Z Bydgoszczy na Śnieżkę • Von Bydgoszcz zur Schneekoppe

Ein paar Kilometer habe ich in meinem Leben ja durchaus schon zurückgelegt. Die allermeisten davon in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Ab und an ergab sich bislang aber glücklicherweise auch mal eine Gelegenheit, in etwas ferner gelegene Länder zu reisen. Im letzten Jahr hatte ich das Glück, mit einem Bekannten einige Seilbahnen in der Slowakei unsicher zu machen. Für einen Geschäftstermin musste mein Vater Anfang September diesen Jahres kurzfristig nach Bydgoszcz.

Die konsonantenreiche Schreibweise des Namens verrät bereits, dass es sich hierbei um eine osteuropäische Stadt handelt. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich zuvor noch nie etwas von diesem Ort gehört hatte. Nach einem Blick auf die Landkarte war ich etwas schlauer. Die Reise sollte also ins nördlichen Polen gehen, rund 1200 Kilometer von der Heimat entfernt. Da mein Vater diese Strecke verständlicherweise nicht alleine zurücklegen wollte, stimmte ich zu, ihn zu begleiten und mich für einen Teil der Strecke hinter das Steuer zu setzen.

Seilbahnleckerbissen in Osteuropa

Nun machte ich in den letzten Jahren nie eine Reise, ohne mich vorher über mögliche Seilbahnen in der Umgebung zu informieren. Speziell in derartige Regionen kommt man nicht allzu oft. Und besonders in Osteuropa findet man ja durchaus noch den einen oder anderen Leckerbissen. So hatte ich von Anfang an die Sesselbahn an der Schneekoppe im Hinterkopf. Ohne allerdings genau zu wissen, ob sich diese in irgendeiner Weise in der Nähe der Route befinden würde.

Ein Blick auf den Routenplaner stimmte mich aber durchaus zuversichtlich. Der Weg durch das tschechische Riesengebirge sollte nur 100 Kilometer Umweg sein. Im Verhältnis zur Gesamtdistanz also ein durchaus verkraftbarer Umweg. Schnell hatte ich meinen Vater davon überzeugt, bei gutem Wetter auf der Rückreise der Bahn einen Besuch abzustatten. Derart nahe würde ich der Schneekoppe wohl vor dem bereits besiegelten Abbruch der dortigen Seilbahn sicher nicht mehr kommen. Und einmal wollte ich dieses besondere Bauwerk dann doch auf jeden Fall noch fahren. Es handelt es sich dabei nämlich um eine der letzten VR101 in ganz Europa.

Polnische Verkehrsverhältnisse

Bis zur polnischen Grenze verlief die Fahrt weitestgehend reibungslos. Erstaunlicherweise sogar mit relativ wenig Stau auf der sonst völlig überfüllten Autobahn A6. Ab Nürnberg ging es auf nahezu leeren Autobahnen zügig weiter. Die fehlende Geschwindigkeitsbegrenzung auf den deutschen Autobahnen stellte sich mal wieder als äusserst nützlich heraus. Kaum überfuhren wir hingegen die Oder südlich vom am selben Fluss gelegenen Frankfurt, verschlechterten sich die Strassenverhältnisse aber zusehends. In einem Reiseführer war angegeben, dass sich das polnische Strassennetz noch im Aufbau befinde.

Schon nach wenigen Kilometern konnte man diese Aussage zu einhundert Prozent unterschreiben. Mit dem Zusatz, dass bei diesem Aufbau allerdings noch keine Zwischenerfolge gefeiert werden konnten. Oder anders gesagt: überall wurde gebaut, fertig war man aber noch nirgendwo. Ein wenig gewöhnen musste man sich an die katastrophalen Zustände auf dieser viel befahrenen West-Ost-Transitroute schon. Aber nicht nur die Strasse selbst, sondern auch die Verkehrsregeln schienen in Polen gänzlich anders zu sein als im Westen. Fuhr man 20 km/h schneller als erlaubt auf der Landstrasse, so war man bereits ein Verkehrshindernis und wurde pausenlos von Lastwagen an den kuriosesten Stellen überholt. Generell galt: wer bremst, verliert.

