Obwohl ich direkt an einer Fernstraße übernachte, ist es über Nacht recht ruhig. Und da ich noch vor dem morgendlichen Verkehr wieder aufbreche, wird mich vermutlich kaum jemand bemerkt haben. Schon am späten Vormittag sollen in der Region um Åre die ersten Quellwolken aufziehen, sodass ich möglichst früh an der Talstation der Luftseilbahn eintreffen will. Diese fährt erst ab zehn Uhr. Um diese Zeit muss ich aber auch noch ein wichtiges Telefonat führen, sodass es vermutlich eher 10.30 Uhr wird, bis ich mit der Bahn fahren kann.
Bis zum Ortseingang von Åre liege ich absolut im Plan, doch kurz darauf stoppt mich eine Baustelle. Das kann jetzt nicht wahr sein! Mitten in der Hauptferienzeit wird in dem gesamten Ort der Fahrbahnbelag der E14 erneuert. Natürlich wieder auf 20 Kilometern Länge und mit völlig chaotischen Zuständen. Eine (sinnlose) Baustellenampel kostet mich in Summe eine halbe Stunde und meinen Gesprächspartner muss ich auch noch einen Moment vertrösten, bis ich um 10.05 Uhr endlich den Parkplatz an der Talstation der Luftseilbahn in Åre erreiche.
In Åre ist die Hölle los
Während ich telefoniere füllt sich das Areal nahezu bis auf den letzten Platz. Was zur Hölle ist denn hier los? Eine halbe Stunde nach der Öffnung gibt es schon keine Plätze mehr? Wie gut, dass ich so früh dran bin. An der Kasse muss ich auch nochmal in einer Schlange warten, bis ich mir einen Tagespass kaufen kann. Außer der Luftseilbahn sind nämlich noch drei weitere Bahnen in Betrieb, die ich auch noch fahren möchte. Die Kassiererin will mir zwar partout unbedingt den günstigeren Pass um 135 SEK für eine Retourfahrt mit der Luftseilbahn anbieten. Schlussendlich kann ich sie dann aber doch überzeugen, dass ich gerne den kompletten Pass hätte. Dieser kostet mich 285 SEK und natürlich wieder eine Key-Card. Meine Skidata-Karte habe ich dabei, nur die Axess-Karte natürlich nicht.
Oh man, ich bin es so Leid. In jedem Skigebiet kauft man ständig diese Karten und kann sie dann nicht mehr zurückgeben. Warum hat man bloß die Lösung mit dem Depot abgeschafft? Das war doch ideal. So habe ich unzählige Karten im Wert von 200 € irgendwo herumfliegen und kann sie zwar theoretisch irgendwann mal wieder benutzen, aber letztlich hat man sie ja dann doch nie dabei, wenn man sie braucht. Oder Skigebiet A akzeptiert das Motiv von Skigebiet B nicht oder so etwas.
Die Luftseilbahn von Åre
Dafür ist die Fahrt mit der Luftseilbahn dann aber ein spezielles Erlebnis. Wie oft habe ich sie schon im Fernsehen bestaunen dürfen, wenn der alpine Skiweltcup in Åre Station macht, diese formschöne Habegger-Anlage aus dem Jahr 1976. Eine typische Seilbahn aus Thun, optisch noch weitgehend im Originalzustand. Vier markante Zwischenstützen und zwei CWA-Kabinen à 80 Personen zeichnen diese tollkühne Luftseilbahn aus, die rund 900 Höhenmeter bis zur Bergstation überwindet. Auch wenn ich ja seit jeher immer eher Von-Roll-Anhänger war, diese Habegger-Juhuibauten sind schon etwas ganz Spezielles. Die 70er-Jahre-Sichtbeton-koste-es-was-es-wolle-Architektur tut ihr Übriges dazu. Bemerkenswert ist zudem, dass die heutigen Bahnen dieses Typs unter dem Namen Doppelmayr noch immer in vielen Belangen auf weitgehend die gleichen Konstruktionsideen zurückgreifen.
Seilbahnfreuden im Skigebiet von Åre
Nicht weniger interessant wird es rund um die Bergstation, über der sich schon einige Quellwolken versammelt haben. Gleich neben der Station der Luftseilbahn befindet sich eine der inzwischen doch recht seltenen Sesselbahnen der schwedischen Firma Liftbyggarna, die ich sogleich unter die Lupe nehme. Meine Aufmerksamkeit gilt im Anschluss einem Schlepplift des gleichen Fabrikats, ehe ich mich der zweiten Kabinenbahn widme, die jeder Alpinski-Weltcup-Fan schon einmal gesehen hat.
