfernt.

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Wer genau hinsieht, erkennt bereits von hier, wo es in wenigen Augenblicken weitergeht.

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Kurz vor einer scharfen Rechtskurve und dem steilsten Teil des Skilifts wird ein Dreieck aufgespannt. Das Talseil überspannt mühelos dieses kleine Hochtal. Faszinierend ist es, den pendelnden Stangen zuzusehen, die hier hoch über dem Boden schweben.

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Kurve Nummer zwei, diesmal nach rechts.

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Kurve Nummer drei direkt nach dem Steilhang ist aufgrund der unruhigen Seilführung bedingt durch die Ablenkung nach innen zwar die unangenehmste Passage. Sie stellt aber doch die enorme Flexibilität eines Poma-Skilifts verglichen mit dem System Constam in eindrucksvoller Weise dar. Hier muss man sich die folgende Abfahrt noch mühsam erarbeiten und bekommt sie nicht wie anderswo all-inclusive auf dem Silbertablett serviert. Gerne mehr davon!

Mit dem Schlepplift Bella Tola zum höchsten Punkt in Saint-Luc

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Nach einigen weiteren Stützen ist die Bergstation erreicht. Und nach einer kurzen Abfahrt kommt auch schon die Talstation des Skilifts Bella Tola in Sicht, die sich in einem kleinen Tal befindet. 1982 war die Anlage die letzte grosse Neuerschliessung in Saint-Luc.

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Im Gegensatz zum Skilift Pas de Boeuf ist die Anlage Bella Tola etwas langsamer unterwegs und auch bei weitem nicht so spektakulär.

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Als spektakulär kann man hingegen den Ausblick bezeichnen, den man bereits während der Fahrt geniessen kann. Hier bei einem Blick zurück auf die erste von zwei Kurven.

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Ganz oben auf knapp 3000 Metern Höhe gibt es eine Skiroute, die von der Bergstation des modernen Poma-Schlepplifts mit kuppelbarem Ausstieg durch ein separates Tal wieder zu dessen Talstation führt. Wir entschliessen uns aber dazu, die präparierte Abfahrt zu nehmen. Diese verläuft durch ein weiteres Seitental und bietet abermals nicht nur ein tolles Panorama. Sie führt auch weit entfernt von jeder mechanischen Aufstiegshilfe durch die unberührte hochalpine Landschaft.

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Ein Blick auf die Abfahrt, die trotz voll besetztem Lift menschenleer ist. Dahinter kommt erstmals das enorm weitläufige Areal des Skigebiets von Saint-Luc zum Vorschein. Man führe sich vor Augen, dass man hier nur das südliche Drittel des Gebiets sehen kann!

Das nächste Kuriosum am Col des Ombrintzes

Nach einer weiteren Fahrt am Skilift Pas de Boeuf machen wir uns auf zum Col des Ombrintzes, um in den Teilsektor Chandolin zu wechseln. Den Zugang stellt wie gewöhnlich ein Skilift sicher. Auch dieser längst erhält jedoch nicht mehr das Prädikat original. Zwei Jahre nach der Erschliessung von Tignousa war der Skilift Col des Ombrintzes die erste grosse Beschäftigungsanlage in der noch jungen Geschichte des Gebiets. Da er nicht ganz bis zum Gipfel führte, wurde er im Zuge eines Umbaus auf Langbügel in den 80ern durch die Firma Baco verlängert. Seither weist er im oberen Bereich eine Kurve an der Stelle der ehemaligen Bergstation auf und führt quer zum Hang bis zum eigentlichen Pass. Von dort aus ist eine Abfahrt ohne Aufstieg nach Chandolin erreichbar.

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Unterwegs im Skilift Col des Ombrintzes. Die Fachwerkstützen sind das letzte, was noch von der originalen Anlage übrig geblieben ist.

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Auf dieser Zoomaufnahme wird der ungefähre Verlauf des Skilifts sichtbar: Das Talseil zweigt auf halbem Weg mittels schräger Rollen nach rechts ab. Das Bergseil verläuft entlang der ursprünglichen Trasse, verlängert um den oben ersichtlichen Querabschnitt zur neuen Bergstation.

