Tschappina – Oberurmein • Zurück zu den Wurzeln

Zahlreiche kleinere Skigebiete im Kanton Graubünden kooperieren seit einiger Zeit in ähnlicher Form, wie es die grossen Brüder Lenzerheide, Flims-Laax-Falera und Davos-Klosters schon seit vielen Jahren mit der „Topcard“ praktizieren. Besitzt man eine Zeitkarte in einem der teilnehmenden Gebiete, so fährt man bei einem Tagesausflug in eines der anderen Gebiete zum halben Preis. Als Inhaber einer Saisonkarte vom Skigebiet Pradaschier in Churwalden kam auch mir dieses neue Angebot zu Gute, als es für einen Tag nach Tschappina an den Heinzenberg ging.

Die durchwegs durchwachsene Wetterprognose über die Festtage und darüber hinaus liessen nur wenig Spielraum, einen sonnigen Tag auf den sanften Hängen rund um Tschappina und Sarn verbringen zu können. So entschieden wir uns für den 28. Dezember, der sich später als letzter schöner Skitag des Jahres 2011 herausstellen sollte. Im Vorfeld wurde noch heftig über das tatsächliche Ausflugsziel diskutiert. Wären doch Bivio, Savognin oder auch das nahe gelegene Tschiertschen ebenfalls für einen gemütlichen Skitag mit der Familie geeignet gewesen. Doch schlussendlich siegte die Neugier. So sollte es also in das Skigebiet von Tschappina gehen, das bis dato lediglich mein Vater und ich von einem Kurzausflug im Sommer her kannten. Ein Blick auf den Pistenplan sorgte anfänglich für eine gewisse Skepsis, ob das Gebiet für einen ganzen Tag nicht eventuell zu klein sei. Doch schon nach wenigen Liftfahren erwiesen sich jegliche Zweifel als völlig unbegründet.

Von Thusis nach Sarn oder Tschappina

Ein Blick in einen aktuellen Skiatlas genügt, um festzustellen, dass die Skigebiete am Heinzenberg nicht zu den Top-Destinationen der Industrieski-Gemeinde gehören. In der Regel finden nämlich weder Tschappina noch Sarn überhaupt eine Erwähnung in den selbst ernannten Skibibeln. Wie bereits erwähnt weist der Heinzenberg, ein Südosthang über dem Hinterrheintal, zwei mehr oder weniger separate Skigebiete auf. Von Thusis im Talboden führt eine Bergstrasse einige Serpentinen den Hang hinauf. Hier muss man sich zwischen dem nördlichen Skigebiet Sarn und dem südlich gelegenen Tschappina entscheiden. Erstgenanntes weist als Einstiegsanlage eine fix geklemmte Sesselbahn auf, die allerdings – genau wie die zweite Sektion in Form eines Schlepplifts – bestens auch für Wiederholungsabfahrten genutzt werden kann. Knapp 800 Höhenmeter misst die Differenz zwischen höchstem und tiefstem Punkt dieses kleinen Skigebiets.

Drei Skilifte in 1600 Metern Höhe

Das zweite Skigebiet, welches in diesem Bericht bislang der Einfachheit halber als Tschappina bezeichnet wurde, besitzt gleich drei mögliche Einstiegspunkte. Deutlich höher gelegen als Sarn finden sich in den Weilern Oberurmein und Obertschappina je ein Schlepplift in knapp 1600 Metern Seehöhe, der als Einstieg in die sanften Hänge genutzt werden kann. Wir wählten aufgrund eines bereits voll besetzten Parkplatzes in Oberurmein den wenige Autominuten weiter gelegenen Parkplatz in Obertschappina, welcher sich entlang der in diesem Bereich merklich schmaleren Strasse erstreckt.

Der dritte Einstiegpunkt im Weiler Obergmeind auf 1800 Metern Höhe eignet sich primär eher für Feriengäste, die in diesem Bereich in einem der zahlreichen Hotels logieren. Ein öffentlicher Parkplatz ist zwar auch hier vorhanden, die meisten Stellplätze in Obergmeind gehören allerdings zu den besagten Übernachtungsstätten und sind deren Gästen vorbehalten. Die direkt an der Piste gelegenen Hotels sind mit ihren Restaurants der Hauptverpflegungsstandort im Skigebiet. Dennoch sind auch im ganzen restlichen Gebiet verstreut eine Vielzahl an Hütten anzutreffen.

Die Gemeinsamkeiten der Skigebiete Tschappina und Sarn am Heinzenberg

Trotz der geografischen Nähe sind die beiden Skigebiete am Heinzenberg offiziell nicht miteinander verbunden. Ohne grosse Mühe kann allerdings über gespurte Wanderwege auch per Ski das Gebiet gewechselt werden. Jedoch sind zwischenzeitlich einige kürzere Aufstiege zu bewältigen. Eine gemeinsame Skikarte gibt es jedoch bis heute nicht, sodass für jeden Sektor ein separates Ticket gelöst werden muss. Da beide Gebiete aber an der erwähnten Reduktion für Tagesgäste teilnehmen, müssen Feriengäste aus Tschappina für eine Tageskarte in Sarn nur die Hälfte bezahlen und umgekehrt.

