Mit einer Höhe von 1684 Metern über dem Meer ist der Laber einer der bekanntesten Aussichtsgipfel der Ammergauer Alpen. Speziell die Aussicht nach Süden auf das Wettersteingebirge und die Zugspitze lädt zum Verweilen ein. Dass der Gipfel bei Ausflüglern und Wanderern so beliebt ist, ist aber auch einer technisch wie historisch ausgesprochen interessanten Luftseilbahn zu verdanken.
Die kleine Talstation am östlichen Ortsrand von Oberammergau erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass es sich bei der Laberbergbahn um eine gewöhnliche Pendelbahn mit Trag- und Zugseil handelt. Dass hier aber doch etwas ganz anders ist, wird dann schnell deutlich, wenn die Kabine die Station nicht auf der gleichen Fahrspur wieder verlässt, auf der sie eingefahren ist. Bei der Seilbahn handelt es sich nämlich um eine Anlage mit Umlaufbetrieb. Das Zugseil bewegt sich also stets in die gleiche Richtung. Die Kabinen pendeln nicht zwischen Tal- und Bergstation hin und her, sondern bewegen sich in diesem Fall kontinuierlich im Uhrzeigersinn.
Eine Mischung aus Pendelbahn und Umlaufbahn
Dieser Umstand erfordert allerdings in den Stationen einige Anpassungen gegenüber einer klassischen Pendelbahn. So müssen die Kabinen nach der Fahrt von der einen auf die andere Seite der Station gelangen. Was bei Schleppliften oder Sesselbahnen mit nur einem Seil recht simpel erfolgen kann, ist bei der Laberbergbahn auf einmalige Art und Weise gelöst. Mit ihren achtrolligen Laufwerken befahren die Kabinen in den Stationen einen Schwenkarm, der sie daraufhin umdreht und auf die andere Seite der Station befördert. Währenddessen bleibt die Kabine fest mit dem umlaufenden Zugseil verbunden, das sich langsam vorwärts bewegt und schliesslich bei der Ausfahrt aus der Station wieder beschleunigt.
Dass die Laberbergbahn auf eine solch komplexe Technik zurückgreift, leuchtet mit Blick auf die Trassierung schnell ein. Ein Betrieb mit nur zwei pendelnden Kabinen hätte auf der über zwei Kilometer langen Strecke zur Folge, dass die Förderleistung durch die lange Fahrzeit viel zu gering ausfallen würde. Aus diesem Grund besitzt die Anlage insgesamt vier Kabinen, die jeweils in rund einem Kilometer Abstand voneinander am Zugseil befestigt sind. Während zwei Kabinen in den Stationen für den Ein- und Ausstieg stoppen, begegnen sich zur selben Zeit die beiden anderen in der Streckenmitte. Weil alle Kabinen mit ein und demselben Zugseilstrang verbunden sind, erfolgt bei einer Fahrt an dieser Stelle stets ein betriebsbedingter Zwischenhalt.
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Kuriose Technik der Laberbergbahn
Doch auch schon völlig unabhängig von ihrer kuriosen Technik ist die Laberbergbahn eine beeindruckende Anlage. Speziell der zweite Streckenabschnitt mit seinem langen Spannfeld bis zur Bergstation ist sehenswert. Und er führt bildlich vor Augen, warum ein einzelnes Seil hier niemals gleichzeitig die Trage- und Zugfunktion übernehmen könnte, sondern zwei getrennte Seile zum Einsatz kommen müssen.
Konstrukteur der einmaligen Anlage ist in den Jahren 1955-1957 der Seilbahnpionier Karl Peter. Der Tüftler aus Vorarlberg revolutioniert schon kurz nach dem zweiten Weltkrieg die Seilbahnwelt mit seinen wegweisenden Ideen. Seine Vision einer vollautomatisch und weitgehend ohne Personal verkehrenden Kleinpendelbahn stösst bei den Behörden anfänglich auf Bedenken. Doch mit der Errichtung einer privaten Versuchsseilbahn auf eigene Kosten kann Karl Peter den Verantwortlichen demonstrieren, dass seine Überlegungen dank zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen in die Realität umgesetzt werden können. Eine erste öffentliche solche vollautomatische Seilbahn entsteht daraufhin 1947 in Lech. Die sechs Jahre später eröffnete Graseckbahn in Garmisch-Partenkirchen ist sogar heute noch weitgehend im Originalzustand in Betrieb.
Technische Sensation im Jahr 1957
Und so greifen die Initiatoren der Laberbergbahn kurze Zeit später ebenfalls auf die Expertise von Karl Peter zurück. Aufgrund der erwähnten Besonderheiten der Streckenführung setzt der Konstrukteur auf die ausgefallene Technik. Viele Bestandteile tragen aber die klassische Handschrift von Karl Peter. Darunter aus optischer Sicht in erster Linie die Laufwerke und die ovalen Kabinen mit Fenstern, die sich sowohl seitlich als auch auf den Stirnseiten öffnen lassen. Bis zu 11 Personen finden in jeder Kabine Platz, sodass die Laberbergbahn stündlich rund 120 Personen je Richtung befördern kann. Auf ihrer Gesamtlänge von 2021 Metern überwindet sie nicht weniger als 784 Höhenmeter. Dass sie bei diesen technischen Daten mit gerade einmal zwei Zwischenstützen auskommt, unterstreicht, um welch technische Sensation es sich bei der Eröffnung im Jahr 1957 handelt.
Angetrieben wird die Bahn dabei von der Bergstation aus. Eine deutlich hörbare Antriebsanlage mit einer Leistung von 133 PS sorgt dafür, dass die Kabinen heute mit maximal 6 m/s auf der Strecke unterwegs sind. Das ist etwas mehr als im Ursprungszustand, da der Antrieb im Jahr 2012 grundlegend erneuert wird. Es ist nicht der einzige Umbau im Laufe der langen Geschichte, denn schon 1993 erfolgt eine Modernisierung der Steuerung, und auch die Seile werden in jüngerer Vergangenheit durch neue Exemplare ausgetauscht.
Nostalgisches Erscheinungsbild der Laberbergbahn
Ihr nostalgisches Erscheinungsbild büsst die Seilbahn dabei aber glücklicherweise nicht ein. Und so surren die Kabinen noch immer wie vor über 60 Jahren, wenn sie die Strecke zum Laber und zurück nach Oberammergau bewältigen. Während der Fahrt lässt sich noch eine weitere Besonderheit der Bahn erkennen. Zur Streckenmitte hin entfernen sich die Fahrspuren immer weiter voneinander. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass sich die Kabinen auch bei leichtem Seitenwind nicht touchieren. Gleichzeitig können die Stationen im Tal und am Berg aber trotzdem äusserst kompakt ausfallen. Das Prinzip ist bei Pendelbahnen seit jeher weit verbreitet, bei der Laberbergbahn sticht es aber besonders ins Auge.
Und so ist ein Ausflug auf den Laber heute nicht nur wegen der fabelhaften Aussicht eine gute Idee, sondern auch wegen der historisch bedeutsamen Seilbahn mit ihrer einmaligen Technik. Es bleibt zu hoffen, dass die kuriosen Schwenkarme in den Stationen noch viele weitere Jahre die Kabinen wenden und damit das Erbe des Seilbahnpioniers Karl Peter auch zukünftigen Generationen noch erhalten bleibt.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.