Ein verrücktes Unterfangen. Vielleicht sogar zu verrückt, dass es ein normal denkender Mensch verstehen könnte. Zwei Skilifte, eine Standseilbahn, eine Luftseilbahn. Um 5.45 Uhr schellt der Wecker. Keine 5 Stunden später stehe ich rund 400 Kilometer von der Heimat entfernt an der Talstation der Standseilbahn Plan Francey in Moléson-sur-Gruyères. Seit Mitte Januar warte ich auf diesen Moment, auf einen Samstag mit strahlendem Sonnenschein. Und nun ist es endlich soweit.
Der Reihe nach. Schon zwei Jahre zuvor stand ich einmal an dieser Talstation, doch damals unter denkbar anderen Voraussetzungen. Quasi als Notlösung wegen skiuntauglichen Wetters entschied ich mich, vom Wallis aus einen Ausflug zum Moléson zu machen. Schon damals wurde gemunkelt, die Von-Roll-Gipfelpendelbahn würde im Sommer durch eine neue Bahn ersetzt werden. Die Erwartungen waren recht niedrig, was die Öffnung der Bahnen aufgrund des schlechten Wetters anging. So kam es dann auch schlussendlich. Alle Hoffnungen vergebens, die Bahnen blieben im strömenden Regen geschlossen, sodass keine Erinnerungsfotos von der zweiten Sektion Seilbahn zum Moléson-Gipfel entstehen konnten. Glücklicherweise wurde der Bau der Bahn um zwei Jahre verschoben.
Letzte Chance auf Nostalgie am Moléson
Doch zurück ins Jahr 2010. Schon bei der Anfahrt zur Talstation sticht der Moléson, der erste markante hohe Alpengipfel im Kanton Freiburg, ins Auge. Ebenso wie die Bergstation der Pendelbahn, die man schon von weit her als Adlerhorst an der Felswand klebend ausmachen kann. Die Ski auf dem Buckel, die Sonnebrille auf der Nase und die Kamera umgehängt. So mache ich mich vom geräumigen Parkplatz auf zur Kasse. Noch ist relativ wenig Betrieb. Erstaunlich für das gute Wetter und die doch schon fortgeschrittene Uhrzeit an diesem Samstag. Die sehr freundliche Kassiererin verkauft mir eine Vormittagskarte bis 12.30 Uhr für sage und schreibe 17 Franken. Das ist damit die mit Abstand preiswerteste Skikarte, die ich in meinem Leben je erworben habe.
Sogleich begebe ich mich in die Talstation der modernen Standseilbahn, die wenige Minuten später mit ca. halber Auslastung des 90 Personen fassenden Wagens den Berg sanft empor klettert. Inzwischen tut die Bahn dies seit 12 Jahren. Mit Baujahr 1998 entstand sie zu einer Zeit, als zwar die Seilbahnsparte des traditionsreichen Berner Von-Roll-Konzerns schon an Doppelmayr verkauft war, die Firma aber immer noch auf den ursprünglichen Namen, Von Roll, hörte. Sie ersetzte auf neuer Strecke ein Produkt aus dem Kanton Zürich. Die Müller-Kabinenbahn aus den 60er Jahren hatte ausgedient, seither befördert die grösstenteils aufgeständerte Standseilbahn die Fahrgäste wind- und lawinengeschützt in knapp vier Minuten auf den Plan Francey. Die Talstation wurde dabei vom Dorfkern an den Rand verlegt. Direkt zur Talstation des Korbliftes zur Vudalla, welcher allerdings schon kurze Zeit später ersatzlos abgebaut wurde.
Von Moléson-Village zum Plan Francey
In der Loge des Wagens Nummer 2. Im schicken Freiburger Schwarz-Rot-Weiss kommen die von Gangloff gefertigten Wagen mit Glasdach schön zur Geltung. Interessantes Detail: Die Standseilbahn besitzt ein Gegenseil.
Moderne, gelungene Architektur prägen das Erscheinungsbild dieser mit 1,3 Kilometern Länge doch recht kurzen Bahn. Theoretisch kann die Bahn im knapp 6-Minuten-Takt rund 990 Personen pro Stunde ins Skigebiet befördern. Heute ist dies allerdings bei weitem nicht nötig.