Betrachtet man den Pistenplan, so stechen speziell die zahlreich vorhandenen blauen Abfahrten ins Auge. Es liegt in der Natur der Sache, dass in sanft abfallenden Mattenregionen der Alpen keine steilen Abfahrten zu erwarten sind. Und dennoch kommen auch erfahrene Skiläufer am Heinzenberg voll auf ihre Kosten. Es ist eine Art der Abfahrt, die mir bis heute – trotz zahlreichen Besuchen in infrastrukturell-charakterlich vergleichbaren Skigebieten – in keinem anderen Skigebiet in diesem Ausmass begegnet sind. Hügel und Kuppen auf der Piste bereiteten mir schon seit jeher immer wieder Freude. Sie sind in kleineren Gebieten bis heute glücklicherweise auch keine Seltenheit.

Doch das Skifahren am Heinzenberg erinnert in gewisser Weise an Wellenreiten, wenn man über die zahllosen Kuppen unbeschwert gen Tal gleitet. Hinzu kommt die mittig angebrachte Pistenmarkierung, die den Rand der Piste als solchen nicht mehr erkennbar machen. Ein Detail, aber ein ganz zantrales Element mit grosser Wirkung. Ohne den sonst obligaten Stangenwald links und rechts geht die präparierte Spur nahtlos in das verspurte, aber naturbelassene Gelände über, sodass die Piste als Teil des ganzen Areals wirkt und nicht wie in vielen anderen Gebieten als Fremdkörper daherkommt. Die Markierungen haben den Charakter eines Vorschlags, wo es hingehen soll, im Gegensatz zum sonstigen Zwang-Erscheinungsbild.

Die Geschichte der Skigebiete Sarn und Tschappina

Bereits Ende der 50er Jahre drehten sich die Rollen der ersten mechanischen Aufstiegsanlage am Heinzenberg. 1957 wurde durch die Firma Baco der erste Skilift Lüsch erstellt. Vom Weiler Obergmeind erschloss er ein weitläufiges Areal mit rund 300 Höhenmetern und einer Vielzahl von Abfahrtsvarianten. Eine Erweiterung erfolgte Richtung Tal ein knappes Jahrzehnt später in Form des Skilifts Obertschappina. Eine bis heute existente, aber mehrmals sanierte Anlage der Firma Oehler.

Das Skigebiet von Sarn entstand in einem Zug 1969 in Form von zwei Anlagen der Firma Städeli. Im Winter als Schlepplift betrieben waren die Anlagen von Beginn an auch für einen Sommerbetrieb mit Sesseln konzipiert. Davon zeugen noch heute die schweren Fachwerkstützen und die entsprechend eingerichteten Stationen. Ein solcher Sommerbetrieb fand jedoch bis heute an keiner der beiden Anlagen jemals statt.

Die letzte Neuerschliessung am Heinzenberg erfolgte in Form eines dritten Schlepplifts 1978, der den Weiler Oberurmein an den Bereich Obertschappina-Lüsch anschloss. Wie beim bereits sieben Jahre zuvor ersetzten Schlepplift Lüsch kam hier die Firma Garaventa zum Zug.

Erneuerung der Infrastruktur in den 90er Jahren

Mitte der 90er Jahre sah man sich gezwungen, in die inzwischen betagte Infrastruktur beider Gebiete zu investieren. Diskutiert wurde der Ersatz von Skiliften durch Sesselbahnen, die das Skigebiet Tschappina-Oberurmein jedoch schlussendlich in weiser Voraussicht ablehnte. Anders als in Sarn, wo die erste Sektion durch eine Doppelsesselbahn aus Savognin – aufgrund der Steilheit und Abgelegenheit durchaus berechtigt – 1999 ersetzt wurde. Stattdessen verblieb man in Obergmeind beim altbewährten Schlepplift und erstellte 1994 auf der Trasse des Skilifts Lüsch zwei parallele neue Skiliftanlagen. Bis heute vermisst hier kein Gast eine schnelle, kuppelbare Sesselbahn. Die Förderleistung der beiden Schlepplifte von insgesamt 2000 Personen in der Stunde erreicht locker jene, die mit einer in Bau und Unterhalt um Längen teuereren Sesselbahn möglich gewesen wäre. Und die weitläufigen und zahlreich vorhandenen Abfahrten vertragen die Förderleistung bestens.

Ein ideal abgestimmtes Verhältnis von Lift- zu Pistenkapazität

Wieder einmal zeigt sich hier am Beispiel Heinzenberg, dass ein gut abgestimmtes Verhältnis zwischen Lift- und Pistenkapazität einer der zentralen Knackpunkte eines unbeschwerten Skivergnügens ist. Das Zielpublikum – so mein Eindruck beim Besuch des Gebiets – das sich vorrangig aus Familien mit kleineren Kindern sowie der lokalen Dorfjugend zusammensetzt, scheint mit der gegebenen Infrastruktur bestens zufrieden zu sein.