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Zur besseren Belastung der Stütze wurden die Rollenbatterien in die Mitte verlegt. Hinter dieser Stütze befand sich ursprünglich die Bergstation. Die beengten Platzverhältnisse lassen nur einen Rückschluss zu. Hier muss einer der typischen Seilscheibenausstiege von Müller gestanden sein.

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Die Abfahrt nach Chandolin führt erneut durch ein völlig einsames Tal und ist nicht zuletzt aufgrund einiger knackiger Steilhänge ein Genuss.

Über abgelegene Hänge zum Schlepplift Crêt de la Motte

Nach mehrheitlich flachen Passagen im unteren Teil erreichen wir die Talstation des Skilifts Crêt de la Motte. Einer von inzwischen nur noch fünf existenten Schweizer Poma-Skiliften mit fliegender Seilscheibe im Tal. Während der Saison 2006/2007 war er ausser Betrieb und sollte im Anschluss endgültig stillgelegt werden. Nach Protesten seitens der Gäste ist er aber schon in der folgenden Saison wieder in Betrieb gewesen. Und an diesem Zustand hat sich bis heute nichts geändert. Wenn auch ausser uns nun um die Mittagszeit diesen Lift kaum jemand benutzt.

Spätestens nach der folgenden Abfahrt wissen wir auch, warum. Die meisten Hänge sind äusserst flach und nur durch Schieben zu erreichen. Aus skitechnischer Sicht wäre ein Abbau der Anlage in diesem mit Abstand uninteressantesten Sektor des gesamten Gebiets sicher zu verkraften gewesen. Zumal alle Abfahrten auch weiterhin erschlossen gewesen wären. Dennoch, die kurvenreiche Linienführung durch die Hochebene ist aus seilbahntechnischer Sicht ein echtes Schmuckstück.

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Skilift Crêt de la Motte. Am linken Bildrand über der Piste ist die fliegende Umlenkscheibe erkennbar.

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Der untere Bereich mit Blick auf die bereits zweite von drei Kurven. Erst 1980 wurde diese Anlage erbaut.

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Oberer Streckenabschnitt des Skilifts Crêt de la Motte.

Der Dreh- und Angelpunkt Tsapé

Vorbei an einer Bauseilbahn, welche zum im nächsten Tal gelegenen Illsee führt, schieben wir auf einem Ziehweg dem Bereich Tsapé entgegen, dem zentralen Punkt im Gebietsteil Chandolin. 1971 wurde dieser Bereich vom Reissbrett mittels einer fix geklemmten Sesselbahn und einem kurzen Übungslift erschlossen. So ergänzte er das Angebot des Skilifts Chandolin-Illhorn, der schon ein knappes Jahrzehnt zuvor seine Runden drehte. Von den beiden Anlagen, die durch die Firma Bühler erstellt wurden, existiert nur noch der Schlepplift. Die Sesselbahn wurde 2005 durch ein Leitner-Produkt ersetzt. Im Gegensatz zu Saint-Luc macht hier aufgrund des Reliefs und des Beschäftigungscharakters dieser Anlage eine Sesselbahn deutlich mehr Sinn als eine Standseilbahn. Dennoch hat man – im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten – die Förderleistung mit Bedacht auf einem verhältnismässig niedrigen Niveau beibehalten, sodass die Pisten die Skifahrer ohne Probleme aufnehmen können.

Etwas oberhalb von Tsapé treffen wir zunächst auf den Skilift La Tsa Ecole. Ein kurzes, filigranes Exemplar eines fix geklemmten Poma-Schlepplifts, der nicht in Betrieb ist. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die fliegende Seilscheibe abgesenkt ist und das Seil von den Rollen der letzten Stütze gefallen ist. Offenbar ist die Panne erst kurz vor unserem Eintreffen aufgetreten. Denn schon nach wenigen Augenblicken macht sich ein Schneetöff auf den Weg zur Bergstation.

