Viel zu warm und viel zu wenig Schnee. Der Winter 2020 zählt definitiv zu der Sorte, die man lieber ganz schnell wieder vergisst. Nach den beiden schneereichen Vorjahren sind Anblicke von tief verschneiten Winterlandschaften ein seltenes Ereignis. Und entsprechend schwer ist es auch, dieses Jahr ansprechende Landschaftsfotos mit weissem Kleid zu machen. Im Dezember tut sich dann um die Weihnachtsfeiertage aber doch ein kleines Zeitfenster mit guten Ski- und Fotobedingungen auf. Und so kann ich dann doch einen lang ersehnten Punkt auf meiner Fotowunschliste abhaken.
Schon seit längerem möchte ich einmal einen Sonnenuntergang von einem Alpengipfel im Winter aufnehmen. Was im Sommer meist relativ unkompliziert möglich ist, gestaltet sich in der kalten Jahreszeit schon deutlich schwieriger. Ein Abstieg vom Berg ist in den Sommermonaten auch nach Sonnenuntergang häufig noch gut möglich, andernfalls gibt es auch die Möglichkeit, am Berg im Zelt zu übernachten. Im Winter ist die Sache etwas komplizierter. Auf eine Nacht im Zelt habe ich bei Temperaturen jenseits der -15° C wahrlich keine Lust. Und ein Abstieg im Dunkeln ist im Schnee ebensowenig sicher durchführbar. Einfacher wird es da schon, wenn man auf Seilbahnen und Ski zurückgreifen kann. Auf zwei Brettern ist man innert kürzester Zeit wieder im Tal, sodass man eigentlich problemlos den Sonnenuntergang am Berg abwarten könnte.
Wintersonne und Schnee
Doch leider stellen selbst im Hochwinter die meisten Bahnen noch deutlich vor Sonnenuntergang den Betrieb ein und die letzte Pistenkontrolle versteht in der Regel keinen Spass. Sonnenauf- oder -untergangsfahrten werden zwar von vielen Betreibern angeboten. Allerdings sind das meist teure Spezialangebote mit inkludiertem Frühstück oder Abendessen an bestimmten Terminen. Glücklicherweise gibt es aber auch ein paar Ausnahmen. Die Seilbahn von der Lenzerheide auf das Parpaner Rothorn ist während der Wintersaison deutlich länger in Betrieb als alle anderen Anlagen in der Region. Die letzte Talfahrt von der Bergstation findet erst um 16.50 Uhr statt. Im Dezember ist das eine Viertelstunde nach Sonnenuntergang.
Skifahrer kommen nicht in den Genuss des Sonnenuntergangs, denn die Abfahrt mit ihrer Lawinengalerie wird bereits um 16.15 Uhr gesperrt. Wer zu Fuss unterwegs ist, darf aber noch länger auf dem Parpaner Rothorn bleiben. Kurioserweise wird die späte letzte Talfahrt nirgendwo kommuniziert. Weder im Internet noch in den offiziellen Prospekten ist die Betriebszeit so angegeben. Lediglich in der Bergstation der Seilbahn auf dem Gipfel ist ein entsprechender Hinweis zu finden.
Winterwonderland auf der Lenzerheide
Aus diesem Grund bin ich auch nahezu die einzige Person, die an diesem Dezemberabend noch von der Lenzerheide auf den Gipfel fährt. Ein langer Skitag liegt bereits hinter mir. Den ganzen Tag über haben sich unzählige Fotogelegenheiten ergeben, denn nach einem durchaus ergiebigen Schneefall über Nacht macht der blaue Himmel den Tag zu einem Bilderbuchmotiv.
Sonnenuntergang auf dem Parpaner Rothorn
Die Wintersportausrüstung verstaue ich kurz vor 16 Uhr auf dem Parkplatz in Canols im Auto. Danach geht es mit einer der letzten Fahrten in zwei Sektionen nochmal ohne Ski, dafür mit Fotorucksack auf den höchsten Gipfel des Skigebiets Arosa-Lenzerheide. Als ich auf dem Parpaner Rothorn eintreffe, verlassen gerade die letzten Skifahrer das Restaurant, um ins Tal aufzubrechen. Dieses liegt bereits im Schatten, hier oben steht die Sonne noch ein gutes Stück über dem Horizont.
Die Lichtstimmung wird von Minute zu Minute besser. Und trotzdem muss ich mich zusammenreissen, um weiter fotografieren zu können. Die Temperatur ist an diesem Winterabend mittlerweile unter -10° C gesunken, dazu weht ein kräftiger und eisiger Wind. Im Tal hat sich eine hochnebelartige Bewölkung gebildet, die von den letzten Sonnenstrahlen angeleuchtet wird.
Wenige Minuten vor der Abfahrt der letzten Kabine ins Tal ist dann die Sonne endgültig hinter den Alpengipfeln am Horizont verschwunden. Ein wahrlich stimmungsvoller Sonnenuntergang, den ich mir nicht schöner hätte vorstellen können. Noch lange werde ich mich an diesen Moment erinnern. Allerdings nicht nur in positiver Hinsicht. Denn trotz Handschuhen habe ich mir an den zwei Fingern, die permanent die kalte Kamera berührt haben, leichte Erfrierungen zugezogen. Die Schmerzen lassen glücklicherweise nach einiger Zeit wieder nach, ein taubes Gefühl plagt mich aber noch einen ganzen Monat lang. Doch was tut man nicht alles für ein paar gute Fotos!
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.