Mit der Seilbahn von Engelberg zum Titlis

Über 4,6 Kilometer Länge und nicht weniger als 1425 Meter Höhendifferenz zwischen Tal- und Bergstation. Dass die Kabinenbahn von Engelberg über den Trübsee zum Stand nicht einfach irgendeine Seilbahn ist, zeigt sich bereits beim ersten Blick auf die technischen Daten. Als Hauptzubringer zum international bekannten Titlis-Gipfel hoch über Engelberg kommt der Anlage im Sommer wie im Winter eine besondere Bedeutung zu. Sie ist nicht nur die Lebensader des Titlis-Gebiets, sondern auch das vielleicht wichtigste touristische Bauwerk im ganzen Engelberger Tal.

Kabinenbahn Engelberg - Trübsee

Kabinenbahn Engelberg - Trübsee

Das wichtigste touristische Bauwerk in Engelberg

Das halboffene Talstationsgebäude am südlichen Ende von Engelberg ermöglicht mit seiner modernen Architektur bereits einen Einblick in die beeindruckende Technik der Bahn. Konzipiert als klassische Einseilumlaufbahn mit achtplätzigen Kabinen ist der Stationsumlauf weitgehend in kompakter Standardbauweise erstellt. Anders als die meisten anderen Bahnen dieser Art verzichtet man aber auf eine gewöhnliche Stationsabdeckung und integriert die Technik in ein zu grossen Teilen verglastes Gebäude. Das sorgt für eine helle und frische Optik, ermöglicht gleichzeitig aber auch die Unterbringung der Kassen und eines Souvenirshops im Erdgeschoss.

Wie eifrige Bienen sausen die insgesamt 160 Kabinen unaufhörlich in die Talstation hinein und wieder hinaus. Ein interessantes Detail: Jede Kabine besitzt auf der Vorderseite eine unterschiedliche Flagge. Die meisten repräsentieren die Länder der Erde, aber auch die Wappen der Schweizer Kantone sind auf den Fahrzeugen zu finden. Eine Idee, die übrigens bei dieser Bahn nicht ganz neu ist. Schon beim Vorgänger zählt dieses nette Detail zu den Markenzeichen. Auch im Hinblick auf ihre Trassierung ist die Kabinenbahn aber einzigartig. Steil geht es nach der Talstation zunächst durch den Wald hinauf zur Gerschnialp. Schroffe Felsen sind hier rechts und links der Trasse anzutreffen, bevor sich das Erscheinungsbild ganz plötzlich komplett wandelt. Über weite Strecken verläuft die Anlage nun nahezu horizontal. Der stetige Wechsel zwischen diesen beiden Extremen ist charakteristisch für die Landschaft am Titlis. Und auch die Kabinenbahn besitzt dementsprechend viele massive Gefällsbrüche.

Kabinenbahn Engelberg - Trübsee

Kabinenbahn Engelberg - Trübsee

Steil mit der Seilbahn hinauf zum Trübsee

Nach wenigen Fahrminuten kreuzt die Kabinenbahn den Schlepplift Gerschnialp. Im Winter ist dieser Bereich ein Eldorado für Kinder und Ski-Anfänger. Die flachen und weitläufigen Abfahrten inmitten der reizvollen Landschaft sind definitiv etwas anderes als die üblichen Übungsareale in grösseren Skigebieten. Die heutige Kabinenbahn überfährt die Gerschnialp ohne Ein- und Ausstiegsmöglichkeit. Der Zugang zu dem Schlepplift erfolgt über jene Seilbahn, mit der die Erschliessung der Berge rund um Engelberg im Jahr 1913 beginnt. Eine kurze, aber steile Standseilbahn der Firma Bell, die bis heute optisch weitgehend im Originalzustand in Betrieb ist. Eine Fortführung findet sie noch immer in Form einer zweiten Sektion bis zum Trübsee. Diese Pendelbahn überquert wiederum die Direktverbindung von Engelberg in luftiger Höhe. Bei den ganzen Seilen ist es teilweise schwer, den Überblick zu behalten.

Nach gut neun Minuten ist im Optimalfall bei voller Seilgeschwindigkeit von 6 m/s die Bergstation der ersten Sektion auf dem Trübsee erreicht. Die Kabinen fahren hier durch einen kurzen Tunnel bis zur unterirdisch gelegenen Station, in der sie vom Förderseil gelöst werden. Neben einer ebenfalls unterirdischen Garage für einen Teil der Kabinen befindet sich hier auch der Antrieb der ersten Sektion. Abgespannt wird das Förderseil in der Talstation in Engelberg. Nach knapp 2,7 Kilometern und 781 Höhenmetern besteht die Möglichkeit, im Sommer die sanften Wanderwege rund um den Trübsee zu erkunden. Auch der nahegelegene Jochpass ist von hier bequem per Sesselbahn erreichbar. Im Winter ist der Bereich Teil des Titlis-Skigebiets.

