Der unrühmliche Tagesabschluss von Christchurch

Hier könnte ich es gut und gerne noch ein paar Tage aushalten, denke ich, als ich am Morgen bei fast sommerlichen Temperaturen auf der Picknickbank neben meinem Camper sitze und frühstücke. Der Campingplatz in Springfield ist wirklich ein Schmuckstück. Günstig, und doch mit allen Annehmlichkeiten des Campinglebens ausgestattet. Wie mir erst heute Morgen auffällt, gibt es sogar einen Kinderspielplatz und einen Tennisplatz, der für die Campinggäste bereitsteht. Vor meinem Aufbrechen entledige ich mich noch meines Mülls, der sich in den letzten Tagen angesammelt hat.Langsam sieht die Vorratskammer ganz schön leer aus. So leer, dass ich für das Abendessen in den nächsten beiden Tagen noch einen letzten Einkauf tätigen muss. Das will ich aber nicht hier im lokalen Tante-Emma-Laden machen, sondern in Christchurch.

Christchurch – die inoffizielle Hauptstadt der Südinsel

Die inoffizielle Hauptstadt der Südinsel ist das letzte Ziel auf meiner Neuseelandreise. Auf dem Programm steht für heute ein Spaziergang durch die Stadt und durch einige Parkanlagen. Morgen möchte ich auf den Port Hills nach einer Fahrt mit der Kabinenbahn noch ein wenig wandern und zum letzten Mal die Pazifikküste bestaunen, bevor am Nachmittag Wäsche waschen, Camper putzen und andere organisatorische Dinge zu erledigen sind. Weit ist es nicht von Springfield nach Christchurch. Genau genommen beträgt die Fahrzeit nur rund 40 Minuten über eine kerzengerade Straße. In der Agglomeration Christchurch angelangt steuere ich einen Parkplatz am westlichen Ende der botanischen Gärten in Riccarton an. Dort habe ich Glück, dass bei meiner Ankunft gerade ein Stellplatz auf dem sonst voll besetzten Areal frei wird, sodass ich ohne große Suchaktion gleich in den Park aufbrechen kann.

Der botanische Garten von Christchurch

Auch wenn ich normalerweise nicht gerade Luftsprünge vor Begeisterung bei Gartenanlagen mache und schon erst recht kein ausgewiesener Fachmann in Sachen Flora bin, der botanische Garten von Christchurch ist ein wahres Schmuckstück, das mich von den ersten Minuten an in seinen Bann zieht. Ein riesiges Areal mit Pflanzen und Bäumen aller Art und Herkunft, Steingärten, jede Menge Teiche, ein überdimensionales Gewächshaus mit unzähligen Kakteen und eine Vielzahl an Brücken um den Avon, dem Fluss, der den Park einmal umrundet. Speziell jetzt im Herbst ergeben sich mit den bunt gefärbten Blättern der Bäume ideale Fotogelegenheiten. Ich halte mich lange in den Gärten auf, ehe am östlichen Ausgang die Innenstadt von Christchurch in Sichtweite kommt.

In den botanischen Gärten von Christchurch

Ein Erdbeben mit weitreichenden Folgen

Schon bei den ersten Gebäuden wird deutlich, dass die Ausmaße des verheerenden Erdbebens vom 22. Februar 2011 noch immer präsent sind. An nahezu jeder Straßenecke finden sich Baustellen, überall trifft man auf Absperrungen, unbegehbare Bürgersteige und halb eingestürzte Häuser, die in mühevoller Arbeit langsam wieder aufgebaut werden. Über fünf Jahre sind seit dem Beben vergangen, und doch werden wohl noch viele Jahre ins Land gehen, bis die letzten Spuren verschwunden sind.

Mein erstes Ziel auf dem Stadtrundgang ist die Bridge of Remembrance, eine Brücke über den Avon, die dem Aussehen nach wohl erst vor kurzer Zeit restauriert wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls eine Folge des Erdbebens. Die Fußgängerbrücke selbst kann zwar überquert werden, auf der anderen Seite verhindert aber ein Bauzaun das Weiterkommen. Hier sind noch immer Wiederaufbauarbeiten im Gange, genau wie in einer nahegelegenen Parkanlage.

