Sonntag Morgen, 18. Oktober, 7.00 Uhr. Unsanft werde ich aus dem Schlaf geweckt, von dem ich nach dem Bob-Dylan-Konzert am Vorabend eigentlich noch eine Mütze gebrauchen könnte. „Warum habe ich bloss zugesagt, dass ich da mitkomme?“, denke ich noch, als ich im Halbschlaf ins Badezimmer wanke. Meine Eltern haben mir angeboten, sie und meine Schwester auf einer einwöchigen Reise nach Rom in einer grösseren Reisegruppe zu begleiten. Zuerst bin ich von der Idee natürlich angetan. Doch eigentlich bin ich nicht gerade ein Fan von organisierten Gruppenreisen. Ich lasse mich lieber treiben und entscheide spontan, was ich tun und lassen möchte. Zudem bin ich dabei, an meiner Masterarbeit zu schreiben. Da die Abgabe jedoch noch eine Weile auf sich warten lassen wird und ich gut in der Zeit liege, siegt schlussendlich aber doch die Neugier.
Durch die Alpen in die Toskana
An besagtem Sonntag brechen wir zur insgesamt rund zehnstündigen Autofahrt von Deutschland nach Rom auf. Da die restlichen Teilnehmer der Gruppe erst Dienstags per Flugzeug in Rom eintreffen werden, teilen wir die Fahrt in zwei Etappen auf und machen für zwei Übernachtungen Station in der Toskana. Genauer gesagt in der Nähe von Viareggio am Mittelmeerufer. Auch auf dem Rückweg planen wir, noch einige Tage in der Toskana zu verbringen.
Am Abend werden wir nach sieben Stunden Fahrt herzlich von der Inhaberin des kleinen Garni-Hotels Casa Grischuna in Lido di Camaiore empfangen. Das Hotel hat mein Vater nicht ganz zufällig auch aufgrund des Namens ausgewählt. Der geneigte Leser meiner Reportagen weiss, dass Grischun im rätoromanischen für nichts anderes als Graubünden steht, meiner zweiten Heimat. So sind wir nicht überrascht, dass Bettina tatsächlich eine Verbindung zum grössten Kanton der Schweiz besitzt. Aufgewachsen in Scuol im Unterengadin zügelte sie mit ihren Eltern zunächst vorübergehend und später dauerhaft ans Mittelmeer. Das dort erbaute Haus, so erzählt sie uns in akzentfreiem Deutsch, habe sie vor einigen Jahren in ein kleines Hotel umbauen lassen.
Dankenswerterweise reserviert sie für uns in einem nahegelegenen und von ihr empfohlenen Restaurant einen Tisch, sodass wir uns nach dem Bezug der urigen Zimmer hungrig von der langen Fahrt gleich auf den Weg machen. Da ich als einziger zumindest ansatzweise dem italienischen mächtig bin, verläuft die Kommunikation mit den Kellnern zunächst etwas holprig, am Ende des Abends sind aber alle satt und zufrieden. Und einen Tisch für den nächsten Tag in dem für einen Sonntag Abend in der Nebensaison erstaunlich vollen Restaurant haben wir uns ebenfalls gesichert.
Stadtbesichtigung in Lucca
Der morgendliche Nebel verzieht sich nach dem ausgezeichneten und reichhaltigen Frühstück am nächsten Tag schnell, sodass wir wie geplant auf eigene Faust bei bestem Herbstwetter die rund 20 Kilometer entfernte Stadt Lucca besichtigen können. Bekannt ist die 180 v. Chr. als römische Kolonie gegründete toskanische Stadt vor allem für ihre zahlreichen romanischen Kirchen, mittelalterlichen Türme und grossen Plätze, die sich an zahlreichen Orten innerhalb der markanten und gut erhaltenen Stadtmauern befinden.
