Nachdem sich den gesamten Frühsommer über nie wirklich eine Gelegenheit ergeben hatte, eine grössere Tour zum Ski- oder Seilbahnfahren zu starten (sei es aus Zeit- oder Wettergründen), kam ich gegen Ende August langsam unter Zugzwang. Schon im Frühjahr hatte ich einige potentielle Ziele sondiert, in denen sich dieses Jahr unter Umständen zum letzten Mal die Gelegenheit ergibt, bestimmte interessante Seilbahnanlagen zu fahren. Es stellte sich schnell heraus, dass es insbesondere in Italien noch die eine oder andere Bahn gibt, die ich gerne noch in meiner Sammlung hätte.
Die nostalgische Einersesselbahn von Frabosa Soprana
Nun war ohnehin für Ende August eine Fahrt in das Piemont geplant, wenngleich nicht mit Fokus auf Seilbahnen. Dennoch erhoffte ich mir, vielleicht doch ein, zwei Leckerbissen im Programm mit unterbringen zu können. Tatsächlich ergab sich dann am letzten Tag der Reise die Möglichkeit, mit der Einersesselbahn von Frabosa Soprana auf den Monte Moro zu fahren. Die Anlage ist Teil eines erstaunlich grossen Skigebiets, den Alpe Mondove im Südwesten des Piemonts, nahe der Grenze zu Frankreich. Auch wenn die Bahn derzeit nicht akut abbruchgefährdet ist, hatte ich einen Besuch dort im Vorfeld fest eingeplant. Dank einer schonenden Sanierung durch die Firma CCM vor einigen Jahren ist die Bahn optisch weitgehend im Originalzustand erhalten. Es handelt sich um eine Einersesselbahn der Gebrüder Marchisio aus Turin, eröffnet im Jahre 1958. Also um Längen älter als das derzeit älteste (öffentliche) Sesselbahnexemplar der Schweiz.
Nicht ganz ungewohnt ging aus den chaotischen Webauftritten italienischer Skigebiete nicht zweifelsfrei hervor, ob die Bahn Ende August tatsächlich noch geöffnet ist. Die Internetseite von Frabosa Soprana sprach zumindest davon, dass während des gesamten Sommers Biker herzlich willkommen seien. Und der August zählt ohne Zweifel definitiv noch zum Sommer. Einen anderen Eindruck erweckte allerdings ein Fahrplan vom Sommer 2012, in dem die Bahn bereits Mitte August den Sommerbetrieb einstellte.
Hochnebel über dem Piemont
Wie auch immer, ich wollte jedenfalls nichts dem Zufall überlassen und so brach ich am Mittag des 26. August von Cuneo auf nach Frabosa Soprana. Im Gegensatz zu den vorherigen Tagen erstreckte sich eine zähe Hochnebelschicht über die Poebene, sodass mir unterwegs doch einige Zweifel aufkamen, ob denn die Bahn überhaupt fahren würde. Am oberen Ortsende von Frabosa Soprana erblickte ich dann die Einersesselbahn, die nach wenigen hundert Höhenmetern bereits im Nebel verschwand. Doch immerhin. Sie war geöffnet, wohl in erster Linie wegen der Biker.
Von diesen war allerdings zunächst auch nicht viel zu sehen, sodass der Liftwart schon etwas erstaunt schaute, als ich – offenbar als einziger Fahrgast innerhalb der letzten Stunde – eine „andata e ritorno“ verlangte. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, mit der Bahn die Obergrenze des Hochnebels zu erreichen und so doch noch einige Sonnenstrahlen an jenem Tag zu erhaschen, denn die Bahn überwindet stolze 700 Meter Höhendifferenz. Doch zunächst blieb es bei einer geruhsamen Fahrt unter der Nebeldecke, ehe mein Sessel und ich vollständig in der grauen Suppe verschwanden.
Ein Pistenplan der Alpe Mondolè. Über die Grösse des Gebiets war ich erstaunt, das hatte ich in dieser Form nicht erwartet, zumal die Höhenlage eher als moderat zu bezeichnen ist. Frabosa Soprana findet sich links unten auf dem Plan.
Durch den Nebel auf den Monte Moro
Die etwas trostlose Stimmung in der formschönen Marchisio-Sesselbahn etwas oberhalb der Talstation. Im unteren, flachen Teil wird die Anlage durch eine Doppelsesselbahn ergänzt. Unschwer zu erkennen handelt es sich dabei um eine typische Graffer-Seggiovia.