Gerschnialp mit Seilbahn

Gerschnialp mit Seilbahn

Zur Geschichte der Titlis-Gipfelerschliessung

Die Kabinen treten dagegen üblicherweise gleich den Weg zur zweiten Sektion an, die über weitere zwei Kilometer bis zur Station Stand hinaufführt. Dieser Abschnitt ist damit etwas kürzer als der erste und auch nicht mehr ganz so spektakulär. Trotzdem kommt der Anlage auch in diesem Teil eine wichtige Bedeutung zu. Zum einen ist sie Zubringer zur obersten Sektion der Titlis-Luftseilbahn, zum anderen ist sie eine gefragte Beschäftigungsanlage für Wintersportler.

Sie entsteht als Ergänzung zu einer bereits seit Mitte der 60er Jahre bestehenden Pendelbahn, die einst im Rahmen der Titlis-Gipfelerschliessung gebaut wird. Mit einer Förderleistung im dreistelligen Bereich ist diese allerdings chronisch überlastet. Auch eine Ergänzung durch zwei Sesselbahnen im Jahr 1981 kann nur bedingt Abhilfe schaffen. Erst mit dem Bau der neuen Kabinenbahn im Jahr 2015 ist der Engpass auf diesem Abschnitt beseitigt. Genau wie die erste Sektion ist die neue Anlage in der Lage, bis zu 2475 Personen pro Stunde zu befördern.

Technisch ist die zweite Sektion gleich aufgebaut wie die erste. Auch hier befindet sich der Antrieb in der Bergstation, die hydraulische Abspannung des Förderseils sitzt in der Talstation am Trübsee. Aufgrund der etwas kürzeren Streckenlänge kommt sie mit 14 statt 20 Stützen aus und auch die Fahrzeit ist mit rund sieben Minuten etwas kürzer. Die Ausblicke auf den Trübsee und auf das tief im Tal gelegene Engelberg sind aber auch von hier oben imposant. Hersteller der Anlage ist unübersehbar die Firma Garaventa. Die Titlisbahnen sind bei dem Hersteller aus der Zentralschweiz seit vielen Jahren regelmässiger Kunde und so ist es nicht verwunderlich, dass man für dieses Prestigeobjekt wieder auf die bewährte Expertise setzt.

Trübsee mit Seilbahn zum Titlis

Kabinenbahn Trübsee - Stand

Parallel hinauf in Richtung Titlis

Parallel zur Kabinenbahn verläuft im unteren Teil neben der Pendelbahn auch noch eine ehemalige Sesselbahn. Diese ist Teil des Entlastungspakets für die Pendelbahn in den 80er Jahren, wird aber nach der Eröffnung der leistungsstarken Einseilumlaufbahn nicht mehr benötigt und daher stillgelegt. Auch die Pendelbahn ist nur noch selten für den Publikumsverkehr in Betrieb. Für Warentransporte in Richtung Titlis-Gipfel ist sie aber nach wie vor das Mittel der Wahl.

Wieder zurück auf dem Trübsee fahren die Kabinen erneut automatisch zur ersten Teilstrecke weiter und treten den Weg hinab nach Engelberg an. Auch auf diesem Abschnitt besteht mit der erwähnten Pendelbahn von der Gerschnialp und der Standseilbahn im untersten Teil der Strecke eine Redundanz, die vor allem für Materialtransporte genutzt wird. Die letztmals 1995 umfassend sanierte Pendelbahn Gerschnialp-Trübsee folgt jener Trasse, auf der bereits im Jahr 1927 als Fortsetzung der Standseilbahn die erste klassische Grosskabinenpendelbahn der Schweiz für Personentransporte den Betrieb aufnimmt. Es ist seinerzeit eine Konstruktion des deutschen Seilbahnpioniers Adolf Bleichert, der mit seinen Anlagen ein internationales Renommee geniesst. Die Anlage ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und bleibt in der Schweiz lange Jahre unübertroffen, womit Engelberg seine Position als führender Wintersport- und Erholungsort manifestieren kann. 1959 folgt eine kapazitätsstärkere Parallelanlage als Ergänzung und Entlastung.

Kabinenbahn Trübsee - Stand

Kabinenbahn Trübsee - Stand

Engelberg als führender Wintersport- und Erholungsort

Erst im Jahr 1984 endet die lange Betriebszeit des Erstlingswerks, als die Anlage durch eine Kleinkabinenumlaufbahn ersetzt wird. Konstrukteur ist diesmal die Firma Von Roll-Habegger, die nicht nur die zweite Teilstrecke ersetzt, sondern auch die Standseilbahn auf dem ersten Abschnitt doppelt. Mit einer Zwischenstation auf der Gerschnialp, in der die Kabinen automatisch zur jeweils nächsten Sektion weiterfahren, ist in der Folge erstmalig eine Verbindung zwischen Engelberg und Trübsee ohne Umsteigen geschaffen.

Mit einer Förderleistung von 1500 Personen pro Stunde beseitigt die Anlage in der Folge den bestehenden Kapazitätsengpass. Doch nach über drei Jahrzehnten kommt auch diese Bahn an ihre Grenzen, sodass man sich zu einem erneuten Ersatz entschliesst. 2015 nimmt schliesslich die heutige Anlage den Betrieb auf. Diesmal auf der Diretissima zwischen Engelberg und dem Trübsee und weiter bis zur Station Stand. Erneut fällt damit eine Umsteigestation weg. Und wer weiss – vielleicht wird es in ein paar Jahrzehnten sogar möglich sein, ganz ohne Umsteigen den Titlis direkt von Engelberg aus zu erreichen.

