Mit einer Höhe von 1897 Metern über dem Meer zählt das Stanserhorn zu den schönsten Aussichtsgipfeln der Zentralschweiz. Das Panorama reicht von vergletscherten Dreitausendern über namhafte Gipfel wie den Pilatus bis nach Luzern und über den Vierwaldstättersee hinweg. Mit einer solchen Lage ist es nicht wirklich erstaunlich, dass schon im 19. Jahrhundert die ersten Pläne für die Erschliessung des Stanserhorns mit einer bequemen Aufstiegshilfe beginnen. Im August 1893 erreichen schliesslich die ersten Fahrgäste einer neuen Standseilbahn den Hausberg von Stans. Eine Kreuzung aus Seilbahn und Eisenbahn, die auch heute noch in Betrieb ist und mit ihrem historischen Antlitz die Herzen von Nostalgikern höherschlagen lässt.
Eine Seilbahn, die die Herzen von Nostalgikern höherschlagen lässt
Ganz traditionell startet am Morgen pünktlich um 8.15 Uhr der erste Zug von der Talstation im Zentrum von Stans. Vom Wartesaal geht es auf das überdachte Perron, an dem bereits wenige Minuten später der zweite Wagen der Standseilbahn die nächsten Fahrgäste empfängt. Acht Personen finden in den einzelnen Abteilen jeweils Platz und geniessen während der Fahrt einen ersten Ausblick auf Stans, den Eingang des Engelbergertals und die umliegenden Wiesen und Felder. Noch liegt die Strecke im Schatten, hoch oben treffen aber schon zu dieser frühen Stunde die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf den Gipfel des Stanserhorns.
Vorbei an den Ausläufern der Ortschaft geht es auf flacher Strecke kontinuierlich und mit charakteristischem Rattern hinauf zur Zwischenstation Kälti. Es dauert nicht lange, bis die ersten rund 100 Höhenmeter überwunden sind und der zweite Wagen ins Blickfeld kommt. In der Mitte der einspurigen Strecke begegnen sich die beiden Fahrzeuge der Standseilbahn an einer Ausweiche. Bei einer Geschwindigkeit von 3 m/s geht es von nun an etwas steiler den Berg hinauf. Mittlerweile hat der Wagen auch die letzten Häuser hinter sich gelassen und fährt auf gerader Strecke entlang einer Lichtung bis in eine Höhe von 711 Metern über dem Meer. 1,5 Kilometer Länge und 257 Höhenmeter legt er bis zur Einfahrt in die Bergstation zurück.
Mit dem Cabrio aufs Stanserhorn
Bei der Eröffnung der Stanserhornbahn im Jahr 1893 steigen die Fahrgäste hier auf die zweite von insgesamt drei Sektionen der Standseilbahn um. Heute geht es von hier an schwebend durch die Luft auf direktem Weg bis zum Gipfel. Doch auch die zweite Sektion der Stanserhornbahn ist alles andere als eine gewöhnliche Seilbahn. Bereits der Anblick der Kabinen ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Wie bei der ersten Sektion pendeln zwei Fahrzeuge zwischen der Tal- und der Bergstation hin und her. Und genau wie bei der Standseilbahn mit ihren zur Seite hin offenen Wagen kommen die Fahrgäste auch hier in den Genuss der frischen Morgenluft. Über eine schmale Wendeltreppe besteht für maximal 30 der 60 Fahrgäste die Möglichkeit, die Fahrt auf dem Dach der Kabine zu bestreiten. Zwischen den beiden Tragseilen bietet sich in der Folge ein einzigartiges 360°-Panorama.
Das Cabrio unter den Seilbahnen benötigt nur gerade vier markante Fachwerkstützen auf dem Weg zum Stanserhorn-Gipfel. Zügig beschleunigt die Seilbahn nach der Ausfahrt aus der Talstation auf die Streckengeschwindigkeit von 8 m/s, um den ersten Teil der insgesamt 2,3 Kilometer langen Strecke zurückzulegen. Ein faszinierendes Erlebnis, das mit der Überfahrt der Stützen seinen Höhepunkt erreicht. Das zweite dieser Streckenbauwerke befindet sich ungefähr auf Höhe der ehemaligen Station Bluematt. An dieser Stelle steigen die Fahrgäste einst von der zweiten auf die dritte Sektion der Standseilbahn um. Die historischen Gebäude sind nach wie vor vorhanden, werden aber schon lange nicht mehr aktiv für den Bahnbetrieb genutzt. Ein Zwischenausstieg an der zweiten Stütze des Cabrios bietet aber auch heute noch die Möglichkeit, bei Bedarf an dieser Stelle ein- und auszusteigen.
