Chur – Brambrüesch • Wandern und Seilbahnnostalgie

Chur – Hauptort des Kantons Graubünden und die älteste Stadt der Schweiz. Mit ihrer malerischen Altstadt und der Lage inmitten der Bündner Berge ist die Stadt am Rhein bereits eine Reise wert. Um aber auch einen bequemen Zugang zu ebendiesen Bergen zu ermöglichen, entschied man sich Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dazu, eine Seilbahn zur Erschliessung der Bergwelt zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt waren in den umliegenden Bergtälern bereits zahlreiche seilgezogene Aufstiegshilfen für Wanderer und Skifahrer entstanden. Auch die Stadt Chur wollte mit dem Bau eines eigenen Skigebiets daher nicht länger warten.

Erschliessung des Skigebiets Brambrüesch in den 50er Jahren

So begann man 1957 mit dem Bau zweier Luftseilbahnen vom südlichen Stadtrand hinauf auf das Känzeli und weiter zur Hochebene Brambrüesch. Die Siedlung war bereits zu diesem Zeitpunkt über eine kleine Bergstrasse erreichbar, die aber als alleiniger Zugang zu dem neuen Skigebiet ungeeignet war. Die erste Teilstrecke von Chur zum Känzeli sollte entlang eines sehr steilen Abhangs zum Stehen kommen, sodass einzig der Bau  einer klassischen Pendelbahn als Zubringer in Frage kam.

Der Berner Seilbahnpionier Von Roll konstruierte eine solche Anlage mit zwei Zwischenstützen und Kabinen für je 23 Personen. Mangels offizieller Skipiste diente die Bahn als reiner Zubringer, sodass die Förderleistung von 300 Personen pro Stunde zunächst ausreichend war. Die zweite Sektion sollte dagegen neben ihrer Zubringerfunktion nach Brambrüesch auch für Wiederholungsfahrten genutzt werden können. Mehrere Skipisten führten ab dem ersten Betriebswinter von Brambrüesch hinab zum Känzeli. Als zusätzliche Beschäftigungsanlage entstand unweit der Bergstation ein kurzer, aber durchaus steiler Schlepplift.

Eine der ersten Kabinenbahnen Graubündens vom Känzeli nach Brambrüesch

Aufgrund ihrer wichtigen Aufgabe im Skigebiet entschied man sich daher für den Bau einer Kleinkabinenumlaufbahn auf der zweiten Teilstrecke. Mitte der 50er Jahre waren drei namhafte Schweizer Seilbahnhersteller im Bau dieser Anlagen tätig. Die Unterwalliser Firma Giovanola, der Zürcher Gerhard Müller und der Berner Seilbahnhersteller Von Roll, der bereits für die erste Sektion verantwortlich zeichnete. So erscheint es aus heutiger Sicht etwas erstaunlich, dass der Auftrag an die Firma Giovanola ging, die an dieser Stelle eine ihrer typischen zweiplätzigen Kabinenbahnen errichten konnte. Erstmalig in der Schweiz hatte der Seilbahnhersteller diesen Typ 1950 in Verbier einsetzen können, mittlerweile waren zahlreiche Anlagen hinzugekommen. Im Kanton Graubünden waren Giovanola-Anlagen dagegen 1957 noch nahezu unbekannt. Im Jahr zuvor war in Scuol im Unterengadin die erste solche Bahn entstanden. Gemeinsam mit der Bahn in Chur entstand 1957 noch eine weitere Anlage auf der Davoser Schatzalp.

Ihre offenen zweiplätzigen Kabinen versprachen auf der Bergfahrt über rund 400 Höhenmeter eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge und das Rheintal. Speziell im Winter stellte eine Fahrt aber eine oftmals kalte Angelegenheit dar. Der Schwerpunkt des Skigebiets verlagerte sich zudem ab Ende der 60er Jahre durch den Bau eines Kombilifts und einer Sesselbahn auf die Südseite von Brambrüesch. Zwischen der Bergstation der Kabinenbahn und der nächsten Sektion war daher stets ein Fussmarsch über die Ebene erforderlich. All diese Dinge trugen dazu bei, dass die Fahrgastzahlen auf den beiden Sektionen Luftseilbahn immer weiter zurückgingen. Anfang der 90er Jahre erfolgte daher die Stilllegung der beiden Zubringerbahnen aus Chur. Die restlichen Anlagen oberhalb von Brambrüesch blieben dagegen weiterhin in Betrieb.

Kampf um die Churer Seilbahn

Die Stilllegung sollte jedoch glücklicherweise nicht von allzu langer Dauer sein. Da die Churer ihre Seilbahn unbedingt zurück haben wollten, konnte der Betrieb bereits 1998 wieder aufgenommen werden. Die erste Sektion wurde nach einer Sanierung weitgehend im originalen Zustand wiedereröffnet. Um den zweiten Teilabschnitt attraktiver zu gestalten, entschied man sich jedoch für einen Ersatz der mittlerweile vierzigjährigen Giovanola-Kabinenbahn. Aus Kostengründen kam es jedoch nicht zu einem echten Neubau, sondern zum Wiederaufbau einer Occasionsanlage.

Im Jahr zuvor war im nahegelegenen Flims die Zubringerbahn nach Startgels einem Neubau auf neuer Trasse nach Plaun gewichen. Die 1969 eröffnete Bahn war eine der ersten mit dem Klemmentyp VR102 der Firma Von Roll, Nachfolger des legendären VR101-Klemmensystems. Nach 28 Jahren Betrieb an ihrem originalen Standort erhielt die Anlage in Chur ein zweites Leben. Die Stationstechnik, das Klemmensystem und die Kabinen wurden weitgehend im Originalzustand wieder eingesetzt. Der einzige optische Unterschied sind die neu gefertigten Stützen der Firma Bartholet. Der Flumser Seilbahnhersteller baute die Bahn an ihrer neuen Destination wieder auf, wo sie bis heute ihre Runden dreht.

Eine Seilbahn mit ungewisser Zukunft

Seit dem Ersatz der Spielbodenbahn in Saas-Fee im Jahr 2016 ist die Seilbahn vom Känzeli nach Brambrüesch die letzte der Schweiz, die noch mit dem Klemmensystem VR102 betrieben wird. Aus seilbahnhistorischer Sicht ist die Anlage damit ein Juwel. Auch wenn die Bahn wegen ihrer neuen Stützen optisch nicht mehr ganz original daherkommt, ist eine Fahrt mit ihr noch immer mit dem charakteristischen Klacken und Surren der VR102-Klemme verbunden.

Leider dürften die Tage der letzten solchen Bahn der Schweiz aber gezählt sein. Trotz einem tadellosen Betrieb während fünf Jahrzehnten an zwei Standorten muss die Anlage in naher Zukunft ersetzt werden. Was als Ersatz in Frage kommt und ob überhaupt ein Neubau finanziell von dem kleinen Skigebiet gestemmt werden kann, ist derzeit völlig unklar. Wer die Bahn daher noch fahren möchte, der sollte die kommenden Monate in jedem Fall dafür nutzen. Ob es über das Jahr 2019 hinaus noch möglich sein wird, eine VR102 in der Schweiz zu fahren, steht nämlich noch in den Sternen.

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