Mitten in der Nacht werde ich vom immer lauteren Trommeln der Regentropfen auf dem Dach meines Campers geweckt. Der leichte Nieselregen vom Vorabend ist inzwischen in dicke Tropfen übergegangen, deren Konzert mir den Schlaf raubt. Mit ein paar Ohrenstöpseln kann ich noch einige Zeit weiter dösen, aber so wirklich ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Daher stehe ich frühzeitig auf, obwohl das Wetter eigentlich bestens zum Liegenbleiben geeignet ist. Mir hat der Campingplatzinhaber aber schon am Vorabend mitgeteilt, dass ab 9 Uhr ein Fahrradrennen auf der Straße zwischen Picton und Havelock stattfindet, bei dem mit erheblichen Behinderungen zu rechnen ist. Deshalb will ich ohnehin noch vor den Stramplern meinen Weg nach Nelson antreten.
Im Regen nach Nelson
Nach einer Dusche in den ausgesprochen modernen Sanitäranlagen geht es auch schon bald über die nach wie vor kurvenreiche Straße zum SH 6, der mich weiter nach Nelson führt. Das Wetter soll von nun an kontinuierlich besser werden. Daher mache ich mir durchaus Hoffnungen, am Nachmittag noch etwas unternehmen zu können. Zumal die Regionen nördlich von Nelson im Lee der hohen Berge des Kahurangi-Nationalparks liegen und dadurch vielleicht nicht ganz so viel feuchte Luft aus Westen bis hierher gelangt. Den Vormittag nutze ich aber dazu, wieder einmal meine Wäsche zu waschen. Das hätte zwar auch noch zwei, drei Tage Zeit gehabt, aber später will ich das hoffentlich gute Wetter lieber zum Wandern nutzen. In der Folge fahre ich weiter der Küste entlang bis zum Tahunanui Beach, einem kleinen Naherholungsgebiet westlich von Nelson, wo ich meine Mittagspause einlege.
In der Zwischenzeit hat der Regen tatsächlich nachgelassen, sodass ich guter Dinge bin, dass es am Nachmittag in der Tasman Bay zwischen Nelson und Motueka noch weiter aufklart. Die Rechnung geht aber nur teilweise auf, als ich vorbei an den zahlreichen Ausgangspunkten der Wassertaxis zu den Inseln der Marlborough Sounds den Abel Tasman National Park ansteuere. Zweifelsohne hätten mich die Inseln auch interessiert, aber zum einen kann ich nicht alles in sieben Wochen sehen und zum anderen macht es bei diesem Wetter ohnehin keinen Sinn, sich allzu weit vom Auto zu entfernen.
Angekommen am südlichen Tor zum Abel Tasman National Park
Der Abel Tasman National Park ist der kleinste Nationalpark in Neuseeland und benannt nach dem ersten Europäer, der 1642 im Norden des heutigen Parks die Küste Neuseelands erreichte, selbst aber nie einen Fuß an Land setzte. Der niederländische Entdecker Abel Tasman. Der Nationalpark erstreckt sich über eine Halbinsel, die zwischen der Tasman Bay im Süden und der Golden Bay im Norden ins offene Meer hinausragt und wohl zu den bekanntesten Orten in Neuseeland zählt. Die malerischen Strände finden sich auf zahlreichen Postkarten und in Werbeanzeigen wieder, und sind – mitunter deshalb – in der Hauptsaison auch völlig überlaufen.
Als ich in Marahau eintreffe, dem südlichen Tor zum Nationalpark, sind die Strände alles andere als belebt. Kaum ein Tourist ist auszumachen, lediglich ein paar Möwen kreischen entlang der Sandy Bay, deren Namensherkunft bei der zurzeit herrschenden Ebbe selbsterklärend ist. Von den umliegenden bewaldeten Bergen verschwinden die obersten Spitzen im dichten Nebel, in der Ferne rauschen ein paar kleine Wellen entlang der Küstenlinie. Das alles sorgt für eine eigenartige Stimmung, ganz anders, als ich sie mir nach Betrachten der zahlreichen Fotos im Vorfeld vorgestellt habe.
Drei Meter auf dem Abel Tasman Coast Track
Ein Stück weiter, auf dem Parkplatz am Eingang des Nationalparks, ist dann schon etwas mehr Treiben. Zumindest ist der Parkplatz gut gefüllt mit Autos und Campervans, deren Insassen sich alle auf dem ein und selben Weg befinden dürften. Auf dem Abel Tasman Coastal Track, einem der bekanntesten Great Walks in Neuseeland.
