Noch früher als am Ngorongoro-Krater klingelt uns der Wecker an diesem Morgen aus den nicht vorhandenen Federn unserer Feldbetten am Lobo Campsite. 5.20 Uhr ist es, als wir noch im Dunkeln die Umgebung ableuchten, um sicheren Fußes die Sanitäranlagen zu erreichen. Das Frühstück beschränkt sich heute Morgen auf Kaffee und Kekse, denn bereits um kurz nach 6 Uhr brechen wir zu unserer ersten frühmorgendlichen Pirschfahrt auf. Es herrscht eine malerische Stimmung mit intensiven Farbe am Horizont und nach kurzer Zeit geht genau vor uns die Sonne auf. Bis zu diesem Zeitpunkt sehen wir zwar nur wenige Tiere, dafür ist die Landschaft umso reizvoller. Bald erblicken wir einige Kuhantilopen am Straßenrand und auch eine Hyäne läuft in geringer Entfernung an unserem Auto vorbei.
Tausende Tiere zum Sonnenaufgang
An einem Bachlauf halten wir uns bald darauf während einer ganzen Weile auf. Sprachlos lassen wir die unglaubliche Weite der Landschaft auf uns wirken. Und die tausenden, ja wirklich abertausenden Büffel und Zebras, die wir von hier aus sehen können, machen diesen Moment zu einem ganz speziellen Erlebnis.
Die ehemaligen Grenzanlagen zwischen Tansania und Kenia
Staunend fahren wir weiter durch die immer noch frische Morgenluft, bis wir am frühen Vormittag den nördlichsten Punkt unserer Safari erreichen – die ehemalige Grenzanlage zwischen Tansania und Kenia. Schon vor langer Zeit wurde sie bergaufwärts und weiter nach Norden verlegt, doch die ehemalige Anlage ist geblieben. Ein Tor mit der Aufschrift „Tanzania“ und den Initialien „S.N.P.“ für Serengeti National Park erinnert heute nur noch Touristen daran, wo sie sich gerade befinden. Garniert sind die umliegenden Mauern mit zahlreichen Schädeln und Tierknochen. Ein Lost Place, der gar keiner ist. Denn auch wenn die Anlage auf den ersten Blick ganz und gar nicht den Anschein erweckt, ist hier doch nicht alles so tot und verlassen wie es aussieht. Zwei ziemlich lebendige Afrikaner sitzen auf einer Terrasse vor einem Gebäude, das zwei Toiletten beherbergt. Offenbar ist gerade der zugehörige Frischwassertank aufgefüllt worden. So ganz authentisch wirkt die Geschichte dann irgendwie doch wieder nicht.
Verkehrte Welt am Lobo Campsite
Sechs Stunden nach unserem Aufbruch erreichen wir nach vielen weiteren Zwischenstopps wieder das Lobo Campsite. George hat unsere Abwesenheit dazu genutzt, ein vielfältiges Mittagessen zu kreieren. Nudeln, Hähnchen, Pommes Frites und Omelette bereitet er uns auf seinem winzigen Gaskocher zu. Diesmal setzen wir uns nicht in die Küche, sondern in den vorgesehenen Aufenthaltsraum. Dort werden wir bereits nach wenigen Minuten von einer Vielzahl an kreischenden Affen umgeben. Von außen klopfen und hämmern sie gegen die Vergitterung, trampeln über das Wellblechdach und springen mit waghalsigen Manövern von Baum zu Baum. Wir lassen es uns in unserem Käfig schmecken. Zoo mal andersherum!
Nachmittägliche Rückfahrt von der Lobo Area nach Seronera
Den Nachmittag verbringen wir mit einer wiederum recht langen Fahrt zurück in die Region Seronera. Wie schon am Morgen sichten wir auch diesmal wieder keine Raubtiere, dafür begegnen uns wieder unzählige Büffel, Antilopen und Giraffen. Die andere Gruppe sichtet einen Geparden, der unserem Auto leider durch die Lappen geht. Da wir schon ein gutes Stück weiter vorne sind, verzichten wir auf eine Kehrtwende und schauen uns stattdessen unter höllischer Geruchsbelästigung ein Gewässer mit einigen Nilpferden an. Immer mal wieder spritzt sich eines der Tiere den Rücken mit der dunkelbraunen Brühe voll. Appetitlich ist der Anblick nicht. Aber die Hippos scheinen sich wohlzufühlen.
Auf dem weiteren Weg kommen wir noch einmal an dem Touristeninformationszentrum in Seronera vorbei, ehe wir das Seronera Campsite erreichen. Auch bei unserer letzten Campingübernachtung werden wir uns noch einmal mitten im Serengeti-Nationalpark aufhalten. Der Platz ist jedoch keineswegs mit seinem Pendant weiter nördlich in der Lobo Area zu vergleichen. Deutlich besser ausgebaut, touristischer und zudem auch deutlich besser besucht. Waren wir gestern neben UK und seiner sprachlosen Asiatin die einzigen Menschen auf dem Platz, ist an diesem Abend ganz schön etwas los. Und so muss ich eine ganze Weile warten, bis ich die einzige mit Licht ausgestattete Dusche in Beschlag nehmen kann. Dort begrüßen mich einige Reptilien. Ihre Scheu überwiegt dann aber doch die Neugier, sodass sie sich bald darauf wieder verziehen.
Letzte Übernachtung inmitten der wilden Serengeti
Es ist ein schöner letzter gemeinsamer Abend mit der anderen Gruppe. Nach dem langen Tag sind wir aber so müde, dass wir schon bald ins Bett gehen. Immerhin wollen wir morgen wieder ähnlich früh starten. Im Zelt angekommen will ich mit meiner Taschenlampe gerade meine Utensilien zusammensuchen, als ich an der rechten Hand plötzlich ein Kratzen spüre. Da sitzt doch tatsächlich eine Tsetse auf dem Finger! Mist, wo kommt die denn jetzt her? Aber ich bin schnell genug, sie zu eliminieren, bevor sie richtig loslegen kann. Auch wenn das Risiko einer Ansteckung mit der Schlafkrankheit bei einem einzigen Stich nicht so hoch ist, beunruhigend ist die Sache schon. So leuchte ich das Zelt nochmal komplett aus. Aber ansonsten scheint alles ruhig.
Zumindest, was die Insekten angeht. Denn Fadhili warnt uns noch eindringlicher als am Tag zuvor vor einem nächtlichen Ausflug zur Toilette. Das Verlassen des Zelts in der Nacht, wenn Ruhe auf dem Platz eingekehrt ist, sei lebensgefährlich. Niemand könne ausschließen, dass Raubtiere auf dem Gelände unterwegs seien. Und auch wenn Löwen und Co. nicht in erster Linie auf Menschenfleisch aus sind, garantieren könne er für nichts. Und als wir tatsächlich am Abend einige Hyänen auf dem Campingplatz sehen, die sich über Abfälle hermachen, ziehen wir es ohne Zweifel vor, Fadhilis Ratschlägen zu folgen. Dass die dünne Zeltplane gegen all diese Gefahren schützen soll, da sind wir zwar auch etwas skeptisch. Aber vor uns haben andere die Nacht hier ja auch schon überlebt.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.