Trotz eines recht lauten Brummens während der Nacht, das vermutlich durch irgendeinen Kompressor oder ähnliches am Haus neben dem Stellplatz verursacht wird, wache ich am nächsten Morgen guter Dinge auf. In der Folge nehme erst einmal eine wohltuende Dusche und frühstücke ausgiebig. Daraufhin gebe ich den Schlüssel für das Toiletten- / Dusch- / Aufenthaltsgebäude wieder beim Chef ab, mit dem ich mich noch längere Zeit unterhalte. Ein netter Typ, selbst viel herumgekommen und mit der Gegend bestens vertraut. So gibt er mir noch einige wertvolle Tipps für meinen weiteren Weg rund um die Coromandel-Halbinsel, den ich nach einem Eintrag in das Gästebuch des Campingplatzes schließlich gegen 10 Uhr starte. Auch wenn der Aufenthalt hier der bislang teuerste der ganzen Reise war, so war es gleichzeitig auch der persönlichste und angenehmste. Und das ist ja auch etwas wert.
Entlang der Westküste der Coromandel-Halbinsel
Die Route nach Coromandel führt mich zunächst an der westlichen Küste entlang, der die Straße Kilometer um Kilometer auf abermals sehr kurvenreicher Trassierung folgt. Sandstrände stellen hier die Ausnahme dar, vielmehr säumen größere Steine den Küstenstreifen. Die Gegend ist nur spärlich von einigen Maori, den neuseeländischen Ureinwohnern, besiedelt. Touristisch weitaus besser erschlossen ist der Ort Coromandel selbst. Dort befinden sich die üblichen Einrichtungen von Camping über Bed & Breakfast, Supermarkt, Tankstelle und einigen Sehenswürdigkeiten bis hin zu einem kleinen Hafen. Die immer wieder vorüberziehenden Regenschauer lassen mich aber nicht lange verweilen. So erreiche ich recht zügig über eine Gebirgsstraße die Ostküste der Halbinsel. Den Norden lasse ich aus, da hier kein Rundweg möglich ist und zudem das Wetter dort aus der Ferne noch schlechter aussieht.
Entgegen der Vermutung meiner Stellplatznachbarn aus der vorangegangenen Nacht ist das Wetter im Osten doch etwas besser. Während meiner Mittagsrast auf einer großzügig angelegten, aber völlig leeren Picknick-Wiese in Rings Beach an der Nordostküste zeigt sich sogar kurzzeitig die Sonne. Wie schon so häufig interessieren sich wieder jede Menge Möwen für meine Mahlzeit. Sie sind aber dann doch so scheu, dass sie einen gehörigen Sicherheitsabstand einhalten und mich aus der Ferne beobachten. Auch ein paar der lokal verbreiteten nordneuseeländischen Turteltauben versammeln sich auf der Wiese. Sie scheinen aber ebenfalls nicht wirklich an mir interessiert zu sein.
Auffallend hier in Neuseeland ist, dass die Vögel nur selten wegfliegen, wenn man ihnen näher kommt, sondern grundsätzlich erst einmal laufen. Gestern hätte ich auf dem Weg nach Wellsford auch beinahe einen Vogel von der Größe eines Hahns überfahren, der plötzlich vor mir über die Straße gelaufen ist. Es ist sowieso unglaublich, wie viele tote Tiere hier auf den Straßen herumliegen. Ein paar Greifvögel habe ich auch schon dabei gesichtet, wie sie sich über die sterblichen Überreste ihrer Artgenossen hermachen.
Hot Water Beach
Der nette Campinghost hatte mir am Morgen noch den Hot Water Beach an der Ostküste als interessantes Ausflugsziel empfohlen. Als ich schließlich auf einen Wegweiser dorthin stoße, biege ich von der Hauptstraße ab und navigiere zu dem neuen Zwischenziel.