Bridge of Remembrance in Christchurch

Cathedral Square in Christchurch

Die Kathedrale von Christchurch

Wirklich ergreifend ist kurz darauf aber der Anblick des Cathedral Square. Der Platz der Kathedrale wurde erst 2013, also über zwei Jahre nach dem Beben, der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht, und doch führt er heute ein tristes Dasein. Auch hier finden sich zahlreiche Absperrungen, die den Zugang zu der teilweise eingestürzten Kathedrale von Christchurch verhindern sollen. Im nur noch partiell vorhandenen Dachstock haben sich Tauben eingenistet, am ehemaligen Eingang wächst meterhohes Gras zwischen den brüchigen Treppenstufen, ein Spanngurt hält den Engel am Kreuz vor der Kathedrale fest. Ein unendlich trauriger Anblick, über den auch der sonst sehr ansprechend gestaltete Platz nicht hinwegtrösten kann.

Christchurch Cathedral

Christchurch Cathedral

Über den Victoria Square, einer weiteren kleinen Parkanlage nördlich des Cathedral Square, laufe ich zurück in Richtung botanischer Garten. Unterwegs muss ich immer wieder die Straßenseite wechseln, da die Bürgersteige wegen einsturzgefährdeter Häuser nicht mehr passierbar sind. Auch eine Brücke im Stadtzentrum ist für den Verkehr gesperrt. Im Großen und Ganzen scheint man sich aber mit den Einschränkungen abgefunden zu haben.

Herbstfarben in den botanischen Gärten

Zurück am Parkplatz lege ich meine Mittagspause ein, die ich gemütlich angehen kann, denn für den restlichen Nachmittag habe ich keine großen Pläne mehr. Nachdem mir der botanische Garten aber so gut gefallen hat und ich bislang nur einen Bruchteil gesehen habe, beschließe ich gegen 16 Uhr, bei der nun hervorragenden Lichtstimmung noch einmal aufzubrechen, um ein paar ansprechende Fotosujets zu suchen. Fündig werde ich vor allem bei den „Water Gardens“, den Teichanlagen, in denen sich die umliegende Flora mit ihren herrlichen Farben spiegelt. Wenn nicht gerade eine der zahlreichen Enten im Wasser umher schwimmt.

Botanischer Garten von Christchurch

Botanischer Garten von Christchurch

Botanischer Garten von Christchurch

Der unrühmliche Tagesabschluss nimmt seinen Lauf

Nach so vielen schönen Erlebnissen bin ich froh, nur noch gute zehn Minuten fahren zu müssen, um zu einem der „Freedom-Camping“-Areale von Christchurch zu gelangen. Ich entscheide mich für den Windsport Park, einem Areal in einer kleinen Bucht an der Pazifikküste, von der ich mir morgen einen schönen Sonnenaufgang erhoffe. Trotz des inzwischen merklich stärker werdenden Verkehrs erreiche ich mein Ziel recht schnell. Nur um dort festzustellen, dass überall Hinweisschilder angebracht sind, die das Campen auf diesem Platz vorübergehend verbieten.

Das kann doch jetzt nicht wahr sein! Toiletten stehen dort, Mülleimer sind vorhanden, und nur weil jemand jetzt diese Schilder aufgestellt hat, darf man nicht mehr übernachten? Aber wenn das Ganze nur vorübergehend so ist und derart viele Schilder aufgestellt sind, kann man wohl davon ausgehen, dass die Einhaltung dieser Regeln ziemlich sicher überprüft wird – mit „Schild einfach übersehen“ ist da wohl nichts. Was soll ich jetzt also machen? Zwei Nächte in den teuren Holiday Parks zu verbringen, darauf habe ich eigentlich keine Lust. Weiter östlich gibt es aber noch einen anderen kostenlosen Campingplatz. Dieser wird wohl hoffentlich nicht auch geschlossen sein. Also fahre ich dort hin, allzu weit sind die acht Kilometer ja nicht.

Hoffnungslose Suche nach einem Campingplatz

Natürlich nicht, außer man versucht sie genau jetzt, mitten im Feierabendverkehr, zurückzulegen. Eine halbe Stunde benötige ich, bis ich im Addington Park feststellen muss, dass auch dort die gleichen Schilder aufgestellt sind. Camping vorübergehend verboten. Warum um alles in der Welt sind diese kostenlosen Campingplätze seit ein paar Wochen alle geschlossen? Damit die Touristen alle zahlen und in die Holiday Parks fahren? Ist das so lächerlich! Aber mir bleibt jetzt nichts anderes mehr übrig, denn langsam wird es dunkel und irgendwo muss ich ja übernachten. Also mal wieder in der Camping-App geschaut, der nächste Campingplatz ist nur einen Kilometer entfernt. Zwar miserabel bewertet, aber für einen Holiday Park nicht übermäßig teuer. Na dann.