Leider sind an diesem Tag nahezu alle grösseren und kleineren Plätze mit weissen Zelten zugestellt. Wie wir später erfahren dienen sie einem der grössten Humorfestivals Italiens, das hier in naher Zukunft stattfindet. Nach einem kurzen Spaziergang über einen Teil der begehbaren breiten Mauer machen wir uns auf in die kleinen Gassen im Stadtzentrum. In der Nähe der Piazza San Michele legen wir zunächst eine kurze Pause ein, ehe wir den höchsten Turm der Stadt, den Turm des Palazzo Guinigi erklimmen. Von oben bietet sich eine imposante Rundumsicht auf die zahllosen charakteristisch roten Hausdächer sowie auf die umliegenden bewaldeten Hügel.
Zurück an der Piazza San Michele suchen wir uns einen Platz für unsere Mittagsrast und tappen nicht ganz unerwartet in eine klassische Touristenfalle. Die Preise sind gross, die Portionen klein und das Ambiente des in einer kleinen Seitengasse gelegenen Restaurants macht den Anschein, als sei hier seit den 80er Jahren die Zeit stehen geblieben. Lediglich am nicht allzu hohen Staub auf den Fensterbänken lässt sich ablesen, dass zumindest irgendwann seit der Jahrtausendwende mal geputzt worden sein muss. Vielleicht wurden die Staubtürme aber mit der Zeit auch einfach von selbst langsam abgetragen.
Sonnenuntergang in Lido di Camaiore
Am Nachmittag brechen wir wieder auf und machen uns auf den Rückweg nach Lido di Camaiore, wo wir den Sonnenuntergang am Strand verbringen wollen. Wo sich im August Liegestuhl an Liegestuhl reiht, herrscht an diesem Oktoberabend Trostlosigkeit. Längst sind die Menschenmassen, die sich hier in der Hauptsaison über die Füsse stolpern und mich davon abhalten, jemals freiwillig solch einen kommerzialisierten Strand im Sommer aufzusuchen, wieder abgereist. Für das Auge ist die ins Mittelmeer zu fallende Sonne an diesem Tag zwar schön anzusehen. Zum Fotografieren eignet sich der Ort mangels interessantem Vordergrund aber weniger. So belasse ich es bei einigen Dokumentationsaufnahmen, bevor es zurück Richtung Hotel geht.
Alle Wege führen nach Rom
Nach einem erneut hervorragenden Frühstück in der Casa Grischuna packen wir schon fast etwas wehmütig unsere Koffer für die Weiterreise nach Rom. Wir werfen einen letzten Blick auf das Haus mit den babyblauen Fensterläden, ehe uns das Navigationsgerät die weitere Route vorgibt. Eigentlich völlig unnötig, denn bekanntermassen führen ohnehin alle Wege nach Rom.
Nur nicht ins Hotel Mediterraneo, wie wir einige Zeit später feststellen müssen. Überhaupt fällt schon zu diesem Zeitpunkt auf, dass die römischen Verkehrsverhältnisse – vorsichtig ausgedrückt – gewöhnungsbedürftig sind. Der Anteil derer, die sich beim Auto-, Strassenbahn- oder Vespafahren auf göttlichen Beistand verlassen, ist erschreckend hoch. Nach einigem hin und her landen wir aber schliesslich doch noch an der richtigen Ecke der Via Cavour und parken mangels Alternativen vorübergehend direkt vor der Hotellobby.
Dort findet sich zur selben Zeit auch der mit dem Bus vom Flughafen angereiste Rest unserer Gruppe ein. Während sich mein Vater rührend um den Empfang der frisch Eingetroffenen kümmert, laden wir die Gepäckstücke aus dem Auto aus. Dieses wird sogleich von einem eifrigen Hotelangestellten in Beschlag genommen, der es für die nächste Woche in einer nahegelegenen Tiefgarage abstellt.
