Flims-Laax-Falera • Revolution am Berg?

Es ist also tatsächlich so gekommen wie befürchtet. Ich sitze auf der Parsennhütte im gleichnamigen Davoser Skigebiet und sehe mir interessehalber den Öffnungsstatus der Anlagen in Flims-Laax an. Dort habe ich den Skitag eigentlich verbringen wollen, doch der starke Nordostwind hat mich zweifeln lassen. Und die Zweifel sind berechtigt. La Siala und der Vorabgletscher sind den Vormittag über wegen Sturm geschlossen und erst seit wenigen Minuten offen. Entsprechend katastrophal fallen die Wartezeiten an den anderen Bahnen aus.

Planungen für einen optimalen Skitag

Ein Glück, dass ich meinem Instinkt gefolgt bin und die Reihenfolge der beiden Skitage getauscht habe. So geht es also nicht am Samstag nach Flims-Laax, sondern erst am darauffolgenden Sonntag. Auch an diesem Morgen kündigt sich bereits zu früher Stunde ein Prachtstag an. So breche ich gegen 7.30 Uhr von zu Hause auf, um die halbstündige Fahrt nach Flims in Angriff zu nehmen. Damit bin ich deutlich früher unterwegs als eigentlich notwendig, denn die Anlagen öffnen gemäss Webseite erst um 8.30 Uhr. Doch ich will mir absolut sicher sein, direkt die erste Kabine erwischen zu können. Angesichts der Menschenmassen am Samstag erwarte ich auch für heute wieder längere Schlangen an den Talstationen.

Und die kann ich eigentlich überhaupt nicht gebrauchen. Das Skigebiet Flims-Laax ist deutlich grösser als die Parsenn. Um wie geplant alle Anlagen ausführlich fotografisch und videografisch zu dokumentieren, brauche ich einen pannen- und wartezeitfreien Skitag. Nur in diesem Fall wird es überhaupt für eine kurze Mittagspause reichen.

Auch die Route durch das Skigebiet will gut geplant sein. Denn wegen der charakteristisch weiten Entfernungen, die zwischen den Einstiegspunkten in Flims, Laax und Falera sowie dem Vorabgletscher als höchstem Punkt liegen, schliessen manche Anlagen viel früher als andere. Wann genau, darüber schweigt die Webseite. Im Gegensatz zur Parsenn am Vortag ist die Kommunikation der Bergbahnen in Flims-Laax nach wie vor schlecht. Die Aussage, „grundsätzlich bis 16.30 Uhr, höher gelegene Anlagen schliessen früher“ hilft mir bei meiner Planung nicht gerade weiter.

Auftakt am Arenaexpress in Flims

Fast neun Jahre ist es inzwischen her, seit ich das letzte Mal in der Weissen Arena meine Spuren durch den Schnee gezogen habe. So freue ich mich auf einen spannenden Skitag, als ich in Flims erstmals in das neue Parkhaus Stenna einbiege. Der Komplex fügt sich besser als erwartet in das Dorfbild ein und ermöglicht zudem einen weitaus komfortableren Zugang zu den beiden Seilbahnanlagen, die in Flims starten. Diese sind zu meinem Erstaunen bereits jetzt, um kurz nach acht Uhr, auf vollen Touren in Betrieb. Offenbar beugt man sich dem bereits zu dieser frühen Stunde grossen Andrang und öffnet die Anlagen früher als planmässig für den Publikumsverkehr.

Als Saisonkarten-Inhaber von Arosa-Lenzerheide kann ich die Wartenden an der Kasse überholen und sitze bereits wenige Minuten später nach einigen Videoaufnahmen in der Talstation in einer Kabine des Arenaexpress. Die Anlage ist seit 1997 der Hauptzubringer von Flims in das Skigebiet und ist so etwas wie das Versöhnungsbauwerk der einst jahrelang zerstrittenen Bergbahngesellschaften Flims und Laax-Crap Sogn Gion.

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Unterwegs von Flims nach Plaun.

Zur Geschichte der Weissen Arena Flims-Laax-Falera

Um die Trassierung des Arenaexpress zu verstehen, muss man tief in den Geschichtsbüchern wälzen. Die Geschichte beginnt am 8. Mai 1945, dem Tag, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa endet. In Flims startet an diesem Tag der Bau der ersten kuppelbaren Sesselbahn der Welt. Das später so populäre VR101-System der Firma Von Roll erblickt hier das Licht der Welt. Bald darauf folgt die zweite Sektion nach Naraus, ab Mitte der 50er Jahre führt die Seilbahnkette bis auf den Cassonsgrat.

Zu Beginn der 60er Jahre fällt auch im benachbarten Laax die Entscheidung zur Erschliessung der Bergwelt durch Seilbahnanlagen. Die erstellten Anlagen sind für den Kanton Graubünden jedoch weit unkonventioneller als jene in Flims. Insgesamt fünf Stangenschlepplifte erstellt die Firma Poma auf den Winter 1962/1963. Drei Sektionen führen von dem Weiler Mulania bei Laax auf den Crap Sogn Gion. Die Liftkette setzt sich dort in Form einer Skischaukel über Plaun bis zur Alp Nagens fort.

Streit um die Hänge der Alp Nagens

Diese Alp Nagens haben jedoch auch die Flimser im Visier. Ebenfalls 1963 erstellt die Firma Brändle im Auftrag der Bergbahnen Flims eine Sesselbahn von Startgels nach Nagens und einen Schlepplift in zwei Sektionen bis in die Nähe des 2800 Meter hohen Laaxer Stöckli, heute besser bekannt unter der Flurbezeichnung La Siala. Das führt zu der kuriosen Situation, dass die Alp Nagens fortan durch zwei verschiedene Bergbahngesellschaften erschlossen ist. Gleichzeitig ist es der Beginn eines jahrelangen Streits. Der gipfelt in den 70er Jahren darin, dass Laax den Bergbahnen Flims keine Genehmigung erteilt, auf ihrem Gemeindegebiet eine neue Bahnanlage zu errichten. Daher wird die Graubergbahn 1972 auf reichlich ungewöhnlicher Trasse als Ersatz für die Brändle-Sesselbahn nach Nagens entlang eines Felsgrats gebaut.

