Im Gegensatz zur Nacht auf dem Autohof geht es diesmal relativ ruhig zu und her. Trotzdem wache ich aber am frühen Morgen immer wieder mal auf, weil die Sonne schon ab 4 Uhr wieder scheint. Irgendwie nervt das ja schon, dass es hier quasi rund um die Uhr hell ist. Und die Vorhänge machen leider auch nicht so dunkel wie erhofft … Gegen 9 Uhr scheint die Sonne dann genau auf das Auto, sodass es unerträglich warm wird und ich lieber aufstehe. Der andere Camper, der hier übernachtet hat, ist schon weggefahren, sodass ich den strahlenden Sonnenschein an diesem Morgen ganz für mich alleine genießen kann. An einem angrenzenden kleinen See mache ich mich ein wenig frisch und starte nach einem kurzen Frühstück meine Weiterfahrt Richtung Westen.
Hängebrücke am Fedafjord
Der Weg führt mich weiter über die E39 in Richtung Stavanger. Einen ersten Halt lege ich am Fedafjord ein, das von der E39 mit einer markanten Hängebrücke überwunden wird. Die Straßenbauten sind hier in Norwegen in vielerlei Hinsicht mit der Schweiz vergleichbar. Unzählige Tunnels, koste es, was es wolle, durch den Berg durch und direkt im Anschluss in 50 Meter Höhe über das Meer – so macht Autofahren Spaß! Für die Überfahrt wird dann allerdings eine Maut in Höhe von 25 NOK fällig – das sind etwa 2,70 €.
Straßenmaut wird in Norwegen in der Regel bei teuren Bauwerken erhoben, allerdings nur so lange, bis diese abbezahlt sind. Danach kann die Straße kostenlos benutzt werden. Hier scheint das demnach noch nicht der Fall zu sein. Interessant ist auch das Bezahlsystem. Die Maut wird automatisch erhoben, indem das Kennzeichen fotografiert wird. Der Halter erhält dann, unabhängig von der Nationalität, einen Monat später eine Rechnung.
Über Nebenstraßen und Gebirgspässe nach Lauvikka
Die nächste größere Stadt erwartet mich in Form von Flekkefjord, wo an diesem Vormittag reger Auto- und Fußgängerverkehr herrscht. Eigentlich will ich endlich einmal einen Geldautomaten aufsuchen, damit ich für den Notfall noch etwas mehr Bargeld einstecken habe. Die Norweger bezahlen zwar praktisch alles mit Karte, aber man weiß ja nie. Fündig werde ich dann aber auf die Schnelle nicht, sodass ich ohne größere Suchaktion gleich weiter fahre.
Nach dem morgendlichen Sonnenschein bin ich zuversichtlich, bereits am Nachmittag die erst für den Folgetag geplante Wanderung auf den Preikestolen am Lysefjord noch in Angriff zu nehmen. Für den morgigen Tag sind Regenschauer angekündigt, sodass ich lieber den heutigen Tag noch ein wenig verlängere. Da es ja gefühlt bis in alle Ewigkeit hell ist, habe ich auch noch genügend Zeit, einen kleinen Umweg über eine Nebenstraße einzubauen. Die E39 eignet sich zwar gut, um schnell vorwärts zu kommen, bietet aber sonst keine wirklich landschaftlich interessanten Eindrücke. Die Nebenstraße im Süden, die mich von Flekkefjord nach Åna-Sira führt, überwindet unzählige Gebirgspässe und Schluchten mitsamt kleiner Fjorde, bietet aber leider kaum Möglichkeiten zum Anhalten. Entsprechend mager fällt die Fotoausbeute aus.
Mit der Fähre über den Lysefjord von Lauvikka nach Oanes
Noch etwas problematischer ist allerdings die Tatsache, dass sich das Wetter zusehends verschlechtert und es schließlich auf halbem Weg zum Lysefjord schon zu regnen beginnt. Hoffentlich ist es am Preikestolen noch halbwegs passabel! Um dort jedoch überhaupt hinzukommen, muss ich zunächst meine erste innernorwegische Fähre nehmen, von Lauvikka nach Oanes. Für 73 NOK überquere ich mit der halbstündig verkehrenden Verbindung den Lysefjord an seinem südlichen Ende. Erstaunlich, dass es an dieser doch wichtigen Verkehrsachse noch keine Brücke gibt. Einige Kilometer weiter nördlich existiert nämlich eine solche über den Fjord auf einer weitaus unbedeutenderen Nebenstraße.