Der eine Kilometer ist zwar wieder etwas optimistisch, denn auf der vierspurigen Straße kann ich ohne weiteres nicht wenden, sodass ich erst in eine Seitenstraße abbiegen muss, dort umdrehe und schließlich Kurs auf den Addington Accomodation Park nehme. Die Einfahrt finde ich auch gleich, doch dort stehe ich vor einem Bauzaun. Wegen Umbauarbeiten geschlossen. Nein, nein, nein, das glaube ich jetzt einfach nicht!

Seit einer Stunde fahre ich nun völlig sinnlos durch die Gegend, wo ich doch für die Nacht nur einen 5×2 Meter großen Stellplatz und eine Toilette brauche und ich wegen der restriktiven Gesetzgebung in diesem Land nicht einfach irgendwo parken kann, wo es mir passt. Also muss ich erneut schauen, wo ich einen Campingplatz finde. Dann fahre ich eben doch zu dem Holiday Park in New Brighton, den ich eigentlich zum Abschluss für morgen vorgesehen habe. Ob ich eine oder zwei Nächte bleibe, muss ich mir noch überlegen.

Zum dritten Mal ans andere Stadtende

Zum dritten Mal fahre ich nun ans andere Stadtende von Christchurch, inzwischen leuchtet auch das Tanklicht auf, aber immerhin kann ich nun endlich übernachten. Zunächst zahle ich nur für eine Nacht, da ich ohnehin nicht mehr genug Bargeld für zwei Nächte dabei habe. Auch meine Essensplanung muss ich jetzt über den Haufen werfen, denn falls ich morgen nicht in einem Holiday Park übernachte, hebe ich mir die Fertigpizza lieber auf und esse den eigentlich zum Abschluss vorgesehenen Fisch schon heute Abend. Die Küchenutensilien säubere ich soweit möglich schon einmal, denn für die Pizza brauche ich morgen nicht mehr allzu viel.

Camping = Umweltsünde?

Nach dem Essen konsultiere ich interessehalber einmal das Internet, um herauszufinden, was der Grund für die Schließung der ganzen kostenlosen Campingplätze in Christchurch ist. Dort stoße ich auf einen Zeitungsartikel, der die Antwort parat hat. Die Nachfrage nach den Plätzen ist zu groß, sie sind überfüllt und die Anrainer haben Bedenken, dass das legere Campen zu Umweltproblemen führt.

Keine Frage, es kann nicht sein, dass die Leute ihren Müll in die Landschaft werfen und ihr Geschäft an jedem erdenklichen Ort verrichten. Ob man mit dem Abschaffen aller legalen kostenlosen Campingalternativen aber dafür sorgt, dass sich diese Tatsache zum Positiven hin ändert, das wage ich doch arg zu bezweifeln. Warum man den ehrlichen Campern nicht grundsätzlich erlauben kann, in der Nähe einer Toilette zu übernachten und stattdessen alle Touristen unter Generalverdacht stellt, ist mir ebenso rätselhaft. In den skandinavischen Ländern funktioniert es doch auch einwandfrei. Manchmal macht sich der Mensch das Leben einfach selbst unnötig schwer.

Jedenfalls bin ich fest entschlossen, morgen aus Prinzip auf einem kostenlosen Campingplatz außerhalb von Christchurch zu übernachten. Dieser ist geöffnet, das habe ich inzwischen herausgefunden. Das bedeutet zwar 30 Kilometer Umweg, aber diese Strecke ist immer noch deutlich günstiger, als wieder in einem Holiday Park zu übernachten. Dann muss ich meine Endreinigung des Campers eben schon morgen soweit wie möglich durchführen. Den restlichen Müll werde ich dann schon noch irgendwie am Flughafen los.

2 Gedanken zu „Der unrühmliche Tagesabschluss von Christchurch“

  1. Hi Felix,
    Enjoy the land Down Under.
    Just google Men at Work. A song still loved by the Aussie expats
    Have fun mate.
    Aussie, Aussie, Aussie , Oi, Oi, Oi.
    And always travel safe.
    Fiza and Ulf

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  2. Hey mate,

    of course I did listen to Men at Work during my flight to Melbourne. The best way to get familiar with the Aussie slang :-) Had a good time in Melbourne in the last two days. Unfortunately the weather is awful atm but hopefully gets better tomorrow. I’ll keep you updated :-)

    Felix

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