Wie Heinz Becker auf Busfahrt nach Lourdes
Wenige Minuten später treffe ich in meinem Zimmer ein und stelle zunächst fest, dass sich mit meiner Karte das Licht nicht anschalten und die Klimaanlage im Gegenzug nicht ausschalten lässt. Nach einigen zunächst erfolglosen Versuchen brennt schliesslich zumindest die Deckenlampe. Die Klimaanlage, die scheinbar seit Stunden auf vollen Touren läuft, schaltet sich aber nach dem Abstellen noch immer automatisch wieder ein. Für eine Nachfrage bei der Rezeption bleibt aber zunächst keine Zeit, da wir uns zum Mittagessen verabredet haben, bevor das offizielle nachmittägliche Besichtigungsprogramm auf dem Plan steht. Hach ja. Im Moment fühle ich mich wie Heinz Becker auf Busfahrt nach Lourdes.
Das dank der desorganisierten Bedienung wenig zügige, dafür aber dank des Sitzplatzes unter Arkaden zugige Mittagessen auf dem Bahnhofsvorplatz ist weder geschmacklich ein Genuss noch anderweitig angenehm. Permanent versuchen Strassenverkäufer verzweifelt, uns einen Selfie-Stick anzudrehen. Dennoch tut die kurze Pause gut, damit wir kurze Zeit später das straffe Besichtigungsprogramm in Angriff nehmen können.
Chiesa di Santa Maria Maggiore
Nach den einführenden Worten unseres Reiseleiters und Saarbrücker Dechants, Benedikt Welter, nehmen wir die erste von vier Kirchen für den heutigen Tag in Beschlag. Kirchen werden auch in den nächsten Tagen noch einen beträchtlichen Teil unserer Besichtigungen einnehmen, denn hochoffiziell befinden wir uns auf einer Pilgerreise. Für mich eine eher ungewöhnliche Situation. Wer behauptet, ich könnte alle Kirchen, die ich von innen gesehen habe, an einer Hand abzählen, der hat nicht ganz Unrecht. In Rom soll sich das ändern. Und die imposante Chiesa di Santa Maria Maggiore ist dafür ein standesgemässer Auftakt.
Beeindruckt von der Architektur der Kirche, den unzähligen Deckengemälden und dem riesigen Innenraum verlassen wir nach einer knappen halben Stunde und um viel Detailwissen reicher Santa Maria Maggiore und brechen zu den beiden nächsten Kirchen, San Prassede und San Pietro in Vincoli auf.
Fori Imperiali zur blauen Stunde
Langsam aber sicher macht sich jedoch eine gewisse Müdigkeit bei mir bemerkbar, sodass ich den Erzählungen unserer Reiseleitung nur noch eingeschränkt folge und mich speziell beim anschließenden Spaziergang durch die Fori Imperiali eher dem Fotografieren widme. Jetzt, zur blauen Stunde bei idealen Lichtverhältnissen und interessanten Wolkenformationen am Himmel hält einen passionierten Landschaftsfotografen sowieso nicht vieles vom Auslösern fern ;-) . Ich ärgere mich darüber, dass ich mein Stativ im Hotel gelassen habe, finde aber glücklicherweise die eine oder andere Ablage, um während unseres Marsches ein paar Langzeitbelichtungen zu machen.
Die gewaltige Architektur des Pantheons
Nach der Besichtigung der Chiesa di San Sopra Minerva folgt das Pantheon. Ein klingender Name, den ich zwar zuvor schon einmal gehört habe, doch noch verbinde ich mit der Bezeichnung nichts spezielles. Das ändert sich an diesem Vorabend. Schon der Vorplatz mit Brunnen sowie der Eingangsbereich mit seinen hohen Säulen sind imposant. Übertroffen wird all das aber, wenn man im Inneren des Bauwerks voller Ehrfurcht auf die gewaltige Kuppel schaut, die sich mit einem Durchmesser von rund 40 Metern über dem Pantheon erstreckt. Inmitten der Kuppel findet sich eine kreisrunde Öffnung, die neben dem Eingangsbereich die einzige Lichtquelle der Kirche darstellt. Bei der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit kommt die Öffnung aber eher einem schwarzen Loch gleich. Und sorgt dafür, dass man sich plötzlich ganz klein und unbedeutend fühlt.