Von Radarkontrollen, Schlaglöchern und weiblichen Dienstleistern

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Eine der tristen Landstrassen irgendwo im Nirgendwo. Generell muss man in Polen einem Überholenden Platz machen, indem man den durchaus grosszügigen Pannenstreifen mitbenützt. Auch als entgegenkommender sollte man diesen Hinweis in jedem Fall befolgen, denn gerade die „Brummis“ brauchen doch auch ab und an mal etwas mehr Platz. Und in diesem Fall gilt: der Stärkere gewinnt, ohne Rücksicht auf Verluste. Allerdings sollte man auch beachten, dass diese Pannenstreifen ohne Ankündigung einfach in einen Graben übergehen. Andererseits muss man aber auch aufpassen, um um die auf dem Pannenstreifen zahlreich vorhandenen weiblichen Dienstleister zu zirkeln.

Zur tristen Stimmung trug nicht nur das schlechte Wetter bei, sondern auch die vollkommen verfallenen Dörfer. Irgendwie sah hier noch alles so aus, wie man es von Bildern und Filmen kurz nach der Wende kennt. Zwar stellte sich im Verlauf der Reise heraus, dass die Zustände im Norden weitaus prekärer waren als im südlichen Teil des Landes, aber dennoch war vom polnischen Wirtschaftswunder nicht viel zu sehen.

Als die einzige moderne Infrastruktur in den vielen Dörfen, durch die die Transitroute führte, stellten sich eine Vielzahl an Radarkontrollen heraus. In jedem noch so kleinen Dorf standen sowohl am Ortsein- als auch Ausgang ein Blitzer. In Anbetracht der Tatsache, dass sich aber ausser uns niemand an die 50 km/h im Ort hielt, dürfte es sich dabei aber meist wohl um Attrappen handeln.

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Falls jemand mal in Polen unterwegs sein sollte, diese Geräte gilt es zu beachten ;) .

Irgendwann am Abend erreichten wir dann die Stadt Bydgoszcz, eine Relikt des Sozialismus. Schön ist anders.

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Aufbruch von Bydgoszcz ins Riesengebirge

Nach zwei Tagen Aufenthalt ging es schlussendlich weiter auf die lange Reise Richtung Süden. Kilometermässig wäre die Strecke gar nicht mal so lang gewesen. Doch bei derartigen Verhältnissen, wie sie sich in Polen als Standard erwiesen, war an ein schnelles Vorstossen nach Tschechien nicht zu denken. Scheinbar endlos reiheten sich Schlaglöcher aneinander. Die Stösse steckten einem noch Tage nach der Reise in den Knochen. Hinzu kam noch die Tatsache, dass nicht nur das Strassennetz, sondern auch offenbar der Radioempfang in Polen noch ausbaufähig ist. Während der gesamten Fahrt war ausser einem Sender mit polnischer Volksmusik nichts zu empfangen. Verstehen konnten wir ja sowieso nichts, abgesehen von …

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… diesem Satz, den ich noch heute in bestem polnisch wiedergeben könnte ;) . Glücklicherweise half der iPod mit heimischen Klängen weiter, der uns mit einem Patent-Ochsner-Konzert vom Berner Bundesplatz versorgte.

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Der Zustand der nationalen Eisenbahn.

Nach rund fünfeinhalb Stunden eintöniger Fahrzeit über Stock und Stein geschah dann das schier Unfassbare. Mitten im Nirvana tönte es aus dem Navigationsgerät: „Fahren Sie auf die Autobahn.“. Und tatsächlich. Zwei Kurven später befanden wir uns tatsächlich auf einer perfekt ausgebauten vierspurigen Autobahn!

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Für einen Moment fühlte man sich wieder wie zu Hause. Doch die Freude erwies sich als von kurzer Dauer, denn nur zwei Ausfahrten weiter endete die Autobahn so, wie sie begonnen hatte: abrupt. Schon bald nach dem unerwarteten Erlebnis erreichten wir schlussendlich die ersehnte Passstrasse am Fusse des Riesengebirges, die uns nach Tschechien und damit nach Pec pod Sněžkou zur Schneekoppe führen sollte.

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Über die Grenze nach Tschechien

An der Passhöhe erreichten wir die tschechische Grenze und – wie es schien – auch die Zivilisation wieder. Nach zahllosen Kilometern vollkommen abseits jeglichem Leben wurden die Strassen wesentlich besser. Die ganze Gegend erwies sich plötzlich als sehr belebt und für touristische Zwecke gut ausgebaut. Sogar auf die ersten Skilifte trafen wir entlang der Strasse nach Pec pod Sněžkou!

