Das Bergpanorama geniessen, während man gemütlich in der Seilbahn nach oben schwebt. Oder anders ausgedrückt: Auch beim Seilbahnfahren ist häufig schon der Weg das Ziel. Zahlreiche verschiedene Konzepte wurden über die Jahre entwickelt, um den Fahrgästen einen möglichst guten Blick auf die umliegende Landschaft zu ermöglichen. Die Kabinenbahn von der Ortschaft Sattel zum Mostelberg im Skigebiet Hochstuckli bietet dafür eine besonders ausgefallene Möglichkeit.
Mit der Drehgondelbahn Stuckli Rondo zum Mostelberg
Die Anlage entsteht im Sommer 2005 als Nachfolger für eine ebenfalls bereits recht seltene Konstruktion. Zuvor dreht an dieser Stelle eine kuppelbare Sesselbahn des Seilbahnpioniers Gerhard Müller ihre Runden. Es ist 1950 die erste derartige Konstruktion der Firmengeschichte und gleichzeitig der erste produktive Einsatz der später so populären Schraubklemme von Müller. Angelehnt an das zu dieser Zeit bereits verbreitete Sesselbahnsystem der Konkurrenz in Form der Firma Von Roll sitzen die Fahrgäste auch bei diesen Zweiersesseln quer zur Fahrtrichtung. Die Überlegung ist schon damals, den Gästen einen möglichst guten Rundumblick während der Fahrt zu ermöglichen. Gerade bei der Bergfahrt bietet sich mit der seitlichen Sitzposition ein besserer Blick in die Ferne.
Und so lebt die jahrzehntealte Überlegung auch beim Neubau der heutigen Kabinenbahn im Jahr 2005 wieder auf. Allerdings auf moderne Art und Weise. Die Besonderheiten der Anlage werden bereits beim Blick auf die Kabinen deutlich. Anders als bei gewöhnlichen Kabinenbahnen sitzen sich die Fahrgäste nicht gegenüber, sondern nehmen auf einer kreisförmigen Sitzbank Platz. Die achtplätzigen Kabinen der Firma CWA stammen aus der Conus-Serie und zeichnen sich dementsprechend auch von aussen durch ihre runde Form aus. Ein wenig erinnern sie dadurch an die populären Eiergondelbahnen in Italien und Frankreich aus den 60er und 70er Jahren.
Weltneuheit mit altbewährtem Prinzip
Erst während der Fahrt erleben die Gäste dann aber den eigentlichen Clou. Die Kabinen drehen sich auf der Strecke zweimal um die eigene Achse. Ermöglicht wird dieser Vorgang durch einen Mechanismus, der zwischen Kabine und Gehängearm angebracht ist. Die für die Drehung erforderliche Energie nehmen die Kabinen vor der Fahrt in den jeweiligen Stationen auf. Die Geschwindigkeit der Drehung ist so ausgelegt, dass die beiden Umläufe auch bei der maximalen Fahrgeschwindigkeit von 5 m/s vor der nächsten Station absolviert sind. Bei geringerer Streckengeschwindigkeit oder ausserplanmässigen Stopps sind die Drehungen entsprechend früher beendet.
Der Hersteller Garaventa präsentiert seinerzeit mit dem sogenannten Stuckli Rondo eine Weltneuheit. Und doch ist das Konzept nicht ganz unbekannt. Schon 1992 setzt Garaventa erstmalig auf eine Kabine, die sich während der Fahrt dreht. Damals handelt es sich aber um eine Pendelbahn, die auch heute noch die Gäste auf den Titlis befördert. Auch dort geniessen die Gäste bereits vor dem Erreichen des Gipfels einen Rundumblick auf die Bergwelt.
Auch abgesehen von den Drehkabinen ist die Anlage in Sattel übrigens aus technischer Sicht durchaus interessant. Es handelt sich damals um eine der ersten Einseilumlaufbahnen von Garaventa, die mit Technik von Doppelmayr entsteht. Allerdings besitzt die Bahn nicht die damals üblichen Klemmen mit Torsionsstäben, sondern offene Spiralfederklemmen. Und so schweben die insgesamt 19 bunten Kabinen, deren Farben übrigens an die vier Jahreszeiten angelehnt sind, seit mittlerweile fast zwei Jahrzehnten über die 400 Höhenmeter in das beliebte Ski- und Wandergebiet in der Zentralschweiz.
