Auf Umwegen durch die Catlins zum Nugget Point

Obwohl der Himmel über Nacht bedeckt ist, stehe ich am Morgen bereits wieder früh auf, um einen Eindruck vom Sonnenaufgang an der Monkey Island zu erhalten. Das, nachdem der Sonnenuntergang am Vorabend so schön war. Eigentlich könnte ich aber gut und gerne noch ein wenig liegen bleiben. Die Sonne steigt erst hinter den Bergen am Horizont auf, als die schönste Lichtstimmung bereits vorbei ist.

Dennoch ist mein frühzeitiger Aufbruch nicht ganz sinnlos, denn das Wetter soll im Laufe des Tages von Westen her immer schlechter werden. Daher mache ich mich auf dem schnellsten Weg auf in Richtung Osten. Na gut, auf dem schnellsten Weg nicht ganz, denn anstatt den gut ausgebauten SH 1 zu nehmen, entscheide ich mich dazu, über die Catlins zu fahren. Eine hügelige Küstenregion zwischen Invercargill und Balclutha an der Südküste der Insel.

Straße nach Riverton
 
Ortszentrum von Riverton

Organisatorische Erledigungen in Invercargill

Vorher geht es allerdings nach Invercargill selbst, seines Zeichens die südlichste Stadt Neuseelands, um eine ganze Reihe an Dingen zu erledigen. Als erstes stoppe ich an einem Supermarkt, um meine Vorräte für die nächsten Tage etwas aufzustocken. Heute Morgen hat es leider nicht einmal mehr für das Frühstück gereicht. Im Anschluss tanke ich noch einmal voll, denn in den größeren Städten der Südinsel ist das Benzin immerhin ein wenig günstiger als auf dem Land. Etwas länger dauert es dann, bis im Waschsalon meine Wäsche wieder sauber und trocken ist. Aber irgendwann muss ich auch das einfach mal erledigen, da ich vor Christchurch wohl an keinem dieser Selbstbedienungsläden mehr vorbeikomme.

Weil es inzwischen schon rasant gegen Mittag zugeht, muss ich mich ein wenig beeilen, um mein heutiges Programm vollständig zu absolvieren. Viel Zeit zum Verschieben bleibt nämlich nicht. Morgen ist auf der Südinsel mit heftigen Regenfällen zu rechnen und auch heute macht sich die Wetterverschlechterung schon langsam bemerkbar.

Bluff – die südlichste Stadt Neuseelands

So erreiche ich mein nächstes Zwischenziel, Bluff, bei bereits bewölktem Himmel und starkem Wind. Die 1824 gegründete Siedlung ist nicht nur der Ausgangspunkt für Reisen auf die von hier schon sichtbare Stewart Island, die kleine, dritte Insel Neuseelands ganz im Süden. Sie wird auch den südlichsten Punkt meiner Ozeanien-Reise markieren. Nachdem ich auf einen Besuch der Stewart Island verzichte, ist Bluff so etwas wie der Umkehrpunkt. Und das passenderweise kurz nach der Hälfte meiner Reise.

Den Bluff Hill, eine durch eine recht steile Straße erschlossene Erhebung direkt an der Küste, erreiche ich um die Mittagszeit. Dort lege ich eine kurze Rast ein und halte nach einigen Fotos von der Aussichtsplattform ein wenig inne. An diesem Punkt bin ich nun weniger als 5.000 Kilometer vom Südpol entfernt, stehe am südlichsten Zipfel der beiden neuseeländischen Hauptinseln, habe seit dem Start meiner Reise fast 6.000 Kilometer mit dem Camper zurückgelegt und werde von nun an der Heimat jeden Tag wieder ein Stück näher kommen.

Aussicht vom Bluff Hill auf die Stewart Island

Stewart Island von Bluff aus gesehen

Stirling Point – der südlichste Punkt meiner Reise

Nach der Fahrt auf den Bluff Hill statte ich auch dem Stirling Point, einem Aussichtspunkt direkt an der Küste, noch einen Besuch ab. Hier ist bedeutend mehr Andrang als auf dem Hügel. So finde ich nur mit etwas Mühe einen Parkplatz und kann den markanten Wegweiser mit seinen Kilometerangaben fotografieren. Eine Angabe sticht mir dabei besonders ins Auge. Die 1.401 Kilometer bis zum Cape Reiga. An diesem Ort, dem nördlichsten Punkt der Nordinsel, stand ich vor genau 33 Tagen und habe dort den gleichen Wegweiser fotografiert, auf dem die Kilometerangabe bis nach Bluff abzulesen war. Mit einem Mal wird mir bewusst, wie lange ich nun eigentlich schon in Neuseeland unterwegs bin. Und welche Strecken ich in der Zwischenzeit schon zurückgelegt habe.

