Als ich im Juli 2005 erstmals durch das Engelbergertal in den namensgebenden Ort am Ende jenes Tals fuhr, ahnte ich nicht viel davon, welch eine Fülle an Seilbahnen auf beiden Talseiten auf ihre Entdeckung warteten. Es war eine Zeit ohne adäquates Kartenmaterial, das einem die Suche nach Seilbahnen erleichtert hätte. Ohne ausführliche Berichte in einschlägigen Internetforen. Und ohne Informationen auf spärlichen Internetpräsenzen der Tourismusverbände. So jagte in Stans angefangen eine Überraschung die nächste, bis ich damals in Engelberg ankam.
Die Rede ist von jenen kleinen Pendelbahnen, die die beiden Talseiten des Engerbergertals säumen. Es sind derart viele Exemplare an unzähligen verschiedenen und versteckten Orten, dass ich im Sommer 2005 nur einen Bruchteil zu Gesicht bekam. Trotzdem war ich begeistert von den immensen Ausmassen dieser kleinen, privaten Transportmittel. Zu verdanken sind die kleinen Schmuckstücke drei Tüftlern aus dem Talboden. Remigi Niederberger, die Gebrüder Odermatt und Klemenz Mathis, die schon vor über einem Jahrhundert damit begannen, den Zugang zur Bergwelt mit ihren technischen Errungenschaften massiv zu erleichtern. Damals mit Wasserballast umweltfreundlicher als jedes Öko-Siegel des 21. Jahrhunderts als Zugang zu Weilern, Höfen und Almen erbaut, dienen viele der Bahnen heute in modernisierter Form auch dem Tourismus. Und das ganz ohne Massentauglichkeit.
Unzählige Seilbahnen auf beiden Seiten des Engelbergertals
Schon 2005 stand für mich fest, dass es irgendwann einmal wieder ins Engelbergertal gehen würde, um möglichst vielen dieser Bahnen einen Besuch abzustatten. Das Fahrterlebnis und das gesamte Ambiente ist nicht vergleichbar mit „normalen“ Skigebieten oder Bergregionen, in denen der Massentourismus Einzug gehalten hat. Ja selbst mit Regionen, die in den 70er Jahren stehen geblieben sind, kann man die Bahnen im Engelberger Tal nicht vergleichen. Eine solche Bahnfahrt ist ein einmaliges Erlebnis und eine Möglichkeit, die in diesem Umfang weltweit wohl nur die Zentralschweiz bietet.
Selbst einmal der Chef in der Kabine sein, selbst die Knöpfe drücken. Welcher Seilbahnfreund hat sich das nicht schon immer mal gewünscht, wenn der Kabinenbegleiter der geräumigen Grosskabine seine Schalter betätigt. Zwischen Dallenwil und Engelberg werden diese Träume wahr. Viele der kleinen Bahnen fahren auf Knopfdruck. Ohne Personal und ohne Fahrplan. Schon 2008 kam ich in den Genuss, im Kanton Uri zahlreiche dieser Kleinpendelbahnen zu besuchen. Im Herbst 2012 war es an der Zeit, die Nachbarkantone Nidwalden und Obwalden unsicher zu machen.
Einmal selbst Kabinenbegleiter sein
Als Termin wählten mein Vater, der mich wie schon im Winter im Wallis auf der Tour wieder begleitete, und ich einen Zeitraum Ende September – Anfang Oktober. In der Hoffnung, dass zu diesem Zeitpunkt möglichst eine Schönwetterperiode einsetzen würde. Dieses Mal wäre es für uns von grosser Wichtigkeit gewesen, mehrere Tage am Stück zumindest halbwegs passables Wetter zu haben. Wollten wir doch das Auto im Tal stehen lassen und uns anschliessend mit dem Rucksack auf eine vier- bis fünftägige Wanderung machen. Nicht ohne natürlich zwischen einzelnen Abschnitten auch einmal das eine oder andere Seilbahnexemplar zu testen.
Bislang hatten wir auf unseren gemeinsamen Touren nie mehr als eine Tageswanderung gemacht und waren am Abend stets wieder am Ausgangspunkt angelangt. Doch aufgrund der zahlreichen Wander- und Übernachtungsmöglichkeiten bot es sich an, eine klassische Rucksacktour im Herzen der Schweiz zu machen. Unser Wetterglück hatten wir allerdings offenbar schon im Wallis Anfang des Jahres aufgebraucht. So schien sich keine wirklich stabile Wetterlage im goldenen Herbst zu entwickeln. Daher beschlossen wir, auf gut Glück in die Zentralschweiz zu fahren und je nach Wetterlage zu entscheiden, ob wir zumindest für eine bis zwei Übernachtungen den Rucksack mitnehmen würden.
Aufbruch zum Wandern in die Zentralschweiz
Gesagt, getan. Und so begeben wir uns am Vormittag des 27. September 2012 vom Bündnerland auf die Reise in die Zentralschweiz, die uns zunächst am Nordufer des Vierwaldstättersees entlang führen soll. Das Wetter ist an diesem Donnerstag eher durchwachsen. Niederschläge sind allerdings nicht zu beklagen und für den Folgetag ist strahlender Sonnenschein angekündigt. Da wir beide den Weg von Brunnen am See entlang in Richtung Küssnacht noch nicht kennen, entscheiden wir uns für diese etwas längere Route und nicht für den direkten Weg durch den Seelisbergtunnel auf der Südseite des Vierwaldstättersees. Nicht zuletzt kommen mir dabei auch noch einige Seilbahnen vor die Linse. Diese sind nicht nur mir selbst unbekannt, sondern führen auch in einschlägig bekannten Foren eher ein Schattendasein.
Am Ufer des Vierwaldstättersees in Gersau.
Seilbahnen an der Rigi
Ein kurzer Abstecher führt uns zur Talstation der Pendelbahn Gschwänd-Rigi Burggeist, die gemeinsam mit einer weiteren Pendelbahn auf der anderen Bergseite ein kleines Skigebiet an der Rigi Scheidegg mit einem Skilift erschliesst. Erbaut wurde sie vom Hersteller Garaventa, der seinen Firmensitz Luftlinie nur wenige Kilometer entfernt besitzt.
Zwei dieser kleinen, scheinbar noch sehr neuen Kleinpendelbahnen der Firma Pfyl begegnen uns auf dem Weg zurück ins Tal. Ob diese auch offiziell für Personentransporte dienen, kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Die Konstruktion mit Dach lässt aber darauf schliessen.
Kleinpendelbahnen in Vitznau
Wenige Kilometer weiter westlich treffen wir in Vitznau auf zwei klassische Kleinpendelbahnen. Und damit auf eine erste Einstimmung auf das, was uns in den kommenden Tagen erwarten wird. Das Bild zeigt die Pendelbahn von Vitznau nach Hinterbergen, ein Produkt der Firma Niederberger.
Seit einiger Zeit ungleich berühmter ist die Pendelbahn von Vitznau zur Wissiflue. Zu verdanken hat sie die Berühmtheit einer kürzlich ausgestrahlten Folge der Krimi-Fernsehserie „Tatort“. Bei dieser spielte die Bahn mehr oder weniger den Hauptdarsteller. Und stellte gleichzeitig auch der mit Abstand interessanteste Bestandteil dieser eher durchwachsenen Folge dar. Technisch interessant an der Anlage ist die Tatsache, dass es sich um eine Einseilpendelbahn handelt, die von der Stahl- und Maschinenbau AG Horw erbaut und letztmals 1991 umfangreich durch die Firma Städeli saniert wurde. Sie ist übrigens im Schweizer Seilbahninventar aufgenommen.
Zwischenstopp in Küssnacht am Rigi
Den Zubringer von Weggis in das Hauptskigebiet an der Rigi, die allseits bekannte und berühmte Pendelbahn mit ihrer Betonstütze lassen wir rechter Hand liegen. Stattdessen machen wir uns auf zur Talstation einer weitaus weniger Beachtung findenden Bahn. Die Pendelbahn von Küssnacht zur Seebodenalp. Die recht flache Anlage stammt aus der Feder der Firma Küpfer und erschliesst im Winter ein kleines Skiaeral mit einem Schlepplift.
Talstation der Pendelbahn Küssnacht-Seebodenalp. Wie lange sich das kleine Gebiet wohl noch behaupten kann?
Den üblichen Feierabendverkehr in und rund um Luzern können wir leider nicht umgehen. So kommen wir etwas später als geplant in einem netten, kleinen Hotel zwischen Wolfenschiessen und Grafenort an. Dieses soll für die beiden kommenden Tage unser Ausganspunkt darstellen. Für den folgenden Tag planen wir beim angekündigten hervorragenden Wetter eine Rundtour von Wolfenschiessen über die Diegisbalm, die Eggalp und über das Wirzweli wieder ins Tal nach Dallenwil. Von dort aus soll es über die gegenüberliegende Talseite, Niederrickenbach und den Haldigrat wieder zurück nach Wolfenschiessen gehen. Da es aller Voraussicht nach der wettermässig beste Tag der Tour werden soll, versuchen wir, möglichst viele der kleinen Seilbahnen bereits an diesem Tag zu fahren. Das, da wir uns nicht sicher sind, ob diese bei Regen überhaupt in Betrieb sein würden.