Niemand ist darauf angewiesen, im Rekordtempo den Gipfel zu erreichen. Niemand schert sich darum, wenn der Lift mal etwas länger steht, weil der Liftwart nach einem Halt zuerst noch ein wenig mit den Gästen plaudert, ehe er die Anlage wieder startet. Niemand benötigt ein Kinderparadies mit überdachtem Förderband. Hier am Heinzenberg lernen die Kinder noch ausserhalb von eingezäunten Themenparks und Rundumsorglos-Paket die Bergwelt kennen. Und auch alle anderen scheinen diese von Marketingabteilungen grosser Skigebiete totgesagte Art des Skilaufs sichtlich zu geniessen.

Start am Skilift Obertschappina

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Die Talstation des Schlepplifts Obertschappina samt Kasse und Warteschlange von wenigen Minuten. Rechter Hand – nicht im Bild – befindet sich ein kurzer Seillift für die kleinsten. Er dient aber auch als Zubringer vom unteren Teil des in die Länge gezogenen Parkplatzes.

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Unterwegs im Schlepplift Obertschappina mit seinen formschönen Oehler-Fachwerkstützen. Diese wurden aber inzwischen mit Wartungspodesten und Anhebeböcken ausgestattet. Ferner wurden die originalen Kurzbügel-Gehänge schon vor langer Zeit durch Habegger-Hydrogehänge ersetzt.

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Schlepplift Obertschappina mit dem längsten Spannfeld. Hier gewinnen wir bereits einen ersten Eindruck der endlos erscheinenden Abfahrtsmöglichkeiten.

Die Paradehänge am Doppelschlepplift Lüsch

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Der Doppelschlepplift Lüsch in seiner ganzen Pracht. Trotz der grossen Menschenmenge geht es zügig voran. Schon bald machen wir uns zum höchsten Punkt des Skigebiets auf.

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Unterwegs im Schlepplift Lüsch. Um im Einstiegsbereich mehr Platz zu schaffen besitzt der rechte Lift schräge Rollen an der ersten Stütze.

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Über eine Vielzahl von Stützen erstreckt sich dann im weiteren Verlauf eine Kurve bei beiden Liften. Die Abfolge von Trage- und Niederhaltebatterien sorgt für ein herrliches Geratter. Für den Fall einer Seilentgleisung ist eine Schutzstange installiert, die im Ernstfall verhindern soll, dass das Seil des rechten Lifts in die Bahn des linken kommt.

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Oben angekommen geniesst man einen schönen Ausblick Richtung Rheintal und die Südost-Bündner Berge.

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Stets dominant präsentiert sich der Piz Beverin südlich des Gebiets. Der Südostlage ist es zu verdanken, dass das Skigebiet auch im Dezember bis nach 15 Uhr komplett in der Sonne liegt. Im Frühjahr wird das aufgrund der geringen Höhenlage aber schnell zum Problem.

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Ein weiterer Eindruck der genial welligen Abfahrt am Schlepplift Lüsch.

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Aber auch die Variante rechts vom Doppelschlepplift ist absolut fahrenswert. Hier mit einer der an einer Hand abzählbaren Schneekanonen im Gebiet, welche punktuell für ein wenig künstlichen Nachschub sorgen. Der Unterschied zum Naturschnee ist allerdings kaum spürbar und daher auch nicht störend.

Wartezeit am Skilift Oberurmein

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Der Schlepplift Oberurmein. Hier gibt es knapp 20 Minuten Wartezeit, an denen sich aber niemand stört. Eine zweite Anlage würde dem zu Stosszeiten zwar Abhilfe verschaffen, doch schon bei der nächsten Fahrt verteilt sich die Menge wieder auf die restlichen Lifte und zusätzliche Förderleistung wäre obsolet.

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Auch dieser Garaventa-Schlepplift weist eine leichte Kurve auf, die mit schrägen Rollen bewältigt wird.

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Abfahrt Richtung Obertschappina. Der geneigte Leser kann sich sicher inzwischen ein Bild davon machen, wie gut mir solche Passagen gefallen!

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Ein Aufstieg auf den Grat oberhalb der Bergstation der beiden Schlepplifte Lüsch ermöglicht einen hervorragenden Rundumblick auf das tief verschneite und touristisch völlig „unbearbeitete“ Safiental.

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Auch in Richtung Norden sind die Ausblicke sehenswert. Am gegenüberliegenden Hang links im Bild erhasche ich auch einen Blick auf den Solarskilift von Tenna. Langsam kündigen erste Schleierwolken eine Wetterverschlechterung an.

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Ein Foto vom Schlepplift Obertschappina, welches auf einer der letzten Abfahrten des Tages entsteht.

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Noch bis Betriebsschluss sind beide Schlepplifte Lüsch in Betrieb und gut ausgelastet.

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Und auch auf der letzten Abfahrt des Tages können wir nochmals einige Sonnenstrahlen geniessen.

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