Bald schon war die Nebeluntergrenze erreicht. Biker kamen mir auf dem sichtbaren Pfad unter der Sesselbahn keine entgegen. Hätte ich doch besser an der Talstation nachgefragt, wie das Wetter oben ist? Wenn der Nebel bis zur Bergstation reicht, wird sich das Vergnügen wohl in Grenzen halten …
Mystische Stimmung bei der Bergfahrt – da fühlte ich mich schwer an das Vigiljoch im Vorjahr zurückversetzt.
Doch entgegen meiner Erwartungen lichtete sich der Nebel erstaunlich schnell, sodass ich nach rund der Hälfte der Fahrzeit die Sonne durch die Wolken hindurchschimmern sehen konnte!
Unterwegs zum Monte Moro bei nun hervorragenden Wetterverhältnissen.
Angekommen auf dem Monte Moro bei herrlichem Sonnenschein und mit Blick auf das Nebelmeer über der Poebene.
Auch andere Teile des Skigebiets der Alpe Mondolè ragen aus dem Nebel heraus.
Einige Impressionen von der formschönen Einersesselbahn.
Da es an der Bergstation nichts weiter zu entdecken gab und ich noch ein zweites Tagesziel vor Augen hatte, begab ich mich recht schnell wieder auf die Talfahrt. Dabei fielen mir einige Fundamente entlang der Trasse auf. Hatte der Lift gar schon einen Vorgänger?
Im unteren Teil leistet die parallele Graffer-Sesselbahn wieder Gesellschaft.
Die schlichte Talstation mit ihrer Abspanneinrichtung. Seit der Generalsanierung vor einigen Jahren besitzen sämtliche Sessel Komfortpolster – ungewohnt bei einer Einersesselbahn!
Mit diesem Eindruck verabschiede ich mich wieder aus Frabosa Soprana.
Kurze Visite in Lurisia
Nur wenige Kilometer von Frabosa Soprana entfernt befindet sich das kleine Skigebiet von Lurisia. Bis vor wenigen Jahren bestand das Gebiet gänzlich aus nostalgischen Anlagen, allen voran einem Korblift der Firma Marchisio, der als einer von zwei Zubringern ins Skigebiet diente. Vor einigen Jahren erreichte dieser dann allerdings das Ende seiner Betriebsbewilligung und wurde zunächst stillgelegt, ehe er im Sommer 2009 durch eine fix geklemmte Kabinenbahn ersetzt wurde. Hersteller der neuen Anlage ist die Firma CCM, die sonst bekannt für ihre schonenden Umbauten historischer Liftanlagen in Norditalien bekannt ist. Im Gegensatz zu manch anderen Korbliften handelt es sich in Lurisia allerdings um einen kompletten Neubau; von der alten Anlage wurde nichts übernommen.
Dennoch wollte ich den weissen Stehgondeln einen Besuch abstatten, wenn man schonmal in der Region unterwegs ist. Aufgrund des steigenden Hochnebels und der Tatsache, dass ich viel später als geplant am Monte Moro war, machte ich mir jedoch keine allzu grossen Hoffnungen auf eine Fahrt. Inzwischen war es 17 Uhr und innerhalb einer Stunde eine Berg- und Talfahrt durchzuführen erschien mir wenig sinnvoll. Als ich an der Talstation ankam, musste ich dann allerdings feststellen, dass die Bahn an diesem Tag – vermutlich wegen des Wetters – gar nicht in Betrieb genommen wurde. Da hatte ich am Monte Moro wahrlich Glück gehabt! So beliess ich es bei einigen Aufnahmen im Talstationsbereich und erkundete im Anschluss den heute stillgelegten zweiten Zubringer ins Skigebiet, eine Zweiersesselbahn von Marchisio.
Die dunkelblauen, verwitterten Stützen der stillgelegten Zubringersesselbahn im Nebel sorgten für eine mystische Stimmung.
Die Talstation im typischen Marchisio-Design der frühen 80er Jahre.
Die Kabinenbahn von Lurisia – von der Farbgebung her wenig aufregend.
Talstation der Kabinenbahn Lurisia-Monte Pigna.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.