Beeindruckende Ausblicke aus der Stanserhornbahn
Bereits von hier bietet sich ein fantastischer Blick auf die Ausläufer des Vierwaldstättersees. Über 1100 Höhenmeter legt die Kabine während der Fahrt zurück und erreicht kurz darauf nicht nur die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, sondern auch die architektonisch ansprechend gestaltete Bergstation. Ein Kontrast zur nostalgischen ersten Sektion, der grösser kaum sein könnte. Mit ihrer offenen Bauweise bieten Station und Kabinen auch einige interessante Einblicke in die einmalige Technik dieser Seilbahn. Anders als bei konventionellen Luftseilbahnen hängt die Kabine nicht an einem langen Gehängearm, sondern auf Höhe der Trag- und Zugseile. Weil die dadurch geringe Pendellänge zu starken Beschleunigungen in Längsrichtung bei den Stützenüberfahrten führen würde, besitzen die Kabinen hydraulische Schwingungsdämpfer, die den Boden stets annähernd in horizontaler Position halten.
Von der Bauform Funifor übernimmt die Cabriobahn den vergrösserten Abstand der beiden Tragseile zueinander. Auf diese Weise ist die Seilbahn deutlich windstabiler als konventionelle Anlagen. Anders als bei Funifor-Anlagen besitzt die Stanserhornbahn jedoch keine unabhängig voneinander verkehrenden Kabinen mit einer endlos gespleissten Zugseilschleife. Vielmehr kommen zwei Zugseilschleifen zum Einsatz, eine oberhalb der Kabinen und eine unterhalb. Die Kraft des in der Talstation platzierten Antriebs wirkt dabei auf die untere der beiden Schleifen. An den Kabinen sind kleine Seilscheiben als Zugseilumlenkung angebracht, über die die Seilschleifen im bedarfsfall auch relativ zu den Kabinen bewegt werden können.
Durch dieses Prinzip ist es beispielsweise möglich, bei einem Defekt die Kabinen im Notfall nacheinander zurück in die Stationen zu befördern. Für die Tragseile liegt hingegen wie bei konventionellen Pendelbahnen eine Reserve in der Bergstation vor. Sie dient dazu, die Seile in regelmässigen zeitlichen Abständen zu verschieben, damit die Biegung auf den Stützen nicht permanent auf die gleiche Stelle des Seils wirkt.
Exklusives Gipfelerlebnis am Stanserhorn
Von der Bergstation aus ist der Gipfel des Stanserhorns in wenigen Minuten zu Fuss erreicht. In der Ferne grüssen Horw und der Grossraum Luzern, Luftlinie nur wenige Kilometer entfernt das Pilatusmassiv, im Tal die vielbefahrene Nord-Süd-Achse mit der Autobahn A2, die Ausläufer des Alpnachersees sowie der markante Bürgenstock. Und natürlich grüsst ganz unten in Stans auch die Standseilbahn, die mittlerweile ebenfalls in der Sonne liegt und die nächsten Fahrgäste in Richtung Gipfel befördert.
Auch die Cabrioseilbahn ist unterdessen nicht mehr nach Fahrplan, sondern kontinuierlich in Betrieb. Mit einer stündlichen Förderleistung von 300 Personen auf der unteren und 465 Personen auf der oberen Sektion ist die Stanserhornbahn kein Kapazitätswunder. Doch gerade das macht das Gipfelerlebnis sehr viel exklusiver als auf vielen anderen Bergen. Auch mit dem Neubau der oberen Sektion im Jahr 2012 hat das Stanserhorn seine Ursprünglichkeit in vielen Punkten bewahren können. Und zahlreiche Relikte erinnern auch heute noch an die Vergangenheit. Die Antriebsanlage der ehemaligen Standseilbahn begeistert als Ausstellungsobjekt auf der Terrasse des Bergrestaurants, das Trassee und ein Tunnel des dritten Teilabschnitts sind ebenfalls noch gut zu erkennen.
Das ereignisreiche Leben der Stanserhornbahn
Dass das Leben der Standseilbahn auf der zweiten und dritten Sektion einst ein jähes Ende findet, ist einem tragischen Ereignis geschuldet. Ein Blitzschlag verursacht bei einem Unwetter im Oktober 1970 einen Grossbrand auf dem Gipfel, dem sowohl das damalige Hotel als auch die obere Sektion der Standseilbahn zum Opfer fallen. Schon damals existieren Pläne für einen Ersatz durch eine Luftseilbahn, die nach einer provisorischen Reparatur der Bestandsanlagen schliesslich ab 1973 in die Realität umgesetzt werden. Zwei Jahre später nimmt eine Luftseilbahn der Firma Garaventa von der Station Kälti zum Stanserhorn den Betrieb auf. Knapp vier Jahrzehnte später kann der gleiche Hersteller die heutige Cabriobahn einweihen. Es ist ein Konzept, das begeistert. Denn auch wenn beide Sektionen der Stanserhornbahn auf ihre Weise bereits ausgesprochen speziell sind, ist es gerade die Kombination aus Nostalgie und Moderne, die den Berg aus Seilbahnsicht so einzigartig macht.