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Auf der Passhöhe Horní Malá Úpa. Hier befindet sich die Grenze zwischen Polen und Tschechien.

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Dieser Pistenplan, der sich genau auf der Passhöhe befindet, bietet einen guten Überblick über die Skigebiete im tschechischen Riesengebirge. Ganz rechts oben im Bild ist der Standort des Pistenplans mit der angesprochenen Passhöhe. Darunter befindet sich das kleine Skigebiet von Velká Úpa. Links oberhalb davon liegt Pec pod Sněžkou mit der eingetragenen Sesselbahn zur Schneekoppe.

Erste Schlepplifte in Pec pod Sněžkou

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Ein Blick auf die mehrheitlich doch eher sehr flachen Skilifte in Malá Úpa.

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Auf der gegenüberliegenden Seite trifft man diesen neueren Doppelmayr-Skilift an.

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Die Skilifte sind nicht alle miteinander verbunden. Vielmehr befindet sich etwa alle 500 Meter ein Einzellift entlang der Hauptstrasse. Hier eines der äusserst seltsamen Exemplare, das ich keinem Hersteller zuschreiben konnte. Man findet diese Konstruktion aber recht häufig rund um Pec pod Sněžkou.

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Die Stützen erinnern ein wenig an Tatrapoma, allerdings dürfte es sich hier um Skilifte nach dem System Constam handeln.

Eine Unterkunft war in Pec pod Sněžkou sehr schnell gefunden. Der Ort ist für den Tourismus sehr gut ausgestattet, bietet eine Vielzahl an Hotels und Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten. Wie zu DDR-Zeiten ist das Riesengebirge für Deutsche aus den östlichen Landesteilen auch heute noch ein beliebtes, preisgünstiges Ausflugs- und Ferienziel. Aus diesem Grund findet man quasi an jeder Ecke jemand, der zumindest ein paar Brocken deutsch spricht. Ganz im Gegensatz zum gesamten Polen.

Abstecher nach Velká Úpa

Ein Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen verriet nichts Gutes. Dicke Regentropfen trommelten an die Scheibe und wir hatten ernsthafte Zweifel, ob die Bahn zur Schneekoppe den Betrieb überhaupt aufnehmen würde. Etwas zuversichtlich stimmte uns dann aber die Tatsache, dass zumindest die erste Sektion am Vortag trotz ähnlichem Wetter in Betrieb war. Auch der Wetterbericht spielte uns in die Karten. Ab dem späten Vormittag sollte es nach Vorhersage sonnig werden, wenn auch windig. So entschlossen wir uns, am verregneten Morgen dem Skigebiet von Pec pod Sněžkou noch einen Besuch abzustatten. Dieses hat nämlich mit der Sesselbahn an der Schneekoppe nichts zu tun. Jene Bahn bedient keine Abfahrten und führt durch ein Naturschutzgebiet, sodass auch keine Variantenabfahrten möglich sind. Als erstes ging es allerdings noch zur Sesselbahn im Nachbarort Velká Úpa.

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Talstation der Sesselbahn Portášovy Boudy in Velká Úpa. Das geübte Auge wird schon festgestellt haben, dass es sich hier um eine klassische Anlage von Tatrapoma handelt. Mit formschönen Wassertropfensessel für drei Personen. Obwohl man fast meinen könnte, dass diese Anlage durchaus schon einige Jahre auf dem Buckel hat, wurde sie erst 2005 an dieser Stelle als Occasionsanlage aufgebaut. Dabei ersetzte die Bahn einen Einersessellift von Transporta Chrudim.

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Blick auf die Strecke der Sesselbahn Portášovy Boudy und dem Gebäude am Horizont, das dem Lift seinen Namen gibt.

Das Skigebiet von Pec pod Sněžkou

Nur wenige Minuten später befanden wir uns auch schon wieder in Pec pod Sněžkou, respektive im dortigen Skigebiet. Ähnlich wie in Malá Úpa trifft man auch hier mehrere Einzelanlagen an, die mit dem eigentlichen Skigebiet nicht nur in punkto Bauweise eher wenig gemeinsam haben.

