Queenstown und der Kommerzhügel Bob’s Peak

Niemand stört sich während der Nacht an unserem Aufenthalt im Camper auf dem Parkplatz. Noch vor Sonnenaufgang, sozusagen im Schutz der Dunkelheit, brechen die beiden Mädels auf, um ihre Reise in Richtung Westküste fortzusetzen. Für mich geht es in die andere Richtung weiter, denn das gute Wetter am heutigen Sonntag möchte ich unbedingt noch ausnutzen, wo doch morgen mit heftigem Niederschlag auf der ganzen Südinsel zu rechnen ist. Nach einem kurzen Tankstopp in Wanaka passiere ich noch ein letztes Mal die Promenade und werfe einen Blick auf den in der Morgensonne liegenden Lake Wanaka, bevor ich durch das Cardrona Valley die Stadt Queenstown ansteuere.

Morgenstimmung am Lake Wanaka

In der Morgensonne durch das Cardrona Valley

Das Licht ist an diesem Morgen gepaart mit den herbstlichen Bäumen einfach umwerfend, sodass ich mich regelrecht dazu animieren muss, mehr Acht auf den Verlauf der völlig leeren Straße zu geben. Kurz vor Cardrona kann ich bereits weit oberhalb die Hänge des gleichnamigen Skigebiets ausmachen, dem ich trotz geschlossener Anlagen eigentlich einen Besuch abstatten will. Die Straße dorthin ist allerdings mit einem Tor abgesperrt, sodass ich unverrichteter Dinge den Weg in Richtung Queenstown fortsetze. Der etwas weiter hinten im Tal gelegene Ort Cardrona ist an diesem Morgen auch nicht gerade das, was man als lebhaft bezeichnen würde. Im Gegenteil, wie hochgeklappt wirken die Bürgersteige vor dem Hotel Cardrona, das aussieht, als sei es aus einem amerikanischen Westernfilm der 70er Jahre entsprungen.

Nach vielen weiteren Kurven und Kehren erreiche ich schließlich den Crown Range Summit, den Passübergang des Cardrona Valley, auf dem ich kurz aussteige, nach wenigen Minuten aufgrund des unglaublichen Windes aber wieder zurück ins Auto hechte. Auf der Westseite ist der Pass deutlich steiler, und so sind auch die Ausblicke wesentlich spektakulärer. Schon bald rückt der Lake Wakatipu ins Blickfeld, der See, entlang dessen sich die Metropole der Southern Alps, Queenstown, erstreckt. Queenstown scheint eine Mischung aus St. Moritz und Ischgl zu sein, sowohl in gesellschaftlicher als auch in preislicher Hinsicht. Hier trifft sich das junge Partyvolk genauso wie die Schickeria. Und verlässt den Ort meist mit kräftig geleertem Portemonnaie.

Crown Range Summit im Cardrona Valley auf dem Weg nach Queenstown

Die Metropole der Südalpen – Queenstown

Eine Zeit lang überlege ich auf dem Parkplatz an einem der zahlreichen Aussichtspunkte entlang der Passstraße, was ich mit dem heutigen Tag anfangen soll. Queenstown bietet zwar ein schier unendliches Repertoire an Freizeitaktivitäten, aber da ich davon ausgehe, dass am heutigen Sonntag vermutlich längst die besten Plätze ausgebucht sind, möchte ich eigentlich etwas auf eigene Faust erkunden. Ursprünglich hatte ich einen Ausflug ins Ski- und Wandergebiet der Remarkables angedacht, die nahe Queenstown mit Blick auf den Lake Wakatipu liegen, doch nach dem gestrigen Marsch hält sich die Lust auf weitere Wanderungen erst einmal in Grenzen. Aus diesem Grund scheidet auch der Ben Lomond Track aus, denn noch einmal über 1.000 Höhenmeter sind mir einfach zu viel.

So entschließe ich mich nach einiger Überlegung dazu, mit der Kabinenbahn auf den Bob’s Peak zu fahren, einen etwa 500 Meter oberhalb von Queenstown gelegenen Hügel, der einen der wohl meistfotografierten Ausblicke Neuseelands zugänglich macht. Queenstown im Talboden, dahinter der See und im Hintergrund die schroffen Bergspitzen der Remarkables. Ursprünglich wollte ich die Fahrt mit der Wanderung auf den Ben Lomond kombinieren, aber da das Wetter die Wanderung in den nächsten Tagen vermutlich ohnehin nicht zulassen wird, kann ich auch heute mit der Seilbahn fahren.

Mit der Seilbahn von Queenstown auf den Bob’s Peak

Zu meinem Erstaunen ist weder in Queenstown noch an der Kabinenbahn wirklich Andrang, sodass ich ohne Wartezeit mein Ticket in Empfang nehmen kann. Die Partyfraktion scheint jetzt, um 9.30 Uhr, wohl noch nicht nüchtern zu sein, anders kann ich es mir nicht erklären, dass bei diesem Wetter an einem Sonntag hier so wenig Betrieb herrscht. Mir soll es natürlich Recht sein, und so erreiche ich den Bergstationskomplex wenige Minuten später nach einer Bergfahrt mit der überaus steilen Umlaufbahn. 450 Höhenmeter überwindet sie auf gerade einmal 730 Metern Länge, das entspricht einer durchschnittlichen Steigung von 62%. Konstrukteur der Anlage war im Jahr 1987 wie so oft in Neuseeland die österreichische Firma Doppelmayr. Die Bahn ersetzte eine kultige Eiergondelbahn aus den 60er Jahren, von der noch eine Kabine in der Bergstation ausgestellt ist.