Erst in den 80er Jahren nähert man sich an und richtet einen Tarifverbund ein. Mitte der 90er Jahre erfolgt schliesslich die Fusion beider Gesellschaften, die letzten Endes auch den Bau des Arenaexpress auf seiner heutigen Linienführung ermöglicht. Via Plaun und Scansinas geht es in drei Sektionen über Flimser und Laaxer Gemeindegebiet zur Alp Nagens.

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Die erste Sektion von Flims nach Plaun ist die mit Abstand längste des Arenaexpress. Die Strecke führt weitestgehend durch den lichten Nadelwald. Der Vorgänger bog aus den genannten Gründen rechter Hand nach Startgels ab. Die Kabinenbahn der Firma Von Roll dreht seit 1998 im Skigebiet Chur-Brambrüesch ihre Runden.

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Anders als man es erwarten würde, überquert die Bahn auf der Streckenhälfte einen tiefen Taleinschnitt. Da hier keine Möglichkeit zum Abseilen besteht, ist die Anlage auf diesem Teil mit einer Bergebahn ausgestattet.

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Der weitere Weg zur Zwischenstation Plaun ist dagegen eine eher flache und unspektakuläre Angelegenheit.

Von Plaun zur Alp Nagens

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Die zweite Sektion nach Scansinas fällt dagegen wieder deutlich steiler aus. Seit 1962/1963 ist dieser Bereich seilbahntechnisch erschlossen. Anfänglich mit einem Poma-Schlepplift, der bereits 1966 einer Städeli-Sesselbahn auf dem Abschnitt bis Scansinas weicht, dafür aber bis nach Mutta Rodunda bergwärts verlängert wird. Ein langes Leben hat er auf seiner modifizierten Trasse aber auch nicht. 1971 steht an seiner Stelle bereits ein Schlepplift von Habegger. Die Städeli-Sesselbahn wird 1988 durch ein Exemplar von Baco-Poma ersetzt. Nach dem Bau des Arenaexpress soll die Bahn eigentlich unterhalb des Crap Masegn wieder aufgestellt werden, wird letztlich aber nach Grüsch verkauft. Dort ist sie seit 2001 wieder in Betrieb.

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In technischer Hinsicht handelt es sich beim Arenaexpress um eine Achterkabinenbahn von Garaventa. Obwohl ein Durchfahrbetrieb von Flims bis nach Nagens technisch möglich wäre, fährt die erste Sektion aus betrieblichen Gründen in der Regel unabhängig von den anderen beiden.

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Die Architektur der Stationen ist glücklicherweise alles andere als Standard. Die Bergstation auf Nagens weiss mit ihrem offenen Glasdesign zu gefallen.

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An der Bergstation des Arenaexpress erschliesst diese kurze Anlage aus dem Hause Baco-Poma seit 1999 einen Übungshang. Eine Fahrt spare ich mir hier jedoch.

Angesichts des drohenden Ansturms will ich mich zunächst den technisch interessanten Anlagen widmen und setze meinen Weg daher in Richtung Vorabgletscher fort. Seit meinem letzten Besuch im April 2010 hat sich im Skigebiet Flims-Laax in infrastruktureller Hinsicht einiges getan. Verkauft wird der Bau mehrerer kuppelbarer Sesselbahnen und einer Kabinenbahn als Revolution am Berg. Inwiefern das tatsächlich zutrifft, davon will ich mir zunächst einmal an der Kabinenbahn La Siala ein Bild verschaffen.

Zur Geschichte der Sesselbahn La Siala

Ganz ohne Wehmut ist das nicht möglich. Immerhin ersetzt die 2015 gebaute Anlage eine der wohl bedeutendsten und wegweisendsten Sesselbahnen der Schweizer Seilbahngeschichte. Anfang der 80er Jahre wird die Firma Habegger mit dem Bau einer Ersatzanlage für den langen und steilen Schlepplift La Siala beauftragt. Die Konkurrenten in Frankreich und Österreich erstellen zu diesem Zeitpunkt gerade die ersten kuppelbaren Dreiersesselbahnen. Nachdem die Behörden den Bau derartiger Anlagen mit Einzelklemmen genehmigen, entwickeln sich die kapazitätsstarken Bahnen schnell zum Mass der Dinge. Mit einer neu entwickelten Klemme will auch die Firma Habegger auf den Zug aufspringen. Nach dem jahrelangen Einsatz des drei Jahrzehnte alten Giovanola-Systems ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen.

Für einen Prototyp ist der Standort allerdings denkbar ungünstig. Der Permafrostboden an der Bergstation erlaubt weder die Unterbringung des Antriebs noch eines Spannschachts, sodass eine aufwendige Kombination mit komplexer Seilführung in die Talstation integriert werden muss. Weit grösseres Kopfzerbrechen bereitet der Firma Habegger zu diesem Zeitpunkt aber ihre finanzielle Lage. So kommt es, dass der einst grösste Schweizer Seilbahnhersteller bald darauf vom Berner Von-Roll-Konzern übernommen wird. Dieser ist es auch, der die La-Siala-Bahn 1982 eröffnen kann. Gemeinsam mit zwei Anlagen von Garaventa in Wildhaus und Zermatt ist es die erste kuppelbare Dreiersesselbahn der Schweiz.

Auch wenn Von Roll in der Folge zunächst weiterhin das Giovanola-System bei Kabinenbahnen einsetzt, ist die Sesselbahn La Siala in gewisser Weise der Grundstein für die später so erfolgreichen kuppelbaren Bahnen aus Thun. Die Idee der Kuppelklemme von Habegger wird ab 1984 in modifizierter Form als VH400 auf den Markt gebracht. Bis 1995 bleibt sie – leicht verändert – das Markenzeichen Von Rolls, ehe die Seilbahnsparte an Doppelmayr veräussert wird.

