Zwei kleine silberne Kabinen, eine kurze Strecke, eine seitlich im Fels verankerte Stütze. Drei Eigenschaften reichen aus, und ein jeder Seilbahnkenner weiss, welche Anlage gemeint ist. Die nostalgische Graseckbahn bei Garmisch-Partenkirchen ist ein einmaliges Bauwerk. Und sie ist sowohl in technischer als auch in historischer Hinsicht ein Meilenstein der Seilbahngeschichte. Ein lebendiger Zeitzeuge, ja fast schon eine Legende, die wenige Kilometer südlich der bayerischen Alpenmetropole das ganze Jahr über unzählige Fahrgäste aus der ganzen Welt befördert.
Der Grund für ihre Berühmtheit ist vor allem auf die nahegelegene Partnachklamm zurückzuführen. Der Eingang zu dieser Schlucht befindet sich gleich neben der Talstation der Graseckbahn und zählt zu den meistbesuchten Touristenattraktionen rund um Garmisch-Partenkirchen. Schon seit 1912 ist die Klamm touristisch erschlossen und dank geringer Höhenunterschiede einfach erreichbar und unkompliziert zu begehen. Die Graseckbahn führt ihrerseits über den Eingang zu der steilen Schlucht hinweg, woraus auch die Notwendigkeit für die seitlich im Fels verankerte einzige Stütze der Seilbahn resultiert.
Die Anfänge der Graseckbahn
Und auch ihre Geschichte ist mit dem Naturphänomen eng verbunden. Die ersten Überlegungen zum Bau der Anlage gehen auf einen Gastwirt zurück, der nach dem zweiten Weltkrieg sowohl am Eingang zur Partnachklamm als auch oberhalb auf dem Graseck zwei Gaststätten betreibt. Mit dem Ziel, die beiden Betriebe auf schnelle und bequeme Art und Weise miteinander zu verbinden, soll eine Seilbahn zwischen der Partnachklamm und dem Graseck den Betrieb aufnehmen. In Garmisch-Partenkirchen kennt und schätzt man derartige Aufstiegshilfen für touristische Zwecke bereits seit den 20er Jahren. 1926 entsteht am Kreuzeck die erste grosse Luftseilbahn Bayerns, drei Jahre später führt eine zweite solche Anlage zum Wank.
Beide Bahnen stammen aus der Feder des renommierten Seilbahnpioniers Bleichert aus Leipzig. Für die kurze Strecke von rund 500 Metern scheint eine solche ausgewachsene Pendelbahn mit Begleitpersonal allerdings überdimensioniert. So entstehen Pläne zur Errichtung einer Anlage mit deutlich kleineren Kabinen, die von den Fahrgästen weitgehend eigenständig und ohne fremde Hilfe genutzt werden kann.
Die erste vollautomatische Kleinpendelbahn der Welt
Initiator dieses Prinzips ist der Seilbahnkonstrukteur Karl Peter. Seine Vision einer vollautomatisch verkehrenden Kleinpendelbahn weitgehend ohne Personal stösst bei den Behörden aber auf Gegenwind. Zu gross sei die Gefahr einer Fehlbedienung, wenn die Fahrgäste eigenständig und ohne Aufsicht in die Kabinen einsteigen. Doch der Seilbahnpionier lässt nicht locker. Auf eigene Kosten errichtet er in seiner Vorarlbergischen Heimat ab 1946 eine Versuchsanlage, um die Funktionstüchtigkeit seiner Ideen zu demonstrieren.
Mit Erfolg. Denn bereits ein Jahr später ist die knapp 500 Meter lange und ausschliesslich privat genutzte Seilbahn betriebsbereit. Die zuständige Behörde erteilt Karl Peter daraufhin in Österreich die Genehmigung für den Bau solcher vollautomatischen Kleinpendelbahnen. Den ersten Auftrag erhält Peter noch im selben Jahr und kann kurze Zeit später die Bergbahn von Lech nach Oberlech dem Betrieb übergeben.
Sieben Jahrzehnte tadelloser Betrieb an der Graseckbahn
Die ersten gesammelten und durchwegs positiven Erfahrungen in Lech bleiben auch auf der anderen Seite der deutsch-österreichischen Grenze nicht lange unbemerkt. Und so geben auch die deutschen Behörden schliesslich grünes Licht für den Bau einer solchen Anlage in Garmisch-Partenkirchen. 1953 kann die Graseckbahn daraufhin den Betrieb aufnehmen. Dass die Verantwortlichen dem neuartigen Betriebsprinzip wohlgesonnen sind, hängt auch mit den Gegebenheiten vor Ort zusammen. Die kurze Strecke über 118 Höhenmeter und die gute Zugänglichkeit von Tal- und Bergstation erlaubt im Notfall ein schnelles Eingreifen der Bergwacht. Zudem ist bedingt durch den Gaststättenbetrieb auch sichergestellt, dass im Zweifelsfall Personen schnell zu Hilfe eilen können, sollte sich etwas Unvorhergesehenes ereignen.
Doch die Bedenken sind weitgehend unbegründet. Zu verdanken ist das in erster Linie den zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen, die Karl Peter bei der Anlage implementiert. So besitzen die Kabinen selbständig schliessende Falttüren, die unbesetzte Bergstation weist zudem eine automatische Verriegelung der Bahnsteigtüren auf. Eine Übergewichtskontrolle verhindert ausserdem automatisch die Abfahrt der Kabinen. Sieben Jahrzehnte tadelloser Betrieb sind der Beweis dafür, dass Karl Peter seinerzeit alle Eventualitäten mitbedacht hat.
Baldiges Ende der Nostalgie am Graseck?
Der Antrieb der Graseckbahn befindet sich in der Talstation. Dort werkelt ein Motor, der die beiden für maximal sechs Personen zugelassenen Kabinen mit bis zu 4 m/s bewegt. Auch die Abspannung der Seile erfolgt in der Talstation per Gegengewicht, sodass alle wesentlichen Komponenten an einem zentralen Ort anzutreffen sind, der dann von einem Maschinisten überwacht werden kann. Bis heute ist die Graseckbahn weitgehend im Originalzustand erhalten.
Ganzjährig befördert sie unzählige Fahrgäste, die die Partnachklamm besuchen, eine Rundwanderung über die nahegelegene Eckbauerbahn machen oder einfach nur kommen, um diesen Meilenstein der Seilbahngeschichte einmal mit eigenen Augen zu sehen. Doch der Ansturm sorgt dafür, dass die Graseckbahn mit ihrer geringen Förderleistung chronisch überlastet ist. Ein Ersatz auf neuer Trasse ohne die charakteristische seitliche Stütze ist daher schon länger in der Diskussion. Bald könnte er Realität werden. Wer der wegweisenden Technik von Karl Peter noch einmal einen Besuch abstatten möchte, der sollte sich also sputen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.