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Der defekte Skilift La Tsa Ecole.

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Ein Blick vom Restaurant Tsapé auf die Bergstation des Schlepplifts Les Etables. Diese kurze, aber stellenweise durchaus steile Anlage von Bühler weist eine Besonderheit auf. Als einer der wenigen Bühler-Schlepplifte besitzt er Antrieb und Abspannung an getrennten Orten. Der laute Antrieb in der Bergstation ist schon von Weitem zu hören.

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Strecke des Schlepplifts Etables.

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Ein Blick hinüber zu den beiden Bergstationen des Schlepplifts La Forêt und der Sesselbahn Le Rotsé. Letztere stellt die Verbindung von Chandolin nach Saint-Luc sicher.

Panorama-Höhepunkte am Schlepplift Illhorn

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Eine Abfahrt direkt ins Rhônetal? Vorerst nur bis zum Skilift Illhorn, doch die Tiefblicke auf den über zwei Kilometer tiefer gelegenen Talboden sind gewaltig!

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Der Schlepplift Illhorn in seiner ganzen Pracht. Bis zu seinem Bau 1993 erschloss eine Anlage vom Dorfrand von Chandolin aus das Illhorn mit einer Höhendifferenz von über 650 Metern. Diese wurde dann verkürzt und vor einigen Jahren komplett abgebaut, sodass nunmehr nur noch der neuere Lift in Betrieb ist. Der steht aufgrund seiner spektakulären Trassierung und immer noch knapp 600 Höhenmetern seinem Vorgänger aber in nichts nach.

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Kurve Nummer zwei vor dem Übergang in den steilsten Abschnitt. Hier befindet sich ein Zwischenausstieg, der auch rege genutzt wird. Wie sich später herausstellt, ist trotz der enormen Steigung der obere Bereich der Piste weit weniger interessant als der untere, flachere Teil.

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Auf dem Foto kommt die Steilheit bei weitem nicht rüber. Aber es ist bis zum heutigen Zeitpunkt mit Abstand der steilste Poma-Skilift, den ich je gefahren bin. Bei jeder Stützenüberfahrt klappert der Stangenteller. Man hat Mühe, dass der Teller nicht zwischen den Beinen herausrutscht. Und doch ist es trotz (oder gerade wegen?) der Schwierigkeiten eine geniale Schleppliftfahrt.

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Angekommen am Illhorn.

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Der Ausblick auf die südlichen Walliser Berggipfel ist einmal mehr gigantisch. Bei genauem Hinsehen ist auch das Matterhorn sichtbar.

Unbeabsichtigter Weg in die Sackgasse

Nach einer weiteren Fahrt zum Illhorn machen wir uns auf zur Sesselbahn Tsapé, um an deren Bergstation zu Mittag zu essen. Leider folgen wir fälschlicherweise der Beschilderung nach Chandolin, die uns allerdings in den Ort und damit in eine Sackgasse bringt. Anstatt, wie erhofft, zu den beiden Sesselbahnen am südlichen Ortsrand. Unverhofft kommen wir durch diesen Fauxpas an der ehemaligen Talstation des alten Skilifts Illhorn vorbei, dessen Schneise im Wald noch immer deutlich sichtbar ist. Gäbe es ihn noch, wäre eine Rückkehr ins Skigebiet ein Leichtes. Doch so müssen wir rund einen Kilometer die Ski schultern und zu Fuss entlang der Strasse zu den beiden Sesselbahnen laufen.

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Das Ende der Talabfahrt nach Chandolin, fotografiert von der ehemaligen Talstation Illhorn aus. Im Hintergrund sieht man die Sesselbahn Rotsé, zu deren Talstation wir nun laufen müssen.

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Unterwegs in der Sesselbahn Tsapé. Deutlich ist bei dieser sieben Jahre alten Anlage bereits die Zusammenarbeit von Leitner und Poma sichtbar: Gleiche Klemmen und die typischen Rundrohrstützen von Poma auf der einen Seite sowie die Leitner-Sessel auf der anderen Seite.