Den Abschluss findet der erste Tag Rom in einer geselligen Runde im Restaurant Il Giardino unweit des Pantheons mit einem (fast schon zu) ausgiebigen Abendessen. Völlig platt von den anfänglichen Strapazen und den vielen neuen Eindrücken falle ich müde ins Bett und merke dabei gar nicht, dass die Klimaanlage immer noch auf vollen Touren läuft.
Früher Aufbruch zur Villa Borghese
Erst als am nächsten Morgen der Wecker klingelt, wache ich etwas unterkühlt auf und geniesse zunächst einmal eine heisse Dusche. Sofern man um 6.45 Uhr überhaupt irgendetwas geniessen kann. Schon um 7.15 Uhr geht es an diesem Morgen mit dem Bus zur Villa Borghese im Norden der Stadt, was mich schon wieder daran zweifeln lässt, ob ich hier wirklich richtig bin. Ausser um Sonnenaufgänge oder die Milchstrasse zu fotografieren bin ich um diese Zeit wohl noch nie freiwillig aus den Federn gekrochen. Zu allem Übel finde ich dann im Halbschlaf auch nicht den richtigen Frühstückssaal und freilich vergesse ich natürlich auch, mich an der Rezeption wegen der defekten Klimaanlage zu melden.
Wie man in Rom die Strasse überquert, habe ich inzwischen gelernt. Man geht einfach, auch wenn man gegen die Autos vermeintlich der schwächere Kontrahent ist. Aber es funktioniert entgegen meiner ursprünglichen Einschätzung bestens. Die römische Verkehr basiert auf der Grundregel einer gegenseitigen Rücksichtnahme. Das sorgt dafür, dass jeder halbwegs aufmerksam zur Sache geht. Und trotzdem ist Rom statistisch gesehen die Grossstadt mit den meisten Verkehrstoten in Europa. Vielleicht hat die steife deutsche Ordnung doch eine gewisse Berechtigung.
Wie man in Rom Bus fährt, auch das stellt sich nicht als grosse Kunst heraus. Genau genommen funktioniert es wie auf dem Weg zur Uni. Wenn der Bus voll ist einfach von aussen drücken. Allerdings tut man gut daran, seine Wertsachen mehr als üblich im Auge zu behalten.
Als Kunstbanause durch die berühmteste private Kunstsammlung der Welt
Angekommen in der Villa Borghese stellen wir fest, dass unsere Tickets für die Galleria Borghese erst einen Einlass ab 9 Uhr zulassen. So mache ich mich erst einmal auf die Suche nach etwas Essbarem, finde in einem kleinen Café aber nur einen klebrigen Muffin, der definitiv nicht in letztgenannte Kategorie fällt. Die Führung durch die Galleria Borghese, einer der wertvollsten und wohl auch berühmtesten privaten Kunstsammlungen der Welt, beginnen wir aufgrund des strengen Zeitreglements pünktlich um 9 Uhr.
Als (offen geständiger) Kunstbanause sind mir die zwei Stunden dann aber doch etwas zu viel des Guten. So bin ich nicht allzu traurig, als wir von einer automatischen Durchsage unhöflich aber bestimmt zum Verlassen der Galleria aufgefordert werden und unseren Weg zu Fuss über den Pincio hinab zur Piazza del Popolo fortsetzen. Der weitere Weg führt uns schliesslich durch die Via del Corso zur bekannten Spanischen Treppe, wo sich unsere Gruppe aufteilt und wir in der Nähe unseres Hotels eine kleine Mittagsrast einlegen. Mit deutlich mehr Erfolg als am Vortag. Diesmal können wir die erste echte italienische Steinofenpizza geniessen. Natürlich nicht ohne die obligatorische und fortwährende Frage, ob wir denn nicht doch endlich einen Selfie-Stick kaufen wollen.
