Über Nacht ist erstaunlich wenig Verkehr auf der Straße nach Odda, sodass ich trotz nach wie vor heller Nacht recht gut schlafen kann und am nächsten Morgen wieder einmal von der Sonne geweckt werde. Warum um alles in der Welt scheint die Sonne hier immer nur kurz am Morgen? Aber wie auch immer. Das gute Wetter muss natürlich ausgenutzt werden und so breche ich gegen 8.30 Uhr auf und mache mich auf den Weg weiter in Richtung Norden. Wie angekündigt verschlechtert sich das Wetter schon nach kurzer Zeit wieder, womit ich wieder vor der alltäglichen Frage stehe. Was soll beziehungsweise was kann ich heute machen?
Morgendlicher Zwischenstopp am Låtefossen
Einen ersten Zwischenhalt lege ich noch vor Odda an einem recht imposanten Wasserfall ein. Irgendwie ist es ja kein Wunder, dass die Wasserfälle hier so viel Wasser führen. Wenn es immer nur regnet! Die Fjordlandschaft rund um Odda ist an diesem Morgen eine Augenweide. Nur leider ergeben sich nur selten Möglichkeiten zum Anhalten auf den kurvenreichen Landstraßen. Flankiert wird der Fjord auf der Westseite vom 2.000 Meter höher gelegenen Folgefonna-Gletscher, der durch die inzwischen bereits zahlreichen grauen Wolken hervorlugt.
Für den morgigen Samstag habe ich auf diesem Gletscher eigentlich einen Skitag vorgesehen. Am nördlichen Ende befindet sich nämlich ein reines Sommerskigebiet, bestehend aus einem Schlepplift. Jedes Jahr wird der Lift im Frühling aus den winterlichen Schneemassen ausgegraben und bietet gute Pistenverhältnisse bis in den September hinein. Folgefonna ist damit neben Stryn und Galdhøppigen eines von drei Sommerskigebieten in Fjordnorwegen. Auch in letztgenanntem will ich im weiteren Verlauf der Reise noch vorbeischauen. Stryn hat dagegen den Betrieb schon Anfang Juli eingestellt.
Am Sørfjord entlang nach Utne
Doch leider ist die Wetterprognose für den Samstag eher durchwachsen. Soll ich es also stattdessen heute noch probieren? Andererseits sprechen die aufziehenden Wolken nicht unbedingt dafür, dass es heute bedeutend besser sein wird. So nehme ich erst einmal die etwas längere Route über Utne, statt durch den Tunnel nach Jondal abzukürzen. So gewinne ich noch einige Eindrücke von den Fjorden, die trotz des inzwischen grauen und eintönigen Himmels ein paar Fotos wert sind.
War die Straße bis Utne, seines Zeichens Ausgangspunkt von zwei Fähren, noch gut ausgebaut, so ist die Seite westlich des Folgefonna nichts weiter als eine kleine Gebirgsstraße. Mitunter geht es gerade einmal mit 40 km/h im Schnitt vorwärts, sodass sich meine berechnete Ankunftszeit am Folgefonna weiter und weiter nach hinten verschiebt. Gegen 11.20 Uhr erreiche ich schließlich die Ortschaft Jondal, von der aus die Straße zum Folgefonna abzweigt. Zu meinem Erstaunen befinden sich hier, auf der Westseite des Folgefonna-Massivs, weitaus weniger Wolken als an der Ostflanke. Ich werde es dann eben versuchen, auch wenn das Wetter nicht optimal ist. Morgen wird es voraussichtlich ja eher noch schlechter sein.
Von Jondal zum Folgefonna Sommarskisenter
Wirklich weit komme ich aber zunächst nicht. Ein Bagger versperrt die Straße kurz vor dem Ortsausgang. Der Baggerführer gräbt in einer Seelenruhe ein wenig Erde am Straßenrand ab. Sinn und Zweck der Aktion unbekannt. Mir wäre es auch egal, würde mich das Ganze nicht weitere 15 Minuten kosten, bis der Herr endlich ein Einsehen hat und mich sowie rund ein halbes Dutzend weitere wartende Fahrzeuge endlich vorbeilässt.
Rund fünf Fahrminuten später muss ich dann erneut anhalten, diesmal an einer Schranke, die ich aber bereits erwartet habe. Die Gebirgsstraße zum Folgefonna-Gletscher ist gebührenpflichtig und so gelangt man nur mit einem um 100 NOK leichteren Geldbeutel nach oben. Für die äußerst happige Maut ist die Straße allerdings in einem erbärmlichen Zustand. Die Schlaglöcher sind so tief, dass man permanent wachsam bleiben muss, um sich nicht noch einen Schaden am Fahrzeug zu holen.
Um von der Meereshöhe zum Gletscher zu gelangen, sind einige Höhenmeter zu bewältigen. Mein treues Gefährt kommt ganz schön ins Schnaufen auf der engen, kurvigen und unebenen Straße, doch wir erreichen beide unversehrt nach etwa 20 Minuten Fahrzeit das Folgefonna Sommarskisenter mit kleinem Restaurant, Skiverleih und – natürlich – dem Schlepplift. Das Wetter ist zwar nicht berauschend, der Himmel ist bedeckt, aber immerhin regnet es nicht und die Sicht auf der Piste scheint ebenfalls in Ordnung zu sein.