Die lawinensicher aufgeständerte Standseilbahn mit der Ortschaft Moléson im Hintergrund.
Ne vous bougez pas …
Moderne Architektur, das war einmal. Zumindest im folgenden Tagesprogramm. Kaum aus der gläsernen Bergstation hinaus gekommen, erblicke ich auch schon die zweite Sektion, der eigentliche Grund des Besuchs. 100 Meter Bodenabstand, für 35 Personen konzipierte Kabinen sowie eine filigrane Stütze. Das sind die trockenen Zahlen dieser so ausgefallenen und einmaligen Bahn. In der Talstation wird das rustikale Interieur deutlich. Hier gibt es nichts, was man nicht zwingend braucht – und gerade das macht die Bahn so liebenswert.
„Ne vous bougez pas, s’il vous plaît!“ tönt es plötzlich vom Perron, als ich mich schon in der Kabine befinde. Elektronische Zählersysteme gibt es hier nicht. Hier zählt der Kabinenbegleiter seine Fahrgäste noch von Hand. In meinem Fall sind es 12, die die Kabine füllen. Genügend Platz hat es also, trotz der vielen Variantenfahrer mit ihren Rucksäcken. Wenige Momente später surrt die kleine Kabine auch schon am stählernen Tragseil die Felswand empor. Ein Fahrgefühl, das man heute in der Alpen nur noch sehr selten erlebt. Und auch hier wohl nicht mehr allzu lange …
Die nostalgische Luftseilbahn auf den Moléson
Schade, schon ist die Hälfte der Fahrt vorbei: Die zweite Kabine schwebt vor dem fast kitschig wirkenden, dunkelblauen Himmel vorbei. Das Mittelland sitzt noch im Dunst fest.
Ausblick vom Perron der Bergstation Richtung Norden. Im Vordergrund die einzige Stütze der Bahn. Oben erkennt man zudem die Seile der Bergebahn.
Kabine Nummer 2 in der Bergstation. Beengte Platzverhältnisse prägen das Stationsbild. Diese rühren nicht nur daher, dass die Station über einem Abhang klebend am Fels fixiert ist, sondern auch daher, dass die Bahn von ursprünglich nur einer Kabine auf Doppelspur umgebaut wurde.
Halboffen oder halbgeschlossen – man kann es drehen wie man möchte. Die Bergstation mit ihren verwitterten Schindeln ist einfach typisch für die Romandie.
Panorama auf Alpen und Voralpen
Rechts die Bergstation, links die Sternwarte mit dem Gipfelrestaurant. Beide sind mit einem unterirdischen Gang miteinander verbunden. Hightech mit ausreichender Beleuchtung und Rolltreppe inklusive – versteht sich!
Panorama Richtung Südwesten. Der Genfer See versteckt sich leider unter der Nebeldecke.
Schon rollt die nächste Kabine am Moléson ein, der – ob der identischen Namen von Ort und Berg – einfach nur als Sommet bezeichnet wird.
Alt im Vordergrund, neu im Hintergrund. Beides fügt sich gut ins Gesamtbild des Skigebietes ein. Aber hier oben gehört einfach eine kultige kleine Pendelbahn hin.
Über eine knackige Abfahrt zurück zur Zivilisation
Nicht minder interessant ist aber auch die Piste vom Sommet ins Tal. Nicht zuletzt wegen dieser reicht die Förderleistung der Bahn vollkommen aus. Den gemeinen Partygänger aus Österreich sucht man hier vergebens. Aber das ist auch gut so. Eine knackige, steile Abfahrt führt über einen Sattel teilweise breit, teilweise schmal bis auf 1300 Meter hinunter. Die perfekte Ergänzung zur Von-Roll-Pendelbahn. Cassons lässt grüssen.
Wo schaut man zuerst hin? Auf das geniale Panorama oder auf die einmalige Piste? Der Leser darf selbst entscheiden.
Ein Blick zurück auf eine der Engstellen, sogar durch ein Fangnetz gesichert. Falls sich doch mal ein Autobahnfahrer nähern sollte.