Eine hochmoderne Kabinenbahn und ein fragwürdiges Relikt

Dass es die Sesselbahn La Siala nicht mehr gibt, schmerzt daher sehr. Gleichwohl bedeutet die neue Anlage durch ihre talseitige Verlängerung eine gewisse Aufwertung für den Skifahrer. Über 800 Höhenmeter überwindet sie nun und ist auch direkt von der Alp Nagens aus erreichbar. Fast zumindest, denn für einen kurzen Gegenanstieg ist der Seillift Mughels erforderlich. Da gäbe es wahrlich gescheitere Lösungen. Eine wäre gewesen, den ehemaligen Schlepplift Mughels beim Bau der Sesselbahn Mutta Rodunda nicht abzubauen.

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Auf dem Weg nach Mughels. Am Gegenhang lugt die Luftseilbahn vom Crap Sogn Gion zum Crap Masegn hinter dem Grat hervor.

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Der Seillift Mughels in seiner ganzen Pracht. Mich stört das Muskeltraining nicht. Doch ist das wirklich die angekündigte Revolution am Berg?

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Das hier dürfte eher damit gemeint sein. Wie alle neueren Anlagen im Skigebiet Flims-Laax sind auch die Stationen der Kabinenbahn La Siala im schicken Holz-Look gehalten. Mir gefällt dieses Design sehr. Einerseits verkörpert es einen gewissen Individualismus, andererseits fügt es sich bestens in die Bergwelt ein.

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Bereits um 8.45 Uhr gibt es eine kurze Warteschlange in der Talstation. Allerdings verkehrt die Anlage auch erwartungsgemäss nicht mit voller Geschwindigkeit, sondern im Ostalpen-üblichen Stromsparmodus. Die Aufnahme entsteht etwa auf Höhe der noch bestehenden Talstation der ehemaligen Sesselbahn. Das blaue Gebäude weiter oberhalb beherbergte einst den Antrieb des allerersten La-Siala-Schlepplifts.

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Optisch können die massiven Rundrohrkonstruktionen zwar nicht mit den filigranen Fachwerkstützen des Vorgängers mithalten. Die schwarzen Kabinen geben der Anlage aber einen durchaus gefälligen Charakter.

Fantastisches Panorama auf La Siala

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Insgesamt macht die Anlage einen sehr edlen Eindruck. Sie erinnert an die Prä-Plastik-Zeit im Seilbahnbau und ist die erste neue Einseilumlaufbahn seit langer Zeit, die mich optisch anspricht. Anders als eine Revolution ist die Bahn in dieser Hinsicht aber vielmehr eine Rückkehr zu einem Aussehen, das bis in die 80er jahrelang zum Standard zählte.

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Dass man hier überhaupt eine Kabinenbahn erstellt hat, ist vermutlich den eisigen Temperaturen geschuldet, die im Hochwinter auf La Siala häufig anzutreffen sind. Bei dem heutigen warmen Wetter könnte ich auf die Heizung in den Kabinen aber gerne verzichten.

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Der Ausblick ist dafür so sehenswert wie eh und je. Bereits hier wird deutlich, welch grosse Entfernungen man im Skigebiet Flims-Laax zurücklegt. Die Talstation Sogn Martin ist nur noch ein kleiner Punkt, davor liegen viele Kilometer schneeweisse Wüste. Genau das ist es, was das Skifahren hier so speziell macht.

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Nicht weniger eindrücklich ist der Tiefblick ins Glarnerland auf das Skigebiet von Elm. Die Verbindungspläne sind derzeit konkreter als je zuvor.

Der Sommerskitraum von Laax

Für mich geht es zunächst einmal aber zu einem alteingesessenen Bestandteil des Skigebiets. In den 70er Jahren träumt man auch in Laax davon, ganzjährig Skibetrieb anbieten zu können. Die Retortenstationen in Frankreich und die Klassiker im Wallis haben es vorgemacht. In einer Zeit, als Sommerski als Breitensportart gilt, gehört ein Ganzjahresbetrieb für ein Skigebiet mit einer Grösse wie in Laax schon fast zum guten Ton. Die Gletscher sind in der Surselva rar gesäht, aber nicht unerreichbar. Das Unternehmen Vorab beginnt daher mit einer Luftseilbahnkette zum Crap Masegn und findet seine vorläufige Vollendung 1978 mit der Eröffnung der Vorab-Gletscherbahn, einer Sesselbahn und zwei Schleppliften.

Wie an so vielen anderen Orten in den Alpen ist der Sommerskitraum aber nach weniger als drei Jahrzehnten schon wieder ausgeträumt. Um die Jahrtausendwende drehen sich die Rollen der Lifte zum letzten Mal im Sommer. Im Anschluss wird die Saison auch im Herbst und Frühling immer kürzer. Auch der Gletscherschwund ist optisch unübersehbar. Abgesehen vom mittleren Streckendrittel sind die Stützen am Vorab auf dem felsigen Boden der Tatsachen angekommen. Schenkt man der Landeskarte Glauben, fehlen gegenüber dem Betriebsbeginn gegen 40 Meter Eis. Einzig das Bergrestaurant Vorab mit seiner Sonnenterrasse erinnert als letztes original erhaltenes Relikt auch heute noch an die glorreichen 70er Jahre. Doch auch hier sind die sonnengegerbten Gesichter und bunten Skianzüge längst den in Laax inflationär anzutreffenden Yuppies mit Vollbart gewichen.

Über den Vorab und die Sattelpiste nach Lavadinas

Im Winter hat der Vorabgletscher dennoch nichts von seinem Reiz verloren. Die beiden Schlepplifte erschliessen einen anspruchsvollen Hang und stellen zugleich den Zugang zur landschaftlich vielleicht schönsten Piste Nordbündes her. Die Sattelabfahrt führt über mehrere Kilometer durch ein weitläufiges Hochtal, fernab jeglicher touristischer Infrastruktur. Stets im Blick sind die Berge der Surselva und Mittelbündens, bevor ganz unscheinbar am Ende der Abfahrt die Sesselbahn Lavadinas den Rücktransport zur Zivilisation ermöglicht.

