Es gleicht ein Tagesanbruch dem nächsten. Hell ist es ohnehin die ganze Nacht, aber die Sonne bekomme ich trotzdem nicht zu Gesicht. Wieder ist der Himmel wolkenverhangen, wieder ein tristes Grau und ein paar Regentropfen. Vom angekündigten heiteren Wetter ist natürlich nichts zu sehen. Ich habe auch nicht mehr damit gerechnet. Aber da es wenigstens halbwegs trocken ist, beschließe ich, doch noch die restlichen 50 Kilometer bis nach Spjelkavik zu fahren. Die dortige Sesselbahn auf den Aussichtsberg ist nicht allzu hoch, sodass sich vermutlich trotz Wolken immerhin ein schöner Ausblick ergibt.
Schon von weitem ist die Sesselbahn zu sehen, und schon von weitem kann ich erkennen, dass sie nicht fährt. Es kann einfach nicht mehr wahr sein. Jetzt fahre ich einen Umweg von 250 Kilometern, um diese Bahn zu fahren, und natürlich ist sie nicht in Betrieb. Mitten in der Ferienzeit. Es ist unerklärlich. Ich fahre dennoch zur Talstation, wo ich feststellen muss, dass die Bahn wohl für längere Zeit nicht fährt. Die Talstation ist verrammelt, nirgendwo sind eine Kasse oder ein Schild mit Tarifen zu erkennen. Auf mich wirkt es fast, als sei die Bahn dauerhaft stillgelegt.
Eine aussichtslose Lage in Spjelkavik
Kann mir aber auch alles relativ egal sein, warum sie nicht fährt. Jedenfalls verliere ich langsam die Lust daran, noch großartig weitere Dinge zu erkunden. Nirgendwo ist auch nur ansatzweise gutes Wetter, nirgendwo ist besseres Wetter in Sicht und wenn ich irgendwo etwas unternehmen will, geht das auch nicht. Bis jetzt bin ich zehn Tage unterwegs, hatte wenn es hochkommt während der ganzen Zeit in Summe zwei Sonnenstunden, habe kein einziges wirklich herausragendes Foto machen können und bin x Kilometer sinnlos durch die Gegend gefahren.
Das alles wäre ja noch verkraftbar, wenn es wenigstens für den geplanten Rest der Reise besser aussehen würde. Aber es ist schlichtweg nichts in Sicht. Lofoten, Tromsø, Narvik, Abisko. Überall dort scheint im Moment theoretisch den ganzen Tag die Sonne, aber die Prognose prophezeit null (ja, null!) Sonnenstunden während der gesamten nächsten sieben Tage. In den Norden zu fahren ist daher völlig sinnlos. Auch wenn einer der Hauptgründe für die Reise, die Brändle-Sesselbahn in Abisko, dort oben liegt. Andererseits weiß ich bei dieser sicher, dass sie nur bei gutem Wetter fährt. Bringt also nichts, 2.000 Kilometer zu fahren, um dann wieder vor verschlossenen Türen zu stehen.
Davon abgesehen fehlt mir aber auch die Lust, noch zwei weitere Wochen bei diesem Wetter durch die Gegend zu fahren. Wenn ich nicht mit meinen beiden Schwestern in gut zwei Wochen zum geplanten Ende meiner Reise in Stockholm verabredet wäre, dann würde mir die Entscheidung ziemlich leicht fallen, einfach wieder nach Hause zu fahren. So muss ich mal schauen, ob ich im Fall der Fälle noch einen Flug in die schwedische Hauptstadt buchen könnte. Natürlich auch nicht optimal, dann in zwei Wochen wieder nach Norden zu fliegen. Aber andererseits hat es auch keinen Sinn, noch zwei Wochen im Regen hier zu verbringen.
Die spektakuläre Passstraße über den Trollstigen
So fahre ich erst einmal von Spjelkavik wieder retour und schlage den Weg über Valldal ein, der mich zum Trollstigen führt. Der Trollstigen ist ein Pass mit einer äußerst spektakulären Straße, die auf der Nordseite entlang steil abfallender Felswände mit unzähligen Serpentinen trassiert ist. Wenn es schon sonst nichts zu sehen gibt, dann soll wenigstens die Straße interessant sein. Der Anstieg auf der Südseite ist nicht wirklich spektakulär, verläuft die Straße doch mehrheitlich gerade mit einer kontinuierlichen Steigung.
Auf der Passhöhe spüre ich dann auf einmal starken Gegenwind. Und dieser verheißt nichts gutes. Von Norden drücken die Wolken gegen den Berg und verhüllen die nördliche Passseite in dickem Nebel. Die Sichtweite beträgt unter 20 Metern, nur vorsichtig lässt es sich noch fahren und von der eigentlichen Attraktion, dem Blick auf die steile Nordseite, ist mal rein gar nichts zu sehen. Es ist einfach zum Verzweifeln. Einzig die umliegenden Wasserfälle sind interessant anzusehen, aber es ist seit zehn Tagen immerzu derselbe Anblick. Wasserfall, Wiese und Nebel beziehungsweise Wolken.
Übernachtung irgendwo im Nebel
Mir fehlt jegliche Motivation, noch eine großartige Strecke zurückzulegen, sodass ich mir noch vor Dombås einen Rastplatz suche, auf dem ich die Nacht verbringen will. Während ich zu Abend esse, beginnt es von Neuem zu regnen. Inzwischen hängen die Wolken so tief, dass von den umliegenden Bergen fast gar nichts mehr zu sehen ist. In Dombås muss ich morgen dann eine Entscheidung fällen. Nach links abbiegen und auf der E6 Richtung Norden fahren, um die Reise doch noch wie geplant fortzusetzen, oder nach rechts abbiegen, um schon frühzeitig wieder in Richtung Heimat aufzubrechen. Sollte sich die Wetterprognose nicht grundlegend ändern, werde ich mich wohl – leider – für die zweite Option entscheiden müssen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.