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Sesselbahn Tsapé und rechts davon der Schlepplift Etables in der Totalen.

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Sesselbahn Tsapé mit Aussicht ins Rhônetal.

Wenig attraktive Talabfahrt nach Chandolin

Die Abfahrt nach Chandolin führt im oberen Teil über sanfte Hänge und schliesslich vorbei an der Talstation des Schlepplifts Crêt de la Motte, wo sie deutlich steiler wird. Ab diesem Punkt setzt auch die künstliche Beschneiung ein. Das führt dazu, dass die Piste alles andere als angenehm zu fahren ist. Tief im Wald gelegen ist die Piste ohne Sonneneinstrahlung pickelhart gefroren. Schade bei der an und für sich ansprechenden und abwechslungsreichen Trassierung entlang der steilen Sesselbahn Rotsé. Mit selbiger geht es im Anschluss wieder zurück in den Sektor Saint-Luc. War die Verbindung in die andere Richtung schon 1971 ab der Inbetriebnahme der Sesselbahn Tsapé möglich, so dauerte es noch bis 1986, ehe man in beide Richtungen per Ski wechseln konnte.

Mit den Sesselbahn Rotsé zurück in den Sektor Saint-Luc

Doch nicht nur für das Skigebiet von Saint-Luc – Chandolin ist die Anlage von Bedeutung, sie trägt auch eine gewisse seilbahngeschichtliche Relevanz. Ist sie doch die letzte Sesselbahn, die die traditionsreiche Firma Müller in ihrem Heimatland realisieren konnte und gleichzeitig die einzige fix geklemmte Dreiersesselbahn von Müller in der Schweiz. Mit der Umbenennung in Rowema kurze Zeit später endete die Geschichte und auch der Erfolg dieses grossen Schweizer Seilbahnherstellers.

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Die Talstation der Sesselbahn Rotsé. Links daneben der Parkplatz, der sich für Tagesgäste am besten von allen drei Einstiegspunkten eignet. Trotz eines nachgerüsteten Förderbands ist die Fahrgeschwindigkeit der Bahn eher als moderat zu klassieren. Sie gewinnt aber dank der Steilheit dennoch schnell an Höhe und ist kein störender Faktor in einem Skigebiet, in dem so gut wie alle Hänge durch schnelle Schlepplifte erschlossen sind.

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Unterwegs in der Sesselbahn Rotsé nach Passieren der Baumgrenze. Im folgenden steilsten Teil der Strecke sind die Stützen interessanterweise lotrecht montiert und nicht im rechten Winkel zur Seilachse.

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Kaum überschreiten wir die Kuppe vor der Bergstation, eröffnet sich ein wunderbarer Blick auf das imposante Panorama. Man hat regelrecht das Gefühl, hier auf dem Dach der Welt angekommen zu sein.

Auf Umwegen zum Schlepplift La Forêt

Doch nicht nur die Aussicht, sondern auch die folgende Abfahrt ist ganz nach unserem Geschmack. Steil und trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit immer noch leicht pulvrig geht es hinab Richtung Tignousa. Eigentlich wollen wir nun den Skilift La Forêt fahren. Doch weder auf dem Pistenplan noch auf der Piste selbst entdecken wir einen Abzweig in Richtung dieses Lifts. Schliesslich landen wir nach einer Querfeldeinfahrt an der Talstation des kurzen Skilifts Par di Modzes, an dem gerade eine grössere Skischulgruppe ansteht. Wir entschliessen uns, erst einmal mit diesem hochzufahren. Vielleicht werden wir an der Bergstation auf einen Hinweis treffen.

Doch diesen entdecke ich während des Wartens bereits an der Talstation. Etwas kurios führt ein kleiner Waldweg durch die Talstation des Übungslifts hindurch zum Skilift La Forêt. Nach vielen Kehren treffen wir dann auf die eigentliche Piste, die wir irgendwie im Vorfeld nicht gesehen haben. Abgesehen von dieser einen in Fallrichtung verlaufenden Piste scheint der Lift im unteren Teil allerdings nur Ziehwege zu erschliessen. Was ob der eigentlich netten Trassierung ein wenig schade ist. Sogar von der Talstation des Pas de Boeuf kommt man über einen Waldweg hierher. Etwas überrascht entdecken wir an der Talstation den bereits eingangs erwähnten dritten Parkplatz, der über eine (sogar schwarz geräumte) Strasse in knapp 2000 Metern Höhe erreicht werden kann.

