Bellwald – Richinen • Zu Fuss zum Saisonschluss

Meinem Ziel, bis 2019 möglichst vielen kuppelbaren Seilbahnen der ersten Generation aus den 50er, 60er und 70er Jahren einen Besuch abzustatten, komme ich Stück für Stück näher. Nach dem Ausflug zum Flumserberg im Dezember und meinem Aufenthalt im Berner Oberland im Februar ist der Fahrplan für die nächste Zeit relativ klar. In der Schweiz soll es im Sommer nach Brambrüesch, Grindelwald und Les Marécottes gehen. Die Bahnen in Deutschland sollen ebenfalls im Sommer folgen. Im nächsten Winter steht dann noch Flims-Laax auf dem Programm.

Saas Fee will die Hannigbahn ersetzen

Tja, Pustekuchen. Ende Februar erreicht mich die Meldung, dass Saas Fee bereits im kommenden Sommer die Hannigbahn ersetzen will. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Seit dem Umbau Anfang der 90er Jahre gibt es an der Bahn keinen Skibetrieb mehr. Entsprechend ist die Förderleistung für die Schlittler und Wanderer völlig ausreichend. Einen wirklichen Grund, sie zu ersetzen, gibt es wahrlich nicht. Erst recht nicht durch eine 10er-Kabinenbahn, wie es die Bergbahnen Saas Fee vorsehen. Aber wieder einmal sind es die viel zu restriktiven Sicherheitsbestimmungen, die an dieser Stelle einen Weiterbetrieb des populären und weltweit tadellos im Einsatz befindlichen Giovanola-Klemmensystems verhindern.

Aber gut. Dann habe ich wenigstens einen guten Grund mehr, ähnlich wie im letzten Jahr die Wintersaison mit einem Kurztrip ins Wallis zu beschliessen. Mit dem Küpfer-Zweiseilschlepplift auf der Belalp und der Sesselbahn Richinen in Bellwald gibt es nämlich noch zwei weitere interessante Seilbahnanlagen. Und wer weiss schon, wie lange diese noch ihre Runden drehen. Mittlerweile bin ich lieber vorsichtig.

Bellwald als Auftakt zu einem spontanen Wochendtrip

Irgendwie will sich diesen Winter aber nicht so recht ein sonniges Wochenende ausgehen. Schnee im Überfluss, aber viel zu selten gutes Wetter. Das hilft mir auch nicht wirklich weiter. Das erste Aprilwochenende bietet dann endlich die gewünschten Wetterverhältnisse. Doch diesmal werde ich vom immer früheren Saisonschluss der Skigebiete überrascht. Die Belalp stellt – trotz exzellenter Schneelage – am Ostermontag den Betrieb ein. Ausgerechnet dieses Jahr, wo man vermutlich noch bis weit in den Mai hinein auf den dortigen Hängen fahren könnte. Und im November, wenn’s keinen Naturschnee gibt, quetschen sich dann alle wieder auf den Kunstschneebändern ins Tal. Das verstehe, wer will.

Immerhin, das kleine Skigebiet Bellwald am unteren Ende des Goms bietet noch Skibetrieb bis zum Freitag nach Ostern. Warum man das Wochenende nicht noch mitnimmt, ist mir allerdings auch hier ein Rätsel. Gibt es im Wallis keine (einheimischen) Tagesgäste? Dass die Saison freitags endet – das habe ich auch noch nicht erlebt. Da mir Bellwald als Skigebiet für einen ganzen Tag aber zu klein ist, spare ich mir eine Übernachtung und breche erst am Freitag Morgen ins Wallis auf, um am Nachmittag – ohne Ski – mit der Sesselbahn nach Richinen zu fahren. Mein Navi schlägt mir eine Fahrt über Andermatt und den Furka-Autoverlad vor, aber nach meinen bisherigen Erfahrungen mit der MGB präferiere ich die Route durch den Lötschberg. Problemlos treffe ich auf diesem Weg gegen 14 Uhr in Bellwald ein.

