Fedaia – Pian dei Fiacconi – Ende eines Dolomiten-Mythos

Legenden sterben nie. Zu keiner anderen Seilbahn passt dieses Sprichwort besser als zu einem der vielleicht grössten Klassiker weltweit – dem Korblift am Passo Fedaia in den Dolomiten. Eine einzelne Anlage inmitten einer landschaftlich atemberaubenden Szenerie, ein Mythos mit einer einzigartigen Geschichte. Jahrelang ranken sich Gerüchte um seine Stilllegung, einen Ersatz, und doch geht es immer irgendwie weiter. Doch 2019 ist er nach 45 Jahren endgültig zum letzten Mal in Betrieb. Grund genug, an diese einmalige Seilbahn noch einmal zu erinnern.

Die Dolomiten sind ohne jeden Zweifel eine der landschaftlich reizvollsten Regionen der Alpen. Vom Langkofel über die Sella bis nach Cortina d’Ampezzo – das charakteristische Gestein und die zerklüfteten Gipfel sind im Sommer wie im Winter beeindruckend. Rund um die markanten Berge sind wenig erstaunlich im Laufe der Jahrzehnte auch unzählige Seilbahnen entstanden. Dolomiti Superski zählt zu den grössten zusammenhängenden Skigebieten überhaupt und besitzt mit der Sella Ronda eine weltweit einzigartige Rundtour um den gleichnamigen Gebirgsstock.

Der Fedaia-Pass an der Marmolada

Einige Kilometer südlich der Sellagruppe verbindet der Fedaia-Pass zwischen Canazei und Malga Ciapela die Regionen Trentino-Südtirol und Venetien. Trotz der Höhe von über 2000 Metern über dem Meer ist die Passstrasse im Normalfall ganzjährig geöffnet. Immer im Blick ist entlang der Strasse ihre Majestät, die Marmoladagruppe. Deren höchste Erhebung, die 3343 Meter hohe Punta Penia, ist gleichzeitig der höchste Gipfel der Dolomiten. Unterhalb befindet sich der einzige grössere Gletscher der Region. Auch wenn der Marmoladagletscher viel von seiner ursprünglichen Masse verloren hat, ist das ewige Eis hier immer noch präsent. Mit der Punta Rocca ist einer der Hauptgipfel der Marmolada heute auch per Seilbahn bequem erreichbar.

Doch die Geschichte der Erschliessung durch Seilbahnen in diesem Gebiet beginnt bereits während des ersten Weltkriegs. Materialseilbahnen finden sich während der Gebirgsschlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien überall in den Dolomiten. Auch im Bereich des Korblifts am Fedaia-Pass und der Marmolada entstehen derartige Konstruktionen. Aufstiegshilfen für die Zivilbevölkerung lassen jedoch ebenfalls nicht lange auf sich warten. 1946 erstellt ein gewisser Giovanni Graffer anstelle des heutigen Korblifts seine erste Sesselbahn und gleichzeitig die erste dieser Art in ganz Italien. Eine Seggiovia Monoposta, eine Einersesselbahn, führt fortan bis an den Rand des Gletschers in 2600 Meter Höhe. Die Anlage des später so populären italienischen Seilbahnherstellers ist noch sichtbar ein Prototyp. Filigrane Portalstützen, einzeln abgespannt mit Halteseilen. Doch die Rollenbatterien besitzen bereits bei dieser ersten Anlage den charakteristischen Graffer-Stil. Genau so wie auch der spätere Korblift.

Sommerski auf dem Marmolada-Gletscher

Es dauert nicht lange, da wird der Gletscher an der Marmolada als einer der ersten in Italien auch im Sommer zum Skifahren genutzt. Zwei Schlepplifte ermöglichen ganzjähriges Skivergnügen, sind teilweise aber nur nach längeren Aufstiegen erreichbar. Zwischenzeitlich ist am Fedaia-Pass auch ein Stausee entstanden. Um zu der Sesselbahn zu gelangen, ist es fortan notwendig, von der Passstrasse über die 1956 erstellte Staumauer zu fahren. 1963 ersetzt ein neuer Monoposto die bisherige Anlage. Auch die neue Bahn stammt wieder aus dem Hause Graffer und kommt ein Stück weiter östlich zum Stehen.

Während rundherum unzählige verstreute Anlagen zu einem grossen Skigebiet zusammenwachsen, bleibt die Sesselbahn auf der Nordseite der Marmolada allein auf weiter Flur. Eine Verbindung über die Porta Vescovo nach Arabba steht zwar zur Diskussion, wird aber nie Realität. Zumindest teilweise Wirklichkeit wird dagegen zu Beginn der 70er Jahre eine erneute Ersatzanlage für den noch gar nicht so alten Einersessel. Stationsbauten und Stützenfundamente sind bereits fertiggestellt, doch vollendet wird der Bau nie. Stattdessen folgt 1974 schliesslich der Korblift auf neuer Trasse, der als erste Anlage am Fedaia-Pass ein langes Leben haben wird.

Fedaia – Ein Korblift für die Ewigkeit

Doch um ein Haar hätte ihn das gleiche Schicksal ereilt wie seine Vorgänger. Denn nach dem ersten erfolglosen Neubau Anfang der 70er beginnen knapp 15 Jahre später erneut die Bauarbeiten an einer Anlage, die letztlich nie fertig gestellt wird. Eine kuppelbare Kabinenbahn des Herstellers Agudio soll den Korblift nach gut einer Dekade bereits ersetzen, doch wieder kommt man nicht über den Bau der Stützenfundamente hinaus. Überreste von allen drei ehemaligen Anlagen sind heute noch auffindbar.

So bleibt der Korblift mehr als vier Jahrzehnte lang erhalten. Gegen Ende seines Lebens ist es der letzte seiner Art in den Dolomiten und auch einer der letzten in ganz Italien. Selbst im Ursprungsland dieser Seilbahngattung finden sich nur noch eine handvoll der klassischen Cestovie. Es ist die vielleicht kurioseste seilgezogene Aufstiegshilfe überhaupt – das Anlaufen und Aufspringen in die Körbe, die wackelige Fahrt und natürlich das grandiose 360°-Panorama auf dem Weg zur Bergstation, all das macht Korblifte so abenteuerlich. Am Fedaia-Pass gehört dieses Kapitel nun der Vergangenheit an. Wie es weiter geht, ist noch ungewiss. Vielleicht kommt eine gewöhnliche Kabinenbahn, vielleicht auch nicht. Doch ganz gleich, ob tatsächlich ein Ersatz Realität wird. In Vergessenheit wird der legendäre Korblift ganz sicher nie geraten. Legenden sterben eben nie.

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