Von Wolfenschiessen zur Diegisbalm
Der Wetterbericht hält, was er verspricht. So machen wir uns mit Kamera bewaffnet bei blauem Himmel und noch frischer, kalter Morgenluft auf den Weg. Die ersten 20 Minuten laufen wir mehr oder weniger eben entlang der Engelberger Aa, überqueren diese auf einer altehrwürdigen Holzbrücke, ehe wir die Talstation der ersten Bahn erreichen. Von der Nechimatt soll sie uns zur Diegisbalm befördern. Der letzte Umbau dieser heute sehr modern ausgestatteten Anlage datiert aus dem Jahr 2003. Sie kann heute vollautomatisch ohne anwesendes Personal bedient werden. Nach einigen Fotos wird die Bedienungsanleitung in der Talstation aufmerksam gelesen. Wobei die Steuerung der Bahn – salopp ausgedrückt – idiotensicher ist. Einsteigen in die Kabine, Türe schliessen und einmal den grünen Knopf drücken. Wenige Sekunden später schwebt die Kabine sanft aus der Talstation heraus empor in Richtung Stütze Nummer eins, die sich bereits fast 400 Höhenmeter oberhalb befindet.
Die Brücke, auf der wir die Engelberger Aa überqueren.
Die ersten Sonnenstrahlen erreichen den Talboden, wir erreichen die Talstation der Pendelbahn zur Diegisbalm.
Unterwegs in einer der beiden roten Kabinen der Pendelbahn zur Diegisbalm, hunderte Meter über dem Abgrund. Die Bahn stammt aus dem Hause Odermatt.
Steuerung in der Kabine. Viel kann man hier wirklich nicht falsch machen ;) .
An der Bergstation eröffnet sich uns bereits ein erster Blick in Richtung Titlis.
Mit der zweiten Sektion weiter zur Oberalp
Wer bislang aufmerksam mitgelesen hat, dem fällt auf, dass wir für die Fahrt noch gar nicht bezahlt haben. Dies tun wir in der Bergstation auf eine eher unkonventionelle Art und Weise. Personal ist ja schliesslich keines anwesend und einen Automaten, wie man ihn an anderen Bahnen antrifft, gibt es nicht. Hier wird voll und ganz auf die Ehrlichkeit der Bahnbenützer gesetzt. Gibt es doch ein einfaches „Kässeli“ in der Station, in der wir unseren Beitrag von fünf Franken pro Person entrichten. Schön, dass das offenbar so gut funktioniert!
Auf 1000 Metern Seehöhe ist jedoch noch nicht Schluss mit Seilbahn. Es folgt noch eine weitere Sektion zur Oberalp. Ebenso eine Pendelbahn mit vierplätzigen Kabinen, allerdings erbaut von der Firma Niederberger im Jahre 1973. Bedienung und Bezahlung erfolgt genau gleich wie auf der ersten Sektion, wenngleich es diesmal ein wenig länger dauert, bis sich die Kabine in Bewegung setzt. Da es sich um zwei verschiedene Eigner handelt, sind die Fahrpreise für jede Sektion separat zu entrichten.
Unterwegs im blauen Bähnli. Allerdings nicht nach Worb, sondern zur Oberalp ;) . Die erste Anlage auf dieser Strecke stammte aus dem Jahr 1925, erbaut von Klemenz Mathis. Wie nahezu bei allen heutigen für den Personentransport freigegebenen Anlagen wurden die Vorgänger meist mit Wasserballast angetrieben und wiesen offene Kabinen oder Plattformen auf, die sowohl für Personen- als auch Materialtransporte genutzt wurden.
Wanderung mit Blick auf den Titlis
Die Aussicht auf den Titlis ist bereits an diesem Punkt sensationell!
Fast 900 Höhenmeter haben wir per Seilbahn zurückgelegt, sodass es nun an der Zeit ist, selbst einmal ein wenig aktiv zu werden. Schliesslich läuft das Ganze unter dem Titel einer Wanderung. Weitere 250 Höhenmeter sind bis zu unserem nächsten Ziel und dem höchsten Punkt an diesem Vormittag, der Eggalp, zu überwinden. Die Wanderung eignet sich bestens zum leichten Einlaufen, führt doch eine Fahrstrasse gemächlich den Weg empor. Wir benötigen etwas weniger als die angeschriebenen 45 Minuten bis zum in 1600 Metern Höhe gelegenen Miserengrat. Hier geniessen wir einen traumhaften Ausblick auf den Wiesenberg, das Stanserhorn, den Pilatus und die Rigi.
Wieder in Richtung Tal mit der Luftseilbahn Langboden – Eggalp
Von hier gibt es zwei mögliche Seilbahnen, die man zur Talfahrt in Richtung Wirzweli aufsuchen kann. Einmal die direkte Verbindung von Hinter Gummen nach Wirzweli, andererseits die deutlich längere Pendelbahn nach von der Eggalp nach Langboden. Wir entscheiden uns für letztere Variante und laufen weitere zehn Minuten bis zur Bergstation der genannten Anlage. Im Gegensatz zu den beiden zuvor benutzten Pendelbahnen fährt diese Anlage nicht auf Knopfdruck, sondern wird von der Talstation aus bedient. Ein kurzer Anruf genügt, sodass sich die Kabine nach kurzer Zeit mit lautem Getöse in Bewegung setzt.
Wanderweg von der Oberalp zur Eggalp auf Höhe der Lochhütte.
Auf dem Miserengrat, im Hintergrund der Wiesenberg und der Ächerlipass, dahinter wiederum der Pilatus.
Wanderweg in Richtung Eggalp – wer genau hinsieht, erkennt bereits die Bergstation der Pendelbahn.
Herrliche Aussicht auf Wiesenberg, Stanserhorn und Rigi.
Eine Kabine der Pendelbahn Langboden-Eggalp in der Bergstation. Erbaut wurde die Anlage von der Firma Niederberger und ersetzte wie so oft einen Vorgänger mit offenen Kabinen.
Die Talstation der Anlage auf Langboden samt angrenzendem Restaurant. Die Anlage ist im Winter ebenfalls geöffnet und transportiert auch Wintersportler, die sich hier ergänzend zum Skigebiet im Bereich Wirzweli-Gummen austoben können. Präparierte Pisten gibt es keine, ebenso wenig kontrollierte Abfahrtsrouten – ein Skiberg, auf dem man noch völlige Freiheit geniessen darf!
Über saftige Wiesen zum Wirzweli
Der weitere Weg führt uns vom Langboden zum Wiesenberg. Da wir gut in der Zeit liegen, entscheiden wir uns spontan für einen Abstecher in das Skigebiet Wirzweli.
Das Skigebiet Wirzweli wird von Dallenwil aus mit einer Gruppenpendelbahn der Firma Garaventa erschlossen, die 2003 eine gewöhnliche Pendelbahn aus dem Hause Küpfer ersetzte. Als Beschäftigungsanlagen dienen zwei Skilifte. Darunter auch das letzte verbliebene Skilift-Exemplar der Firma Niederberger, die deren drei in Lizenz von Leitner am Wirzweli, in Niederrickenbach und in Emmetten erstellte. Parallel zum zweiten Skilift, Marke Gerhard Müller, verläuft die bereits angesprochene Pendelbahn Hinter Gummen von Niederberger. Von deren Bergstation kann auch die etwas abseits gelegene Anlage an der Eggalp per Ski erreicht werden. An der Bergstation der Gruppenpendelbahn Dallenwil-Wirzweli findet sich ein weiterer, einzelner Skilift von Garaventa. Ursprünglich führte er bis auf das nahegelegene Wirzwelihorn, inzwischen wurde er aber zur Anfängeranlage degradiert und massiv verkürzt.
Die Pendelbahn vom Wirzweli zur Gummenalp („Hinter Gummen“).
Der Skilift Eggwald von Niederberger – unverkennbar nach Plänen von Leitner – dahinter die Pendelbahn und der Skilift Gummen. Letzterer erhielt vor einigen Jahren einen neuen Seilscheibenausstieg der Firma Bartholet.
Die Talstation des Skilifts Wirzweli, die vermutlich in dieser Form erst beim angesprochenen Umbau erstellt wurde.
Nostalgie am Wiesenberg
Theoretisch hätten wir nun die Möglichkeit, direkt mit der Pendelbahn nach Dallenwil hinab zu fahren. Doch nun plötzlich eine derart moderne Anlage inmitten von Streichelzoo und Plastik-Kinderspielplatz zu benutzen, das wäre ein fürchterlicher Stilbruch! So entscheiden wir uns für die Fahrt mit einer weitaus interessanteren Anlage. Die Wahl fällt auf die altehrwürdige Pendelbahn vom Wiesenberg nach Dallenwil. In ihrer ersten Form wurde sie bereits 1934 eröffnet und erfuhr ihren letzten grossen Umbau 1972.