Lost in Rome
Um eine Kirchen-Überdosis zu vermeiden, klinke ich mich am Nachmittag nach der Besichtigung der Chiesa di Santa Maria della Vittoria aus dem gemeinsamen Programm vorübergehend aus. Stattdessen mache ich mich auf zum Ufer des Tiber, wo ich mir bei einbrechender Dunkelheit ein paar schöne Fotomotive erhoffe. Vorbei am Trevibrunnen, der derzeit saniert wird, eile ich durch mal kleine, mal grössere Gassen, bis ich schliesslich trotz Stadtplan die Orientierung verliere.
Irgendwie finde ich dann aber doch noch den Tiber, wenn auch an ganz anderer Stelle als geplant, und beginne mit einigen Langzeitbelichtungen entlang der vielen Brücken mit Blick auf den Petersdom oder die Engelsburg. Hier mache ich dann auch die Erfahrung, dass einen die Selfie-Stick-Fetischisten in Ruhe lassen, wenn man die Spiegelreflex im Anschlag hält. Keine schlechte Verteidigungsmassnahme!
Gegen 19.30 Uhr treffe ich im Restaurant Orso 80 wieder auf den Rest der Gruppe, wo wir einen lustigen – und für die am Tisch vis-à-vis sitzende französische Reisegruppe zu lustigen – Abend mit abermals reichhaltigem Menu verbringen.
Schon wieder Kunst im Palazzo Doria Pamphili
Dankenswerterweise beginnt das Programm am nächsten Morgen erst um 9 Uhr, sodass wir es etwas entspannter angehen lassen können. Zum ersten Mal komme ich nun auch in den Genuss eines Frühstücks im Hotel, welches sich aber nach dem so positiven Ausreisser in Viareggio wieder auf italienischem Standardniveau bewegt. Warum die Italiener so eine grandiose Küche haben, aber das Frühstück einfach nie auf die Reihe bekommen? Ich werde es nie verstehen.
Mit der Metrolinie B geht es einige Stationen nach Süden zum Colosseum, welches wir aber nicht näher zu Gesicht bekommen. Der Rest der Reisegruppe hat die Standard-Sehenswürdigkeiten bereits während einer früheren Reise kennen gelernt. So machen wir uns gleich zur Chiesa di San Clemente auf. Das Colosseum wollen wir am letzten Tag unseres Aufenthalts in Rom noch einschieben.
Nach einem ausgedehnten mittäglichen Spaziergang entlang der Fori Imperiali und einer ausgezeichneten Pizza im Slow-Food-Restaurant Obicà steht für den Nachmittag die Besichtigung des Palazzo Doria Pamphili auf dem Programm. Die Kunstsammlung ist zweifelsohne beeindruckend, aber ich bin ehrlich. So wirklich kann ich mit den Gemälden und verbogenen Kerzenständern nichts anfangen ;-) . Aber chaqu’un à son goût, rostige Seilbahnmasten und verlotterte Fundamente aufzuspüren ist auch nicht jedermanns Sache :-) .
Erkundungen ausserhalb der Stadtmauern von Rom
Auch am nächsten Morgen beginnen wir gegen 9 Uhr mit unserem ersten Programmpunkt, der Besichtigung der Chiesa di San Agnese fuori le mura. Wie der Name bereits erahnen lässt, befindet sich das Bauwerk ausserhalb der teilweise noch vorhandenen römischen Stadtmauern. Beeindruckend ist auch die nachfolgende Besichtigung der Priscilla-Katakomben, einer frühchristlichen Grabkammer, die hier bei Weinanbauarbeiten im 16. Jahrhundert zufällig entdeckt wurde.
Durch die Vatikanischen Museen über den Petersplatz
Höhepunkt des Tages stellt aber zweifelsohne die Besichtigung der Vatikanischen Museen am Abend sowie der anschliessende Spaziergang über den Petersplatz dar. Auch wenn ich mich beim Anfertigen der Fotos sputen muss, entstehen einige interessante Aufnahmen vom nächtlichen und nahezu leergefegten Petersplatz.
