Matterhorn Glacier Ride – Die höchste 3S der Welt in Zermatt

Zermatt – Berge, Gletscher, unendliche Weiten. Und mittendrin – eine der spektakulärsten Seilbahnen der Welt. 1979 erschliesst eine Luftseilbahn das Klein Matterhorn oberhalb des weltbekannten Schweizer Bergdorfs. Ihre Bergstation in 3820 Metern über dem Meer ist die höchste Europas. Der Gipfel des Klein Matterhorn lockt mit einem Sommerskigebiet und mit einer einmaligen Aussicht – natürlich auch auf den großen Bruder.

Das Klein Matterhorn und seine Seilbahn

Seit 2018 ist die Anlage nicht mehr allein. Eine parallele Umlaufbahn mit kleineren Kabinen ergänzt das Flaggschiff aus den 70er Jahren. Nach vier Jahrzehnten Dauereinsatz dient die Pendelbahn heute nur noch als Verstärkung und als Ersatz in den Revisionszeiten der neuen Anlage. Beeindruckend kommt sie aber immer noch daher. Nach drei Jahren Bauzeit kann die Bahn im Dezember 1979 feierlich eröffnet werden. Die Rekordhöhe machte den Bau zu einer Pionierleistung, genau wie die spektakuläre Trassierung. Drei riesige Fachwerkkonstruktionen passieren die Kabinen in kurzer Abfolge nach dem Start auf dem Trockenen Steg, dann geht es fast drei Kilometer ohne weitere Stütze bis zur Bergstation. Die Konstruktion des Berner Herstellers Von Roll überquert in luftiger Höhe den unteren Theodulgletscher und ist eines der beeindruckensten Bauwerke der Seilbahngeschichte. Knapp 3,7 Kilometer Länge und 890 Höhenmeter sind in gerade einmal sieben Minuten überwunden. Ein Rekord für die Ewigkeit.

Einzig die Förderleistung von rund 600 Personen pro Stunde und Richtung führt schon in den ersten Betriebsjahren zu Engpässen. Doch das Skigebiet von Zermatt bietet genügend Alternativen. Der Gipfel darf da ruhig etwas Exklusivität aufweisen. Mehr gibt die Technik ohnehin nicht her. Bis der Erbauer der Bahn – die Firma Von Roll – mit einem wegweisenden Konzept auf den Markt tritt. Eine Kombination aus einer Pendelbahn, die dank ihrer zusätzlichen Tragseile grosse Abschnitte stützenlos überwinden kann und einer Umlaufbahn mit Kleinkabinen, die eine hohe Förderleistung mitbringt. 1991 kommt das System im Nachbartal in Saas Fee erstmalig zum Einsatz – knapp drei Jahrzehnte später dreht auch in Zermatt eine solche wegen ihrer zwei Trag- und einem Zugseil 3S genannte Seilbahn ihre Runden.

Die Geschichte des 3S-Systems

Die Anlage in Saas Fee kann die Vorteile des neuen Systems bereits voll ausschöpfen. Sie benötigt nur wenige Zwischenstützen und kann einen lawinengefährdeten Hang dadurch problemlos überwinden. Eine zweite Sektion führt ab 1994 über die Ausläufer eines Gletschers hinweg. Kurz darauf verkauft der Von-Roll-Konzern seine Seilbahnsparte an das österreichische Unternehmen Doppelmayr. Nicht zuletzt wegen der enormen Kosten, die die Anlagen dieses Typs verschlingen, verschwindet das Konzept erst einmal in der Schublade. Zudem besitzt Doppelmayr mit dem Funitel ein eigenes System, das den gleichen Zweck erfüllt – lange Spannfelder, grosse Kabinen, eine gute Windstabilität und eine hohe Förderleistung.