Panorama vom Bob's Peak auf Queenstown und den Lake Wakatipu

Der Blick auf Queenstown und den Lake Wakatipu kann sich wirklich sehen lassen, sieht man von der Bungee-Jumping-Plattform im Wald einmal ab. Das ist auch gut so, denn diese Richtung ist die einzige mit einem erträglichen Anblick. Um 180 Grad gedreht erblickt man einen überaus hässlichen Gebäudekomplex mit riesigem Souvenirladen, Restaurant, Kiosk und anderen Annehmlichkeiten. Kaufhausatmosphäre am Berg, das ist mir aus so manchen Skigebieten der Alpen ja bestens bekannt!

Bergstation der Seilbahn auf den Bob's Peak in Queenstown

Auch jenseits der Aussichtsplattform, die von der Bergstation der Kabinenbahn ohne Aufstieg erreicht werden kann, sieht es nicht wirklich besser aus. Oberhalb der Station erstreckt sich ein großes Areal mit Sesselbahn und Sommerrodelbahn, die auf Brücken von einigen Wanderwegen überquert wird. Dazwischen Picknickbänke und englischer Rasen mit automatischer Bewässerungsanlage. Die ganze Szenerie wirkt so künstlich, dass es schon fast wieder originell ist. Aber irgendwie sind natürlich alle total begeistert von dem „Naturerlebnis“ hier oben.

Die Künstlichkeit der Bergwelt

Es reizt mich beim Anblick dieses Kunstobjekts ja schon, doch noch in Richtung Ben Lomond aufzubrechen, aber die Zeit ist zu knapp und meine Beine einfach zu müde. So entspanne ich bei einem frühen Mittagessen auf einer der Bänke und beobachte die immer zahlreicher werdenden Benutzer der Rodelbahn, die sich mit recht gedämpftem Tempo, dafür aber mit Helm den Hang hinabstürzen. Eine Sommerrodelbahn mit Helmpflicht ist mir auch noch nicht begegnet! Während ich zu Mittag esse, lasse ich die Kamera für eine Zeitrafferaufnahme des Geschehens laufen – durchaus interessante Bilder kommen dabei zu Stande, denn neben dem Treiben auf dem Bob’s Peak sorgen auch die Gleitschirmflieger und die vorüberziehenden Wolken für Bewegung im Video.

Nach meiner Mittagspause begebe ich mich noch einmal zur Aussichtsplattform, um auch hier eine Zeitrafferaufnahme anzufertigen, und trete nach einer kurzen Rundwanderung schließlich wieder die Talfahrt an. Dort reicht die Warteschlange trotz des immer schlechter werdenden Wetters inzwischen bis aus dem Gebäude heraus. Da war meine frühe Ankunft wirklich Gold wert!

Ausblick vom Bob's Peak auf Queenstown und den Lake Wakatipu

Abstecher nach Glenorchy ans nördliche Ende des Lake Wakatipu

Eine wirkliche Idee habe ich nicht, was ich nun am Nachmittag noch machen soll, denn die immer dichteren Wolken, gepaart mit der steil stehenden Sonne, machen das Fotografieren schwierig. Andererseits dürfte der heutige Tag der beste in absehbarer Zeit sein, sodass ich mich dazu entschließe, noch bis Glenorchy am Seeufer entlang zu fahren. Ein Ausflug, den ich eigentlich erst am Dienstag machen wollte, aber da sieht das Wetter nun auch nicht mehr so gut aus. Wahrscheinlich werde ich gleich am Dienstagmorgen in Richtung Te Anau aufbrechen, um von dort am Mittwoch oder Donnerstag den Milford Sound in Angriff zu nehmen. Dieser Fjord zählt zu den bekanntesten Naturattraktionen in Neuseeland, wegen seines regenreichen Klimas sind sonnige Tage jedoch äußerst rar.

Doch genug der Pläne, der Ausflug nach Glenorchy ist auch bei bedecktem Himmel sehr lohnenswert. Wie üblich nimmt die Landstraße jeden Hügel und jede Senke mit, statt auf Brücken und Tunnels auszuweichen, dafür genießt man aber einen durchgängigen Blick auf den nördlichen Arm des Lake Wakatipu. An einem Aussichtspunkt ist zu erkennen, dass über die hohen Bergketten bereits erste Schauer von der Westküste hinüberziehen, sodass ich zwar noch bis Glenorchy fahre, aber nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen, noch weiter bis zum Lake Sylvan.

Regenfront am nördlichen Ende des Lake Wakatipu in Glenorchy

Am Lake Sylvan gäbe es noch eine kurze, aber wohl lohnende Wanderung. Im Regen macht diese allerdings wenig Sinn, sodass ich nach einer kurzen Visite Glenorchys wieder in das sonnigere Queenstown fahre. Dort angekommen steuere ich einen etwas außerhalb gelegenen Holiday Park an, da ich nach der gestrigen Wanderung endlich wieder einmal eine Dusche nötig habe. Der Preis ist wenig überraschend äußerst happig, aber die einzige günstigere Option ist auf allen Bewertungsportalen derart miserabel bewertet, dass ich lieber gleich gar nicht vorbeigeschaue. Es ist ja auch nur für eine Nacht, morgen werde ich dann wieder auf einem günstigen DOC-Campingplatz nächtigen.

Lake Wakatipu mit den Remarkables im Hintergrund

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