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Die beiden 1978 von Garaventa gebauten Vorab-Gletscherlifte besitzen nur noch im unteren Teil die originalen Fachwerkmasten. Die restlichen tauscht man Mitte der 90er Jahre aus. Verschoben werden müssen die Stützen wegen des massiven Gletscherrückgangs ohnehin fortlaufend. Auch den einstigen Zwischeneinstieg gibt es nicht mehr.

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Der Blick auf einen der Paradehänge des Skigebiets Flims-Laax ist trotz Eisschwund nach wie vor ein Genuss.

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An der Bergstation grüsst der Tödi. Die 3000-Meter-Marke erreicht das Skigebiet entgegen anderslautender Behauptungen nicht. Die Bergstationen der Schlepplifte befinden sich in 2975 Metern über dem Meer.

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Ein bisschen so wie in den Hochzeiten der 70er Jahre sind die Schlepplifte auch heute voll ausgelastet.

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Die Abfahrt über den Sattel nach Lavadinas. Im Hintergrund das Skigebiet von Obersaxen, ganz links der Stationskomplex Crap Masegn.

Kalbsbratwurst gegen Schwenksessel

Meine letzte Fahrt über diese Piste datiert aus dem Frühling 2006. Damals kündigt unübersehbar platziert eine elektronische Anzeige auf dem Sattel die Wartezeit an der Rückbringersesselbahn an. Die Maximaldauer, die angezeigt werden kann, beträgt eine Stunde. Seinerzeit zahlt man für die Genussabfahrt unter Umständen einen hohen Preis. Die Städeli-Sesselbahn an der Alp Ruschein ist seit ihrer Eröffnung 1973 chronisch überlastet. Auf bis zu eine ganze Stunde Wartezeit folgt dann noch eine zwanzigminütige Bergfahrt. Immerhin lässt sich die Wartezeit an der Talstation nach der langen Abfahrt bei einer traditionellen Kalbsbratwurst am rauschenden Ual da Mulin überbrücken.

Seit 2012 gehört dieses Abenteuer der Vergangenheit an. Die schneekritische Schiebestrecke zur Alp Ruschein ist genau wie die Städeli-Sesselbahn aus dem Pistenplan verschwunden. Stattdessen befördert eine kuppelbare Sechsersesselbahn der Firma Bartholet die Gäste über die Fuorcla da Sagogn zurück in den Hauptteil des Skigebiets. Mit ihren von Porsche Design gestalteten Sesseln verkörpert sie wie keine andere Bahn in Flims-Laax die propagierte Revolution am Berg. Dass die Sessel während der Fahrt für einen besseren Panoramagenuss zur Seite geschwenkt werden können, gilt als das herausragende Markenzeichen der Anlage. Dabei ist es ein Prinzip, das man in Flims schon seit 1945 kennt.

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Das Stationsdesign trägt unübersehbar die Handschrift von Flims-Laax.

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Auffallend sind die vielen Gefällsbrüche und Streckenniederhalter der Sesselbahn Lavadinas. Das macht die Fahrt spannend und abwechslungsreich.

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Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass die Sessel bei dieser Fahrt nicht zur Seite geschwenkt werden. Die Revolution bleibt heute aus.

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An der Bergstation Fuorcla da Sagogn mit Blick in die obere Surselva.

Ein lebendiger Meilenstein der Schweizer Seilbahngeschichte

Mehrere präparierte Abfahrten starten an der Fuorcla da Sagogn, doch keine führt auf direktem Weg zurück zur Talstation Lavadinas. Eine Situation, die man in Flims-Laax häufig antrifft und die dem Skigebiet einen speziellen Charakter verleiht. Solche Konstellationen, die in diesem Fall der aussergewöhnlichen Topografie geschuldet sind, sorgen für Abwechslung. Vielen anderen Gebieten dieser Grösse mangelt es hieran.

Über eine mittelschwere Piste mache ich mich daher auf zu einem der Hauptziele des heutigen Tages. Die Vorabgletscherbahn ist nicht nur eine zentrale Verkehrsader im Skigebiet Flims-Laax, sondern auch die aus seilbahntechnischer Sicht mit Abstand interessanteste Anlage. 1978 entsteht sie als dritte Sektion der Seilbahnkette von Laax zum Vorabgletscher. Wie bereits bei den beiden ersten Teilstrecken ist es die Firma Habegger, die den Auftrag zum Bau der Bahn erhält. Der seinerzeit grösste Schweizer Seilbahnhersteller ist im selben Jahr gerade mit der Errichtung eines Jahrhundertbauwerks beschäftigt. Die Männlichenbahn in Grindelwald wird die längste Einseilumlaufbahn Europas.

Die letzte kuppelbare Seilbahn von Habegger

Doch auch in Laax lässt man sich nicht lumpen und darf eine Premiere feiern. Die Vorabbahn ist die erste der Schweiz, die mit sechsplätzigen Kabinen ausgestattet wird. Im Nachbarland Frankreich sind zu diesem Zeitpunkt bereits einige solche Bahnen in Betrieb. Darunter auch die vielleicht spektakulärste Anlage ihrer Zeit, die Télécabine de la Roche de Mio in La Plagne. Nichtsdestotrotz ist der Bau der Vorabbahn ein Meilenstein. Denn mit fast 3,8 Kilometern misst sie eine ungewöhnlich grosse Länge und ist zudem als Berg-Tal-Berg-Bahn konzipiert. Die Zwischenstation Fuorcla ist der tiefste Punkt der Strecke und im Winter der Haupteinstiegspunkt für Wintersportler. Von hier aus geht es entweder in Richtung Crap Masegn oder in Richtung Vorab hinauf.

Doch aus noch einem weiteren Grund ist die Vorabbahn ein seilbahntechnisches Sahnestück. Als eine der letzten Anlagen der Alpen besitzt sie noch die klassischen Schwerkraftklemmen von Giovanola. Nach der Stilllegung der Rellerlibahn in Schönried zu Jahresbeginn und dem Ersatz der Männlichenbahn im kommenden Sommer wird sie zudem die letzte kuppelbare Seilbahn von Habegger sein. Gründe genug also, eine Fahrt mit der Bahn zu geniessen. Denn sie verkörpert auch heute noch die kompromisslose Erschliessung der Alpen der 70er Jahre.