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Ein Blick auf den Skilift Par di Modzes, ein Müller aus der Gründungszeit des Gebiets. Als leichte Übungsanlage weist der Lift die inzwischen sehr seltene leichte Version der Fachwerkstützen von Müller auf, der Rest ist aber – analog zum Skilift Tignousa – nicht mehr original. Sowohl die Stationen stammen aus den 80ern, als auch die Tellergehänge von Borer, an deren Stelle früher Kurzbügel im Einsatz gewesen sein dürften.

Nostalgie in Perfektion

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Ursprünglich erhoffe ich mir bei der ersten Begegnung mit dem Skilift Forêt eine schräg zur Bahnachse gestellte Fachwerktalstation, wie sie zum Zeitpunkt des Baus 1966 gang und gäbe waren. Doch leider werde ich enttäuscht. Die Station muss der Bauweise nach Ende der 80er oder zu Beginn der 90er Jahre durch ein neues Exemplar ausgetauscht worden sein.

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Von seinem ursprünglichen Charme hat der Lift aber nur bedingt etwas eingebüsst. Kaum klinkt sich die Klemme in das Förderseil ein, fährt auch schon die Teleskopstange auf volle Länge aus und Sekundenbruchteile später segele ich einen Meter durch die Luft, ehe sich das Spielchen noch ein zweites Mal, diesmal aber etwas sanfter, wiederholt. Ja, so stelle ich mir einen richtigen Poma-Skilift vor!

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Die Schilder entlang des Skilifts sind jedoch noch eine Nummer origineller. Bing! wird fortan zum Unwort des Tages erkoren.

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Auch wenn insbesondere die Kurven des Lifts nicht mehr original daherkommen, so sind die meisten anderen Stützen noch immer im typischen Aussehen der 60er Jahre gehalten: die typische Dreiecksverstrebung der Aufhängung, die Farbe des Schafts, die teilweise fehlenden Anhebeböcke und vor allem die „offenen“ Rollen mit den wenigen Speichen machen die Fahrt mit diesem gut gepflegten Oldtimer zu einer wahren Freude!

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Nach knapp 600 Höhenmetern ist die Bergstation mit ihrer fliegenden Umlenkscheibe und beengten Platzverhältnissen erreicht. Links geht es steil hinab nach Chandolin, rechts nach Saint-Luc.

Nachmittäglicher Genuss am Col des Ombrintzes

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Wir machen uns ein weiteres Mal in den spannendsten Teil des Gebiets, den Südsektor, auf. Hier im Schlepplift Col des Ombrintzes mit der Aufteilung in die Dreiecksseilführung.

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Einen herrlichen Ausblick vom Col des Ombrintzes geniessen wir auch noch am späten Nachmittag.

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Auch von oben sind die langen Spannfelder des talfahrenden Seils hübsch anzusehen.

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Und auch diese geniale, vollkommen menschenleere Abfahrt mit Blick auf Matterhorn und Konsorten lässt uns noch einmal miterleben, in welch aussergewöhnlich schönem Skigebiet wir uns befinden.

Nach einer weiteren Fahrt am Pas de Boeuf, bei der wir über zehn Minuten anstehen müssen, machen wir uns auf den Weg zurück nach Tignousa, um von dort via Talabfahrt wieder zum Parkplatz zurückzukehren. Auf den eigentlich krönenden Tagesabschluss, einer Fahrt auf der Piste de Prilet, die weit ausserhalb des Dorfes endet, verzichten wir, da wir nicht genau wissen, wie lange der Skibus zurück nach Saint-Luc noch fährt. So lichte ich auf Tignousa noch die letzte zu dokumentierende Anlage, einen kleinen Übungslift, ab, ehe wir uns durch inzwischen sehr weichen Schnee wieder hinab zum Ausgangspunkt vorkämpfen.

