Panoramabahn Großarl – Prototyp und Seilbahn-Unikat

Eine Einseilumlaufbahn mit sechsplätzigen Kabinen befördert die Wintersportler vom Ortsteil Unterberg in Großarl hinauf ins Skigebiet rund um den Kreuzkogel. Eine Anlage, die auf den ersten Blick aussieht wie viele andere. Doch nur die wenigsten Fahrgäste wissen, dass es sich bei der Panoramabahn Großarl um ein ganz besonderes Seilbahnexemplar handelt.

Seilbahn-Talstation in Großarl

Seilbahn-Talstation in Großarl

Ein ganz besonderes Seilbahnexemplar

Das ist nicht verwunderlich, denn die Anlage aus den frühen 90er Jahren ist in Sachen Komfort und Design nicht wirklich von heutigen Bahnen zu unterscheiden. Eine Förderleistung von rund 2400 Personen pro Stunde, eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 5 m/s und geräumige Kabinen stellen auch heute noch vielerorts den Standard dar. Welche Besonderheiten einer der Hauptzubringer- und Beschäftigungsanlagen im Großarltal mit sich bringt, wird erst bei genauerem Blick auf die Stationstechnik und das Kuppelsystem deutlich. Denn diese Komponenten unterscheiden sich nicht nur deutlich von der heutigen Technik, sondern auch von den allermeisten anderen Anlagen, die zur selben Zeit wie die Panoramabahn entstehen. Warum das so ist, welche Auswirkungen das auf die Seilbahnlandschaft in Österreich hat und was die drei Buchstaben SSG damit zu tun haben, erzählt dieser Beitrag.

Doch zuerst einmal erreichen die Kabinen die Zwischenstation der Panoramabahn. Die Anlage ist heute eine von zwei Zubringer-Kabinenbahnen in die Skischaukel zwischen dem Großarltal und dem Gasteinertal im Land Salzburg. Der Blick auf die Gipfel der Hohen Tauern gehört hier ebenso zum Erscheinungsbild des Skigebiets wie die zitronengelben Kabinen der Panoramabahn. Während auf der anderen Seite des Bergrückens in Dorfgastein schon zu Beginn der 60er Jahre die ersten Aufstiegshilfen für den Skisport entstehen, nimmt der Bereich oberhalb von Großarl erst etwa ein Jahrzehnt später Gestalt an. Mehrere Sesselbahnen und Schlepplifte erschliessen daraufhin die Hänge, bis im Jahr 1990 ein neuer kapazitätsstarker Zubringer in Form der Panoramabahn entsteht.

Bergfahrt mit der Panoramabahn Großarl ins Skigebiet

Bergfahrt mit der Panoramabahn Großarl ins Skigebiet

Als die Seilbahnen in Österreich das Kuppeln lernen

Mit einer Gesamtlänge von knapp 2,8 Kilometern und satten 962 Metern Höhendifferenz zwischen Tal- und Bergstation ist die Anlage aber nicht nur am Morgen auf dem Weg ins Skigebiet gut ausgelastet, sondern stellt auch eine ideale Aufstiegshilfe für Wiederholungsfahrten auf den angrenzenden Pisten dar. Die dementsprechend hohe erforderliche Förderleistung auf der langen Strecke kann nur mit einem kuppelbaren Seilbahnsystem erreicht werden, also einer Bauart, bei der die Kabinen in den Stationen automatisch vom umlaufenden Seil getrennt werden. Dieses Prinzip ist in Österreich lange Zeit weitgehend unbekannt und findet erst ab den 70er Jahren – und damit deutlich später als in den Nachbarländern – flächendeckend Verbreitung.

Weil die Behörden lange Zeit skeptisch gegenüber der Kuppeltechnik bei Umlaufbahnen mit einem einzigen Förderseil sind, konzentrieren sich die einheimischen Hersteller vor allem auf die Produktion von Schleppliften und fix geklemmten Sesselbahnen. Als die Anlagen in Österreich dann doch das Kuppeln erlernen, ist der technologische Rückstand gegenüber den Konkurrenten aus dem Ausland enorm. Statt sich mit einer zeitraubenden Eigenentwicklung zu beschäftigen, erwerben die Hersteller daher Lizenzen zum Einsatz bestehender Kuppelsysteme. Doppelmayr, Girak und Swoboda nutzen daraufhin allesamt Kuppeltechnik aus der Schweiz.