Die faszinierende Einfachheit der Kuppeltechnik

Der Grund für meinen Besuch kann ich bereits vom Parkplatz aus sehen und hören. Die Sesselbahn nach Richinen ist nicht irgendeine kuppelbare Sesselbahn. Es ist das letzte noch bestehende Exemplar aus der Baureihe VH400 Light der Firma Von Roll. Zu Beginn der 90er Jahre nutzte der Thuner Seilbahnhersteller seine Expertise im Bau kuppelbarer Anlagen für den Entwurf einer möglichst kostengünstigen Sesselbahnkonstruktion. Lange, fix geklemmte Sesselbahnen waren zu diesem Zeitpunkt weit verbreitet, hatten aber oft eine zu geringe Förderleistung und viel zu lange Fahrzeiten. Mit dem neuen System konnte Von Roll diese beiden Nachteile auf einfachste Art und Weise eliminieren.

Stationen, Stützen und Rollenbatterien konnten bei den Umbauten weiterverwendet werden. Lediglich die Kuppelkonstruktion musste in die bestehenden Stationen integriert werden, was aber ebenfalls in stark reduzierter Form erfolgte. Keine aufwendigen Spanneinrichtungen, keine unnötigen Schienen. Die Sessel nutzen ganz einfach die Reifenförderer als Stationsschienen. Abgespannt wird die komplette Station, sodass zusätzliche Steher nicht notwendig sind. Einfacher kann man eine kuppelbare Sesselbahn nicht konstruieren.

Bergfahrt mit der Sesselbahn von Bellwald nach Richinen

Bild
Bergfahrt mit der Sesselbahn von Bellwald nach Richinen bei bestem Wetter. Die Sessel wurden wie bei den beiden Schwesteranlagen in Saanenmöser und in Wengen beim Umbau ausgetauscht.

Bild
Die Strecke lässt sich grob in drei Abschnitte einteilen. Nach einem eher flachen Beginn durch den Ort folgt ein etwas steilerer Abschnitt im Wald.

Bild
Nach diesem Teilabschnitt wird die Strecke wieder flacher und zusätzlich vom Übungsschlepplift Matten gedoppelt. Der Doppelmayr-Bügelschlepplift ersetzte Ende der 90er Jahre eine Anlage von Bühler. Diese wiederum war eine Occasion und stand zuvor im Ort Bellwald selbst.

Bild
Wunderschön fügen sich die Fachwerkstützen in die Landschaft ein. Sie stammen noch vom Vorgänger, einer fix geklemmten Zweiersesselbahn aus dem Hause Habegger. Skifahrer sind zu diesem Zeitpunkt nur noch ganz vereinzelt auszumachen. Erstaunlich, denn die Pisten sehen trotz der warmen Temperaturen und der südseitigen Exposition noch exzellent aus.

Bild
In gemächlichem Tempo surrt mein Sessel der Bergstation entgegen. Linker Hand nimmt die zweite Sektion Sesselbahn zum Steibenkreuz immer mehr Bildinhalt ein.

Längst vergangene Zeiten und die Walliser Bergprominenz

Bild
Auf Richinen angekommen fällt der Blick als erstes auf die gegenüberliegende Talseite und damit auf den Ernergalen. Lange ist es her, seit sich dort die letzte Rolle drehte. 2008 war endgültig Schluss in dem dortigen Skigebiet, bereits drei Jahre später wurde die Tourismusinfrastruktur vollständig rückgebaut. 2006 kombinierte ich das Skigebiet an einem Tag mit Bellwald. Und auch diesmal wäre ich sicher gerne wieder gekommen. Denn die Pisten waren ein Genuss. Jammerschade!

Bild
Bellwald fand ich seinerzeit zwar auch ganz nett, aber pistenmässig bei weitem nicht so spannend wie den Ernergalen. Neben den beiden Sesselbahnen und dem Schlepplift Matten ist der hier zu sehende Schlepplift Fleschen die vierte und letzte Anlage im Gebiet. Ähnlich wie der Schlepplift Matten bedient auch dieser Habegger-Schlepplift eher flache Abfahrten.

