Der Katschberg ist nicht wenigen Touristen vor allem wegen des Tunnels auf der Tauernautobahn, der tief unterhalb den Berg durchquert, ein Begriff. Dass es sich aber nicht nur aus Panorama- und Pistengründen lohnt, einen Abstecher über die Katschberghöhe zu machen, beweist eine historisch wie technisch ausgesprochen spannende Sesselbahn, die das Herz eines jeden Seilbahnliebhabers höher schlagen lässt.
Die zentrale Lebensader am Katschberg
Inmitten der Hotelsiedlung, die sich über die gesamte Passhöhe erstreckt, befindet sich die Talstation einer kuppelbaren Dreiersesselbahn, die es so kein zweites Mal auf der Welt gibt. Und das, obwohl die Kuppeltechnik auf den ersten Blick für Österreich gar nicht so untypisch daherkommt. Es sind die klassischen Nockenklemmen aus dem Hause Girak, die das Erscheinungsbild der Anlage prägen. Ein massiver Stationsumlauf samt Garagierungshalle ist in einem ausgewachsenen Gebäude untergebracht, das auch den Antrieb der Bahn und den Spannschacht des Förderseils beherbergt. Für 1987 scheint die Technik also erst einmal nicht allzu speziell zu sein.
Dass in Österreich aus jener Zeit nicht allzu viele Anlagen bis heute überlebt haben, macht die ganze Sache dann schon etwas interessanter. Doch spätestens beim Blick auf die Stützen fällt dem geübten Auge dann auch auf, dass die Aineckbahn noch weit mehr Besonderheiten bietet als ihr langes Seilbahnleben. Denn die Stützen sind noch ein gutes Stück älter als die Kuppeltechnik der Bahn und stammen auch nicht von Girak, sondern aus der Feder des Villacher Seilbahnpioniers Andreas de Pretis. Bereits 1979 erschliesst eine von ihm konstruierte fix geklemmte Zweiersesselbahn den 2215 Meter hohen Aineck-Gipfel am Übergang zwischen der Hohen Tauern und den Gurktaler Alpen an der Grenze der Länder Salzburg und Kärnten.
Eine einmalige Seilbahn vom Katschberg zum Aineck
Für das Skigebiet auf der Katschberghöhe, das seinerzeit auf der gegenüberliegenden Strassenseite einige Schlepplifte als Aufstiegshilfen für die Wintersportler bereitstellt, ist die neue Sesselbahn Aineck seinerzeit ein echter Meilenstein. Nicht nur ist es die erste ihrer Art in dem Skigebiet, mit einer Länge von über 1,6 Kilometern und einer Höhendifferenz von 567 Metern ist sie fortan auch die mit Abstand spannendste Beschäftigungsanlage. Gleich mehrere interessante und anspruchsvolle Abfahrten erschliesst die neue Sesselbahn in der Folge und entwickelt sich zum Ausgangspunkt für eine umfangreiche Erweiterung des Skigebiets nach Norden in den folgenden Jahren.
Die Nord- und Westhänge am Aineck sind aber schnell so beliebt, dass die Sesselbahn völlig überlastet ist. Doch nicht nur deshalb, sondern auch wegen ihrer Windanfälligkeit auf dem exponierten Grat mitten am Alpenhauptkamm bereitet die Sesselbahn zunehmend Probleme. Mitte der 80er Jahre sind kapazitätsstarke kuppelbare Vierersesselbahnen immer mehr im Kommen, doch ein vollständiger Ersatz der bestehenden Anlage kommt am Katschberg nach so kurzer Zeit nicht in Frage. Daher entscheidet man sich zu einem Kompromiss. Möglichst viele Bestandteile der alten Anlage sollen erhalten bleiben, und trotzdem sollen die Fahrgäste in den Genuss einer höheren Förderleistung und kürzeren Fahrzeit dank moderner Kuppeltechnik kommen.
De Pretis mit Girak-Kuppeltechnik
Mit dem Umbau beauftragt man aber keinen der Konstrukteure, die sich bis dato einen Namen im Bau kuppelbarer Anlagen gemacht haben. Erneut fällt die Wahl auf den Erbauer des Originals, die Firma de Pretis. Weil der Kärntner Seilbahnhersteller jedoch kein eigenes Kuppelsystem bereitstellen kann, greift er auf die Expertise der Maschinenfabrik Girak zurück. Diese zeichnet bereits im Jahr 1971 für die erste moderne kuppelbare Einseilumlaufbahn Österreichs verantwortlich und ist mit ihrer eigens entwickelten Nockenklemme ab Mitte der 80er Jahre in ganz Österreich gefragt. Abgesehen von der Kuppeltechnik stammt aber auch die neue Anlage aus der Feder von de Pretis. Eine Kombination, die übrigens in ähnlicher Form auch am Dreiländereck in Arnoldstein an der Grenze zu Italien und Slowenien anzutreffen ist.
Zahlreiche Komponenten können beibehalten werden. Die bestehenden Stützen bieten ausreichende Reserven, sodass sie auch das höhere Gewicht von Dreiersesseln samt Insassen bewältigen können. Im oberen Teil der Strecke erhalten die Rollenbatterien zusätzliche Niederhalterollen, die den Auflagedruck des Förderseils für eine bessere Windstabilität erhöhen sollen. Die Stationsbauten der fix geklemmten Anlage können aus naheliegenden Gründen nicht übernommen werden, wohl aber der Notantrieb der bestehenden Sesselbahn.
Ersatz in naher Zukunft
Bis zu 4,45 m/s erreichen die Dreiersessel fortan auf der Strecke und können stündlich 1600 Personen transportieren. Seit nunmehr über drei Jahrzehnten erfüllt die Aineckbahn damit die Anforderungen der Skigäste an eine bequeme Aufstiegshilfe. Ein Ersatz durch eine Kabinenbahn mit geschlossenen Fahrzeugen ist aufgrund der windexponierten Lage aber seit Jahren im Gespräch. Die Coronakrise und steigende Energiekosten sorgen jedoch dafür, dass sich der Ersatz immer wieder verzögert. Und so ist das Unikat am Aineck auch heute noch in Betrieb. Wer die Anlage selbst einmal fahren möchte, sollte sich aber im Zweifelsfall trotzdem beeilen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.