Das Cabrio-Prinzip wird in der Folge auch bei anderen Anlagen immer beliebter. Viele Betreiber statten ihre Kabinen mit kleinen Balkonen aus, von denen ein kleiner Teil der Fahrgäste – meist gegen Aufpreis – die Fahrt an der frischen Luft geniessen kann. Mit dem spektakulären Fahrerlebnis des Originals können diese Nachbauten aber in der Regel nicht mithalten. Die Stanserhornbahn bleibt daher ein einzigartiges Ziel, das sich bestens in die spannende Seilbahnwelt des Kantons Nidwalden einfügt. Dort hat das Cabrio-Prinzip bei den vielen kleinen Schiffchen-Pendelbahnen überhaupt schon lange eine gewisse Tradition.
Nostalgie-Standseilbahn Stans – Kälti
Die Standseilbahn auf der ersten Sektion steht dem Erlebnis mit ihrer Nostalgie in nichts nach. Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung ist sie ein Meilenstein des Seilbahnbaus, der damals noch in den Kinderschuhen steckt. Bei der Erschliessung von Bergen zu touristischen Zwecken ist seinerzeit in erster Linie die Zahnradbahn das Mittel der Wahl. So entstehen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz in der Nähe von Stans an der Rigi und am Pilatus zwei der ersten touristisch orientierten Bergbahnen der Schweiz in Form einer Zahnradbahn. Die Pilatusbahn ist damals wie heute sogar die steilste weltweit.
Die Aufbruchstimmung ist daraufhin auch am Stanserhorn zu spüren. Doch anders als bei den beiden anderen Erschliessungsprojekten fällt die Wahl auf eine Standseilbahn. Die Technik dieses Systems ist ebenfalls stark an die Eisenbahn angelehnt. Die schienengebundenen Fahrzeuge bewegen sich aber nicht aus eigener Kraft, sondern werden von einem Drahtseil gezogen. Anfänglich dient die Idee der Überwindung kurzer Steigungen und findet daher vor allem im urbanen Bereich Anwendung. Die Stanserhornbahn setzt mit ihrer Länge und Höhendifferenz daraufhin völlig neue Massstäbe.
Herzstück der Standseilbahnen ist zweifelsohne die Ausweiche in der Streckenmitte. Damit die Wagen sich auf der ansonsten eingleisigen Strecke gefahrlos begegnen können, teilt sich die Strecke in diesem Bereich. Damit die beiden Wagen die Stelle ohne Zwischenhalt passieren können, ist anders als bei der Eisenbahn aber keine klassische Weichenanlage das Mittel der Wahl. Die nach dem Erfinder Roland Abt benannte Ausweiche kommt vollständig ohne bewegliche Teile aus.
Der Grund dafür liegt in der Bauweise der Wagen. Beide besitzen jeweils nur auf einer Seite Rädern mit Spurkränzen, die an der Ausweiche die Richtung vorgeben. Die jeweils andere Seite besitzt Walzräder, die das Weichenherz trotz unterbrochener Schienen zur Durchführung des Förderseils problemlos befahren können. Auf diese Weise ist auch sichergestellt, dass jeder Wagen stets die gleiche Seite der Strecke befährt und es so zu keiner Kollision kommen kann. Die Abtsche Ausweiche ist auch heute noch Stand der Technik und wird bei allen Standseilbahnen mit zwei Wagen eingesetzt.
Das Stanserhorn – Ein einzigartiges Ziel
Die Stanserhornbahn ist zum Zeitpunkt ihres Baus aber auch noch in anderen Punkten eine Revolution. Erstmals kann bei den drei Anlagen auf die zuvor typische Zahnstange in der Mitte der Strecke verzichtet werden. Bis dato ist es üblich, dass die Wagen zusätzlich mit einem Zahnrad ausgestattet sind, über das in den Stationen gebremst werden kann. Speziell bei dem damals häufig anzutreffenden Antriebsprinzip per Wasserballast ist diese Lösung unumgänglich. Die Stanserhornbahn wird jedoch von Beginn an elektrisch angetrieben. Und so entwickeln die beiden Bergbahn-Pioniere Franz Josef Bucher-Durrer und Josef Durrer-Gasser eine neuartige Zangenbremse, die bei Betätigung im Bedarfsfall an die Schienen greift und den Wagen zum Stillstand bringt. Für den Fall eines Seilrisses besitzt die Stanserhornbahn damit auch ohne die Zahnradtechnik eine Sicherheit für den Notfall.
Auch heute noch lässt sich diese jahrhunderte alte Technik der Standseilbahn hier erleben. Die Stanserhornbahn ist daher auch über 125 Jahre nach ihrer Eröffnung ohne jeden Zweifel einen Besuch wert. Die Technik, das Fahrterlebnis und nicht zuletzt natürlich die Aussicht vom Gipfel machen das Stanserhorn zu einem einzigartigen Ziel.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.