Bis ich umgezogen bin, vergehen nochmal ein paar Minuten, aber ziemlich genau um 12 Uhr bin ich dann parat für den Saisonauftakt 2016/2017. Ich löse eine Drei-Stunden-Karte, denn länger werde ich es an dem einen Lift wohl eh nicht aushalten. Und ob das Wetter so lange mitspielt, ist auch nicht sicher. Hier werde ich dann nochmal 320 NOK los. 44 € Maut und Skipass für drei Stunden Skifahren an einem Lift. Mein lieber Herr Gesangsverein!
Sommerski mit Blick aufs Meer
Aber für den Preis erhält man eine Kombination aus Skifahren und Panorama, die es so auf der Welt wohl kein zweites Mal gibt. Skifahren im Sommer mit Blick aufs Meer. Schon bei der ersten Abfahrt ist das trotz des durchwachsenen Wetters ein sagenhafter Anblick. Zumal man das Meer in Form mehrerer Fjorde sowohl westlich als auch südlich des Gebirgszugs erkennen kann. Da täuscht es auch darüber hinweg, dass die Schneeverhältnisse im Verlauf des Nachmittags kontinuierlich schlechter werden. Am Anfang gibt es noch butterweichen Firn, der sich aber nach einer handvoll Abfahrten in Sulz verwandelt. Aber hey, es ist Juli. Da geht das schon in Ordnung. Seit dem letzten Winter kann man die Ansprüche ohnehin nicht mehr allzu hoch schrauben …
Nach zwölf Fahrten habe ich dann genug. Eine oder zwei Fahrten wären sich zwar noch ausgegangen, aber inzwischen setzt wieder starker Regen ein, der dem Skivergnügen ein jähes Ende bereitet. So versuche ich, die Ski samt Zubehör halbwegs trocken wieder im Auto zu verstauen und lege vor der Talfahrt eine späte Mittagspause ein.
Langsam bin ich echt am überlegen, ob ich nicht doch schon früher wieder den Heimweg antreten soll. Wenn es wenigstens eine Chance auf besseres Wetter im Laufe der nächsten Tage gäbe. Aber egal wo in Norwegen und Schweden, überall soll es auf lange Zeit unbeständig und nass bleiben. Da hat es wahrlich wenig Sinn, die über 4.000 Kilometer bis hoch nach Narvik und auf die Lofoten zu fahren. Denn Wandern und Fotografieren, weswegen ich ja eigentlich dort hochfahren will, kann ich mir bei diesen Wetterverhältnissen abschminken. Vielleicht belasse ich es dann einfach bei einer Runde durch Fjordnorwegen. Wobei es aber auch hier nicht nach einer Wetterbesserung aussieht in nächster Zeit.
Erfolglose Suche nach einem Campingplatz
Kurz bevor ich mit Jondal wieder die Meereshöhe erreiche, biege ich von der Straße ab und folge dem Wegweiser zu einem Campingplatz, den ich mir bereits im Vorfeld herausgesucht habe. Nach dem Skifahren will ich mir schon den Luxus einer Dusche gönnen. Sollte ja relativ problemlos möglich sein, denke ich noch. Doch weit gefehlt. Das ganze scheitert an einem völlig trivialen Problem. Ich kann keinerlei Rezeption finden. Das ist mir nun wirklich noch auf keinem Campingplatz der Welt untergekommen, aber nirgendwo findet sich ein Hinweis oder eine Person, die man fragen könnte. Die wenigen Wohnwagen sind alle verwaist, lediglich das Toilettengebäude kann ich ausmachen. Pff, na dann fahre ich halt weiter. Wird schon noch ein anderer Platz kommen.
Dafür muss ich dann allerdings erst einmal eine weitere Fähre nehmen, denn mein weiterer Weg nach Bergen führt mich wieder einmal übers Wasser. Wieder an Land werde ich in Sachen Unterkunft aber nicht recht fündig. Dafür komme ich wie schon am Morgen wieder an einem äußerst imposanten Wasserfall vorbei, dem Steinsdalsfossen.
Immer weiter fahre ich Richtung Bergen und immer weiter sinken die Hoffnungen, noch einen Campingplatz zu finden. Nachdem ich schließlich einen Platz antreffe, der Sommerferien bis zum 29. Juli hat (Äh, hallo? Manche Dinge auf dieser Welt sind einfach unerklärlich …), beschließe ich, doch wieder einfach am Straßenrand zu übernachten. Ist zwar zum Davonlaufen, aber ich bin einfach zu müde, um noch großartig weiter zu fahren. Bleibt mir nur die Hoffnung, dass ich morgen in Bergen wenigstens ein bisschen was anschauen kann, ohne gleich wieder nass zu werden.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.