Vom Wirzweli zum Wiesenberg führt eine private Kleinseilbahn mit nur einer Kabine für drei Personen, die stützenlos einen tiefen Taleinschnitt überwindet. Da diese Bahn jedoch nur auf vorherige telefonische Anmeldung bedient wird und wir eine Fahrt im Vorfeld kurzfristig nicht organisieren konnten, machen wir uns zu Fuss auf zum Wiesenberg. Eine Dreiviertelstunde später erreichen wir unser Ziel, die Bergstation der Pendelbahn nach Dallenwil. Vier Personen Platz bietet eine der beiden blauen Kabinen und ungefähr eine ähnliche Anzahl an Zwischenausstiegen an Stützen besitzt die Bahn.
Talfahrt nach Dallenwil mit kompetentem Reiseführer
Es dauert einen Moment, bis wir das Telefon finden, um unsere Fahrt in der Talstation anzumelden. Wir steigen in die Kabine ein und wollen gerade die Tür schliessen, als ein etwa sechsjähriger Junge in die Station stürmt und sich gerade noch rechtzeitig zu uns in die Kabine gesellt. Wie sich herausstellt, ist Stefan mit der Bahn bestens vertraut und als es nach einer ganzen Weile immer noch nicht losgeht, ruft er gleich einmal in der Talstation an, um ein bisschen Dampf zu machen ;) . Er erzählt uns, dass er hier oben wohne und täglich mehrmals mit der Bahn fahre. Und kann vermutlich aus diesem Grund auch nicht verstehen, wieso da einer in der Kabine die Bahn so ausgiebig fotografiert ;) .
Blick vom Wiesenberg auf die Niederberger-Pendelbahn nach Unter Schwändli, rund 150 Höhenmeter unterhalb des Wirzwelis gelegen.
Kabine der Pendelbahn Dallenwil-Wiesenberg in der Bergstation.
Schon kurze Zeit nach unserer Fahrt setzt sich die Bahn, die sich offenbar grosser Beliebtheit erfreut, wieder in Bewegung.
Wechsel der Talseite in Dallenwil
Den ersten Teil unserer heutigen Wanderung haben wir bereits hinter uns, sodass wir uns nun aufmachen, um die gegenüberliegende Talseite zu erkunden. Rund einen Kilometer ebene Strecke bewältigen wir, ehe wir die Pendelbahn von Dallenwil nach Niederrickenbach erreichen. Die grösste Anlage des Tages, mit der wir eine Fahrt geplant haben. Gebaut wurde die Bahn 2008 von Bartholet. Die zweite grosse Pendelbahn der Firma, nachdem in Chur zwei Jahre zuvor das Erstexemplar entstand. 2005 durfte ich an dieser Stelle noch den Vorgänger aus dem Hause Garaventa fotografieren.
Kurz nach 13 Uhr erreichen wir die Talstation und sehen, wie uns die Kabine gerade vor der Nase wegfährt. So müssen wir auf die Fahrt eine halbe Stunde später warten. Das stört uns allerdings nicht wirklich. Eine kleine Pause kommt bei den inzwischen warmen Temperaturen im Tal gerade recht. Ich nutze die Zeit, um die Talstation ausgiebig zu fotografieren, ehe wir pünktlich um 13.30 Uhr nach Niederrickenbach schweben. Die Pendelbahn ist die einzige öffentliche Verbindung vom Ort ins Tal und ist daher auch den ganzen Tag dauerhaft im Einsatz.
Seilbahnen in Niederrickenbach
Als zweite Sektion führt eine weitere Pendelbahn hinauf zur Musenalp, die aber weder vom Zweck noch von der technischen Seite betrachtet irgendeine Gemeinsamkeit mit der ersten Sektion besitzt. Die spektakulär trassierte Anlage aus dem Hause Niederberger stammt aus den 90er Jahren. Sie wurde als Ersatz für den Vorgänger gebaut, dessen Bergstation abbrannte. Die Bahn dient in erster Linie der Anbindung der Musenalp an den Ort Niederrickenbach, wird aber auch von Touristen rege genutzt.
Ein Blick vom Parkplatz der Luftseilbahn Dallenwil-Niederrickenbach auf selbige, ganz oben am Horizont ist die erste Stütze der Pendelbahn zur Musenalp zu erkennen.
Talstation der Pendelbahn Dallenwil-Niederrickenbach.
Die spektakuläre Bahn zur Musenalp, die wir allerdings im Folgenden nicht befahren.
Mit der legendären Sesselbahn auf den Haldigrat
Dass wir die Bahn zur Musenalp nicht benutzen, hat nicht direkt etwas mit der Bahn zu tun. Es ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass nicht allzuweit entfernt eine weitere Anlage ihre Runden dreht. Zu dieser soll es als nächstes gehen. Gemeint ist die legendäre Sesselbahn zum Haldigrat, die 1965 gebaut und nach fast einem Jahrzehnt Stillstand 2005 als Gruppenumlaufbahn reaktiviert wurde. Sommer wie Winter ist dieses Unikum in Betrieb und erschliesst den 1935 Meter hohen Haldigrat. Abgesehen von zahlreichen Wandermöglichkeiten im Sommer, wie beispielsweise eine Begehung des Brisen, kann das Areal im Winter nach wie vor zum Skisport genutzt werden. Auf eigene Gefahr und ohne präparierte Pisten. Dass die Talstation der Sesselbahn auch ausschliesslich nach einem halbstündigen Marsch ab Niederrickenbach zu erreichen ist, verleiht dem Gebiet zusätzlichen Charme.
Auf dem Weg von Niederrickenbach zum Alpboden, wo sich die Talstation der Sesselbahn zum Haldigrat befindet.
Ein kurzer Anruf in der Bergstation genügt und schon setzt sich die Sesselbahn in Betrieb. Ursprünglich von Städeli gebaut führte Von Rotz 2005 den Umbau durch. Je nach Definition handelt es sich hier um die heute älteste noch erhaltene öffentliche Sesselbahn der Schweiz.
Nach einer rasanten Fahrt mit hoher Geschwindigkeit bremst die Anlage nach der Hälfte der Strecke ab. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich gerade zwei Gruppen in Tal- und Bergstation, während die vierte Gruppe unseren Sessel kreuzt.
Nach kurzer Zeit beschleunigt die Bahn wieder für die zweite Hälfte der Fahrt und wir gewinnen zügig an Höhe. Im Hintergrund bietet sich bereits ein hervorragender Ausblick auf die Musenalp und das Buochershorn.
Späte Mittagsrast auf dem Haldigrat
Relikte aus vergangenen Zeiten: Als Beschäftigungsanlage diente im ersten Leben des Skigebietes neben der Sesselbahn auch der Skilift Chäserstatt-Haldigrat von Garaventa, der allerdings bei der Reaktivierung 2005 nicht mehr weiter betrieben und in der Folge abgebaut wurde.
Die Bergstation der Sesselbahn auf dem Haldigrat. Offen und schlicht ausgeführt, befinden sich sowohl Antrieb als auch Abspannung doch in der Talstation.
Auf dem Haldigrat angekommen empfängt uns bereits die Wirtin des Berggasthauses, in welches sie uns sogleich begleitet, um den Fahrpreis zu kassieren. Wir machen auf der sonnigen und windgeschützten Terrasse des Restaurants unsere wohlverdiente Mittagsrast. Auch wenn es inzwischen alles andere als Mittag ist und wir noch einiges an Wegstrecke vor uns haben. Im Anschluss an den kleinen Imbiss mache ich mich nochmals auf zur Bergstation der Sesselbahn, die sich wenige Meter oberhalb des Restaurants befindet. Ich habe das Glück, dass ein weiterer Fahrgast gerade die Talfahrt antritt. Übrigens der einzige Gast ausser uns, den wir am Haldigrat angetroffen haben. So kann ich einige weitere Foto- und Filmaufnahmen dieser speziellen Sesselbahn aufzeichnen.
Sensationelle Aussicht auf den Vierwaldstättersee
Doch nicht nur die Sesselbahn, sondern auch die sensationelle Aussicht auf den Vierwaldstättersee, zahlreiche namhafte Berge und das Mittelland ist beeindruckend. Wir geniessen den Ausblick noch einige Minuten lang, ehe wir in Richtung Tal aufbrechen. Nicht jedoch in die Richtung, aus der wir gekommen sind, sondern entlang des Haldigrats hinab nach Brändlen. Dort soll uns nach voraussichtlich zähen 750 Höhenmetern Abstieg eine weitere Kleinpendelbahn wieder in die Nähe unseres Ausgangspunktes bringen. Zwei Stunden sind auf den Wegweisern angegeben, die die Wanderung in Anspruch nehmen soll. Wir sind aufgrund der Tatsache, dass wir bislang meist etwas schneller als die angegebenen Wegzeiten gewesen sind, optimistisch, dass wir Brändlen zügig erreichen und nicht allzu spät wieder in Wolfenschiessen sind.