Abenteuerlich gestaltet sich auch die Rückfahrt ins Hotel. Weil die Metro an diesem Abend wegen Bauarbeiten den Betrieb bereits früher als üblich einstellt, müssen wir mit dem Bus zurück in die Via Cavour fahren. Kein leichtes Unterfangen, denn um diese späte Zeit ist Rom wie ausgestorben. Nicht einmal mehr Selfie-Sticks werden angeboten. Nach einigen holprigen Fahrten im Bus, zwei Mal umsteigen und einem kurzen Fussmarsch erreichen wir aber schliesslich doch noch unser Domizil.
Spaziergang über die Piazza Navona zum Tiber
Der folgende Samstag begrüsst uns erneut mit strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen bei einem Spaziergang über die Piazza Navona. Bekannt ist der Platz vor allem für seinen von Gian Lorenzo Bernini angelegten Vierströmebrunnen, dessen Figuren um einen Obelisken herum die grössten Ströme der zur Bauzeit im 17. Jahrhundert bekannten vier Kontinente stilisieren. Zwei weitere Brunnen am Nord- und Südrand der Piazza Navona sowie die markante Kirche Sant’Agnese in Agone machen den Platz zu einem der wohl meistfotografierten Motive Roms. Gepaart mit den zahlreichen Cafés, die sich entlang der Häuserfassaden reihen, und der entspannten Atmosphäre zählt der Platz auch für mich definitiv zu den schönsten Flecken der Stadt.
Der Rest der Reisegruppe findet sich nach dem Gang über die Piazza Navona zu einer Besichtigung des MAXXI-Museums für Kunst des 21. Jahrhunderts zusammen. Meine Eltern, meine Schwester und ich setzen uns an diesem Vormittag jedoch von der Gruppe ab, da uns zum einen die Kunst des 16. Jahrhunderts noch mehr als präsent ist und wir zum anderen mit dem Colosseum gerne noch eine der typischen Sehenswürdigkeiten Roms besichtigen wollen, die ein Grossteil der Reisegruppe schon gesehen hat.
So setzen wir unseren Weg von der Piazza Navona zunächst Richtung Nordwesten ans Tiberufer fort. Dort laufen wir nach einem Spaziergang über die Engelsbrücke entlang des Flussufers bis hin zur Tiberinsel. Am Circus Maximus vorbei und unter dem Konstantinbogen hindurch nehmen wir Kurs auf das Colosseum, wo wir gleich einmal von den am Eingang wartenden Menschenmassen überrascht werden. Dass wir nicht einfach hereinspazieren können, haben wir uns schon gedacht. Dass es aber gleich so viele sein würden, das erstaunt uns doch sehr.
Dubiose Vorfälle am Colosseum
Plötzlich spricht uns jedoch eine Frau an, die uns Karten für eine Führung durch das Colosseum andrehen will. Die Führung würde gerade beginnen und es seien noch einige Plätze frei. Wir sollten also gleich zuschlagen, damit wir noch mitkommen können, erklärt sie uns in gebrochenem Englisch. Da die Dame nicht gerade den Anschein erweckt, für irgendeine offizielle Institution zu arbeiten, erscheint mir die Sache äusserst dubios.
Merkwürdig ist zudem, dass wir mit der Gruppe angeblich ohne Aufpreis an allen wartenden Personen an der Kasse vorbeispazieren dürfen. Wenn wir ihrem Kollegen, der in diesem Moment wie aus dem Nichts erscheint, das Geld in bar zustecken, ohne dafür eine Quittung oder eine Eintrittskarte zu erhalten. Hier ist doch irgendetwas faul? Einzig, dass rund 20 Meter von uns entfernt tatsächlich eine Frau mit quäkender Stimme einer Gruppe etwas über das Colosseum berichtet, lässt unsere Skepsis ein wenig weichen. Aber ernsthaft, eine derart unprofessionelle Handhabung an einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Welt?
Mein Vater ist von der Idee jedenfalls begeistert und sagt schliesslich für uns vier Personen zu. Wir bezahlen die „Eintrittskarten“ und schliessen uns der Führung an. Zu meinem Erstaunen dürfen wir dann tatsächlich ohne Probleme die Sicherheitskontrolle passieren und stehen wenige Momente später gemeinsam mit den anderen Führungsteilnehmern inmitten des Colosseums. Mir soll es egal sein, aber hier fliessen doch garantiert nicht alle Einnahmen durch die offizielle Buchhaltung :-D .