Die Fährfahrt gestaltet sich recht unkompliziert. Wenn ich da nur an Neuseeland denke! Dort hätte man die Fahrkarte in irgendeinem Tante-Emma-Laden um die Ecke kaufen müssen, um dann dort zu erfahren, dass die Karte heute ausnahmsweise doch auf dem Schiff selbst verkauft wird, man dort aber dann nur in bar bezahlen kann, weil das Kartenlesegerät des Matrosen defekt ist. Hier ist das doch irgendwie alles eine Nummer weniger stark improvisiert ;-) .
Menschenmassen am Preikestolen
Auf der anderen Seite des Fjords angekommen starte ich nach einigen Fotos am salzig riechenden Ufer meinen Weg zum Preikestolen – zu deutsch Predigstuhl. Auf das deutsche Pendant führt die älteste original erhaltene Luftseilbahn des Landes, hier in Norwegen muss der Gipfel zu Fuß erklommen werden. Grundsätzlich habe ich gegen keine der beiden Varianten etwas einzuwenden. Am Parkplatz trifft mich dann aber der Schlag. Schon auf dem Weg dorthin sind mir Scharen an Wohnmobilen und Autos entgegen gekommen, aber auch jetzt, um 15.30 Uhr, ist der Parkplatz noch immer voll.
Daher muss ich auf ein etwas weiter entferntes Areal ausweichen, wo inzwischen einige Plätze frei geworden sind. Bei der Parkgebühr glaube ich zunächst, dass ich mich verlesen habe, aber die verlangen hier allen Ernstes 150 NOK!? Da ist ja ein Stellplatz im Parkhaus von Täsch billiger, wenn man in Zermatt skifahren geht. Aber gut, bei der Völkerwanderung, die mich auf dem Wanderweg erwartet, kann man vermutlich eh verlangen was man will. Ist halt praktisch, wenn man eine der Touristenattraktionen des Landes darstellt.
Vier Stunden soll die Wanderung angeblich in Anspruch nehmen. Ich halte das aber für sehr gemütlich gerechnet, sodass ich davon ausgehe, spätestens nach drei Stunden wieder am Auto zu sein. Der Weg ist aber doch recht mühsam zu gehen, denn er setzt sich größtenteils aus natürlichen (Fels-) Treppenstufen in unterschiedlichen Höhen zusammen. Noch mühsamer ist allerdings die Tatsache, dass mir nun am späten Nachmittag regelrechte Horden an Menschen entgegenkommen, wodurch ich wesentlich langsamer vorankomme als erhofft. Immerhin bleibt es jedoch während der kompletten Wanderung trocken. Besser noch, nach einiger Zeit zeigt sich sogar wieder ein wenig blauer Himmel.
Atemberaubender Blick vom Preikestolen auf den Lysefjord
Vom Gipfel aus bietet sich dann wirklich ein atemberaubender Blick auf den rund 600 Meter tiefer gelegenen Lysefjord in nahezu seiner gesamten Länge von über 40 Kilometern. Der Preikestolen ist nichts anderes als ein Felsvorsprung, von dessen Rand es ziemlich genau senkrecht nach unten geht. Umso erstaunlicher ist für mich die Tatsache, dass bei dieser Attraktion für den Massentourismus nicht längst irgendwelche Zäune oder Warnschilder angebracht sind. Naja, ich find’s gut so.
Übernachtung am Camping Preikestolen
Zurück komme ich dann wesentlich schneller voran, sodass ich doch wie geplant gegen 18.45 Uhr wieder am Auto bin, von wo aus ich innert weniger Minuten auch meinen angepeilten Campingplatz erreiche. „Camping Preikestolen“ ist ein riesiges Areal, auf dem ich entsprechend kein Problem habe, einen Platz zu finden. 240 NOK kostet mich die Übernachtung im Auto hier. Nicht gerade günstig, aber in zwei von drei Nächten zahle ich ja gar nichts. Insofern kann man sich den Luxus einer Dusche und Kochgelegenheit schon mal gönnen. Jetzt am Abend haben sich die Wolken natürlich wieder völlig verzogen, sodass auch um 23 Uhr noch die Sonne ins Auto scheint. Das macht mir langsam wirklich Probleme. Normalerweise brauche ich eigentlich schon ein paar Stunden Dunkelheit, bevor ich wirklich müde werde …
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.