Wie die anderen acht Wanderwege dieser Art handelt es sich auch beim Abel Tasman Coastal Track um eine Mehrtagestour, die auf festgelegten Routen zu begehen ist und aufgrund des unglaublichen Touristenaufkommens fast während des gesamten Jahres lange im Voraus gebucht werden muss. Da die Hütten- und Campingkapazität entlang der Wege begrenzt ist, gilt die harte Richtlinie: Wer nicht gebucht hat, darf nicht auf den Weg und wer es doch versucht, der muss mit Strafzahlungen rechnen. Für diese Art von wandern habe ich nun gar nichts übrig. Wenn ich schon eine Mehrtagestour mache, dann doch bitte bei gutem Wetter. Aber das kann ich kaum Monate im Voraus planen. Zudem geht durch die strikte Regulierung der Route und dem vorgegebenen Übernachtungsplan auch das letzte Quäntchen Freiheit verloren, das den Reiz des Naturerlebnisses doch gerade ausmacht.
Überhaupt erscheint mir die Natur wie so oft bei stark frequentierten Orten zu sehr künstlich aufbereitet und inszeniert. Nein, da konzentriere ich mich doch lieber auf die anderen Wege und Möglichkeiten „off the beaten track“, wie man hierzulande zu sagen pflegt. Nichtsdestotrotz ist schon der kleine Teil des Parks, den ich hier zu Gesicht bekomme, landschaftlich durchaus sehenswert, wenngleich ich ihn nun so außergewöhnlich und einmalig, wie in meinem Reiseführer angekündigt, nun auch wieder nicht finde. Die Flora und Fauna erinnert mich doch sehr an die vielen Küstenregionen, die ich schon auf der Nordinsel gesehen habe.
Erkundungen an der Küste und im Regenwald
Einige Kilometer südlich von Marahau habe ich auf der Landkarte noch einen Aussichtspunkt entdeckt, zu dem ich im Anschluss fahre. Rund zehn Minuten laufe ich vom dortigen Parkplatz bergab durch einen dichten, regenwaldähnlichen Wald, ehe ich eine wunderschöne Bucht erreiche, in der sich entgegen meiner Erwartung eine ganze Menge Personen tummeln. Leider bleibt es nicht nur bei den Personen, sondern auch jede Menge stechende Sandfliegen schwirren um mich herum, als ich meine Fotoaufnahmen mache, was mich zu einer schnellen Rückkehr in den Wald veranlasst.
Ohnehin ist es aber langsam Zeit, dass ich mir ein paar Gedanken über eine Unterkunft für die Nacht und die weitere Route mache. Von morgen Sonntag bis und mit Mittwoch sieht es an der gesamten Westküste inzwischen nach mehrheitlich sonnigem Wetter aus. Somit werde ich entgegen meiner ursprünglichen Planung wohl einen Tag weniger hier im nördlichen Teil der Südinsel verbringen und stattdessen bereits am Montag in Richtung der Gletscherregionen aufbrechen, um dort den Dienstag und Mittwoch mit einigen Wanderungen zu verbringen. Von den Küstenregionen habe ich langsam sowieso genug, da möchte ich das schöne Wetter lieber in den Bergen verbringen.
Abstecher in die Golden Bay
So steht der weitere Weg relativ schnell fest. Heute werde ich noch bis Takaka in die Golden Bay fahren, wo ich einen netten Campingplatz ausfindig gemacht habe, ehe ich morgen von dort aus in Richtung Süden bis zum Nelson Lakes National Park vorankommen möchte. Dadurch ergibt sich morgen die Chance, eventuell bei schon relativ gutem Wetter noch einen Eindruck des Kahurangi-Nationalparks und der Golden Bay zu erhalten, den Montagvormittag im Nelson Lakes National Park zu verbringen und nachmittags möglichst weit in Richtung Franz Josef Glacier entlang der Westküste zu fahren.
Gesagt, getan, und so breche ich gegen 16 Uhr auf zum Takaka Hill, einem knapp 800 Meter hohen Pass, der per Straße überwunden werden muss, um die Golden Bay und Takaka zu erreichen. Auch wenn die Route relativ gut ausgebaut ist, zieht sich der Weg und der dichte Nebel im oberen Teil macht das Fahren auch nicht gerade angenehmer.
Als ich in Takaka eintreffe, lässt der Regen dankenswerterweise nach, sodass ich bei bedecktem, aber trockenem Himmel auf einer Wiese hinter einer Backpacker-Unterkunft mein Abendessen zubereiten kann. Heute gibt es noch einmal den leckeren Schnapperfisch, den ich mir nach dem Erstversuch in Ngawi vor einigen Tagen gleich ein weiteres Mal im Supermarkt gekauft habe. Während meiner allabendlichen Beschäftigung, dem Verfassen des Tagebuchs, beginnt es wieder heftiger zu regnen. Hoffentlich keine schlechten Vorboten für den morgigen Tag, aber ich baue darauf, dass die Wetterprognose Recht behält und der Sonntag seinem Namen ab dem Mittag gerecht wird.
Auch interessant ...
Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.