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Den ersten Skilift könnte man ja geradezu für einen „Ost-Vogler“ halten ;) . Ein ganz kurzer, leichter Skilift. Die Anlage dürfte wohl von einem lokalen Betrieb hergestellt worden sein. Die Bauweise trafen wir im Verlauf des Tages nämlich noch öfter an.

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Schon etwas gewöhnlicher kommt der Doppelskilift Javor daher. Hier handelt es sich um zwei klassische Doppelmayr-Skilifte. Generell scheint das Skigebiet in den 90er Jahren gründlich modernisiert worden zu sein. Nahezu alle Anlagen sind Skilifte- oder Sesselbahnen der Firma aus Wolfurt.

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Ein Blick vom Haupthang des Skigebiets auf Pec pod Sněžkou. Rechts der Bildmitte sieht man das Wahrzeichen des Ortes. Ein Hotelturm mit stolzer Höhe, ganz zuoberst befindet sich ein Restaurant. Die sozialistische Antwort auf Val Thorens.

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Und das ist wohl die tschechische Variante vom Liftomat? :-D Diese Schnüre waren an allen Bügeln montiert …

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Blick auf die Sesselbahn Hnědý vrch, eine moderne fixe Doppelmayr-Sesselbahn. Sie erschliesst neben den Skiabfahrten auch einen Aussichtsturm und ist daher auch im Sommer geöffnet. Wie sich später herausstellte, ist der Turm aber so unglücklich am Hang gebaut, dass die Aussicht vom Gipfel eigentlich kaum schlechter sein kann.

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Einen etwas besseren Überblick sollte dieser Pistenplan bieten. Links der Doppelskilift Javor, rechts die Sesselbahn. Mittig befinden sich die Skilifte Zahradký, die sogleich unter die Lupe genommen wurden.

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Der Skilift Zahradký 1. Wie sollte es anders sein, ein Doppelmayr. Ein Gebäude hinter der jetzigen Talstation deutete darauf hin, dass hier zuvor ein Skilift der Firma Transporta Chrudim seine Runden drehte.

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Gleich nebenan trifft man auf den Skilift Zahradký 2. Eine Herstellerangabe dürfte hier überflüssig sein ;) .

Ein Kuriosum an der Hauptstrasse

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Auf ein Kuriosum trafen wir etwas unterhalb mitten in Pec pod Sněžkou. An und für sich sind Brücken bei Skiliften ja schon nicht gerade der Standard. Diese Konstruktion war dann aber doch noch eine Nummer ausgefallener, als alle Brücken, die ich bis dato bei Skiliften gesehen hatte. An der Hauptstrasse befindet sich die Talstation, dann geht es erst einmal über ebendiese Brücke, ehe der Skilift dann einen enorm steilen Hang bewältigt. Eine zweite Brücke für die Abfahrt war übrigens nicht auszumachen …

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Die Talstation dieses kleinen Skilifts. Im Hintergrund wieder der Gedächtnisturm.

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Nochmals ein Blick über die Brücke. Die Löcher darin werden bis zum Winter hoffentlich noch beseitigt!

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Bei Sturz sofort die Spur verlassen? Könnte zumindest im unteren Teil etwas schmerzhaft werden.

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Die kuriose Konstruktion nochmals von der Seite.

Schliesslich entschieden wir uns um die Mittagszeit dann dazu, zur Schneekoppe aufzubrechen. Das Wetter besserte sich zwar nicht gerade stetig. Aber immerhin hatte es bereits aufgehört zu regnen, sodass wir die Fahrt um 12 Uhr zur Mittelstation Růžová hora in Angriff nehmen wollten. Wie viele andere Anlagen fährt auch die Bahn zur Schneekoppe nur stündlich. Bereits am Parkplatz informierte uns eine Anzeigetafel darüber, dass derzeit lediglich die erste Sektion geöffnet war. Da die zweite Sektion sehr exponiert verläuft, hatten wir allerdings bei der bereits beachtlichen Windstärke im Ort auch nichts anderes erwartet. Je nach Wetter wollten wir die Schneekoppe dann allerdings ab der Mittelstation zu Fuss erklimmen.