Ausblick vom Haldigrat auf Stans mit Bürgenstock, Luzern und den Vierwaldstättersee.
Blick auf den Haldigrat mit dem Brisen im Hintergrund. Weiter oberhalb zweigt eine Route vom Grat ab und führt zur Bergstation der Kleinpendelbahn Spiss-Sinsgäu, mit welcher man in zwei Sektionen Oberrickenbach erreicht. Oberrickenbach steht auf unserer Tour auch noch auf dem Programm. Allerdings zu einem späteren Zeitpunkt und natürlich abhängig von den Wetterverhältnissen.
Panorama Richtung Klewenalp, dahinter die Rigi.
Der Ortsteil Fell von Oberrickenbach aus der Vogelperspektive. Zwei Anlagen sind hier zu sehen, vorne die Kleinpendelbahn Fell-Spiss von Niederberger, links dahinter die etwas grössere Pendelbahn zur Bannalp, ihres Zeichens von Küpfer und Zubringer zu einem kleinen Skigebiet mit zwei Skiliften.
Panorama vom Haldigrat mit Stanserhorn, Pilatus und Bürgenstock.
Orientierungslos am Haldigrat
Die erste Viertelstunde des Abstiegs nach Brändlen gestaltet sich ausgesprochen angenehm. Ist der Weg, der ursprünglich etwas unterhalb des Grats verlief, doch neu angelegt auf dem Grat. So ermöglicht er nun permanent den Blick auf den See. Etwas stutzig macht uns jedoch ein dreifacher Stacheldrahtzaun, der den Weg dauerhaft begleitet. Der Sinn erschliesst sich uns nicht wirklich, denn für Weidevieh scheint er nicht gedacht zu sein. Nach geraumer Zeit passieren wir eine Weggabelung mit einem Abzweig nach Oberrickenbach. Wir folgen jedoch den Markierungen in Richtung „Gigi“, von wo aus es auf relativ direktem Weg nach Brändlen hinabgehen soll.
Noch bevor wir diesen Wegpunkt erreichen, werden die Markierungen jedoch immer spärlicher Wir haben einige Mühe, den rechten Weg auf den breiten Matten zu finden. So marschieren wir querfeldein zu einem Hof, den wir als Referenzpunkt identifizieren. An diesem treffen wir dann tatsächlich auch auf einen Wegweiser, der allerdings scheinbar verdreht ist und uns deshalb nicht wirklich weiterhilft. Weiss-rot-weisse Markierungen suchen wir vergeblich. Genauso wie einen Wanderer, der uns vielleicht weiterhelfen könnte. Doch die Gegend scheint – ganz im Gegensatz zur anderen Talseite – völlig ausgestorben.
Kräfte- und nervenzehrender Abstieg nach Brändlen
Auch ein Blick auf die Wanderkarte hilft nur bedingt weiter, sodass wir einer besseren Fahrstrasse folgen, die uns als einzig sinnvoller Weg erscheint. Nach wenigen Minuten müssen wir jedoch erkennen, dass dieser Weg vermutlich eher nach Oberrickenbach führt. Daraufhin drehen wir um und machen uns wieder auf die Suche nach einem anderen Weg. Tatsächlich kann ich kurze Zeit später viel weiter unterhalb eine Markierung ausmachen, die von der Luftlinie her passen könnte. Wiederum querfeldein geht es hinab zu jener Markierung. Und nach weiteren rund einhundert Metern können wir mit etwas gutem Willen auch wieder so etwas wie einen Weg ausmachen.
Gigi, dahinter Wiesenberg, Stanserhorn und Pilatus.
Wegweiser mit äusserst optimistisch berechneter Wegzeit rund 50 Meter oberhalb von dem Hof, an dem wir uns später verlaufen.
Der Fortschritt gerät erneut ins Stocken
Von den zwei Stunden angekündigter Marschzeit ist inzwischen eine bereits vergangen, sodass wir uns ein wenig beeilen wollen, was uns für einige Kehren auch gelingt. Doch bereits auf Höhe „Chlei Gigi“ in rund 1650 Metern Höhe, also noch knapp 500 Höhenmeter oberhalb von Brändlen, kommen wir erneut ins Stocken. Diesmal jedoch nicht aufgrund fehlender Markierungen, sondern vielmehr wegen eines völlig unbegehbaren Weges.
Wenn man ihn noch als solchen bezeichnen kann. Dort, wo sich die Markierungen befinden, treffen wir auf unzählige Bäume, die ein Weiterkommen unmöglich machen. Daneben eine von Kühen völlig zerstörte Wiese, die das Weiterkommen zu einer wahren Schlammschlacht macht. Bei jedem Schritt versinken wir bis über die Knöchel im Schlamm. Nach und nach bahnen wir uns den Weg hinab, der im Folgenden auch noch immer steiler wird. Dadurch müssen wir höllisch aufpassen, nicht noch auszurutschen und am Schluss komplett im Dreck zu baden. Nach einer gefühlten Ewigkeit treffen wir auf einen Wegweiser, der „Brändlen“ nach rechts anzeigt. Das macht mich etwas stutzig, schlussendlich folgen wir aber der angegebenen Richtung. In der Hoffnung, dass der Weg etwas besser wird.
Brändlen nach rechts. Wie sich im Nachhinein herausstellt, wäre es links herum über eine Fahrstrasse nach Brändlen gegangen, was uns etwa eine Stunde und viele Nerven erspart hätte.
Survival-Training im Stacheldraht
Was dann folgt, ist allerdings nicht mehr mit einem Wanderweg zu vergleichen. Wir kommen uns eher vor wie bei einem Survival-Training. Abgesehen von der immer noch praktisch unbegehbaren Wiese und einem fehlenden Weg kommt nun noch abermals ein dreifacher Stacheldrahtzaun hinzu, an welchem die Wanderwegmarkierungen angebracht sind. Was wohl auch bei einem vorhandenen Weg schon alles andere als angenehm wäre, wird beim ständigen Versinken im Schlamm zur absoluten Tortur.
Irgendwann kommt dann das, was kommen muss. Mein Vater rutscht aus und versucht sich abzufangen. Mit dem Erfolg, dass er sich den Unterschenkel am Stacheldraht aufschlitzt. Zum Glück ist es nicht allzu schlimm, sodass die Wunde schnell versorgt ist und es weitergehen kann. Nach einiger Zeit folgt aber der absolute Knaller. Der Weg geht in der Folge auf der anderen Seite des Zauns weiter. Was anderswo schlichtweg mit einem Tor oder Stangen als Durchgang konzipiert ist, ist hier eine Konstruktion, bei der der Stacheldraht durch zwei Bretter abgedeckt ist. Immerhin hat man eine Plattform installiert, die jedoch gleich wieder in knöcheltiefen Schlamm mündet.
Der wandererfreundliche Zaun-Übergang.
Katastrophale Bedingungen auf dem weiteren Weg
Inzwischen sind wir über zwei Stunden unterwegs und können von Glück sagen, dass wir so rechtzeitig am Haldigrat aufgebrochen sind. Der weitere „Weg“ führt schliesslich in den Wald, wo es auf durchwegs abendteuerlichen Passagen weiter ins Tal geht. Hier über den Stacheldraht, dort durch ein ehemaliges Bachbett, kletternd mit Händen und Füssen. Noch nie in meinem Leben habe ich einen dermassen miserablen Wanderweg gesehen! Kurz vor der Station Brändlen treffen wir schliesslich und endlich auf eine Fahrstrasse, die uns immerhin die letzten 20 Höhenmeter etwas erleichtert. Auf Brändlen angekommen lösen wir sichtlich erschöpft Karten für die Talfahrt mit einer spektakulären Kleinpendelbahn. Mehrere kleine Stützen folgen auf die Bergstation, ehe die Niederbergerbahn plötzlich in luftiger Höhe über dem Engelbergertal schwebt und sich gemächlich der 650 Metern tiefer gelegenen Talstation nähert.
Oberhalb von Brändlen wird der Blick auf die gegenüberliegende Wissiflue möglich, die von einer Niederberger-Pendelbahn erschlossen wird. Diese besitzt seit einigen Jahren allerdings keine Konzession mehr für den Personentransport, es kann nurmehr Material transportiert werden. Bis in die 90er Jahre gab es hier an einem kurzen Borer-Skilift auch Skibetrieb.
Erschöpft mit der Brändlen-Seilbahn zurück nach Wolfenschiessen
Ziel erreicht: die Brändlen-Seilbahn.
Unterwegs ins Tal in luftiger Höhe.