Wegweiser am Stirling Point in Bluff

Doch auch in der zweiten Hälfte meiner Reise freue ich mich auf viele weitere Entdeckungen, sodass ich schon nach kurzer Zeit wieder aufbreche, um zurück nach Invercargill und von dort nach Osten weiterzufahren. Am Stirling Point suche ich noch eine Toilette auf und treffe das wohl kurioseste WC an, das mir je begegnet ist.

Die wahrscheinlich kurioseste Toilette der Welt

Eine vollautomatische Kabine, die per Knopfdruck geöffnet und von innen ebenso per Knopfdruck elektronisch verschlossen wird. Ist das geschehen, ertönt eine Ansage, die mir mitteilt, dass mir maximal zehn Minuten zur Verfügung ständen. Danach ginge die Tür wieder von selbst auf. Auf die Ansage folgt eine sanfte Hintergrundmusik, die wieder abstellt, als ich mir die Hände wasche. Das anschließende Betätigen des Seifenspenders löst gleichzeitig die Spülung der Toilette aus. Und als ich mir die Hände trockne, wird automatisch die Tür wieder entriegelt und geöffnet, woraufhin sich die automatische Ansage bei mir für die Nutzung des WCs bedankt und mir einen schönen Tag wünscht. Was für ein grandioser Schwachsinn! Diese Toilette scheint die Antwort auf eine Frage zu sein, die niemand gestellt hat.

Über Stock und Stein durch die Catlins

Nachdem ich das optisch eher wenig ansprechende Bluff hinter mir gelassen habe und Invercargill im Süden umfahre, komme ich zunächst recht flott in Richtung Osten voran. So bin ich guten Mutes, noch vor Eintreffen des Regens mein heutiges Hauptziel, den Leuchtturm am Nugget Point südlich von Owaka, zu erreichen. In dem kleinen Dorf Tokanui sichte ich einen Wegweiser, der mir die Wahl zwischen der Straße im Landesinneren und einer küstennahen Straße überlässt. In der Annahme, dass man entlang der Küste die schönere Aussicht genießt, entscheide ich mich für letzteren Weg. Zumal rein kilometermäßig beide Alternativen in etwa gleich weit sind.

Natürlich kommt es dann aber, wie es kommen muss. Nach rund 30 Kilometern endet die asphaltierte Straße mitten im Nirgendwo und geht in eine Schotterpiste über. Na super, das hätte man ja wirklich nicht irgendwo ankündigen können?! Aber um noch einmal zurückzufahren und den anderen Weg zu nehmen, bleibt mir einfach keine Zeit, sodass ich nach etwas Überlegen doch weiterfahre. Noch besser kommt es, als ich wenige Augenblicke später erfahre, dass ein Teil der Straße bei Flut regelmäßig überschwemmt wird und unpassierbar ist. Zwar habe ich Glück und die Straße ist problemlos befahrbar, aber warum um alles in der Welt steht das nicht irgendwo vorher?

Nach 14 Kilometern unruhiger Fahrt erreiche ich endlich mein nächstes Zwischenziel. Die Curio Bay, eine kleine Bucht an der Südküste mit Blick auf die umliegende Hügellandschaft. Die saftig grünen Wiesen und steilen Klippen entlang der Küste erinnern ein wenig an Küstenstreifen in Irland und sind abermals eine für mich bislang völlig neuartige Landschaft in Neuseeland. Im Gegensatz zur doch meist recht ähnlich daherkommenden Nordinsel gibt es im Süden des Landes eine unglaubliche landschaftliche Vielfalt zu entdecken.

Küstenstreifen in der Curio Bay / Catlins
 
Küstenstreifen in der Curio Bay / Catlins

Kurzer Zwischenstopp am Lake Wilkie

Nicht weniger interessant wird es kurze Zeit später bei einem kleinen Spaziergang zum Lake Wilkie, einem See mitten im Regenwald, der sich hier entlang der Küste erstreckt. Auch wenn das kleine Gewässer nicht gerade zu den spannendsten Orten meiner bisherigen Reise zählt, gibt es unterwegs im Wald jede Menge interessante Farne, Moose und Pilze zu entdecken.

Pilze auf dem Weg zum Lake Wilkie

Nur noch eine Dreiviertelstunde Fahrzeit bis zum Nugget Point liegt vor mir, als ich Papatowai erreiche. Papatowai ist eine weitere kleine Ortschaft in den Catlins, die in erster Linie vom hiesigen sanften Tourismus lebt. Mitten im Ort muss ich aber plötzlich lesen, dass die Straße vor mir gesperrt ist. Wegen einer Brückensanierung. Immerhin ist eine Umleitung signalisiert, die aber, wie soll es auch anders sein, natürlich über eine Schotterstraße führt.

Nach den vergangenen Erlebnissen habe ich mir vorgenommen, auf keinen Fall mehr von der Hauptstraße hier abzuweichen, aber was bleibt mir nun anderes übrig. Kilometer um Kilometer lege ich zurück. Die Laune sinkt immer tiefer in den Keller. Irgendwie kann diese Umleitung nicht ganz ernst gemeint sein. Alles in allem verlängert sich die Strecke um mehr als 20 Kilometer. Äh, klar, und auch das kann man natürlich nirgendwo ankündigen, dass man hier 40 Minuten lang durch die Pampa eiert?