Eine der letzten Seitwärtssesselbahnen der Welt

Streng genommen existieren in Tschechien noch drei intakte VR101-Seitwärtssesselbahnen. Eine, die im Erzgebirge von Krupa auf das Mückentürmchen (Komáří vížka) führt, sowie die beiden genannten getrennten Sektionen an der Schneekoppe (Sněžka). Bereits Ende 2011 dürfte erstgenannte Bahn die letzte noch in Betrieb befindliche klassische Seitwärtssesselbahn in Europa sein. Denn sowohl die Tage der Bahn an der Schneekoppe als auch jene einer Kabinenbahn in der Türkei sind gezählt. Somit verbleiben mit dem legendären Kuppelsystem nur mehr der Lizenzbau von Transporta Chrudim in Krupka sowie eine Kabinenbahn von Abig am Jenner in Deutschland.

Auch die Bahn an der Schneekoppe wurde von der 1945 verstaatlichten Seilbahnfirma Transporta aus Chrudim hergestellt. Bereits vor und noch während des zweiten Weltkriegs hatte die Firma, die damals noch den Namen des Gründers Fratišek Wiesner trug, das Riesengebirge erobert. 1928 entstand in Janské Lázně die erste Pendelbahn der Tschechoslowakei. 1940 erstellte die Firma die erste Sesselbahn Europas in Frenštát pod Radhoštěm. Schon 1947 gab es erste Bestrebungen zum Bau einer Bahn auf die Schneekoppe und schnell kristallisierte sich das System der kuppelbaren Seitwärtssesselbahn der Firma Von Roll als optimale Bauoption heraus.

Zur Geschichte der Sesselbahn auf die Schneekoppe

Die Firma Transporta Chrudim hatte eine Lizenz zum Bau derartiger Anlagen erhalten und konnte bis Anfang 1949 die erste Sektion zur späteren Zwischenstation Růžová hora fertig stellen. Nach weiteren zehn Monaten Bauzeit konnten Mitte November 1949 die ersten Fahrgäste bis auf den Gipfel der Schneekoppe transportiert werden, welche bereits seit dem Bau der Bau der Laurentiuskapelle 1665-1681 erschlossen war.

Ursprünglich waren die Mittelstation als Durchgangsstation gedacht gewesen, sodass man ohne Umsteigen die rund 700 Höhenmeter von der Tal- bis zur Bergstation hätte überwinden können. Doch das raue annähernd subpolare Klima an der Schneekoppe machte den Betreibern einen Strich durch die Rechnung. Schon bald stellte sich heraus, dass aufgrund der zwar landschaftlich sehr reizvollen, aber exponierten Trassierung der zweiten Sektion ein Betrieb nur selten möglich war. Starker Wind, der oftmals mit mehr als der doppelten für einen sicheren Betrieb zugelassenen Geschwindigkeit über die Schneekoppe hinwegfegte, sorgte für einen stark eingeschränkten Betrieb.

So wurden nach kurzer Zeit die charakteristischen Schutzplanen von den Sesseln der zweiten Sektion entfernt, um die Windanfälligkeit zumindest ein wenig zu reduzieren. Daraus resultierte aber, dass die Sektionen fortan getrennt betrieben werden mussten, da die erste Sektion weiterhin die Planen aufwies. Bei späteren Bauten von Transporta Chrudim wurden die Planen von vorne herein durch kleine Kunststoffdächer ersetzt. Das stellt ansich auch den einzigen optischen Unterschied zum Von Rollschen Original dar. Auch an der Schneekoppe wurden an der ersten Sektion ein Grossteil der Sessel im Laufe der Zeit mit den neuen Dächern ausgestattet, sodass inzwischen ein regelrechtes Gemisch auf der ersten Sektion unterwegs ist.

Neubaupläne bedeuten das Ende der Nostalgie an der Schneekoppe

Widerstände und Naturschützer setzten Neubauversuchen der in die Jahre gekommenen Bahn immer wieder ein Ende. Seit nunmehr 30 Jahren wird in Pec pod Sněžkou über einen Neubau diskutiert. In der Zwischenzeit wurde sich auf ein Neubauprojekt geeinigt, das zahlreiche Komponenten der alten Bahn beibehält. Darunter Stationsgrundrisse, Fachwerkstützen, Trassierung und Förderleistung. Fortan sollen jedoch Viererkabinen und keine kultigen Seitwärtssessel auf die Schneekoppe fahren. Der Neubau soll zumindest teilweise durch EU-Fördergelder finanziert werden und im März 2011 beginnen. Bis Ende der Sommersaison 2011 wird die Sesselbahn aber in jedem Fall noch in Betrieb sein.