Rund 20 Minuten dauert es noch, bis wir von der Talstation der Brändlen-Seilbahn wieder unseren Ausgangspunkt erreichen. Inzwischen ist es 19 Uhr, über zehn Stunden und knapp 30 Kilometer Wegstrecke mit der Seilbahn und zu Fuss sind seit unserem Aufbrechen vergangen. Längst ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden und es sieht leider nicht so aus, als ob wir sie am folgenden Tag wieder zu Gesicht bekommen werden. Regenschauer und Nebel sind für den Folgetag vorhergesagt, an dem wir über den Storeggpass ins angrenzende Melchtal wandern wollen, von wo aus es auf Melchsee-Frutt gehen soll.
Nebel und Nieselregen am Morgen
So wie die Wettervorhersage am Vortag Recht hatte, so sieht es auch am zweiten Tag unserer Wandertour aus. Mit dem Unterschied, dass dichte Regenwolken über Nacht aufgezogen sind. Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster macht sich Ernüchterung breit, ob unsere Planungen, die eine recht grosse Wanderung vorsehen, wirklich aufgehen.
Nur drei Seilbahnfahrten stehen heute auf dem Programm. Zunächst soll es vom Ausgangspunkt in südliche Richtung bis nach Mettlen bei Grafenort gehen. Dort wollen wir mit zwei Sektionen Kleinpendelbahn via Hinter Rugisbalm nach Eggen fahren, um von dort über den Storeggpass nach Melchtal hinab zu wandern. Trotz des schlechten Wetters wollen wir gemäss unserem ursprünglichen Plan vorgehen, packen unsere Rucksäcke für zwei Übernachtungen, lassen das Auto in Wolfenschiessen stehen und machen uns auf den Weg nach Mettlen. An den zwei folgenden Tagen soll es schliesslich via Melchsee-Frutt, Jochpass, Engelberg und Bannalp wieder zurück nach Wolfenschiessen gehen.
Allein auf weiter Flur
Pünktlich zum Aufbruch lässt der Regen glücklicherweise ein wenig nach, sodass wir noch ohne Regencapes den langen, mehrheitlich ebenen Weg in Anspruch nehmen können. Schon zu diesem Zeitpunkt wirkt die Gegend wie ausgestorben. Nur selten begegnet uns ein Auto auf der Hauptstrasse nach Engelberg, an welcher wir entlanglaufen. Andere Wanderer sind an diesem Tag überhaupt keine auszumachen. Nach einiger Zeit biegen wir von der Hauptstrasse ab und überqueren die Engelberger Aa, ehe es weiter auf kleineren Strassen und durch Laubwälder geht. Bis wir schliesslich nach einer guten Stunde Marsch die Talstation der Pendelbahn in Mettlen zur Hinter Rugisbalm erreichen.
Wir sind ob der Tatsache, dass uns auf dem gesamten Weg nicht eine einzige Menschenseele begegnet ist, etwas skeptisch, ob die Bahn wirklich fährt. Doch ein Anruf in der Mittelstation genügt, sodass wir wenige Minuten später gemeinsam mit einer Kiste Obst und der Morgenpost auf die Hinter Rugisbalm schweben. Wir sind die ersten an diesem Tag und aller Wahrscheinlichkeit nach auch bereits die letzten, die heute die Privatanlage der Familie Töngi in Anspruch nehmen.
Aufbruch gegen 9 Uhr hinter Wolfenschiessen bei durchwachsenem Wetter.
Auf halber Strecke begegnen wir der Pendelbahn Geissmattli-Bielen, welche Mitte der 90er Jahre von Garaventa erstellt wurde.
Neben der Bahn zur Hinter Rugisbalm startet auf Mettlen auch noch eine weitere Pendelbahn nach Flüemattli, die beide aus dem Hause Niederberger stammen. Die hier sichtbare Anlage ist allerdings nicht öffentlich und fährt nur nach vorheriger telefonischer Absprache mit dem Besitzer. Interessantes Detail: Links oberhalb ist eine Tebru-Skiliftstütze zu erkennen, die scheinbar einer Materialseilbahn dient. Aller Wahrscheinlichkeit stammt sie vom ehemaligen Skilift auf der Bannalp, von dem auf selbiger Alp weitere Stützen einer Materialseilbahn dienen.
Eine der beiden Kabinen der Seilbahn zur Hinter Rugisbalm. Vier Personen finden im geschlossenen Teil des Schiffchens Platz.
Mit Obst und Post hinauf zur Rugisbalm
Angekommen auf der Rugisbalm empfängt uns die freundliche Bäuerin Frau Töngi. Sie kümmert sich um die mitgelieferte Post, während wir uns zur zweiten Sektion aufmachen, die gleich wenige Meter nebenan startet und nahezu im 90°-Winkel die Bergstation der ersten Sektion überspannt. Erst vor wenigen Jahren wurde die Bahn umfassend saniert, sodass sie nun wieder den neuesten Sicherheitsstandard erfüllt. Ohnehin hat die Bahn eine sehr interessante Entstehungsgeschichte. Ursprünglich als Zugang nach Eggen mit nur einer Kabine erbaut, folgte alsbald der Ausbau auf eine Doppelspur, der heute noch immer an Stützen und Stationen deutlich sichtbar ist.
An der Station der zweiten Sektion bezahlen wir den Fahrpreis, ehe wir die Tür schliessen und wenige Augenblicke später bereits durch einen natürlichen Tunnel inmitten hoher Bäume in Richtung Stütze eins schweben.
Die Talstation der zweiten Sektion nach Eggen. Deutlich sichtbar ist, dass diese ursprünglich nur für eine Kabine konzipiert wurde. Ebenfalls schön zu sehen sind die neuen Rollen mit Gummieinlage, die vor knapp zwei Jahren beim Umbau neu eingebaut wurden.
Nach einer abenteuerlichen Fahrt bei einigen Windböhen, die die Kabine bedrohlich zum Schaukeln bringen, erreichen wir die Bergstation. Diese gleicht bei diesem tristen Wetter einem Geisterort. Keine Menschenseele ist auszumachen, lediglich der Wind pfeift ein einsames Lied durch die Bergstation.
Beschwerlicher Aufstieg zum Storeggpass
Zwei Stunden und 50 Minuten bis nach Melchtal sind auf dem Wegweiser an der Bergstation Eggen angegeben. Da die Uhr erst 11 zeigt, sind wir zuversichtlich, Melchtal eventuell noch halbwegs trockenen Fusses zu erreichen. Von dort soll es dann mit dem Postbus bis zur Stöckalp gehen, ehe wir per Kabinenbahn auf Melchsee-Frutt fahren wollen. Nach den Erfahrungen am Vortag sind wir froh, genügend Puffer mitzubringen. Denn wie die Wanderwege in diesem Bereich aussehen, wissen wir nicht.
Der erste Anstieg verläuft noch gemächlich auf einer recht breiten, aber aufgrund des Regens über Nacht bereits sehr aufgeweichten Fahrstrasse. Rund 20 Minuten nach unserem Aufbruch öffnet der Himmel zu allem Überfluss seine Schleusen, sodass wir die Regencapes über die Rucksäcke ziehen müssen, was sich aufgrund fehlender Ablagemöglichkeiten als nicht allzu einfach herausstellt. Denn auch hier sind sämtliche Wiesen völlig von Kühen zertreten und voller Schlamm.
Nach einiger Zeit zweigt unsere Route von der Fahrstrasse ab, sodass wir uns fortan über eine Wiese mit der angesprochenen Austattung quälen müssen. Bergauf geht das aber durchaus etwas leichter von statten als am Vortag bergab vom Haldigrat. Dennoch kommen wir viel langsamer vorwärts als geplant und erreichen erst nach einer Stunde und 40 Minuten erschöpft und völlig durchnässt den Storeggpass. Den höchsten Punkt des heutigen Tages, den wir zu Fuss erreichen. Der Ausblick ins Engelbergertal wird inzwischen durch eine dicke Nebelbank erschwert. Im Melchtal hingegen scheint das Wetter noch etwas besser zu sein.
Querfeldein durch die regnerische Zentralschweiz
In der Tat lässt der Regen beim Abstieg über einen abermals quasi unbegehbaren Weg etwas nach. Auf Höhe der Denalp können wir vorübergehend sogar die Kapuzen abziehen. Da es fortan zunächst über eine Fahrstrasse bergab geht, sind wir zuversichtlich, die Wanderzeit von immer noch eineinhalb Stunden nach Melchtal halbwegs einhalten zu können. Doch bereits nach einem halben Kilometer führt unsere Route wieder querfeldein über eine Wiese. Und zwischenzeitlich mehr bergauf als bergab, sodass wir skeptisch sind, überhaupt noch auf dem richtigen Weg zu sein. Zusätzlich erschwert uns eine Nebelbank das Weiterkommen. Es ist kaum möglich, von einer Markierung zur nächsten zu sehen.