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Die Strecke von Fuorcla in Richtung Vorab ist durch einen eher flachen Verlauf gekennzeichnet.

In Fuorcla in der Falle

Auf dem Weg nach Fuorcla kann ich jedoch bereits von weitem ausmachen, dass die Bahn stillsteht. Ich denke mir nichts Böses dabei und setze meinen Weg fort. In eine Sackgasse, aus der es ohne die Bahn kein Entkommen mehr gibt. Die Warteschlange reicht auf beiden Seiten bereits weit aus dem Gebäude heraus. Aus der Station sind laute Rufe und Hammerschläge zu vernehmen.

Es rächt sich, dass die Bahn keine Sektionentrennung besitzt, sondern einen Durchfahrbetrieb mit durchlaufendem Förderseil. 1978 ist diese Entscheidung nahvollziehbar. Damals wird die Bahn in der Regel auf der kompletten Länge befahren. Doch inzwischen wären unabhängige Sektionen Gold wert. Denn so gibt es im Fall der Fälle aus Fuorcla kein Entrinnen.

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Ratlose Gesichter in Fuorcla.

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Über 20 Minuten vergehen, bis die Bahn endlich wieder läuft. Die Möglichkeit zur Mittagspause ist dadurch in weite Ferne gerückt.

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Immerhin – nach einer weiteren halben Stunde in der Warteschlange erreiche ich pannenfrei den Vorabgletscher. Allerdings muss ich mich nun wirklich beeilen, um auch allen restlichen Anlagen noch einen Besuch abstatten zu können.

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Einen kurzen Augenblick verweile ich aber noch am Vorab und geniesse den Blick auf die schneebedeckten Gipfel mit der Pionieranlage im Vordergrund.

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Gleich darauf geht es – bei inzwischen deutlich kürzerer Wartezeit – auf der anderen Seite hoch zum Crap Masegn. Dieser Teilabschnitt der Bahn ist kürzer und deutlich steiler als die Vorabseite. Charakteristisch ist wie bei allen Bahnen mit Giovanolasystem die hohe Trassierung mit pompösen Fachwerkstützen. Ganz klein am Horizont ist die Bergstation am Vorab zu erkennen.

Alp Dado und die Revolution am Berg

Auf dem Weg um den Stationskomplex am Crap Masegn herum erwartet mich ein seilbahntechnischer Kontrast, der grösser nicht sein könnte. Auf der einen Seite der braune Wellblechverhau aus den 70er Jahren, direkt daneben eine moderne Sechsersesselbahn aus dem Jahr 2012. Gemeinsam mit der baugleichen Anlage an der Alp Dado läutet Flims-Laax hier die Revolution am Berg ein. Neue Sesselbahnen im edlen, einheitlichen Holz-Stationsdesign. Neue Trassierungen, um die bestehenden Abfahrten besser zu erschliessen.

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Die Sesselbahn Treis Palas ist eine Konstruktion aus dem Hause Leitner. 2012 entsteht sie als Neuerschliessung, um die danebenliegende Abfahrt für Wiederholungsfahrten besser zugänglich zu machen. Zuvor ist dieser Abschnitt nur über die Luftseilbahn am Crap Masegn erreichbar.

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Ähnlich wie in Lavadinas gefällt die Trassierung mit ihren vielen Gefällsbrüchen.

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Die Zusammenstellung aus Alt und Neu auf dem Crap Masegn ist dagegen gewöhnungsbedürftig. Für sich genommen haben beide Architekturen ihren Reiz, die Kombination passt dagegen überhaupt nicht zusammen.

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Sehnsüchtig blicke ich von hier oben hinab auf die Alp Ruschein. Weder Sesselbahn noch Skispuren sind mehr auszumachen. Ursprünglich ist der Bau eines kurzen Schlepplifts nach Midada Sud in der Diskussion, der als Zubringer zur Sesselbahn Lavadinas dienen soll. Damit könnten die Abfahrten vom Crap Masegn zur Alp Ruschein auch weiterhin erschlossen bleiben. So aber existiert der Skisport an diesem Hang nur noch in der Erinnerung.

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Wer vom Crap Masegn zum Crap Sogn Gion möchte, hat bis 2011 mit den beiden Schleppliften Treis Palas und Alp Dado zwei Möglichkeiten. Seither gibt es nur noch letztere in Form einer Leitner-Sesselbahn. Sie besitzt in etwa den gleichen Verlauf wie der Vorgänger von Habegger und endet auf dem Berggrat Crest la Siala.

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Das ist etwas suboptimal, denn so muss stets ein uninteressantes Stück Ziehweg vom Crap Masegn kommend befahren werden. Aus wirtschaftlichen Gründen ist der Ersatz beider Schlepplifte durch eine Sesselbahn aber natürlich verständlich. Immerhin kommen dafür auch hier die formschönen und die dem Leser inzwischen bestens bekannten Holzstationen zum Einsatz.

Crap Sogn Gion – Der Bündner Snowpark

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Der Crap Sogn Gion ist das Laaxer Eldorado für Snowboarder und weniger geübte Wintersportler. Nicht weniger als vier kurze Schlepplifte erschliessen hier die flachen Hänge und Halfpipes in sonniger Lage. Die 2008 neu hinzugekommenen Schlepplifte Ils Plauns überspringe ich aber aus Zeitgründen.

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Aus welcher Epoche die Stationsbauten auf dem Stein des heiligen Johannes stammen, ist auch heute noch offensichtlich. Seit dem Bau hat die Fassade ihr Aussehen jedoch mehrmals geändert. Die derzeitige Hommage an Tetris ist durchaus interessant. Die störende Werbung muss man dagegen manuell verpixeln.

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Wenigstens eine Fahrt am Übungshang muss sein. Und das natürlich mit der geschichtsträchtigsten Anlage hier oben. Der Schlepplift Crap Sogn Gion dreht hier seit 1984 seine Runden und ist eine Occasion. Bis 1982 steht er im Davoser Skigebiet Parsenn.