Angekommen im Skigebiet Hochstuckli
Das Skigebiet selbst besteht bereits seit der Eröffnung der Seitwärtssesselbahn zu Beginn der 1950er Jahre. Und auch wenn es fast unglaublich scheint, aber der seinerzeit gemeinsam mit dem Zubringer eröffnete erste Schlepplift ist auch heute noch in Betrieb. An der Bergstation der Kabinenbahn fällt der Blick heute aber erst einmal auf eine andere Anlage. Der Schlepplift Engelstock entsteht 1964 als zusätzliche Übungsanlage und als Rückbringer aus dem weitläufigen Talkessel oberhalb der damaligen Sesselbahn-Bergstation. Konstruiert wird die Anlage von der Firma Doppelmayr und ist bis heute in Betrieb. 1998 erfolgt allerdings eine umfassende Sanierung des Lifts. Er erhält einige neue Stützen und Stationen und kommt dementsprechend deutlich moderner daher als sein Baujahr vermuten lässt.
Mehrere zusätzliche Seillifte runden das Angebot an flachen Übungshängen für die ersten Schwünge rund um die Bergstation der Kabinenbahn ab. Gleichzeitig dienen sie aber auch als Zubringer zu den deutlich spannenderen Abfahrten, die in der oberen Etage des Skigebiets durch zwei weitere Schlepplifte erschlossen werden.
Mit dem Schlepplift zum Gipfel
Die bedeutendste Anlage ist heute zweifelsohne der Schlepplift Hochstuckli. 1994 erstellt die Firma Garaventa diese leistungsfähige Anlage. Ausgestattet mit Antrieb und hydraulischer Abspannung in der Talstation kommt er auf den ersten Blick wie ein typisches Produkt des Herstellers aus Goldau daher. Ein genauerer Blick offenbart dann aber, dass der Lift zahlreiche Bestandteile seines Vorgängers verwendet. So nutzt er auf weiten Teilen Fachwerkstützen von Müller, die der Konstrukteur 1951 an dieser Stelle für den Bau eines Kombilifts einsetzt. Im Sommer ist die Anlage daher bis in die 90er Jahre auch im Sommer als Einersesselbahn in Betrieb. Heute dagegen ist die Aussicht vom 1500 Meter hohen Gipfel ausserhalb der Skisaison dagegen Wanderern vorbehalten.
Herrenboden – Der älteste Schlepplift der Schweiz
Der aus historischer Sicht gewiss grösste Schatz des Skigebiets Hochstuckli befindet sich allerdings noch einige Meter weiter von der heutigen Hauptanlage entfernt. Der Schlepplift Herrenboden bedient nicht nur einige nette Pisten am Waldrand. Mit Baujahr 1950 ist er der mit Abstand älteste noch in Betrieb befindliche Schlepplift der Schweiz. Er entsteht noch vor dem späteren Kombilift zum Hochstuckli gemeinsam mit der Zubringer-Sesselbahn, stammt aber aus der Feder eines anderen Herstellers. Konstruiert wird der Lift von Henri Sameli-Huber, seines Zeichens Nachfolger des Bügellifterfinders Ernst Constam.
Für den Seilbahnpionier Sameli-Huber, der ab Anfang der 1940er Jahre für zahlreiche Anlagen verantwortlich zeichnet, ist der Schlepplift Herrenboden bereits eines der letzten Projekte. Der Lift wird als reiner Schlepplift für den Winterbetrieb konzipiert und erfüllt seine Aufgabe seit mittlerweile über 70 Jahren tadellos. Angetrieben von der in 1190 Metern Höhe gelegenen Talstation überwinden die Bügel rund 860 Meter schräge Länge und 180 Höhenmeter.
Technik von Sameli-Huber und Brändle
Und auch wenn er bis heute weitgehend original und entsprechend nostalgisch daherkommt, ganz im Ursprungzustand ist er dann doch nicht mehr anzutreffen. Genau genommen wird er wie viele andere Anlagen von Sameli-Huber noch in den 60er Jahren durch Karl Brändle zur Steigerung der Förderleistung saniert. Bei dieser Gelegenheit erhält der Lift auch neue Gehänge von Brändle, die später um eine Hydro-Pumpe zur Dämpfung des Anfahrrucks ergänzt werden. In dieser Form stellen sie ein absolutes Unikat dar und fügen sich damit passend in das Gesamtbild ein.
Der Schlepplift Herrenboden ist damit ein noch immer lebendiges Zeitdokument von internationaler Bedeutung. Nirgendwo sonst auf der Welt kommt man dem Ursprung des nach wie vor geschätzten Bügellifts so nah wie hier im Skigebiet Hochstuckli.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.