Die Rede ist von der Poma-Kabinenbahn, die gleich neben dem Abfahrtsstart endet und auch im Sommer hauptsächlich für Biker in Betrieb ist. Überhaupt sind die Anlagen außer der Luftseilbahn in erster Linie dazu da, den unzähligen Bikern die ebenfalls unzähligen Abfahrtsvarianten zugänglich zu machen. Åre ist da wohl absolut führend in dieser Kategorie. In einer derartigen Fülle sind mir die Biker in den Alpen noch nicht begegnet. Man hat fast den Eindruck, als Wanderer nur noch ein Gast zweiter Klasse zu seien. Aber gut, in Skandinavien gibt es so viele Möglichkeiten, in der Natur zu wandern. Dann kann man den Bikern hier das Feld ruhig überlassen. Wenn dadurch mehr Seilbahnen im Sommer geöffnet sind, soll es mir recht sein.
So betrete ich nach einiger Zeit die Bergstation der Poma-Kabinenbahn, wo ich nicht einmal eine Schranke vorfinde und deshalb gleich zur Talfahrt starten kann. Und wie sollte es auch anders sein, die Bahn fährt mit vollem Karacho, es rumpelt, scheppert, quietscht und wackelt, die Türen besitzen mehrere Zentimeter große Spalte. Kurz gesagt, eine Poma-Anlage wie sie leibt und lebt :-) . Ach wie ich sie liebe, diese Qualitätsprodukte der Grande Nation! Nicht zu überbieten ist die Einfahrt in die Talstation samt Dreifachniederhalter. Was für ein Fest für einen Seilbahnfan wie mich :-) .
Als einsamer Wanderer unter Bikern
Nachdem es wenig anderes hier an der Talstation zu machen gibt, da die erste Sektion zur Zeit wegen Wartungsarbeiten geschlossen ist, fahre ich zum Erstaunen der Angestellten gleich wieder nach oben. Dort genieße ich noch ein wenig die Aussicht, trete aber dann wegen der immer zahlreicheren Quellwolken bald die Talfahrt mit der Habegger-Luftseilbahn zurück in den Ort an. Denn dort erwarten mich noch zwei weitere Seilbahnen. Diesmal Sesselbahnen, die ich mit meiner Karte ebenfalls noch fahren kann. Als einziger Wanderer neben einer Horde Bikern nehme ich eine Leitner-6er-Sesselbahn, die mich etwa auf halbe Höhe der Luftseilbahn befördert. Sie kreuzt eine weitere Sesselbahn des Südtiroler Seilbahnherstellers, die ebenfalls für Biker geöffnet ist. Dummerweise muss ich aber feststellen, dass zu ihrer Talstation kein Wanderweg führt.
Aus diesem Grund laufe ich den einzigen markierten Weg hinauf und treffe nach steilen 150 Höhenmetern auf die Bergstation der Anlage, wo ich eine kurze Pause einlege. Eigentlich will ich nun nach Åre hinablaufen, aber auf halbem Weg kommt mir eine bessere Idee. Bis zur Talstation der Poma-Bahn ist es auch nicht weit. Warum also nicht noch einmal mit dieser Bahn hoch zum Gipfel und dann mit der Luftseilbahn runter? Gesagt, getan und so laufe ich zur Talstation der Poma-Kabinenbahn, die ich damit zum dritten Mal betrete und im Anschluss wie geplant die Luftseilbahn zurück nach Åre nehme. Na das hat sich ja definitiv gelohnt, den kompletten Pass zu kaufen!
Erkundungstour im Skigebiet Duved
Nach dem gestrigen langen Tag will ich heute nicht mehr allzu viel unternehmen und starte daher nach einer kurzen Mittagspause bei einer leckeren Pizza an der Talstation der Luftseilbahn zu einer kleinen Erkundungstour der umliegenden Skigebiete. Wirklich interessante Anlagen treffe ich dabei nicht an. Lediglich das Denkmal einer ehemaligen Sesselbahn in Duved weckt mein Interesse.
Nach einer weiteren halben Stunde im Stau an der Chaos-Baustelle im Ort, durch die mich nun ein Lotsen-Fahrzeug führt, biege ich kurze Zeit darauf zu einem idyllisch gelegenen Campingplatz ab. Dort nehme ich eine wohltuende Dusche, ehe ich ein wenig die Beine und Seele baumeln lasse. Nachdem ich nun so viel Gas gegeben habe in den letzten Tagen, sieht das Programm vor Stockholm nur noch einen Punkt vor. Die Sesselbahn in Gesundaberget. Diese will ich am Mittwoch fahren, weil das Wetter morgen wohl zu schlecht sein dürfte. Um dann am Donnerstag am Flughafen von Stockholm meine beiden Schwestern für unseren Stockholm-Besuch abzuholen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.