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Nein, normale Skilifte sucht man in diesem Gebiet vergebens. Selbst dieser kleine fix geklemmte Poma-Skilift verläuft in einem Dreieck. Rechts im Hintergrund eine der genialen Abfahrten am Skilift Pas de Boeuf.

Fazit

Schnell sind die Ski auf dem dank der Temperaturen immer noch gefroreren Parkplatz verstaut und es geht wieder hinab, durchs Rhônetal und auf der gegenüberliegenden Talseite hinauf nach Lens. Dort lasse ich die Eindrücke des Tages noch einmal Revue passieren. Schnell wird klar, Saint-Luc-Chandolin ist eines der besten Skigebiete, in denen ich je gewesen bin. Dies aus einer ganzen Reihe von Gründen.

Einerseits ist selbstverständlich die Infrastruktur nicht vergleichbar mit vielen anderen Gebieten. Wo anderswo längst halbleere Sechsersesselbahnen vor sich hin surren würden, stellt man in Saint-Luc einen Poma-Skilift in die Landschaft. Steile, ausgefallene und technisch seltene Konstruktionen trifft man hier mit einer sonst nie da gewesenen Dichte an. Das stellt für den Seilbahninteressierten ein wahres Paradies dar, bedeutet aber auch für alle anderen Gäste, vielleicht mehrheitlich unbemerkt, einen immensen Vorteil. Durch die begrenzte Förderleistung der Anlagen und die Vielzahl an Abfahrtsvarianten, die eine Bahn erschliesst, sind die Pisten auch bei voller Auslastung vollkommen leer. Dass man dafür auch einmal zehn Minuten Wartezeit an der Talstation in Kauf nehmen muss, stört niemanden und ist Ehrensache. Gut Ding will Weile haben.

Ein Skigebiet, das seinesgleichen sucht

Das Hochgebirge in Saint-Luc bleibt jenen vorbehalten, die sich das Panorama und die Abfahrten auch erarbeiten. Wer die Piste nicht fahren kann, der wird schon bei der Bergfahrt vom Skilift gnadenlos aussortiert und merkt direkt, wenn er noch an den Übungshang gehört. Anders als bei Sesselbahnen, wo manches selbsternannte Talent es nicht mal dann merkt, dass es auf einer steilen Abfahrt nichts zu suchen hat, wenn es schon längst zu spät ist. Auch die Tatsache, dass in Saint-Luc von 14 Anlagen lediglich drei in den letzten 50 Jahren komplett ersetzt wurden, beweist die Ursprünglichkeit dieses Skigebiets.

Die Pisten runden das einmalige Angebot hervorragend ab. Nur in Ausnahmefällen verlaufen die Pisten in Liftnähe, meist sogar in völlig abgetrennten und einsamen Tälern. Es gibt keine Modellierung, die Pisten folgen mit Kuppen und Kurven dem natürlich vorgegebenen Verlauf. Kurzum: Saint-Luc-Chandolin steht, wie auch der Rest des Val d’Anniviers, ganz oben in meiner Prioritätenliste. Ein Wiedersehen ist vorprogrammiert, dann auch inklusive der Piste de Prilet.

Am Abend beratschlagen wir, wo es am nächsten Tag hingehen soll. Ein Blick ins Internet offenbart, dass in den Quatre Vallées sämtliche Anlagen geöffnet sind. Bis auf die Skiroute ins Val d’Arby sind auch alle Pisten mit grünen Punkten versehen. Auch der sonst so oft geschlossene Mont Gélé, einer der Hauptgründe unseres geplanten Besuchs. Wir entscheiden uns, entgegen dem ursprünglichen Plan, nach Crans-Montana zu fahren, dazu, am kommenden Tag definitiv den Quatre Vallées einen Besuch abzustatten. Über die Wetteraussichten brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Bis zu unserer Abreise scheint strahlender Sonnenschein gesichert zu sein.

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