FlemXpress Flims – Laax – Das erste Ropetaxi der Welt

Über 160 Jahre ist es her, seit mit den ersten innerstädtischen seilgezogenen Aufstiegshilfen die Seilbahn begonnen hat, als Transportmittel für Mensch und Material die Welt zu erobern. Immer wieder treiben innovative Ideen von Erfindern, Tüftlern und Unternehmen die faszinierende Technik dieser Anlagen voran und revolutionieren den Transport am Seil. Egal ob die Erschliessung hoher Gipfel, spektakuläre Trassierungen oder hohe Förderleistungen, die Seilbahn ist heute weder aus Städten noch aus dem Gebirge wegzudenken.

Im Winter 2023/2024 bricht ein neues Kapitel in der Seilbahngeschichte an. Mit dem FlemXpress oberhalb von Flims im Schweizer Kanton Graubünden entsteht die erste Etappe einer Aufstiegshilfe mit einem Betriebsprinzip, das es in dieser Form so noch nie gegeben hat. Was auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Kabinenbahn aussieht, ist bei genauerem Hinsehen ein völlig neuartiges Konzept. Denn hier wählen die Fahrgäste das Ziel ihrer Reise selbst. Per Knopfdruck geht es von Flims zu einer der zahlreichen anderen Stationen in die Höhe.

Erste Sektion des FlemXpress von Flims nach Foppa

Talstation des FlemXpress in Flims

Die Talstation des FlemXpress in Flims

Die Talstation des FlemXpress befindet sich im Zentrum von Flims und bildet einen der beiden Einstiegspunkte in das Skigebiet, das sich über Laax und Falera bis zum knapp 3000 Meter hohen Vorab erstreckt. Von aussen deutet auch hier zunächst noch nichts auf das neuartige Konzept hin. Die zehnplätzigen schwarzen Kabinen fahren wie bei einer gewöhnlichen kuppelbaren Anlage aus der Talstation ein und aus, woraufhin sie von einem Förderseil in die Höhe gezogen werden. Was jedoch das letztliche Ziel ihrer Reise ist, das ist im Gegensatz zu einer konventionellen Kabinenbahn aus dieser Perspektive nicht zu beurteilen. Und auch ein erster Blick ins Stationsinnere verrät, dass hier eben so einiges nicht ganz wie üblich abläuft. Über einzelne Gleise fahren die Kabinen selbständig durch die Station, angetrieben von einem Motor und versorgt von einem Akku.

Ropetaxi-Bahnhof in Flims

Klemme des Ropetaxi mit integrierten Akkus

Von all dem bekommt der normale Fahrgast jedoch erst einmal nichts mit. Im Einstiegsbereich hat er die Möglichkeit, aus mehreren Zielen zu wählen. Zurzeit ist nur die Strecke von Flims via Foppa nach Startgels fertiggestellt, im Endausbau soll die Anlage weiterführen bis nach Nagens und auf den Cassonsgrat. Ist das Fahrziel gewählt, steht für maximal zehn Fahrgäste an einem der Eingänge eine Kabine bereit, die die gewünschte Station auf direktem Weg anfährt. Nach 30 Sekunden schliessen sich die Türen, woraufhin es auch schon auf den ersten Streckenabschnitt in Richtung Foppa geht.

Zustiegsplattformen in die Kabinen des Ropetaxi

Digitale Zielanzeige beim FlemXpress

Wählpult für die Zielwahl der Kabine in Flims

Mit dem Ropetaxi von Flims nach Foppa

Von diesem Punkt an geht es zunächst weiter wie bei einer gewöhnlichen Kabinenbahn. Nachdem die Kabine, angetrieben von einem in die Klemmkonstruktion integrierten Akku, das Ende des Stationsumlaufs erreicht hat, wird sie von Reifenförderern auf Seilgeschwindigkeit beschleunigt. Die Klemme greift ans Seil und lässt sich daraufhin von diesem in Richtung der Station Foppa befördern. Die Strecke dieser ersten Sektion ist gekennzeichnet von zahlreichen hohen Stützen. Zwischen den oberen Ausläufern der Ortschaft Flims geht es auf einer Länge von rund 1,7 Kilometern 320 Höhenmeter bergauf. Schon aus diesen technischen Daten geht hervor, dass die Trassierung eher sanft ausfällt. Die Anlage folgt damit exakt ihrem direkten Vorgänger, einer kuppelbaren Dreiersesselbahn aus den 80er Jahren.