Die Führung ist jedenfalls durchaus unterhaltsam. Nach Ende des etwa einstündigen Vortrags dürfen wir uns für unbegrenzte Zeit noch im Colosseum aufhalten. Ich nutze die Zeit noch für ein paar Fotos, ehe wir uns zum Ausgang bewegen und eine Mittagspause einlegen.
Über den Dächern von Rom
Das Abendessen ist bereits das letzte gemeinsame unserer Reisegruppe, welche sich am folgenden Morgen wieder zum Flughafen aufmacht. Wir wollen noch einen weiteren Tag in Rom verbringen, ehe es durch die Toskana ebenfalls wieder nach Hause gehen soll. Aufgrund der Wetterprognosen entscheiden wir uns dazu, entgegen unserer ursprünglichen Planung nicht in die nördliche Toskana und eventuell nach Elba zu fahren, sondern mit Siena noch eine weitere bekannte Stadt in den beiden folgenden Tagen zu besichtigen.
Den letzten Tag in Rom verbringen wir jedoch zunächst damit, gemütlich noch einmal entlang der schönsten Gassen zu flanieren und mit dem Monumento a Vittorio Emanuele II noch ein weiteres bekanntes Bauwerk der Stadt zu erklimmen. Das pompöse und irgendwie stilistisch zum Rest unpassende Gebäude befindet sich am Ende der Via del Corso an der Piazza Venezia. Von unten betrachtet keine Augenweide bietet es vom öffentlich zugänglichen Dach einen grandiosen Rundumblick auf Rom und seine antiken Bauwerke. Beworben wird der Ausblick als der schönste in Rom. Vermutlich, weil man das Gebäude, auf dem man steht, ja beim Ausblick nicht sieht.
Fotojagd am Colloseum
Ein Fotomotiv, das wohl in keinem Rom-Fotoalbum fehlen darf, möchte ich an diesem letzten Abend noch auf den Sensor meiner Kamera bannen. Bei Tageslicht war das Colosseum am Vortag derart überlaufen, dass von aussen eigentlich keine Möglichkeit bestand, eine Aufnahme ohne durchs Bild laufende Personen anzufertigen.
Nun, bei Dunkelheit, sieht die Sache schon viel besser aus. Zwar ist der Platz vor dem Colosseum immer noch gut gefüllt, bei Belichtungszeiten um 30 Sekunden ist von den Personen aber am Ende nicht mehr viel zu sehen. So fahre ich vor dem Abendessen schnell noch einmal zwei Stationen mit der Metrolinie B zur Station Colosseo und suche nach einem geeigneten Platz, wo ich mein Stativ aufstellen kann. Es dauert eine Weile, bis ich eine zufriedenstellende Perspektive gefunden habe. Schlussendlich stelle ich mich einfach auf die Strasse, wo ich zwar nach einiger Zeit von den Carabinieri verscheucht werde, aber mein Foto habe ich längst im Kasten.
Von Rom zurück in die Toskana nach Siena
Am Morgen der Abreise aus Rom lassen wir ein letztes Mal das dürftige Frühstück im Hotel über uns ergehen und freuen uns darüber, dass unser Auto ohne Blessuren aus der unbekannten Tiefgarage wieder auferstanden ist. Wir verlassen Rom zunächst auf demselben Weg, den wir eine Woche zuvor in die andere Richtung gefahren sind und folgen nach etwa zwei Stunden Fahrt den Wegweisern nach Siena.