So müssen wir uns auf unseren Instinkt und den Kompass verlassen, damit wir uns nicht völlig verlaufen. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde verlassen wir die durchnässte Wiese und kommen in ein Waldgebiet, in welchem sich der Nebel naturgemäss als kleineres Problem herausstellt. Vor allem im Vergleich zu dem, was uns am Eingang des Waldstücks erwartet. Ein scheinbar unpassierbares Hindernis in Form von Stacheldraht. Es ist kein Vergleich mit dem noch recht simpel zu passierenden Übergang am Haldigrat, sondern stellt uns vor die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, umzukehren.
Schon wieder ein Stacheldraht-Hindernis
Der Corpus Delicti: Theoretisch kann man hier wohl mit etwas Klettergeschick die nahegelegenen Felsen und den Pfahl benutzen, um über den Stacheldraht zu klettern, doch sowohl die nassen Steine als auch das durchnässt Holz sind derart rutschig, dass sie überhaupt keinen Halt bieten. Da wir beide keine Lust haben, erneut vom Stacheldraht aufgespiesst zu werden, sind wir kurz davor, den Draht einfach mit dem Schweizer Messer zu durchtrennen.
Dann versuchen wir es aber trotzdem auf eine etwas konventionellere Weise, indem wir zuerst die Rucksäcke auf die andere Seite stellen und dann vorsichtig zwischen dem unteren Brett und dem Stacheldraht durchklettern. Nach diesem Erlebnis steht für uns bereits fest, dass die Wanderwege hier grösstenteils ein ganz schlechter Witz sind! Vor was hat man hier Angst? Warum kann man nicht wie anderswo üblich wandererfreundliche Durchgänge gestalten?
Über die Rütialp hinab nach Melchtal
Nach Passieren des Waldstücks kommen wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder einmal an einem Wegweiser vorbei, der allerdings ein eher ernüchterndes Erlebnis mit sich bringt. Die Wanderzeit nach Melchtal will einfach nicht sinken. Seit dem letzten Wegweiser haben wir mehr als doppelt so lang wie vorgesehen gebraucht und es ist keine Besserung in Sicht. Ohne Wanderkarte wären wir spätestens hier völlig verloren. Der anschliessende äusserst mühsame Abstieg über eine rutschige Wiese verläuft abermals ohne jegliche Anhaltspunkte in Form von Markierungen.
Irgendwann taucht endlich wieder eine Fahrstrasse auf, von wo aus es nach Melchtal nur noch eine gute Stunde dauern soll. Nachdem wir abermals über einen Zaun klettern müssen, folgen wir der Strasse zur Rütialp, die wir statt laut dem Wegweiser in zehn, rund 20 Minuten später erreichen. Noch vor einigen Jahren hätten wir unsere Wanderung hier recht einfach abkürzen können, indem wir die Kleinpendelbahn nach Melchtal aus dem Jahr 1957 genutzt hätten. Diese erschloss ursprünglich sogar einen Skilift, der allerdings vor einigen Jahren nach langem Stillstand abgebaut wurde. Im selben Jahr verlor die Anlage auch die Bewilligung zum Personentransport. So bleibt uns nichts anderes übrig, als die 450 verbleibenden Höhenmeter nach Melchtal trotz schmerzender Füsse und inzwischen wieder strömendem Regen per pedes zu bewältigen.
Zurück zur Zivilisation
Angeblich soll es noch 50 Minuten bis zur Post in Melchtal dauern, doch in Anbetracht der vergangenen Erlebnisse machen wir uns ernsthaft Sorgen, überhaupt noch den letzten Postbus zu erwischen, der uns einen Anschluss nach Melchsee-Frutt ermöglicht. Inzwischen ist es 15 Uhr, fast vier Stunden sind seit dem Aufbruch in Eggen vergagenen, die Mittagsrast können wir uns abschminken.
Die Bergstation der stillgelegten Pendelbahn Melchtal-Rütialp. Wie an dem Strauch deutlich zu sehen ist, wird die Niederberger-Pendelbahn offensichtlich nicht einmal mehr für Materialtransporte verwendet. Kein Wunder, denn es gibt eine gut ausgebaute Fahrstrasse hier hoch.
Die Talstation des erst um 2007 abgebauten Skilifts Rütialp, das letzte verbliebene Exemplar eines original Skima-Skilifts in der Schweiz.
Jeder Schritt schmerzt aufs Neue, das Vergnügen am Wandern ist längst vergangen, als wir über einen Feldweg kurz vor 16 Uhr endlich und völlig erschöpft die Post in Melchtal erreichen. Die vermutlich grösste Wander(tor)tour meines Lebens hat endlich ein Ende genommen, als wir beim Fahrer zwei Karten bis zur Stöckalp lösen und dort gegen 16.20 Uhr an der Talstation der Kabinenbahn nach Melchsee-Frutt ankommen.
Letzte Fahrt mit der eltehrwürdigen Kabinenbahn nach Melchsee-Frutt
Die dortige Habegger-Kabinenbahn aus dem Jahr 1975 fährt in ihrer letzten Saison. Die Nachfolgeanlage, die parallel erstellt wird, ist bereits nahezu fertiggestellt. Noch zwei Wochen werden die altehrwürdigen Viererkabinen mit ihren Giovanola-Klemmen ihre Runden auf der spektakulären Strecke drehen, ehe auf der Frutt ein neues Zeitalter anbricht. Schon einmal kam ich in den Genuss einer Fahrt bei gutem Wetter. Dieses Mal empfängt uns strömender Regen und eine Sichtweite von unter 50 Metern, sodass ich Film- und Fotoaufnahmen hauptsächlich auf das Talstationsinnere beschränke. Ein Jammer bei dieser interessanten Anlage, denn ein nächstes Mal wird es nicht mehr geben. Es ist meine Abschiedsfahrt mit einer der letzten Bahnen dieses einst so populären Typs in der Schweiz.
Stütze eins der Kabinenbahn Stöckalp-Melchsee-Frutt, dahinter die übergrosse Stütze drei des Nachfolgers.
Aus dieser Perspektive werden die völlig konträren Trassierungen der alten und der neuen Bahn noch etwas deutlicher.
Kurz vor Erreichen der Bergstation verlassen wir den Hochnebel im Tal und kommen immerhin in den Genuss von ein wenig Aussicht, auch wenn die Wetterlage immer noch alles andere als erfreulich ist. Zumindest hat der Regen inzwischen nachgelassen.
Ein Relikt aus vergangenen Zeiten stellen die Einersessel des ehemaligen Kombilifts am Balmeregghorn dar, denn die Anlage ist seit 2008 nur noch im Winter als Skilift in Betrieb. Für die Weiterführung des Sesselbahnbetriebs im Sommer wären Investitionen nötig gewesen, um weiterhin eine Betriebsbewilligung zu erhalten, die allerdings in keinem Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit gestanden hätten. Als Skilift ist die Anlage aber weiterhin in Betrieb.
Lichtblicke in Sicht
Noch erschöpfter als am Vortag kommen wir in unserer Unterkunft an. Die Füsse sind kaum mehr zu spüren. Einen Lichtblick gibt es immerhin, denn das Wetter soll am Folgetag nicht mehr ganz so schlecht sein wie heute. Sonnenstunden soll es in der Zentralschweiz zwar keine geben, aber immerhin ist kein grosser Regen mehr vorhergesagt. Wir lassen uns für unsere geplante Wanderung nach Engelberg überraschen!
Am nächsten Morgen sieht die ganze Sache schon etwas freundlicher aus. Zwar hält sich im Tal immer noch eine dicke Hochnebelschicht. Doch darüber haben sich die Wolken etwas gelockert und zwischenzeitlich schimmert sogar ein wenig blau durch die Wolkendecke. Zuversichtlich brechen wir zur gewohnten Uhrzeit kurz nach 9 Uhr auf und laufen den Weg am Melchsee entlang zur Talstation der Pendelbahn zum Bonistock. Hier haben wir Glück, dass uns die einzige Kabine dieser einspurigen Anlage gerade noch mitnimmt. Und so stehen wir wenige Minuten später bereits auf knapp 2200 Metern Seehöhe und geniessen den Ausblick auf das Nebelmeer im Flachland.
Über einen vergleichsweise erstaunlich gut begehbaren Wanderweg hangeln wir uns am Grat des Bonistocks vorbei in Richtung Tannalp, unserem nächsten Zwischenziel auf dem Weg nach Engelberg, der uns über den Jochpass führen soll. Die dortige kultige kuppelbare Zweiersesselbahn der Firma Leitner steht nach knapp 20 Jahren Betrieb auf der Abschussliste, weswegen für einen Besuch nicht mehr allzu viel Zeit bleibt. Auch wenn wir es aufgrund der Strapazen des Vortages etwas ruhiger angehen, kommen wir gut voran. So nehmen wir nach dem Passieren der Tannalp den weiteren Weg gemeinsam mit Scharen von anderen Wanderern Richtung Engelberg in Anspruch. Die Wanderung ist wird übrigens unter dem Namen „Vier-Seen-Wanderung“ vermarktet, woraus vermutlich die grosse Bekanntheit resultiert. Zwei der Seen, den Melch- und den Tannensee, haben wir bereits hinter uns gelassen.