Bergfahrt mit der Panoramabahn Großarl ins Skigebiet

Bergfahrt mit der Panoramabahn Großarl ins Skigebiet

Bergfahrt mit der Panoramabahn Großarl ins Skigebiet

Wechsel von Mono- zu Bistabilität

Diese drei Hersteller sind es auch, die in den 80er Jahren den Markt der kuppelbaren Seilbahnen in Österreich weitgehend unter sich aufteilen. Während Doppelmayr und Girak schon bald auf Eigenentwicklungen umschwenken, kooperiert Swoboda als dritter in den Kuppelbereich eingestiegener Hersteller weiterhin mit der Firma Städeli aus dem Schweizer Kanton Zürich. Und genau dieses Kuppelsystem ist auch an der Panoramabahn Großarl anzutreffen.

Doch das geübte Auge erkennt in den Stationen schnell, dass sich die Kuppeltechnik dieser Anlage von den früheren Kabinenbahnen nach dem System Städeli unterscheidet. Denn die Panoramabahn besitzt eine bistabile Klemmenkonstruktion – die Klemme verbleibt nach dem Öffnen also während der gesamten Durchfahrt der Station in einer festen, geöffneten Endstellung, bevor sie bei der Stationsausfahrt wieder geschlossen wird. Ein fundamentaler Unterschied zur Vorgängerversion, die dem Prinzip der Monostabilität folgt. Sie besitzt also nur eine feste Endstellung, nämlich die geschlossene. Nur durch äussere Einwirkung kann sie offengehalten werden, ist also abgesehen von den Kuppelstellen an Ein- und Ausfahrt auch in der Station stets geschlossen.

Städeli-Kuppelklemme an SSG-Kabinenbahn

Städeli-Kuppelklemme an SSG-Kabinenbahn

Bergstation SSG-Kabinenbahn aus den 90ern

SSG und die Panoramabahn Großarl

Die ursprüngliche Version der Städeli-Klemme geht noch auf ein Patent aus den 60er Jahren zurück und bietet daher knapp drei Jahrzehnte später Raum für Verbesserungen. Der Wechsel hin zu einer bistabilen Konstruktion bedeutet vor allem, dass die Zahl der Kuppelvorgänge halbiert werden kann. Denn fortan müssen die Klemmen pro Stationsdurchfahrt nur noch einmal geöffnet und geschlossen werden. Ein Prinzip, das Doppelmayr, Girak  und später Wopfner bei ihren Eigenentwicklungen in den 80er Jahren übrigens auch anwenden.

In Großarl setzt man beim Bau der Panoramabahn dagegen auf einen anderen Konstrukteur. SSG lauten die Initialien der Swoboda Seilbahnbau GmbH, die ab Mitte der 80er Jahre die Vermarktung und Planung kuppelbarer Seilbahnen für die alteingesessenen Swoboda Traunsteinwerkstätten aus Oberösterreich übernimmt und dafür die Technik von Städeli nutzt. Produziert werden die Anlagen dagegen anfänglich noch von Swoboda selbst, bis dieses Unternehmen 1986 Konkurs geht. In der Folge übernimmt SSG die Produktion an einem neuen Standort selbst – und bis in die 90er Jahre entstehen daraufhin noch mehrere Neuanlagen in Österreich.

Bergstation der Panoramabahn auf der Laireiter Alm

Bergstation SSG-Kabinenbahn aus den 90ern

Panoramabahn mit Blick ins Großarltal

Ein Einzelstück und eine Erinnerung an die vielfältige Kuppeltechnik der 80er

Ähnlich wie schon bei der Doppelversion der Vorgängerklemme kommt auch bei der zweiten Generation des Städeli-Systems der Lizenznehmer dem -geber zuvor. Die Panoramabahn Großarl ist daher 1990 die erste Anlage, die mit diesem Klemmentyp entsteht. Städeli selbst setzt seine Entwicklung erst zwei Jahre später erstmalig bei einer Anlage in Leysin in der Westschweiz ein. Und diese entpuppt sich auch als letztes kuppelbares Produkt aus dieser Serie, denn zur selben Zeit übernimmt mit Garaventa einer der grössten Schweizer Hersteller sowohl Städeli als auch den österreichischen Ableger SSG.

Die Panoramabahn Großarl bleibt daher ein Einzelstück. Und sie ist auch heute noch eine lebendige Erinnerung an jene Zeit, als die Kuppeltechnik in Österreich noch deutlich vielfältiger ist als heute. Denn nachdem Garaventa 1996 auch die Maschinenfabrik Girak übernimmt und deren Kuppelsystem langsam vom Markt verschwindet, ereilt sechs Jahre später durch die Fusion von Doppelmayr und Garaventa das System von letzterer Firma das gleiche Schicksal.

Talfahrt mit der Panoramabahn Großarl

Städeli-Kuppelklemme an SSG-Kabinenbahn

Talfahrt mit der Panoramabahn Großarl

Talfahrt mit der Panoramabahn Großarl

Seilbahn-Talstation in Großarl

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