Während sich das Wetter zum ersten Mal seit Tagen während der Fahrt nicht von seiner sonnigen Seite zeigt, erwartet uns am Nachmittag in Siena schon wieder blauer Himmel. Noch immer etwas müde von den zahlreichen Erlebnissen und Eindrücken der Vortage beziehen wir unsere Zimmer in einem kleinen Hotel am Stadtrand von Siena und erkunden am Nachmittag die nähere Umgebung. Bei einer kleinen Rast in einem sehr netten Restaurant im westlichen Teil der Innenstadt probiere ich erstmalig die lokale Pasta-Spezialität Pici, einer Art dicke Spaghetti, aber aus Hartweizengries hergestellt. Sehr empfehlenswert!
Duomo di Siena und Piazza del Campo
Die beiden wohl be- und markantesten Sehenswürdigkeiten der mittelalterlichen Stadt sind zweifelsohne der Dom von Siena sowie der Torre del Mangia, der höchste Turm der Stadt, der sich an der Piazza del Campo befindet. Auf diesem Platz im Zentrum der Stadt findet zwei Mal jährlich das populäre Pferderennen Palio di Siena statt, bei dem seit dem Mittelalter die 17 Stadtteile Sienas gegeneinander antreten.
An diesem Tag geht es auf dem Platz jedoch deutlich ruhiger zu und her als während des Pferderennens und so lassen wir den Abend in einem der gemütlichen Restaurants an der Piazza del Campo ausklingen. Ein wenig Erholung kommt uns nach der intensiven Woche in Rom gerade recht. Ganz ohne fotografieren geht es dann aber natürlich doch nicht. So fertige ich noch einige Nachtaufnahmen von den hell erleuchteten Bauwerken der toskanischen Stadt an.
Mittelaltertour nach San Gimignano
Am zweiten Tag unseres Aufenthalts in der Toskana machen wir uns auf den Weg ins nahegelegene San Gimignano, einem der wohl berühmtesten Touristenmagnete der Region. Der mittelalterliche Stadtkern darf sich seit Ende des 20. Jahrhunderts zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen und ist mit seinen markanten Geschlechtertürmen der einst hier ansässigen Patrizierfamilien schon von weit her sichtbar.
Obwohl uns inzwischen die aus Norden angekündigte Schlechtwetterfront eingeholt hat, lassen wir uns trotz einiger Regentropfen die Stimmung nicht vermiesen. Wir besteigen unter anderem einen der höchsten Türme der Stadt, den Torre Grossa. Von hier aus geniessen wir ein grandioses Panorama auf die umliegenden Städte und dürfen die herbstlich-bunte typische Hügellandschaft der Toskana bestaunen.
Zurück in die Natur
Überhaupt sind wir nach dem städtischen Leben in Rom froh, wieder einmal etwas mehr Grün sehen zu können. Auch die Selfie-Stick-Verkäufer, den römischen Verkehr und die typische Hektik einer Grossstadt vermissen wir im beschaulichen San Gimignano nicht. Inzwischen, Ende Oktober, neigt sich die Touristensaison hier langsam aber sicher dem Ende zu, sodass der Ort keineswegs überlaufen ist und wir an vielen Ecken ganz ungewohnt unsere Ruhe geniessen können.
Zweifelsohne ist Rom eine der schönsten Städte, die ich je bereist habe und sicher war es auch eine der intensivsten und spannendsten Reisen der jüngeren Vergangenheit. Dennoch, oder gerade deshalb, fällt uns die Entscheidung, an den verbleibenden beiden Urlaubstagen noch weiter durch die Toskana zu reisen oder etwas frühzeitig den Heimweg aufzusuchen, nicht sonderlich schwer. Theoretisch hätten wir mit Pisa und Florenz noch zwei weitere – sicher sehenswerte – toskanische Städte in der Nähe.
Doch sowohl die körperlichen Strapazen (insgesamt haben wir in Rom rund 120 Kilometer Fussmarsch bewältigt) als auch die unzähligen Eindrücke, die wir erst noch verarbeiten müssen, lassen den Wunsch nach etwas Ruhe aufkommen. So entschliessen wir uns, Italien am nächsten Tag den Rücken zu kehren und über die Alpen mit einem kurzen Zwischenstopp wieder in Richtung Heimat aufzubrechen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.