Vierseenwanderung vom Bonistock zur Tannalp
Vor dem Aufbrechen geht es nochmals für eine kurze Fotosession zur Habegger-Kabinenbahn, um wenigstens noch ein paar Bilder bei halbwegs adäquatem Wetter zu machen und Abschied zu nehmen.
Der Melchsee, dahinter die Sesselbahn Erzegg in der Totalen, davor die Talstation des nunmehr ausschliesslichen Skilifts Balmeregghorn.
Strecke der Pendelbahn Distelboden-Bonistock mit ihrer einzigen Stütze kurz vor der offenen Bergstation.
Angekommen auf dem Bonistock fällt der Blick als erstes auf den gleichnamigen Habegger-Skilift, der hier seit vielen Jahren die Pisten auf der Nordseite des Bonistocks bis hin zur Bettenalp erschliesst. Seine Besonderheit ist auf diesem Foto nicht zu erkennen. Besitzt er doch gleich drei Kurven, von denen zwei als Zwirbelkurven ausgeführt sind. Diese wurden bereits wenige Jahre nach dem Bau eingebaut, nachdem der Lift zuvor mit dem eher erfolglosen Habegger-Skiliftsystem mit inmittierter Seilführung betrieben wurde.
Eigentlich sollte der Skilift durch diese Bahn ersetzt werden, die direkte Vierersesselbahn Bettenalp-Bonistock. Allerdings kam es trotz des Neubaus dieser Anlage nie zum Abbau des Skilifts, sodass dieser als redundante Beschäftigungsanlage an hochfrequentierten Tagen weiterhin in Betrieb ist.
Der Tannensee, unschwer zu erkennen ein vom Mensch angelegter See.
Von der Zentralschweiz ins Berner Oberland und zurück
Mit jedem Schritt, den wir die Tannalp weiter hinter uns lassen und die Engstlenalp näher rückt, bessert sich das Wetter merklich. Die Schleierwolken, die am Morgen noch für eine sehr diffuse Stimmung gesorgt haben, sind fast vollständig verschwunden. Und die Sonne scheint zwischen einzelnen verbliebenen Wolkenresten immer häufiger hindurch. In den nahe gelegenen Berner Alpen halten sich hingegen hartnäckig einzelne Schauer. Und das obwohl das Wetter genau umgekehrt vorhergesagt ist. Schönes Wetter im Berner Oberland, in der Zentralschweiz stärkere Bewölkung.
Genau genommen befinden wir uns allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in der Zentralschweiz. Wir haben die Grenze zum Kanton Bern überschritten und folgen einem teils recht spektakulär am Abgrund trassierten Wanderweg zur Engstlenalp. Diese ist von Innertkirchen aus durch das Gental mit einer Fahrstrasse erschlossen, auf der auch ein Postautokurs verkehrt. Hier oben auf 1830 Meter steht ein altehrwürdiges Hotel, das mit einer Zimmereinrichtung aus dem 19. Jahrhundert wirbt. Wir überlegen kurz, ob wir an einer nahegelegenen Hütte einen Imbiss zu uns zu nehmen. Doch da es noch nicht allzu spät ist, wollen wir zunächst den Aufstieg zum Jochpass hinter uns bringen, um im dortigen Gasthaus einzukehren.
Die Fahrstrasse zur Engstlenalp. Der Wanderweg von der Tannalp kommend ist hinten rechts im Bild zu sehen.
Auch Planplatten, höchster Punkt des Skigebiets Meiringen-Hasliberg, ist von hier aus sichtbar.
Die Aussicht auf den Titlis trüben vom Engstlensee, dem dritten der vier Seen auf der gleichnamigen Wanderung, nur noch wenige Wolken. Im Vordergrund ist die Sesselbahn Jochstock von Garaventa zu erkennen, eine reine Beschäftigungsanlage im Winter.
Der Engstlensee mit traumhaftem Panorama und besten Wetterhältnissen.
Mit der Sesselbahn Engstlensee zum Jochpass
Genau genommen wäre es ein wenig geschummelt zu behaupten, wir hätten an der Engstlenalp den Weg zum Jochpass in Angriff genommen. Denn von den knapp 400 Höhenmetern legen wir nur gut ein Viertel zurück, ehe wir die bereits angesprochene Leitner-Sesselbahn als Aufstiegshilfe in Anspruch nehmen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Anlagen aus den 90ern besitzt diese Anlage keine Kompaktstationen. Sondern eine ausnehmend schöne Talstation in Form eines Chalets, das sich bestens in die Umgebung einfügt. Zu verdanken ist diese Konstruktion genauso wie die Fachwerkstützen dem Umstand, dass diese Bestandteile von der Vorgängeranlage, einer fix geklemmten Habegger-Sesselbahn aus dem Jahr 1975 übernommen wurden. Leider sind die Tage dieser Anlage aber bereits gezählt, denn ein Ersatz ist bereits geplant. Und dieser wird die bestehenden Stationen und Stützen wohl eher nicht weiterverwenden.
Die Sesselbahn Engstlensee-Jochpass mit ihrer Bilderbuch-Talstation.
Sesselbahn Engstlensee-Jochpass.
Sesselbahn Engstlensee-Jochpass, rechts die Sesselbahn zum Jochstock und im Hintergrund der Titlisgletscher.
Nach der Ankunft am Jochpass darf natürlich ein erster Blick auf die andere Seite des Passes nicht fehlen. Wird sie doch durch die letzte gebaute Garaventa-Sesselbahn mit MCS-System in der Schweiz erschlossen und zweitens bietet sie eine famose Aussicht nach Norden bis ins Mittelland. Oder wie heute auf ein faszinierendes Nebelmeer.
Spontane Planänderung am Jochpass
Nach einer kurzen Rast im Berggasthaus Jochpass beratschlagen wir über den weiteren Tagesplan. 14 Uhr zeigt die Uhr inzwischen, sodass wir prinzipiell noch gut in der Zeit liegen, um unser geplantes Programm, eine Talfahrt via Trübsee nach Engelberg und einen kurzen Spaziergang auf der Gerschnialp, durchzuführen. Doch wir verspüren wenig Lust, direkt wieder in den Nebel zu fahren. So fragen wir kurzerhand nach, ob wir auch hier oben übernachten könnten. Glücklicherweise stellt dies kein Problem dar, sodass wir die Wanderschuhe ebenso wie unsere schweren Rucksäcke abstellen und den restlichen Nachmittag gemütlich ausklingen lassen. Noch immer machen sich die Nachwirkungen des Gewaltmarsches vom Vortag bemerkbar. Daher sind wir nicht traurig, an diesem Nachmittag eine kleine Verschnaufpause einzulegen.
Ein Blick am späten Nachmittag auf das Engelbergertal. Der Hochnebel ist inzwischen deutlich gestiegen; sogar der Trübsee ist inzwischen im trüben Nebel verschwunden.
Das Berggasthaus am Jochpass in den frühen Abendstunden. Über den hier sichtbaren See verlief einst der legendäre Poma-Skilift zum Jochstock.
Unsere ursprüngliche Planung, am Folgetag von Engelberg über das Brunni und die Walenstöcke zur Bannalp oberhalb von Oberrickenbach zu laufen, müssen wir aus diesem Grund allerdings verwerfen. Da sich der Hochnebel am Folgetag weiterhin hartnäckig im Tal halten soll, würden wir auf der Wanderung, die dann vollständig im Nebel stattfinden würde, ohnehin keine grosse Freude haben. Zudem hatten wir vom Storeggpass bereits einen Blick auf die Wanderwege an den Walenstöcken werfen können, die uns durchwegs exponiert erschienen. Dort unter Umständen ähnlich schwierige Wegverhältnisse im Nebel vorzufinden wie auf dem Weg nach Melchtal ist ein weiteres Argument gegen eine solche Wanderung. So halten wir uns die Option offen, eventuell am Nachmittag noch auf das Brunni zu fahren und von dort nach Brunniswald zu laufen, um von dort mit der Kleinpendelbahn wieder nach Grafenort ins Tal zu schweben.
Der Hochnebel steigt bis zum Jochpass
Immer wieder steigen Nebelschwaden von der Berner Seite über den Jochpass, bis uns gegen 18 Uhr der Nebel vollständig eingeholt hat. Abgesehen von uns und dem Hüttenwart ist an diesem Abend nur eine vierköpfige Familie anwesend. Es ist ein unterhaltsamer Abend in der Hütte bei einem leckeren Nachtessen, während dem uns der Hüttenwart erzählt, dass es bald vorbei sei mit dem urigen Berghaus. Denn im Sommer 2013 soll das Gebäude zu grossen Teilen neu gebaut werden, um den heutigen Gästebedürfnissen zu entsprechen. Hierzu zählen unter anderem ein Wellnessbereich, der die Kunden im Winter anlocken soll.