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An der Talstation der Lanová dráha Sněžka, wie sie in der Landessprache genannt wird.

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Ein Überblick über die technischen Daten der Bahn.

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Ein Blick auf den unteren, eher flachen Verlauf der ersten Sektion.

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Beim Blick auf die Anzeigetafel wundert es nicht, dass die zweite Sektion bei dieser Windgeschwindigkeit nicht in Betrieb ist.

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Sessel im Umlauf der Talstation. Aufgrund des mässigen Wetters waren wir die einzigen Gäste für die 12 Uhr-Fahrt, dementsprechend wenig fotogen erwies sich die Bahn, so gänzlich ohne andere Sessel.

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Unterwegs zur Mittelstation

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Kurioserweise ist an der gesamten Bahn nicht ein Herstellerschild der Firma Transporta zu sehen. Stattdessen trifft man aber in der Mittelstation auf das bekannte Logo des Erfinders.

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Der Umlauf der zweiten Sektion. Spätestens jetzt stand fest: da ging an diesem Tag nichts mehr. Oben sind übrigens die Weichen für die nicht verwendete Verbindung zwischen den beiden Sektionen zu sehen.

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Die zweite Sektion mit Blick zur Mittelstation. Wie man deutlich sieht, riss die Wolkendecke auf und das Wetter besserte sich schlagartig.

Zu Fuss im Sturm zur Schneekoppe

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So war nach kurzer Zeit auch ein Blick zum Gipfel möglich, samt der kompletten Trasse der zweiten Sektion. Daher entschieden wir uns dazu, die gut 200 Höhenmeter zum Gipfel zu Fuss zu bestreiten.

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Nach wenigen Minuten war der Himmel über der Schneekoppe sogar wolkenfrei!

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Ein Blick zurück auf die scheinbar endlos lange, aber mehrheitlich sehr flache Strecke der zweiten Sektion. Sichtbar ist auch der leider sehr schlecht gestaltete Wanderweg. Genau genommen handelt es sich dabei mehr oder weniger um eine Treppe. Bis zuoberst sind Stufen in den Weg eingebaut. Dazu noch völlig unrhythmisch, was das Laufen nicht gerade zu einer Freude machte.

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Nahezu angelangt am Gipfel der Schneekoppe. Hier wehte der Wind derart stark, dass es einen kaum mehr auf den Beinen hielt.

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Blick nach Norden nach Polen. Eigentlich sollte dieses Foto Teil eines 360°-Panoramas werden. Allerdings war es in manche Richtungen aufgrund des Windes unmöglich, überhaupt ein Foto zu machen.

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Ein Blick auf die Gipfelbebauung der Schneekoppe.

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Grenzstein der über den Gipfel verlaufenden Landesgrenze von Polen und Tschechien.

Sonnige Talfahrt zurück nach Pec pod Sněžkou

Dank der ungemütlichen Bedingungen am Gipfel fiel es uns nicht schwer, schon gleich den Abstieg in Angriff zu nehmen. Um exakt 14:04 Uhr betraten wir wieder das Gebäude der Mittelstation, wo gerade die ersten Sessel mit Personen den Weg Richtung Tal antraten. Freundlich aber bestimmt wurden wir allerdings gebeten, die nächste Fahrt um 15 Uhr zu nehmen, da wir nicht um Punkt 14 Uhr zur Ticketkontrolle anwesend waren. Na herzlichen Dank! So machten wir eben noch eine kleine Wanderung zu einem nahegelegenen Aussichtspunkt. Als wir wieder die Station erreichten, fuhr die Sesselbahn übrigens immer noch. Diesmal mit leeren Sesseln, die zur Bergstation geschickt wurden.

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Die erste Sektion Pec pod Sněžkou-Růžová hora.

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Eine kleine Hütte mit Gastronomie nahe der Mittelstation.

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Auf der Talfahrt mit der ersten Sektion nach Ped pod Sněžkou.