Ausfahrt aus der Talstation in Flims

Erste Sektion des FlemXpress von Flims nach Foppa

Es ist ein aus seilbahnhistorischer Sicht bedeutsamer Ort, denn weitere vier Jahrzehnte zuvor nimmt an dieser Stelle 1945 die erste kuppelbare Sesselbahn der Welt den Betrieb auf. Eine Anlage mit charakteristischen Seitwärtssesseln, wie sie in den darauffolgenden Jahren vor allem in Europa, aber auch in der restlichen Welt populär werden. Der innovative FlemXpress ist an diesem Ort also in guter Gesellschaft. Nach neun markanten Zwischenstützen kommt die Station Foppa auch schon in Sicht. Nur etwas mehr als fünf Minuten nimmt die Fahrt in Anspruch, wenn die Anlage dauerhaft mit der maximalen Seilgeschwindigkeit von 6 m/s unterwegs ist.

Auf der Überholspur durch die Station Foppa

Aus verschiedenen Gründen kann dieser Wert im laufenden Betrieb nicht immer erreicht werden. Doch dazu später mehr. Erst einmal wird bei der Einfahrt in die Station Foppa der eigentliche Clou des neuartigen Systems so wirklich deutlich. Denn unsere Kabine ist in Flims mit dem Fahrziel Startgels gestartet, also der Endstation der zweiten Sektion. Aus diesem Grund biegt die Kabine nicht zum rechter Hand platzierten Bahnhof der Station Foppa ab, sondern überholt die dort für den Ein- und Ausstieg der anderen Fahrgäste wartenden Kabinen auf einem separaten Gleis.

Davor ist gerade noch Platz für eine andere Kabine, die als Leerfahrt den Weg zurück nach Flims antritt und dazu am Ende der Station Foppa wendet. In der Wendeschleife lässt sie eine aus Startgels kommende Kabine passieren, während unser Fahrzeug auf direkter Linie den weiteren Weg nach oben antritt.

Im Inneren der Station Foppa mit Bahnhof und Blick Richtung Ausfahrt nach Startgels

Station Foppa mit Ausfahrt Richtung Startgels

Station Foppa mit Wendeschleife und Garagierungshalle für die Kabinen im Hintergrund

Die zweite Sektion des FlemXpress nach Startgels

Nach oben ist in diesem Fall relativ, denn zunächst einmal führt die Strecke nach Startgels leicht bergab und gewinnt auch in der Folge nicht viel an Höhe. Gerade einmal 170 Höhenmeter überwinden die Kabinen auf den nachfolgenden 1,6 Kilometern Strecke. In diesem Teil ist die Anlage eine reine Anbindung zwischen Foppa und dem restlichen Skigebiet weiter oberhalb, für Wiederholungsfahrten auf der Skipiste ist dieser Abschnitt weitgehend uninteressant. Entsprechend sind hier auch tendenziell weniger Kabinen im Einsatz als auf der ersten Sektion. Zumindest im Moment, denn wenn die restlichen Streckenabschnitte fertiggestellt sind, werden voraussichtlich mehr Fahrgäste diesen Weg bestreiten.

Es ist einer der zentralen Vorteile des sogenannten Ropetaxis, dass die Kabinen nämlich nur dann auf der Strecke verkehren, wenn sie auch wirklich gebraucht werden. Leerfahrten können so gegenüber einer konventionellen Anlage deutlich reduziert werden, was den Verschleiss minimiert. Im Fall der Nichtnutzung warten die Kabinen in einem der Bahnhöfe oder als Ergänzung auf den Abstellgleisen, bis ein Fahrgast den magischen Knopf drückt. Sollten die vorhandenen Kabinen an einer Stelle zuneige gehen, können nicht benötigte Fahrzeuge aus einer anderen Station zu Hilfe eilen.