Meine Meinung zu solchen Einrichtungen im Hochgebirge sollte ja allseits bekannt sein. Der Umbau soll im kommenden Sommer durchgeführt werden, da zu diesem Zeitpunkt nach derzeitiger Planung auch die Kabinenbahn von Engelberg zum Trübsee ersetzt werden soll. Ebenfalls ein Grund für unseren Besuch in Engelberg, denn bei dieser Bahn handelt es sich um eine der letzten je gebauten Anlagen mit Giovanola-Klemmen, die darüber hinaus noch eine äusserst spektakuläre Trassierung besitzt.
Ähnliche Situation am nächsten Morgen
Beim Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen zeigt sich ein ähnliches Bild wie am Vortag.
Früher als gewohnt verlassen wir am nächsten Morgen unsere Unterkunft und machen uns auf den Weg zur Sesselbahn Jochpass. In gemütlichem Tempo befördert diese uns langsam aber sicher in den Nebel. Über Nacht ist die Nebelgrenze zwar etwas abgesunken, während einer Stunde ist sie aber bereits wieder um rund 150 Meter gestiegen. Daher stehen die Chancen schlecht, auf der Wanderung vom Brunni nach Brunniswald auch nur ein wenig Sonne zu erhaschen. Eine erneute nass-kalte Nebelwanderung wollen wir uns nicht unbedingt antun, sodass wir unseren Plan ändern. Statt vom Trübsee, der sich ebenfalls bereits im dichten Nebel befindet, ins Tal zu fahren, wollen wir mit zwei Sektionen Pendelbahn noch auf den Titlis fahren. Dort wollen wir die Sonne geniessen, ehe es ins neblige Flachland zurückgehen soll.
Talfahrt mit der Sesselbahn Trübsee-Jochpass.
Wegweiser am Trübsee, knapp unterhalb der Nebelgrenze, durch die hier noch ein wenig blauer Himmel durchschimmert.
Der Trübsee, in dem sich eine Stütze der Verbindungssesselbahn Richtung Jochpassbahn spiegelt.
Angekommen am trüben Trübsee
An der Station Trübsee angekommen ist vom blauen Himmel rein gar nichts mehr zu sehen. Die Sichtweite beträgt keine 20 Meter, sodass wir uns in unserer Entscheidung bestärkt fühlen, nicht direkt ins Tal zu fahren. Trotz der noch frühen Tageszeit schaufelt die Kabinenbahn von Engelberg aus bereits Scharen an Japanern auf den Trübsee. Daher müssen wir eine Kabine abwarten, bis wir dem Nebel wieder entfliehen können. Noch vor der Abfahrt herrscht in der Kabine der Pendelbahn nach Stand ein unglaublicher Geräuschpegel, der bei der Überfahrt der ersten Stütze noch merklich zunimmt.
Was allerdings vor sich geht, als wir die Nebelobergrenze passieren, kann man kaum mehr in Worte fassen. Die gesamte Kabine fängt plötzlich lauthals an zu schreien. Manche Leute springen durch die Gegend, andere drängen sich an die Fenster, wieder andere reissen ihre Kamera in die Höhe. In allen Ecken klacken Spiegelreflexkameras. Es ärgert mich im Nachhinein, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht am filmen war. Diese Szene war schlichtweg ein Kracher! :D
Die berühmte letzte Stütze der Kabinenbahn von der Gerschnialp zum Trübsee. Bei diesem Wetter leider nicht wirklich fotogen.
Den Weg zur Sonne ermöglicht die Pendelbahn zum Stand.
Von der Station Stand aus bietet sich ein wahrlich traumhaftes Panorama!
Die Pendelbahn Trübsee-Stand, ursprünglich von Von Roll. Rechts daneben verluft quasi parallel auf der ersten Teilstrecke die Sesselbahn Rindertitlis, eine Sesselbahn von Leitner, die zahlreiche Elemente des Vorgängers von Küpfer weiterverwendet.
Von Engelberg gerechnet ist sie die vierte und letzte Sektion, die Pendelbahn Stand-Kleintitlis, 1992 gebaut von Garaventa. Als Besonderheit besitzt sie einen drehbaren Kabinenboden, woraus die Wortkreation „Rotair“ entstammt.
Mit der Rotair auf den Titlis-Gipfel
Die Aussicht vom Gipfel nach Süden macht Freude!
Doch auch nach Norden bietet sich ein fantastischer Ausblick. Wenngleich aufgrund des Nebels nicht wirklich viel Abwechslung geboten wird. Daher kommt die Sesselbahn Rotstöckli im Vordergrund gerade richtig, um dem Bild wenigstens ein bisschen Inhalt zu geben. Sie ist auch im Sommer für Fussgänger in Betrieb, die hier eine Rundfahrt über den Titlisgletscher machen können.
Wir entfernen uns ein wenig vom Getümmel auf dem Gipfel, der schwarz vor Menschen ist. Noch von weitem hört man die kreischende Menge, die auf Plastiksäcken den Berg herunterrutscht und sich in Schweizer Trachten mit Plastiksnowboards fotografiert. Was für ein Kontrast zu den Tagen zuvor!
Wanderung über den Titlisgletscher
Der Weg über den Gletscher führt uns zur Stotzig Egg. Ein Punkt, von dem aus auch ein Blick auf den zweiten Lift auf dem Titlisgletscher möglich ist, den Skilift Rotegg. Dieser wird diesen Sommer aufgrund Gletscherveränderungen versetzt und erhält gleichzeitig eine neue Bergstation.
Unermüdlich ist die Pendelbahn zum Titlis im Dauereinsatz.
Zurück in den Nebel auf der Gerschnialp
Nach der Rückkehr zur Station Kleintitlis steigen wir noch einige Meter auf zu einem Aussichtspunkt, ehe wir unseren Rückweg in den Nebel antreten. Vom Trübsee aus fahren wir direkt per Kabinenbahn zur Gerschnialp, die sich bereits vollständig unter der Nebelschicht befindet. So haben wir auf der folgenden Wanderung auf der Gerschnialp zwar kein schönes Wetter, aber immerhin sehen wir im Gegensatz zum Nebel auf dem Trübsee, wo wir hinlaufen. Der Weg führt uns zunächst durch ein Waldstück, ehe es mehrheitlich über Wiesen zur Talstation der Pendelbahn Untertrübsee-Obertrübsee geht. Im Volksmund ist die Bahn auch unter dem Namen Älplerseil bekannt. Von dort laufen wir zurück über die Gerschnialp vorbei an zwei kleineren Übungsskiliften, ehe wir nach einem kurzen Aufstieg wieder die Station Gerschnialp erreichen.
Bergstation der Kabinenbahn Gerschnialp-Trübsee.
Parallel zur Kabinenbahn verläuft eine Von Roll-Pendelbahn, die gerade für einen Materialtransport genutzt wird.
Angekommen auf der Gerschnialp.
Pendelbahn Gerschnialp-Trübsee, die trotz des Neubaus der Kabinenbahn via Trübsee nach Stand aller Voraussicht nach erhalten bleiben soll.
Der Übungsskilift Untertrübsee, ein typisches Garaventa-Produkt aus den 70ern.
Talstation der Pendelbahn Untertrübsee-Obertrübsee. Eine typische Niederberger-Pendelbahn, allerdings mit etwas grösseren Kabinen als üblich. Acht Personen fassen sie. Die Bahn ist Bestandteil des Skigebiets von Engelberg.
Unter der Kabinenbahn zum Trübsee geht es hinweg zu zwei weiteren Skiliften.
Ersterer ist der Skilift Gerschnialp, wie unschwer erkennbar ist, handelt es sich ursprünglich um ein Produkt von der Firma Müller, das aber grosszügig von Garaventa umgebaut wurde.
Beim zweiten Skilift handelt es sich um den kurzen Skilift Ritz-Eggen, der etwas abseits liegt. Gebaut wurde er von Baco.
Ein Abschlussbild in der Talstation der Kabinenbahn Engelberg-Gerschnialp.
Mit der Zentralbahn zurück zum Ausgangspunkt
In Engelberg angekommen verabschieden wir uns vom Parkplatz der Titlisbahnen und den zahllosen Reisebussen, die hier in einigen Stunden wieder gut gefüllt den Ort verlassen werden. Der Weg führt uns zum Bahnhof, wo wir noch einige Minuten Aufenthalt haben, bis uns die Zentralbahn wieder nach Wolfenschiessen bringt, wo wir das Auto wieder in Empfang nehmen, um gen Heimat zu fahren. Vier sehr spannende, entdeckungsreiche Tage bei leider etwas durchzogenem Wetter haben ihr Ende genommen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.