Sanfte Waldabfahrten am Schlepplift Gros Plane
Lange kommt nichts, doch dann ist man nach einigen schönen Kurven und Kuppen wieder in der Zivilisation angekommen. Hier in Form des Skilifts Gros Plane, ein eher flacher Übungsskilift.
Wie unschwer erkennbar ist, erinnert die Talstation sehr an Gerhard Müllers modernere Skilifte. Mit Baujahr 1986 dürfte der Lift aber bereits unter dem Namen Rowema entstanden sein. Die Technik scheint aber noch immer die gleiche zu sein wie zu Zeiten der markanten Initialien GMD.
Hier fühlen sich die Pistenfahrer dann schon eher wieder zu Hause. Etwas störend empfinde ich die Rap-Musik an der Talstation. Sie passt irgendwie nicht so ganz zum restlichen Bild des Gebietes. Das soll aber den Gesamteindruck keineswegs schmälern.
Moderne Müller-Schräg-T-Stützen prägen das Erscheinungsbild dieses Skilifts.
Irgendwo im Nirgendwo – die Bergstation des Skilifts Gros Plane.
Durch den Nadelwald zurück zum Plan Francey
Schon eine etwas steilere Angelegenheit ist der Skilift Les Joux, der als Rückbringer von der Sommet-Abfahrt zum Plan Francey fungiert. Allerdings besitzt er auch eine sehr lohnende eigene Abfahrt.
Deutlich ersichtlich, dieser Skilift besitzt noch die klassischen Fachwerk-Portalstützen aus Dietlikon. Er stammt noch aus der Gründerzeit des Skigebietes 1962. Ausser den Masten ist allerdings nicht mehr viel original. Tal- und Bergstation wurden von Garaventa ersetzt, zudem neue Gehänge von Doppelmayr eingekauft.
Immer der Sonne nach … Sichtlich geniesst der Skifahrer in der Pistenmitte die Abfahrt am Plan Francey. Wie ich wenige Minuten später ebenfalls.
Die Bergstation – ein reinrassiges Garaventa-Produkt. Alte Postkarten zeigen hier noch eine kastenförmige Bergstation im typischen 60er Jahre Baustil.
Man könnte fast meinen, man befände sich hier in einem Mittelgebirge. Doch um 180° gedreht sprengt der Moléson dieses Erscheinungsbild. Genau das ist es, was die Voralpen landschaftlich so reizvoll macht.
Und schon verlässt die nächste Kabine die Talstation. Inzwischen dürfte der Kabinenbegleiter einen Haken auf seiner Liste machen. Dies tut er nämlich, wenn die Kabine voll ist.
Lautlos bewegt sich die Kabine zum Sommet.
Neubau oder Sanierung am Moléson?
Schon bei der nächsten Abfahrt spricht mich der Bügelgeber am Skilift Les Joux auf meine Tätigkeit an. Etwas auffallend bin ich ja schon mit der grossen Tasche und der Kamera. Wir kommen ins Gespräch und ich erläutere ihm den Grund für meinen Besuch. Eine ganz wichtige Information geht aus dem Gespräch hervor. So sicher, wie an manchen Orten behauptet, ist der Bau der neuen Pendelbahn nämlich noch gar nicht. Die Chancen stehen gut, dass es auch im nächsten Winter noch Nostalgiefahrten auf den Sommet gibt. Denn die finanzielle Lage macht es momentan schwierig, über einen Neubau zu verhandeln.
Eine allfällige Sanierung der Bahn müsse aber in jedem Fall in den nächsten Jahren durchgeführt werden, so der Angestellte. Bleibt also zu hoffen, dass man sich von der Idee Neubau noch rechtzeitig komplett verabschiedet und sich für eine möglichst sanfte Sanierung entscheidet. Denn ein Skigebiet mit diesem Charakter findet man wohl – zumindest in Mitteleuropa – in dieser Weise kein zweites Mal.
Gegen 12.30 mache ich mich dann schliesslich über die mitunter ebenfalls sehr abwechslungsreiche und ansprechende Talabfahrt wieder auf zum Parkplatz. Es steht nämlich noch ein weiterer grosser Programmpunkt auf dem heutigen Tagesplan.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.