Durch den Sulz nach Falera

Über eine sulzige und überfüllte Abfahrt mache ich mich auf in einen Teil des Skigebiets Flims-Laax, den ich bislang noch nie befahren habe. Mit Falera gibt es seit 1973 einen dritten Einstiegspunkt in das Skigebiet. Damals heisst der Ort offiziell noch Fellers und es ist die Firma Städeli, die die Anbindung an die heutige Drehscheibe Curnius mit einer fix geklemmten Zweiersesselbahn herstellt. Seit 1995 übernimmt diese Aufgabe eine kuppelbare Bahn von Garaventa. Dass man an diesem Südhang in 1200 Metern Höhe überhaupt regelmässig skifahren kann, ist einzig der Beschneiungsanlage entlang der Talabfahrt zu verdanken. Wirklich lohnend ist der Abstecher aus Skifahrersicht nicht. Die Bahn dient einzig als Zubringer und wird ansonsten fast ausschliesslich von Schlittlern frequentiert.

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In der Talstation der Sesselbahn Falera-Curnius. Die Ski werden hier ausnahmslos in seitlichen Köchern transportiert.

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Die Strecke ist eher flach, die Landschaft erinnert sehr an Obersaxen auf der gegenüberliegenden Talseite.

Die erste 12er-Kabinenbahn der Schweiz

Ebenfalls auf Curnius endet eine der beiden Hauptzubringerbahnen von Laax. Die Kabinenbahn über Larnags ist aus technischer wie aus historischer Sicht äusserst interessant. 1989 handelt es sich um die erste 12er-Kabinenbahn der Schweiz, die damit ein System übernimmt, das im Nachbarland Frankreich zu dieser Zeit bereits viele Anhänger findet. Wirklich Fuss fassen kann das System in der Schweiz jedoch nie. So bleibt es vorläufig bei der einen Bahn in Laax, die ein Gemeinschaftsprojekt der damals noch unabhängigen Firmen Doppelmayr und Garaventa darstellt. Die Technik stammt jedoch quasi ausschliesslich aus Wolfurt. Sie ist damit übrigens auch die einzige jemals in der Schweiz erstellte Bahn mit DS-Klemmen.

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Genau wie die Sesselbahn in Falera läuft die Kabinenbahn Larnags-Curnius nun um die Mittagszeit nahezu leer. Angesichts der sulzigen Schneeverhältnisse und der warmen Temperaturen ist das jedoch wenig verwunderlich.

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An der Talstation in Laax, die mit dem in die Station integrierten Niederhalter etwas an die kuppelbaren Yan-Seilbahnen erinnert. 1962 beginnt die Geschichte des Laaxer Skigebiets hier an einem kurzen Poma-Schlepplift. Nach nur drei Jahren erfolgt bereits der Ersatz durch eine Sesselbahn auf der heutigen Trasse. Die zweite Sektion nach Curnius wird erst 1977 durch eine Sesselbahn ersetzt.

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Nach gerade einmal 80 Höhenmetern ist die Zwischenstation Larnags erreicht. Darüber schweben die Seile der Direktverbindung zum Crap Sogn Gion in luftiger Höhe.

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Die Bergstation ist optisch nicht gerade ein Hingucker.

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Offenbar orientiert sie sich aber an der Corporate Identity der 80er Jahre in Laax. Auch die zwei Jahre ältere Sesselbahn von Curnius zum Crap Sogn Gion besitzt dieses irgendwo zwischen futuristisch und schäbig einzuordnende Tunnelröhrendesign.

Mit einer der ersten Hochleistungsbahnen zum Crap Sogn Gion

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Die Bahn selbst ist dafür wieder einmal ein besonderes Exemplar der Schweizer Seilbahngeschichte. Hochleistungsbahnen, wie wir sie heute kennen, sind zu Beginn der 80er Jahre noch Musik der Zukunft. Die aufkommenden ersten kuppelbaren Sesselbahnen dienen vor allem einer kürzeren Fahrzeit. Nach den Erstlingswerken von Städeli und Baco läutet das Jahr 1987 den Bau der kuppelbaren Vierersesselbahn in der Schweiz ein. Die Sesselbahn am Crap Sogn Gion ist die erste solche von Von Roll und kann für die damalige Zeit schwindelerregende 2400 Personen stündlich befördern.

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Der völlig überlastete Vorgängerschlepplift von Habegger wird nach nur 17 Betriebsjahren abgebaut und dockt als Parallelanlage am bestehenden Schlepplift Mutta Rondunda an. Schleppliftfahren ist auf der Südostseite des Crap Sogn Gion erst seit dem Bau des Pipelifts wieder an der Tagesordnung.

Rund um den Crap Sogn Gion

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An die technischen Daten der Luftseilbahn auf den Crap Sogn Gion kommt die Sesselbahn Curnius dagegen bei weitem nicht an. Über vier Kilometer Länge und 1130 Höhenmeter überwinden die beiden Kabinen dieses Jahrhundertbauwerks. Bis heute ist die 1968 durch Habegger erstellte Anlage die längste öffentliche Pendelbahn der Schweiz.

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Bei inzwischen leicht bewölktem Himmel setze ich zu einer Fahrt mit der Sesselbahn von Plaun auf den Crap Sogn Gion an. Denn auch diese darf nicht unerwähnt bleiben, wenn es um Meilensteine der Schweizer Seilbahngeschichte geht. 1995 ist sie gemeinsam mit der Sesselbahn Trais Fluors in Celerina die erste Sechsersesselbahn der Schweiz und die erste des Herstellers Garaventa. Sie ersetzt die damals bereits zweite Generation Schlepplift an dieser Stelle. Einen Doppellift von Habegger, der wiederum das Erstlingswerk von Poma nach kurzer Zeit beerbt. Ganz original ist die heutige Sesselbahn übrigens auch nicht mehr. Nach über 20 Betriebsjahren erhält sie neue Sessel aus dem Hause Doppelmayr.

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Einmal geht es für mich noch hinauf zum Crap Masegn. Diesmal mit der 1973 erstellten zweiten Sektion Luftseilbahn. Gerade einmal rund 200 Höhenmeter überwindet dieses Bauwerk. Wesentlich imposanter als die technischen Daten sind die beiden hohen Fachwerkstützen, die bereits von weit her sichtbar sind.

