Mitten im Zentrum des Salzkammerguts im südlichen Oberösterreich liegt der Kurort Bad Ischl. Schon seit dem 19. Jahrhunderts war Ischl ein beliebtes Sommerdomizil zahlreicher bekannter Komponisten – unter ihnen Georg Friedrich Händel, Johann Strauß oder Johannes Brahms. Auch Franz Josef I. besass hier mit der Kaiservilla eine Sommerresidenz. 1914 verfasste er dort die Kriegserklärung an Serbien, die in der Folge den Ersten Weltkrieg auslöste.
Bad Ischl – ein geschichtsträchtiger Ort
Die breite Öffentlichkeit begann Bad Ischl erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu entdecken. Nachdem Österreich nach zehn Jahren alliierter Besetzung 1955 seine volle Souveränität wieder erlangte, begann sich der Tourismus in der Alpenrepublik rasant zu entwickeln. Zur Erschliessung der Bergwelt entstanden in diesen Jahren auch unzählige neue Seilbahnen als touristische Attraktionen. Wenig verwunderlich zeigte sich auch Bad Ischl bald darauf interessiert an einer solchen Konstruktion.
Mit einer günstigen verkehrstechnischen Lage an einem Knotenpunkt im Salzkammergut und der Nähe zu mehreren landschaftlich reizvollen Seen war die Stadt prädestiniert für eine Seilbahn auf einen Aussichtsgipfel. Mit der 1500 Meter hoch gelegenen Katrin nahm man ab Ende der 50er Jahre einen Berg ins Visier, von dessen Gipfel die Gäste einen fabelhaften Ausblick vom Wolfgangsee über den Traunsee und den Hallstätter See bis zu den Gletschern des Dachsteinmassivs geniessen können.
Eine kuriose Österreich-Premiere in den 50er Jahren
Ähnlich wie in den nahegelegenen Orten St. Gilgen und Gmunden fällt die Wahl hinsichtlich des Seilbahnsystems auf eine Kleinkabinenumlaufbahn. Allerdings nicht auf das populäre Zweiseilsystem des Ingenieurs Georg Wallmannsberger, das seit 1950 durch die Firmen Girak und Wiener Brückenbau in Österreich weit verbreitet ist. Erstmalig erblickt in Österreich stattdessen eine Einseilumlaufbahn das Licht der Welt – und es soll bis in die 70er Jahre auch vorerst die einzige bleiben. Anders als es zu erwarten wäre, stammt das eingesetzte Einseilsystem von keinem der führenden Hersteller auf diesem Gebiet.
Die Schweizer Firmen Müller, Von Roll und Giovanola sind zu diesem Zeitpunkt weltweit gefragt, doch in Bad Ischl fällt die Wahl auf das vielleicht kurioseste Kuppelsystem aller Zeiten. Es ist eine Entwicklung der französischen Firma Applevage und wird auch von der Schweizer Maschinenfabrik Oehler eingesetzt. Bei dem System sind Mitnehmer in festen Abständen am Förderseil befestigt, an denen die Kabinen automatisch befestigt werden können. Bei der Stationseinfahrt wird die Kabine wieder vom Mitnehmer gelöst und kann so gefahrlos im Stillstand betreten werden.
Die Technologie umgeht so die aufwendig konstruierten Kuppelklemmen, ist aber äusserst störanfällig. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ab den 50er Jahren lediglich eine handvoll Anlagen nach diesem Prinzip realisiert werden können. Die Zweierkabinenbahn in Bad Ischl ist die letzte, die in dieser Bauweise 1959 eröffnet wird. Nichtsdestotrotz ist die Anlage eine technische Meisterleistung. Mit 2,5 Kilometern Streckenlänge, einer Höhendifferenz von fast 1000 Metern und bis zu 100% Steigung zählt sie zu den spektakulärsten Seilbahnen des Landes. Und auch die spektakuläre Aussicht erfreut sich grosser Beliebtheit. Eine zusätzliche Einersesselbahn an der Bergstation erweitert ab den 60er Jahren das Winterangebot für Skifahrer.
Eine alte neue Katrin-Seilbahn für Bad Ischl
Nach nicht einmal 20 Jahren Betrieb stellt die Katrinseilbahn 1976 jedoch den Betrieb schon wieder ein. Das störanfällige Kuppelsystem wird nach einem Unfall mit Personenschaden als zu unsicher eingestuft. Die restlichen solchen Anlagen in der Schweiz und in Frankreich sind zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits ersetzt worden. Wie es in Bad Ischl weitergehen soll, ist lange Zeit unklar. Doch letztlich übernimmt die Gemeinde die beliebte Touristenattraktion und saniert die Bahn. Beauftragt mit dem Umbau wird die Firma Girak, ihrerseits einer der führenden Seilbahnhersteller in Österreich.
Behördliche Restriktionen haben dafür gesorgt, dass kuppelbare Einseilumlaufbahnen in Österreich lange Jahre nicht zugelassen wurden. Aus diesem Grund haben die Hersteller keine Investitionen in eigene Entwicklungen getätigt und sind so gezwungen, ab den 70er Jahren die fortschrittlichen Systeme der ausländischen Firmen in Lizenz zu nutzen. Doppelmayr setzt auf die VR102-Klemme der Firma Von Roll, Girak nutzt die Schraubklemme der Firma Müller. In Bad Ischl kann 1978 schliesslich eine Viererkabinenbahn mit diesen Klemmen den Betrieb zur Katrin aufnehmen. Viele Bestandteile des Vorgängers, darunter die meisten Stützen, können weiterverwendet werden.
Drei Klemmensysteme in drei Jahrzehnten
Doch die Müller-Klemme hat in Österreich kein langes Leben. Ein Verbot führt dazu, dass Mitte der 80er Jahre sämtliche Bahnen mit diesem System umgebaut werden müssen. Mittlerweile hat Girak eine eigene Nockenklemme entwickelt, die daraufhin auch in Bad Ischl zum Einsatz kommt. In nicht einmal drei Jahrzehnten erfolgt an der Katrin damit bereits der Einsatz des dritten Klemmensystems.
Abgesehen von den Klemmen können bei dem Umbau aber die meisten Bestandteile übernommen werden. Der typische Müllersche Stationsaufbau und der Antriebsblock in der Bergstation sind daher heute immer noch gut erkennbar.
Ungewisse Zukunft der Katrin-Seilbahn
Die Finanzen bereiten dem kleinen Skigebiet in den folgenden Jahrzehnten jedoch immer wieder grosse Sorgen. Im Vergleich zu den modernen Seilbahnen in den nahegelegenen und viel grösseren Skigebieten verliert die Katrin den Anschluss. Trotz der Investition in eine Beschneiungsanlage zieht man 2010 die Notbremse und stellt den Winterbetrieb ein. Vier Jahre später fährt die Bahn auch im Winter wieder, aber nicht mehr für Skifahrer. Die Natur erobert sich den Weg auf der Talabfahrt zurück, die Sesselbahn wird abgebaut.
Was bleibt, ist die geschichtsträchtige Seilbahn. Wie es mit ihr weitergeht, wenn sie in naher Zukunft erneut saniert werden muss, ist aber völlig unklar. Egal ob zum Wandern, für einen Winterausflug oder einfach nur für eine Fahrt mit der Seilbahn, eine baldige Reise nach Bad Ischl lohnt sicher daher in jedem Fall!
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.