Unser Sessel gerät ins Rutschen

Tja, und während der Talfahrt passierte dann etwas, das ich in knappen zwei Jahrzehnten Seilbahnfahrten auch noch nie erlebt hatte. Zunächst wunderte ich mich noch, dass der Liftwart die Anlage anstellte und unseren Sessel direkt im Anschluss auf die Beschleunigungsrampe schickte. Deutlich war zu hören, dass der Antrieb noch nicht auf voller Geschwindigkeit lief, als unsere Klemme ziemlich ruckartig ans Seil geklemmt wurde. Ausmachen dürfte so etwas der Klemme eher nicht. Besser würde sie davon aber auch nicht werden, dachte ich mir noch bei der Ausfahrt. Dass die Klemme dann nun aber während der Fahrt anfing zu rutschen, hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Zufällig filmte ich beim ersten kleineren Rutscher gerade die Klemme für eine Stützenüberfahrt.

Das war allerdings noch einer der eher harmloseren Bewegungen der Klemme. Im späteren Verlauf in steileren Passagen und vor der Talstation rutschte die Klemme sicher mehr als einen halben Meter. Somit waren wir durchaus froh, heil wieder in der Talstation anzukommen!

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Impressionen während der Talfahrt.

Zurück nach Polen

So galt es Abschied zu nehmen von der VR101 an der Schneekoppe und schon kurze Zeit später befanden wir uns auf dem Weg zurück in Richtung Deutschland. Der Weg führte uns zunächst wieder zurück nach Polen. Dort machten wir noch einen kleinen Abstecher in das Skigebiet von Karpacz. Der Grund dafür war nicht unbedingt das Interesse am spärlich florierenden polnischen Skitourismus, sondern an einer der inzwischen sehr selten gewordenen Sesselbahnen des polnischen Seilbahnherstellers Mostostal.

Der grösste nationale Stahlbauer stellte bis zur Wende in Polen zahlreiche Einer- und Zweiersesselbahnen her, von denen heute aber aufgrund von Modernisierungen nur noch eine Hand voll existieren. Dass gerade eine davon quasi an der Wegstrecke lag, war natürlich ein Glücksfall. Schon von der Schneekoppe aus konnte man weite Teile der Sesselbahn aus der Ferne erkennen. Befindet sie sich doch auf der Nordseite des Gipfels, den man in Polen als Śnieżka bezeichnet.

Kurzer Zwischenstopp im Skigebiet Karpacz

Das Auffinden der Sesselbahn gestaltete sich allerdings recht schwierig. Zwar wusste ich, dass „Seilbahn“ im tschechischen „lanovka“ bedeutet. Doch im polnischen wusste ich nicht so recht, nach was ich auf Wegweisern Ausschau halten sollte. Schlussendlich folgten wir nach einer Irrfahrt durch das entgegen aller Erwartungen touristisch gut erschlossene Karpacz einem Wegweiser mit der Aufschrift „linowa“. Hinter einigen Kurven trafen wir dann auf die ersehnte Talstation der Sesselbahn, die schlicht und einfach nach dem Ortsnamen benannt wurde.

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Blick von der Schneekoppe zur Bergstation der langen Sesselbahn Karpacz. Parallel dazu erschliesst den oberen Hang ein Skilift von Tatrapoma.

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Karpacz scheint eine der grössten Skidestinationen in Polen zu sein. So kam es uns jedenfalls bei der Entdeckung dieses beeindruckenden Komplexes vor.

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Eine Skischanze hat es ebenfalls. Warum man diese allerdings nicht irgendwie an einen Hang platziert hat, sondern mitten ins flache Gelände, erschloss sich mir nicht so ganz.

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Ein kurzer Übungsskilift, scheinbar mit Nachtski. Dürfte wohl das Werk eines lokalen Stahlproduzenten sein.

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Die Sesselbahn Karpacz. Sie ist übrigens auch im Sommer geöffnet.

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Blick auf die sehr lange Strecke, knapp 2,3 Kilometer misst die 1959 erbaute Anlage. Da dürften die Beine an der Bergstation etwas länger sein als vorher. Fussraster gibt es selbstverständlich nicht.

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Den unteren, flachen Hang erschliesst parallel zur Einersesselbahn ein Produkt von Tatrapoma.

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Ein letzter Blick auf die Talstation. Ähnlich schön anzusehen wie eine Uni-G, aber doch um einiges stylischer ;) .

So brachen wir am späten Nachmittag von Karpacz wieder in Richtung Heimat auf. Eine anstrengende Reise, mit teils unerwarteten Erlebnissen, hatte ihr Ende genommen.

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