Abschüssige Trassierung von Foppa nach Startgels

FlemXpress Ropetaxi in Flims-Laax

FlemXpress Ropetaxi in Flims-Laax

Der FlemXpress als innovatives Seilbahn-Konzept

Angekommen in der Station Startgels geht es derzeit mangels Alternative direkt zum Bahnhof und dem Ein- und Ausstiegsbereich. Im Winter 2024 übernimmt noch eine Pendelbahn aus den 70er Jahren den weiteren Transport der Fahrgäste, wer in die andere Richtung möchte, kann dagegen sein Ziel bereits wählen. Mit Zwischenstopp in Foppa geht es jetzt zurück nach Flims. Auch der direkte Weg wäre wieder möglich, doch für Demonstrationszwecke soll unsere Kabine erst einmal die Station Foppa ansteuern. Vorbei an der bereits fertiggestellten Talstation der dritten Sektion geht es über die Wendeschleife aus dem Bahnhof in Richtung der talseitigen Ausfahrt.

Station Startgels mit Bahnhof, Überholgleis, Garage und Wendeschleifen

Wählpult für die Zielwahl der Kabine in Startgels

Abfahrbereite Kabine des FlemXpress in Startgels

Bauarbeiten an der zukünftigen Station Segnes mit Achsen nach Ils Cugns, Startgels und Nagens Sura

Zukünftige dritte Ropetaxi-Sektion in Flims von Startgels nach Segnes

Während der nachfolgenden Fahrt ist genügend Zeit, auf die Erfinder dieses Prototyps zu sprechen zu kommen. Entwickler und Konstrukteur der Anlage ist die Flumser Firma Bartholet. Das nach wie vor familiengeführte Unternehmen ist bereits seit den 1960er Jahren auf dem Schweizer Seilbahnmarkt präsent, der internationale Durchbruch gelingt schliesslich mit der Entwicklung eines eigenen Modells für kuppelbare Seilbahnen nach der Jahrtausendwende.

Und schon damals kann Bartholet mit innovativen Ideen auftrumpfen, unter anderem im nahegelegenen Laax mit einer Sechsersesselbahn, deren Sessel während der Bergfahrt für einen besseren Panoramagenuss zur Seite schwenken. Auch die Kabinen des FlemXpress können mit interessanten Neuerungen begeistern. Dank der vorhandenen Stromversorgung durch die integrierten Akkus zur Bewegung der Kabinen in den Stationen kommen die Fahrgäste beispielsweise in den Genuss von induktiven Ladeschalen für Smartphones.

Unterwegs von Startgels nach Foppa

Ladeschalen für Smartphones in der Kabine des Ropetaxi

Ropetaxi-Kabine von Bartholet

Talfahrt zur Station Foppa

Das Prinzip Ropetaxi am Beispiel Foppa

Nach gut vier Minuten Fahrt kommt wieder die Station Foppa in Sicht, in der sich die Antriebe der beiden ersten Sektionen befinden. Abgespannt werden die Seile dagegen hydraulisch in den jeweiligen Gegenstationen. Ein klassischer Aufbau, denn in dieser Hinsicht unterscheidet sich das Prinzip nicht von einer normalen Kabinenbahn. Lediglich die deutlich komplexere Struktur der Stationen sticht beim FlemXpress unweigerlich ins Auge.

Insbesondere dann, wenn es darum geht, in der Station Foppa für einen Zwischenhalt den Bahnhof anzusteuern. Da sich unsere Kabine auf der talfahrenden Seite in Richtung Flims befindet, muss sie zunächst die Station bis zur Wendeschleife durchfahren. Ein etwas aufwendigerer Prozess, denn zunächst gilt es, noch eine bergfahrende Kabine aus Flims abzuwarten, ehe der Weg frei ist. Sind die Weichen passend umgestellt, kann die Kabine, wiederum angetrieben durch ihren integrierten Motor an der Klemme, das korrekte Gleis ansteuern. Damit dieser Vorgang stets kollisionsfrei ablaufen kann, regelt die Anlage automatisch die Vorfahrt der Kabinen. Innerhalb der Station bewegen sich die Kabinen mit maximal 1 m/s fort, wobei auch diese Geschwindigkeit situativ geringer ausfallen kann. Die Wendeschleifen an den jeweiligen Enden der Stationen bieten zudem Platz für je eine wartende Kabine.