Bild
Die Sesselbahn Bellwald – Richinen mit ihrer schlichten Bergstation. In dieser ist der Antrieb untergebracht, was man aufgrund der winzigen Ausmasse gar nicht recht glauben kann. In der Bildmitte sind die Überreste der ehemaligen zweiten Sektion Sesselbahn zum Steibenkreuz zu sehen. Auch sie stammte aus dem Hause Habegger, war aber bis zu ihrem Ersatz 2010 als fix geklemmte Anlage unterwegs.

Bild
Die Bergstation im Detail. Der komplette Stationsumlauf ist als freischwebende Konstruktion ausgeführt.

Bild
Die Sesselbahn Richinen – Steibenkreuz gab es bei meinem letzten und bislang einzigen Besuch 2006 noch nicht. In technischer Hinsicht ist die Bahn auch wahrlich nichts spezielles. Eine Doppelmayr-Konstruktion, wie es sie wie Sand am Meer gibt. Im Vergleich zum Vorgänger ist sie aber sicher eine Komfortsteigerung. Die ehemalige dritte Sektion, den Schlepplift Furgglti, ersetzte sie ebenfalls.

Bild
Die Walliser Bergwelt ist einfach jedes Mal wieder aufs Neue ein Foto wert. Bis zum Matterhorn reicht der Blick von hier.

Bild
Die Skihänge auf der Fiescheralp glänzen in der warmen Nachmittagssonne.

Bild
Nach einer Stunde geht es für mich wieder zurück ins Tal. Inzwischen bin ich einer der letzten Gäste für diese Wintersaison in Bellwald.

Bild
Ein Foto der Klemme darf natürlich nicht fehlen. Auch diese ist vergleichsweise winzig!

Bild
Wieder zurück in Bellwald mit einem letzten Blick in die Talstation. Am oberen Bildrand ist die Spanneinrichtung zu erkennen. Abgespannt wird schlicht und einfach der komplette Stationsumlauf.

Bild
Ein letzter Blick auf die Trasse der Sesselbahn, bevor ich durch den Sulzschnee wieder zurück zum Auto stapfe.

Bild
Einen kurzen Zwischenstopp auf dem Weg zurück ins Tal lege ich aber natürlich noch bei der altehrwürdigen Luftseilbahn von Fürgangen nach Bellwald ein. 1956 erstellte die Firma Habegger diese kleine Anlage, die eine schnelle Verbindung von der Eisenbahnstrecke im Tal nach Bellwald ermöglicht.

Eine gemeinsame Zukunft von Bellwald und der Fiescheralp?

Ein kurzer Aufenthalt, aber ein sehr lohnender. Und wer weiss, vielleicht ist es für mich auch schon die letzte Fahrt mit der Sesselbahn nach Richinen gewesen. Pläne für eine Anbindung von Bellwald an die Fiescheralp und damit an die Aletschregion nehmen immer konkretere Formen an. Bei einer direkten Verbindung könnte nicht nur die Luftseilbahn von Fürgangen nach Bellwald obsolet werden, auch ein Ersatz der Sesselbahn Richinen ist dann vermutlich unausweichlich. Durch die Verbindung würde Bellwald einen ähnlichen Status einnehmen wie Bruson in den 4 Vallées. Aus Skifahrersicht bestimmt ein Gewinn, in Sachen Seilbahntechnik wäre der Ersatz der Sesselbahn dagegen ein herber Verlust.

So bin ich glücklich, der Anlage nochmals einen Besuch abgestattet sowie viel Foto- und Videomaterial im Kasten zu haben. Auch die gemütliche Variante, die Sesselbahn ohne Ski und dafür mit Wanderschuhen zu befahren, hat sich als goldrichtig herausgestellt. Zum Skifahren komme ich morgen in Saas Fee hoffentlich noch mehr als genug.

Schreibe einen Kommentar

Sicherheitsabfrage *