Premiere an der Sesselbahn Mutta Rodunda

An der Sesselbahn Mutta Rodunda schliesst sich der Kreis meiner Runde durch das Skigebiet Flims-Laax. Die 2005 gebaute Bahn ist heute neben der Kabinenbahn La Siala die Hauptbeschäftigungsanlage im Sektor Nagens. Sie steht an jenem geschichtsträchtigen Ort, an dem sich einst die Wege der beiden zerstrittenen Bergbahngesellschaften aus Flims und Laax kreuzen. Bei ihrem Bau ersetzt sie den ursprünglich von den Bergbahnen Crap Sogn Gion betriebenen Doppelschlepplift Mutta Rodunda, dessen ehemaligem Verlauf sie mehrheitlich folgt. Sie stellt aber auch den indirekten Ersatz des Schlepplifts Mughels dar, die einstige erste Sektion der Bergbahnen Flims in Richtung La Siala. Auch den im Lawinenwinter 1999 zerstörten Schlepplift Crunas beerbt sie auf annähernd der ganzen Länge.

Wie so häufig in der Geschichte des Skigebiets Flims-Laax ist auch die Sesselbahn Mutta Rondunda in gewisser Weise eine Premiere auf Schweizer Boden. Es ist die erste Sesselbahn des Landes, die mit einer Sitzheizung ausgestattet wird.

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Bei den heutigen warmen Temperaturen sind die Heizungen dankenswerterweise nicht in Betrieb. Ohnehin darf die Sinnhaftigkeit dieser Einrichtung angezweifelt werden.

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Die Trassierung der Bahn ist mässig spannend. Einzig die Y-Stütze vor der Bergstation sorgt für etwas Abwechslung bei dem sonst vorherrschenden seilbahntechnischen Einheitsbrei.

Gedankenverloren am Grauberg

Nun, gegen 14.30 Uhr, leert sich das Skigebiet schlagartig. Ob es an den vorüberziehenden Wolken oder an den sulzigen Schneeverhältnissen liegt, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf der leeren Abfahrt in Richtung Grauberg kann ich meinen Gedanken jedenfalls freien Lauf lassen. Ich blicke hinauf zum Cassonsgrat. Jenen Ort, an den mich viele Male eine ganz besondere Seilbahn gebracht hat. Fast 50 Jahre lang ist die Cassonsbahn ein fester Bestandteil der Flimser Bergwelt, geprägt durch ihren Verlauf entlang der markanten Abrisskante des tausende Jahre zurückliegenden Bergsturzes.

Seit dem Abbau letzten Sommer steht nur noch das ehemalige Bergrestaurant. Ein letztes Relikt, das an die glorreichen touristischen Zeiten auf dem Fil de Cassons erinnert. Ob es jemals wieder eine Erschliessung per Seilbahn geben wird? Zur Zeit ist der Überrest jedenfalls ein Symbolbild für die nun völlig verzettelte Erschliessung auf Flimser Gebietsseite. Zwei Sektionen Sesselbahn, die in Naraus irgendwo im Nirgendwo enden. Dazu die Grauberg-Seilbahn, ein letzter Überrest der bis 1997 bestehende Seilbahnkette von Flims ins Skigebiet. Ein durchdachtes Bild ergibt die Infrastruktur in diesem Bereich nicht mehr. Aber auch das hat irgendwie seinen Reiz.

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Ein sehnsüchtiger Blick hinauf zum Cassonsgrat.

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Ihre Bedeutung als Zubringeranlage mag sie eingebüsst haben, ihren Charme jedoch in keinster Weise. Die Luftseilbahn Startgels-Grauberg ist eines der letzten original erhaltenen Von-Roll-Flagschiffe der frühen 70er Jahre.

Tagesausklang in Foppa – Naraus

Einer ausgiebigen Dokumentation der Graubergbahn mit ihrer geschichtsträchtigen Trassierung folgt eine Talabfahrt nach Flims. Zum Tagesabschluss will ich mich der Seilbahnkette Foppa-Naraus widmen. Vom Sommer kenne ich die Anlagen gut, im Winter sind die Fahrten für mich eine Premiere. Wie es mit dem Bereich weitergehen soll, steht angesichts des Wegfalls der Cassonsbahn derzeit in den Sternen.

Umso leichter fällt es mir daher, zugunsten einer späten Mittagspause die Erkundung in Angriff zu nehmen. Der Weg führt mich dazu über die Talabfahrt nach Flims. Einen direkten Weg vom Grauberg nach Foppa scheint es nicht mehr zu geben. 2005 bin ich ihn noch gefahren. Ohnehin scheinen sich die Pistenverläufe seither aber an vielen Stellen geringfügig geändert zu haben.

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So geht es über Flims nach Foppa. 1986 ist die Anlage Flims-Foppa eine der ersten kuppelbaren Sesselbahnen von Garaventa mit hauseigener Kuppeltechnik.

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An die erste VR101 aus dem Jahr 1945 erinnert entlang der Trasse nichts mehr.

Spaligna – ein Relikt der 70er Jahre

Bevor ich den Tag bei einer Fahrt nach Naraus beschliesse, statte ich auch dem Schlepplift Spaligna noch einen Besuch ab. Es ist eine Seilbahnanlage, die ein Schattendasein führt. 1971 erstellt die Firma Städeli den Lift gemeinsam mit einer zweiten Sektion von Crap la Foppa nach Naraus Sura. Die Lifte dienen als Entlastung für die oft völlig überlasteten VR101-Sesselbahnen. Im selben Jahr saniert Städeli auch den bestehenden Müller-Schlepplift Prau Ault an der Talstation in Flims. Bis in die 90er Jahre verrichten die drei Anlagen ihren Dienst. Dann werden sie durch den Neubau der kapazitätsstarken Sesselbahnen nach Naraus obsolet.