Vor mir fährt zu diesem Zeitpunkt einer der in Neuseeland verbreiteten Hop-On-Hop-Off-Busse, die im ganzen Land über festgelegte Routen zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten verkehren. Eigentlich eine schöne Idee. Gemäß Internetberichten sind die Hauptzielgruppen dieser Anbieter aber Partyvögel und pubertierende Teenager, die sich eher am Vollkasko-Rahmenprogramm als an der Natur erfreuen. Definitiv nichts für mich. Hot Water Beach passt aber irgendwie auch voll und ganz zu dieser Klientel. Und als ich ankomme, werde ich zudem vom ersten gebührenpflichtigen Parkplatz auf meiner Reise überrascht. Da mir der Strand auch recht überlaufen erscheint, kehre ich nach ein paar schnellen Dokumentationsfotos wieder um und mache mich auf den Weg zur Cathedral Cove, die sich nur wenige Kilometer entfernt befindet.
Wanderung zur Cathedral Cove
Dort ist ähnlich viel Betrieb und erst nach der dritten Runde um den Besucherparkplatz finde ich schließlich eine Lücke für mein Gefährt. Aber die Wanderung zu der bekannten Bucht mit ihrer halb im Wasser befindlichen Höhle soll sehr lohnend sein. Das stellt sich auch als völlig zutreffend heraus, als ich nach einer halben Stunde Marsch wieder einmal an der Küste stehe. Die Höhle ist in der Tat sehr eindrucksvoll, sodass ich für ein paar interessante Aufnahmen ein wenig mit dem Weitwinkelobjektiv experimentiere. Daraufhin geht es aber wieder flugs zurück zum Auto. Schon von weitem kann ich wieder die nächsten Regenwolken erkennen.
Routenwahl mit Hindernissen
Diese sind jedoch schneller als ich, sodass ich die Weiterfahrt etwas durchnässt antreten muss. Weit möchte ich aber ohnehin nicht mehr fahren. Hinter der Ortschaft Whangamata habe ich einen etwas abgelegenen DOC-Campingplatz mit guten Bewertungen entdeckt. Der Weg dorthin ist auch schnell gefunden. Die Straße ist teils asphaltiert, teils nur geschottert, aber das darf ich ja mit meinem Fahrzeug fahren.
Etwa 100 Meter vor dem Campingplatz ist aber plötzlich erst einmal Endstation. Die Straße führt durch einen Bach, der hier rund zehn Zentimeter hoch mit starker Strömung diese Straße überflutet. Hui, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Was also nun? Mit Schwung durchfahren? Oder doch lieber zurück zu einem anderen Platz fahren? Ich bin schon kurz davor, wieder umzudrehen und trotz einer Dreiviertelstunde Fahrzeit zum nächsten Campingplatz aufzubrechen. Da fährt plötzlich ein Radfahrer an mir vorbei und durch den Bach. Trotz langsamem Tempo durchquert er das Bachbett problemlos. Daher fasse ich mir Mut und probiere es ebenfalls. Mit Anlauf geht es ins Wasser, und auch wenn die Strömung spürbar ist, kann ich letztlich problemlos weiterfahren. Dann muss ich nur hoffen, dass der Wasserstand bis morgen früh nicht weiter steigt.
Viele andere Personen scheinen den Campingplatz nicht auf dem Radar zu haben, oder haben sich durch das nasse Hindernis abschrecken lassen. Auf dem Platz herrscht völlige Leere. Nicht einmal der Campingwart ist vor Ort, sodass ich nur meinen Registrierungszettel ausfülle und zusammen mit 10 NZD in den angebrachten Briefkasten werfe. Die Szenerie auf dem Platz, der sich ähnlich wie vor zwei Tagen wieder über ein größeres Areal erstreckt, ist regelrecht gespenstig bei so wenig Betrieb. Beim diesmal erfolgreichen Kochen meiner wohlverdienten Nudeln kommt erstmalig so richtige Abenteuerstimmung auf, an diesem wolkenverhangenen Abend allein mitten im Wald, irgendwo im Nirgendwo. Auf jeden Fall wird mich heute Nacht kein Kompressor stören.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.