„Oh, ein Profi-Fotograf!“ werde ich plötzlich von der Seite angesprochen. „Können Sie ein Bild von uns machen?“ Artig verstaue ich meine Kamera in der Tasche und mache ein Foto der Fragenden mit deren Smartphone. Eine Situation, die an Touristen-Hotspots wahrscheinlich schon viele Besitzer einer größeren Kamera erlebt haben. Irgendwie hält sich die Assoziation noch immer in vielen Köpfen. Eine große Kamera, das muss ein professioneller Anwender sein.
Zwischen den Smartphones als Kamera-Exot
Auf den ersten Blick ist das verblüffend. Denn seit dem Siegeszug der Digitalfotografie ist eine Spiegelreflexkamera ein massentaugliches Elektronikspielzeug, das – notfalls im intelligenten Automatikmodus – von jedermann bedient werden kann. Von den jährlich millionenfach verkauften Kameras landet ein Bruchteil in den Händen professioneller Anwender. Die Mehrheit liegt bei ambitionierten Amateuren unter dem Weihnachtsbaum und wird auf großen Bäuchen um die Welt geschaukelt. Genau deshalb gehört das Klacken der Spiegelreflexkamera in tourismusstarken Gegenden auch zu den unausweichlichen Begleiterscheinungen einer Reise. Oder doch nicht?
Auf den zweiten Blick stellt man fest, dass man mit einer größeren Kamera wieder vermehrt als Exot wahrgenommen wird. Schaut man sich die weltweiten Kamera-Verkaufszahlen an, verwundert das wenig. Der Kameramarkt schrumpft seit 2012 rasant. Die Absatzzahlen der Spiegelreflexkameras befinden sich im freien Fall. Der Hauptgrund sind – nein, nicht die spiegellosen Kameras. Die stagnieren je nach Region auf konstant niedrigem Niveau. Schuld ist das Smartphone.
Denn genau dieses Gerät bietet eben all das, was Ottonormalverbraucher von einer Kamera für Urlaubsfotos erwartet. Einfache Bedienung, schnell teil- und vorzeigbare Fotos und das zu guter Letzt in einem komplett hosentaschentauglichen Paket. Wer heute also noch mit einer dedizierten Kamera um die Welt reist, der muss es – zumindest in den Köpfen der Leute – ernst meinen mit der Fotografie.
Lohnt sich heute noch eine Kamera für Hobby-Fotografen?
Wer professionell als Fotograf um die Welt reist, um das Titelfoto für die nächste National-Geographic-Ausgabe zu schießen, der kommt um eine robuste Kamera nicht herum. Wer in diesem Sinne professionell fotografiert, braucht ein Arbeitstier an Kamera, integrierte Backup-Möglichkeiten und Bildbearbeitungstools. Das wird vermutlich niemand ernsthaft bestreiten. Doch lohnt sich die Schlepperei auch für ambitionierte Hobbyfotografen?
Nur dann, wenn tatsächlich Dinge fotografiert werden sollen, bei denen das Smartphone an seine Grenzen kommt. Landschaftsaufnahmen mit großem Dynamikumfang, Langzeitbelichtungen, Tierfotos, Milchstraßenaufnahmen, Portraits mit geringer Tiefenschärfe. Es gibt gute Gründe, eine „richtige“ Kamera mitzunehmen. Aber eben nur dann, wenn der Fokus tatsächlich auf dem Fotografieren liegt. Die reine Dokumentation einer Reise erfordert heute kein gesondertes Werkzeug mehr.
Kameraausrüstung schleppen oder unbeschwertes Reisen mit dem Smartphone
Das haben auch die Kamerahersteller mittlerweile bemerkt. Es ist kein Wunder, dass sich die neuen spiegellosen Systeme der namhaften Firmen auf ein hochpreisiges Segment für zahlungsstarke Kunden abzielen. Und auch keine echte Kompatibilität mit den alten APS-C-Reihen besitzen. Der Hobbyfotograf, der sich vor fünf Jahren eine APS-C-Spiegelreflex mit Kitobjektiv gekauft hat, wird entweder in die höheren Segmente aufsteigen, wenn er es ernst meint, oder ist längst aufs Smartphone umgestiegen. Der Massenmarkt wird noch so lange gemolken wie möglich. Echte Innovationen und einen wieder steigenden Absatz braucht man hier – auch wenn die Marketingkampagnen der Firmen anderes suggerieren – nicht mehr zu erwarten.
Kameras werden in Zukunft mehr denn je nur noch von Leuten genutzt werden, die an ihre Fotos einen gewissen Anspruch haben oder ein spezielles Genre abdecken möchten. Wer dann noch mit einer Spiegelreflex oder spiegellosen Systemkamera um die Welt fliegt, der wird es tatsächlich ernst meinen mit der Fotografie. Für all jene besteht inzwischen glücklicherweise ein breites Angebot an spiegellosen Systemkameras und hervorragenden Kompaktkameras. Gerade auf Reisen bieten diese Systeme gegenüber den klobigen Spiegelreflexkameras einen immensen Vorteil. Insofern ist die Assoziation der großen Kamera mit einem professionellen Fotografen dann vielleicht doch nicht (mehr) ganz so falsch …
Alle, die sich nicht im Detail mit der Fotografie auseinandersetzen wollen, werden sich zukünftig mehr denn je am unbeschwerten Reisen mit dem kleinen Smartphone erfreuen. Und das völlig zu Recht! Denn kreative Ideen lassen sich auch – und gerade – mit Smartphone fotografisch bestens umsetzen.
Für alle, die mehr wollen
Trotzdem kann sich ein Blick zu den spiegellosen Systemkameras und den besseren Kompaktkameras lohnen. Denn die sind teilweise nicht viel schwerer oder auffälliger als ein Smartphone. Eine Übersicht der derzeit am Markt erhältlichen Kamerasysteme für Reisen findest du hier. Meine Empfehlungen für Kameras auf Reisen und passenden Objektivkombinationen gibt’s ebenfalls zum Nachlesen!
Auch interessant ...
Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.