Übrig geblieben ist daher heute lediglich der besagte Schlepplift Spaligna-Cavreinas. Er erschliesst einen flachen Hang, der auch im Hochwinter noch lange in der Sonne liegt. Entsprechend gering ist das Vergnügen bei den heutigen warmen Temperaturen. So bin ich der einzige Gast zu dieser späten Stunde. Dass die Zukunft dieses Schlepplifts äusserst ungewiss ist, liegt auf der Hand.

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Die spartanische Talstation des Schlepplifts Spaligna in den klassischen Städeli-Farben.

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Die Fahrt wird stets von gewaltigen Ausblicken begleitet.

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Unterwegs mit der Von-Roll-Sesselbahn nach Naraus. 1989 entsteht hier eine Standardanlage mit massiven Rundrohrmasten, die die filigrane Optik der Fachwerkstützen vermissen lässt. Anders als am Crap Sogn Gion setzt man hier aber wenigstens auf ansprechende Stationsbauten.

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Eine meterhohe Schneewand verschliesst den rechten Ausgang aus der Station Naraus. Der Weg zur einstigen Talstation der Cassonsbahn, es gibt ihn nicht mehr. Naraus ist wieder eine Endstation, so wie zwischen 1947 und 1956. Sogar etwas tiefer als seinerzeit, denn die Bergstation der VR101 wird in den 50er Jahren erst nach dem Bau der Cassonsbahn an diese Stelle verlegt.

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Eine letzte Aufnahme, dann kämpfe ich mich durch den Sulz zurück nach Flims.

Flims-Laax – Premium-Skigebiet mit Premium-Preis?

Müde und erschöpft schnalle ich die Ski am Eingang zum Parkhaus ab. Es dauert eine Weile, bis ich in dem grossen Stenna-Komplex einen Parkautomaten finde, der Bargeld akzeptiert. Fast 14 Franken kostet mich die Tagespauschale – das hat Saas-Fee- und Zermatt-Niveau. Positioniert sich Flims-Laax damit als Premiumskigebiet? Der Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man sich das allgemeine Preisniveau anschaut. Mit 85 Franken als regulärem Tageskartentarif ist das obere Ende der Fahnenstange schon fast erreicht. In den Bergrestaurants wird es kaum anders aussehen.

Doch rechtfertigt das Skigebiet in seiner derzeitigen Form diese Preise? Zweifelsohne ist Flims-Laax ein Gebiet, das in der obersten Liga mitspielen kann. Die enormen Entfernungen, die ungewöhnliche Topografie und die daraus resultierenden interessanten Abfahrtskombinationen sprechen für sich. Wie ich vor Ort feststellen kann, verteilen sich die Gäste auch an frequenzstarken Tagen gut. Das so wichtige Verhältnis zwischen Lift- und Pistenkapazität ist hier ausgewogener als in den meisten anderen Skigebieten dieser Grösse.

Anlass zur Kritik gibt es aber dennoch. Die umliegenden Skigebiete bieten ein aus Skifahrersicht häufig gleichwertiges Angebot zu günstigeren Konditionen. Auch Aktionen wie die fragwürdige Aufforderung vor einigen Jahren, dass Saisonkarteninhaber zugunsten der Tagesgäste über Weihnachten bitte zu Hause bleiben mögen, werfen ein schlechtes Licht auf das Skigebiet.

Skifahren macht Spass in Flims-Laax. Das ist in den anderen Skigebieten der Erde an einem sonnigen Tag im Februar aber auch nicht anders. Ob es sich rein deswegen lohnt, Flims-Laax aufzusuchen, muss jeder selbst entscheiden. Für mich sind es in erster Linie seltene Seilbahnen und Skigebiete mit ungewöhnlichen Eigenschaften, die die Ziele bestimmen. Flims-Laax kann beides vorweisen.

Evolution statt Revolution am Berg?

Fraglich bleibt aber dennoch, ob sich die vielzitierte Revolution am Berg denn wirklich so sehr von den Infrastrukturmassnahmen der Konkurrenz unterscheidet. Kleinere und grössere Revolutionen am Berg gibt es in Flims-Laax im Laufe der Jahrzehnte immer wieder. Die erste VR101 der Welt, die längste öffentliche Luftseilbahn der Schweiz zum Crap Sogn Gion, die erste Sechser-Kabinenbahn der Schweiz am Vorab, die Sesselbahn La Siala – um nur einige zu nennen. Flims-Laax ist seit Anbeginn ein Vorreiter in Sachen Seilbahnen. Darauf kann man stolz sein. Die Entwicklung der letzten Jahre in die gleiche Kategorie einzuordnen, wirkt jedoch etwas übertrieben. Zumindest, wenn man die seilbahntechnische Komponente betrachtet. Denn abgesehen von den Schwenksesseln auf Lavadinas sind die neuen Anlagen wie an vielen anderen Orten mehr Evolution statt Revolution.

Die Marketingabteilung von Flims-Laax wird das sicher anders sehen. Und gemessen an anderen Skigebieten wagt Laax in letzter Zeit tatsächlich etwas revolutionärere Wege. Was aber eher daran liegt, dass die Infrastruktur der Konkurrenz immer mehr im Einheitsbrei der Standardbahnen versinkt. Da lässt sogar ein individuelles Stationsdesign bereits aufhorchen.

Letztlich sind es aber die Kontraste bei der Infrastruktur, die das Skigebiet Flims-Laax so interessant machen. Von den 60ern bis heute sind aus allen Epochen des Seilbahnbaus noch immer Exemplare vertreten. Jedes Exemplar für sich genommen mit einer gewissen Individualität. Das ist es, was Flims-Laax wirklich von der direkten Konkurrenz unterscheidet. Und es bleibt – zumindest für den Seilbahn-Nostalgiker – zu hoffen, dass dieser Zustand auch in Zukunft bewahrt werden kann.

2 Gedanken zu „Flims-Laax-Falera • Revolution am Berg?“

    • Hey Marc,

      interessant, dass wir den gleichen Eindruck hatten. Und danke für den Link zu deinem Blog. Das sind wirklich sehr schöne Fotospots – jetzt weiss ich auch endlich mal, wie die Station auf dem Crap von innen aussieht, das hat mich nämlich schon Wunder genommen :-)

      Viele Grüsse
      Felix

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