Kabinenbahn Engelberg - Trübsee

Trübsee im Abendlicht mit Titlis

Umsteigen auf die letzte Sektion zum Titlis

Aktuell bedient dagegen wie erwähnt noch eine ausgewachsene Pendelbahn die letzte Teilstrecke bis zum Titlis-Gipfel. Mit einer Höhe von 3238 Metern über dem Meer ist der Berg einer der international bekanntesten Gipfel der Zentralschweiz. Vergletschert und mit einer fabelhaften Aussicht auf die umliegenden Alpengipfel und bis weit ins Mittelland hinein lockt er seit Jahrzehnten Touristen aus der ganzen Welt an. Vom Stand in 2437 Metern Höhe schweben zwei Kabinen über nur eine einzige Zwischenstütze rund 600 Höhenmeter hinauf. Die Bergstation der Seilbahn in 3020 Metern über dem Meer liegt damit ein gutes Stück unterhalb des eigentlichen Titlis-Gipfels, bietet aber ein ebenso sehenswertes Panorama.

Titlis mit Gletscherskigebiet

Panorama vom Titlis im Herbst

Seit 1967 kommen die Gäste in den Genuss dieses Ausblicks. Damals ist der Titlis einer der ersten so hohen Gipfel in den Alpen, der durch eine Seilbahn erschlossen wird. Anknüpfend an die bereits bestehenden Anlagen von Engelberg über die Gerschnialp zum Trübsee beginnen Mitte der 60er Jahre die Bauarbeiten für die Erstellung zweier weiterer Sektionen Pendelbahn bis zur heutigen Gipfelstation. Konstrukteur ist seinerzeit der allgegenwärtige Berner Hersteller Von Roll. Die Förderleistung der Anlagen von anfangs nur 680 Personen pro Stunde sorgt jedoch in den folgenden Jahrzehnten immer häufiger für lange Wartezeiten. 1988 wird daher die untere Sektion erneuert, vier Jahre später ist es auch auf der oberen Sektion so weit.

Luftseilbahn Titlis Rotair in Engelberg

Stand mit Titlis Rotair

Weltneuheit Rotair

Um den Fahrgästen auf dem letzten Abschnitt ein ganz besonderes Erlebnis zu bieten, entsteht 1992 am Titlis eine Weltneuheit. Der Hersteller Garaventa kann an dieser Stelle die erste Pendelbahn überhaupt mit drehbaren Kabinen eröffnen. Die Konstruktion ermöglicht es, dass sich die beiden Kabinen während der Fahrt einmal vollständig um die eigene Achse drehen und so ein 360°-Panorama präsentieren, noch bevor die Bergstation erreicht ist. Ein Novum, das sich schnell grosser Beliebtheit erfreut und viele Jahre später auch bei anderen Anlagen eingesetzt wird.

Luftseilbahn Titlis Rotair in Engelberg

Eine einzige markante Zwischenstütze benötigt die Bahn kurz vor der Bergstation. Sie kommt am Rande des Gletschers zum Stehen und kann daher vollständig auf festem Untergrund platziert werden. Rund 1,5 Kilometer Strecke bewältigen die beiden Kabinen während einer Fahrt und bringen es bei einem Fassungsvermögen von 80 Personen auf eine stündliche Förderleistung von 880 Personen je Richtung. Wie so häufig hat die erste Kabinengeneration aber bereits nach einer gewissen Zeit ausgedient. 2014 weichen die charakteristisch weiss-blauen Fahrzeuge zwei neuen Kabinen mit modernem Design und verspiegelten Scheiben. Der Drehmechanismus hält aber natürlich auch bei der zweiten Generation wieder Einzug, sodass der Panoramagenuss während der Fahrt nach wie vor einzigartig ist. Beladen werden die neuen Kabinen heute allerdings nur noch mit maximal 75 Personen.

Titlis Rotair im Herbst

Luftseilbahn Titlis Rotair in Engelberg

Zukunft am Titlis

Anders als die unteren Sektionen ist die Luftseilbahn Stand-Titlis die einzige, die noch nicht um eine redundante Parallelanlage ergänzt ist. Eine solche soll aber bereits in Kürze den Betrieb aufnehmen, damit der Titlis 365 Tage im Jahr per Seilbahn erreichbar ist. Die neue Anlage ist dabei aber deutlich kleiner dimensioniert, da sie nur in der Randsaison für den öffentlichen Personentransport im Einsatz sein wird. In den Genuss der Drehung kommen die Fahrgäste bei dieser Bahn voraussichtlich nicht. Die Titlis Rotair wird also auch zukünftig einzigartig in Engelberg bleiben!

Luftseilbahn Titlis Rotair in Engelberg

Schreibe einen Kommentar

Sicherheitsabfrage *