Station Foppa des FlemXpress in Flims

FlemXpress in Flims-Laax

FlemXpress in Flims-Laax

Ropetaxi-Station Foppa in Flims-Laax

Ropetaxi-Bahnhof Foppa mit Einstiegsplattform und Zielwahl

Mit dem FlemXpress zurück nach Flims

Und damit ist nach dem Zwischenhalt in Foppa auch das nächste Ziel klar, diesmal geht es zurück ins Tal nach Flims. Eine leere Kabine steht im Bahnhof schon bereit, und so geht es abermals quer durch die Station. Diesmal gilt es, am Ausgang Richtung Startgels zu wenden, um wieder auf die talfahrende Seite der Bahn zu gelangen. Zunächst muss unsere Kabine noch eine andere aus Startgels abwarten, die als Leerfahrt unterwegs ist und sich gleich in die Garage verabschiedet.

Währenddessen machen sich zwei andere Kabinen auf den Weg aus der Garage in Richtung Bahnhof Foppa. Die zweite nimmt uns zwar die Vorfahrt, muss aber gleich darauf noch wegen einer anderen in der Wendeschleife warten. Ein wenig erinnern die ganzen selbstfahrenden Kabinen schon an eine Geisterbahn, aber jetzt ist für unser Fahrzeug der Weg frei in Richtung Flims. Reifenförderer übernehmen nun wieder die Beschleunigung der Kabine auf Seilgeschwindigkeit, wobei durch die Bewegungsenergie auch gleichzeitig der Akku für die Fahrt durch die nächste Station teilweise wieder aufgeladen wird.

Ropetaxi – Ein revolutionäres System mit Zukunft?

Und so geht es an einem hochwinterlichen Tag mit den letzten Sonnenstrahlen wieder zurück ins Tal. Noch ist der FlemXpress mit seinen beiden ersten fertiggestellten Sektionen in einer Art Testphase, in der sowohl die Betreiber als auch die Entwickler mit jedem neuen Betriebstag hinzulernen. Kleinere Kinderkrankheiten machen dem neuen System derzeit noch zu schaffen, doch mit Blick auf die in den nächsten Jahren noch hinzukommenden weiteren Teilabschnitte scheinen die Weichen für einen erfolgreichen Betrieb bereits gestellt. Momentan ist das neue Betriebsprinzip jedoch auch für viele Fahrgäste noch gewöhnungsbedürftig. Nicht jeder ist ortskundig und weiss auf Anhieb, welche Station eigentlich die richtige ist. Das Stationspersonal übernimmt zu Stosszeiten daher die Zielwahl für die Kabinen, um die Wartezeiten zu verkürzen. Erfahrungswerte werden aber gewiss auch hier mit der Zeit dazu beitragen, dass der Betrieb reibungslos funktionieren wird.

Talfahrt mit der Ropetaxi-Seilbahn von Foppa nach Flims

Ropetaxi-Klemme mit integrierten Akkus

Talstation des Ropetaxi in Flims

Kabine des FlemXpress mit Skiköchern

Immerhin handelt es sich um eine völlig neuartige Idee, die der Hersteller Bartholet und das Skigebiet Flims-Laax-Falera hier entwickelt und realisiert haben. Eine Revolution, wie es sie im Seilbahnbau seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat und die das Potenzial besitzt, unsere Art der Fortbewegung grundlegend zu verändern. Ob sich das System in Skigebieten weiter verbreiten und etablieren kann, bleibt abzuwarten. Interessant dürfte das Prinzip aber vor allem im urbanen Bereich als Nahverkehrsmittel werden. Auf einem Seilbahnnetz quer durch eine Grossstadt fahren, dabei einfach in ein Fahrzeug einsteigen und individuell das Ziel per Knopfdruck wählen? Diese vermeintliche Utopie ist mit dem FlemXpress plötzlich ein ganzes Stück realistischer geworden.

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