Nach dem neuerlichen Zeitverlust ist es nun wirklich höchste Eisenbahn, wenn ich den Nugget Point noch vor Sonnenuntergang erreichen will. Um den Abend vollumfänglich zum Fotografieren nutzen zu können, steuere ich vorab allerdings noch meine für heute geplante Unterkunft an. Einen Campingplatz in Kaka Point, rund zehn Kilometer vom Leuchtturm am Nugget Point entfernt. Dort ist allerdings niemand anzutreffen, sodass ich wieder kehrt mache und doch zuerst zum Leuchtturm fahre. Nachher wird die Rezeption dann hoffentlich besetzt sein.

Landschaft in den neuseeländischen Catlins

Endlich angekommen am Nugget Point

Gerade noch rechtzeitig für die schönste Lichtstimmung des Tages erreiche ich den Nugget Point. Dieser Ort ist ein wenig mit dafür verantwortlich, warum ich heute überhaupt in Neuseeland bin. Vor vielen Jahren bin ich auf eine Nachtaufnahme dieses Leuchtturms gestoßen, die mich seither fasziniert hat. Das, obwohl ich anfänglich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wo dieser Ort eigentlich genau liegt. Aus diesem Grund stand der Nugget Point von Beginn der Reiseplanung an ganz oben auf der Prioritätenliste. Und nun bin ich also hier, an diesem sagenumwobenen Ort an der Südküste Neuseelands. Vom Parkplatz aus ist etwa ein Kilometer Wegstrecke zu Fuß zu absolvieren, ehe der markante weiße Leuchtturm in Sichtweite kommt. Der Weg verläuft mehrheitlich entlang einer steilen Bergflanke und gegen Ende auf einem Grat, während links und rechts tief unterhalb die Wellen des Pazifiks gegen die steilen Klippen donnern.

Mit den inzwischen dichten Wolken ist die Szenerie recht bedrohlich, sodass ich kurze Zeit überlege, eine Zeitrafferaufnahme des Ausblicks zu machen. Letztlich entscheide ich mich aber dagegen, da die Wolken zu langsam vorüberziehen. So probiere ich mich doch wie schon am Vortag wieder am graufiltern, doch die gestrigen Aufnahmen mit 30 Sekunden Belichtungszeit führen hier und heute auch nicht zum gewünschten Ergebnis. Daher schraube ich die volle Ladung an Filtern auf das Objektiv und belichte ganze acht Minuten. Und das sieht schon deutlich dramatischer aus!

Vorüberziehende Wolken am Nugget Point Lighthouse

Auf der Jagd nach dem perfekten Foto

Während meiner Aufnahmen komme ich mit Phil ins Gespräch, einem Neuseeländer, der hier für ein paar Tage ebenfalls auf Fotojagd ist. Er hat sich auf Panoramaaufnahmen spezialisiert und zeigt mir einige seiner herausragenden Fotos. Nachdem das Licht dann jedoch langsam aber sicher uninteressant wird, breche ich meine Zelte wieder ab und fahre zurück zum Kaka Point, wo die Rezeption am Campingplatz inzwischen tatsächlich besetzt ist.

Ein recht günstiger Stellplatz ist schnell beschafft und Gratis-WLAN gibt es auch noch dazu. Davon könnte sich manch anderer Holiday Park wirklich eine Scheibe abschneiden! Da es nach meiner abendlichen Dusche schon dunkel ist, koche ich meinen Fisch mit Reis in der Campingküche, ehe ich müde von der anstrengenden Fahrt in den Camper zurückkehre. Dort angekommen kündigt sich mit den ersten Regentropfen auf dem Autodach das schlechte Wetter des morgigen Tages an. Allerdings ist das insofern recht unproblematisch, als dass ich morgen wiederum eine recht lange Autofahrt in Richtung Mount Cook National Park vor mir habe. Und dort soll das Wetter ab Montag ausgezeichnet sein.

1 Gedanke zu „Auf Umwegen durch die Catlins zum Nugget Point“

  1. Hallo Felix, ich hatte heute „endlich“ mal wieder Zeit um all Deine Reiseberichte „nach zu lesen“. TOLL und wenn man die km-Zahlen liest, das ist schon ne Strecke. Bei Deinen Berichten aus den Fjorden musste ich an unsere Norwegentour denken – dort habe ich es genauso empfunden, die Ruhe, die Natur…beeindruckend. So, nun hab‘ noch weiterhin eine gute Zeit, komm immer gut an…und sammele alle Erlebnisse ganz tief in Dir.
    Ich freu‘ mich auf neue „Briefe von Felix“. Alles Liebe aus good old germany
    Sabine & Familie

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