Die Unterhalts- und Betriebskosten bei dem Funitel-System sind jedoch bedeutend höher als bei einer Zweiseilumlaufbahn mit Trag- und Zugseil. So kommt es, dass das 3S-System eine Renaissance erlebt. 2002 entsteht die erste solche Anlage unter dem Namen Doppelmayr in Val d’Isère, die nächste folgt bereits zwei Jahre später in Kitzbühel. Auch das Südtiroler Unternehmen Leitner bietet fortan ein solches Produkt an und kann die erste eigene Anlage vom Typ 3S 2009 in Bozen einweihen.

Leitner baut die höchste 3S der Welt

Auch in Zermatt erhält Leitner den Zuschlag für den Bau der höchsten 3S der Welt. Diese Anlage ist zweifellos aber ein anderes Kaliber. Der Bau im Hochgebirge stellt hohe Anforderungen an Mensch und Maschine. Bereits 2016 beginnen die Vorarbeiten auf dem Trockenen Steg. Währenddessen ist die bestehende Pendelbahn unermüdlich im Einsatz. Nicht nur für den Personentransport, sondern auch, um Material auf das Klein Matterhorn zu bringen. Der Publikumsverkehr soll durch die Bauarbeiten aber möglichst nicht beeinträchtigt werden – eine weitere Herausforderung. Nur während der Revision der Pendelbahn ist es ruhig auf dem Gipfel. Genau das ist auch der Grund für den Bau einer Parallelanlage. Schon seit Jahrzehnten ist der Trockene Steg über zwei unabhängige Achsen erreichbar, was einen Betrieb an 365 Tagen im Jahr ermöglicht. Das soll fortan auch auf dem Klein Matterhorn möglich sein.

Im darauffolgenden Jahr nehmen die neuen Bauwerke erste konkrete Formen an. Zwei Fachwerkstützen im unteren Streckenteil wachsen in die Höhe, eine dritte kommt etwas unterhalb der neuen Bergstation hoch über dem Abgrund zum Stehen. Die Bergstation selbst muss anders als die der Pendelbahn aufwendig an der Seite des felsigen Gipfelbereichs angebracht werden. Da die kuppelbare Umlaufbahn Strecken zum Verzögern und Beschleunigen der Kabinen benötigt, muss die Station deutlich länger sein.

Matterhorn Glacier Ride – Eine Seilbahn für die Ewigkeit

Parallel dazu schreiten die Bauarbeiten auch auf dem Trockenen Steg voran. Da hier entsprechender Platz zur Verfügung steht, erfolgt hinter dem Stationsumlauf die Erstellung einer Garage für die 25 von der italienischen Firma Pininfarina designten himmelblauen Kabinen. Sowohl der Antrieb als auch die Abspannungvorrichtung werden dagegen in der Bergstation untergebracht. Insgesamt misst die Länge der Bahn 3765 Meter, die Höhendifferenz beträgt 898 Meter.

Aufgrund der Notwendigkeit zum Beschleunigen und Verzögern der Kabinen in den Stationen ist die Streckengeschwindigkeit mit 7,5 m/s nominell etwas geringer als die der parallelen Pendelbahn. Die Fahrzeit beläuft sich auf 8,5 Minuten. Den allermeisten Fahrgästen wird es aber gar nicht darum gehen, möglichst schnell die Bergstation zu erreichen. Der Panoramagenuss während der Fahrt dürfte gerne noch ein wenig länger andauern. Als spezielle Attraktion besitzen einige der Kabinen zusätzlich einen teilweise verglasten Boden. Der Blick nach unten wird über der höchsten Stelle der Strecke hoch über dem Theodulgletscher frei.

Zukunftspläne am Klein Matterhorn

Mit einer stündlichen Förderleistung von 2000 Personen pro Richtung gehören Wartezeiten am Klein Matterhorn heute der Vergangenheit an. Der Gipfel ist damit um eine weitere Attraktion reicher. Doch weitere sollen folgen. Eine baugleiche Anlage ist bereits am Entstehen und soll ab 2021 den Gipfel mit der Station Testa Grigia in Italien verbinden. Dann wird es möglich sein, auch von Breuil-Cervinia aus direkt den Gipfel des Klein Matterhorn zu erreichen.

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