Sonnenaufgang am Lake Ohau & Wandern am Mount Cook

Der morgendliche Blick aus dem Fenster verheißt nichts Gutes, als ich mich um 6.45 Uhr Ortszeit aus den Federn quäle. Ich bin schon fast gewillt, mich noch einmal umzudrehen. Doch da ich davon ausgehe, dass sich der stockdichte Nebel schnell verziehen wird, sobald die Sonne den Horizont übersteigt, mache ich mich fertig und lasse nach einer halben Stunde Omarama hinter mir, um Kurs in Richtung Lake Ohau zu nehmen.

Der Lake Ohau ist der kleinste der drei Seen der Region MacKenzie Country. Von dieser aus kann man nahezu an jeder Ecke einen Blick auf den höchsten Berg Neuseelands, den Mount Cook, oder Aoraki, wie er heute offiziell wieder heißt, erhaschen. Alle drei Seen, der Lake Ohau, der Lake Pukaki und der Lake Tekapo, sind durch den Rückgang der einst massiven Gletscher entstanden, die heute in weitaus kleinerer Form weiter hinten in den Tälern noch immer bestaunt werden können. Die beiden letztgenannten Seen sind zwar für Zwecke der Energiegewinnung ein wenig aufgestaut worden, haben ihren natürlichen Charakter aber weitgehend behalten. Lediglich am Lake Pukaki ist der Staudamm am Südende des Sees kaum zu übersehen.

Magisches Licht zum Sonnenaufgang

Meine Hoffnungen sollen sich bewahrheiten, denn schon kurz nach meinem Aufbruch sind die ersten Lücken im Nebel zu erkennen. Blauer Himmel schimmert durch die Wolken hindurch, während von der Seite langsam aber sicher das erste Sonnenlicht auszumachen ist. Nach rund 15 Kilometern biege ich von der Hauptstraße ab, um zum Lake Ohau zu gelangen. Dieser liegt noch einmal knappe 20 Kilometer entfernt, ist aber über eine ebenso gut ausgebaute Straße erreichbar. Schon nach wenigen Augenblicken lichtet sich der Nebel schlagartig.

Nicht nur die spektakulären, vergletscherten Berge der neuseeländischen Alpen kommen zum Vorschein, die gerade aufgegangene Sonne taucht die Felder in ein atemberaubendes Licht, das ich mir im Traum nicht schöner vorstellen könnte. Schnell ist die Kamera gezückt. Und dank der gänzlich leeren Straße brauche ich nicht einmal eine Haltebucht zu suchen. Ich kann einfach auf der Fahrbahn anhalten.

Sonnenaufgang auf dem Weg zum Lake Ohau

Morgenstimmung am Lake Ohau

Noch mehrere Male stoppe ich und immer schönere Motive ergeben sich, bevor sich schließlich der Lake Ohau vor mir aufbaut. Der leichte Wind führt zu einigen kleineren Wellen am Ufer, die in ihrem gleichmäßigen Rauschen nur ab und an von ein paar Vögeln übertönt werden, die den neuen Tag offenbar genauso mit Freude empfangen wie ich es tue. Entgegen meiner Erwartung ist der am See gelegene Ort Ohau touristisch scheinbar völlig unbedeutend. Das Dorf wirkt wie ausgestorben, als ich entlang des Seeufers daran vorbeifahre. Niemand kommt mir entgegen, kein Auto ist auszumachen, nicht einmal eine Touristeninformation scheint es hier zu geben. Lediglich einen Wegweiser zu einem Motel treffe ich an. Dieses liegt deutlich außerhalb des Ortes und dürfte dem Anschein nach die einzige größere Unterkunft hier sein.

Sonnenaufgang am Lake Ohau

Herbstfarben am Lake Ohau

Mein Weg entlang des Seeufers endet kurze Zeit später, als die asphaltierte Straße in einen Schotterweg übergeht. Linker Hand führt eine Abzweigung zum Skigebiet Ohau, das sich weit oberhalb in einem kleinen Seitental in Kessellage befindet. Fotos des Skigebiets, die ich mir im Vorfeld der Reise angesehen habe, zeigen, dass man von den Pisten einen wunderbaren Blick auf den See und die umliegenden Täler hat. Aber leider ist die Seilbahn wie so oft in Neuseeland nicht im Sommer für Ausflügler geöffnet. Ohnehin dürfte ich die geschotterte und von weither bereits sichtbare Zufahrtsstraße mit meinem Mietwagen aber nicht fahren.

Weiter zum Lake Pukaki

Mangels Wandermöglichkeiten, die ich mir hier eigentlich erhofft habe, geht es direkt wieder zurück zur Hauptstraße. Von hier aus steuere ich den Lake Pukaki an. Der hinter dem Ort Twizel gelegene See ist touristisch weitaus bedeutender als der Lake Ohau, führt entlang seines Westufers doch die Straße zum Mount Cook Village, dem Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen mit Blick auf den Mont Blanc Neuseelands.

Bei meiner Ankunft am Seeufer stelle ich aber überrascht fest, dass sich die Wolken hier noch ganz und gar nicht verzogen haben. Weder der Mount Cook noch die anderen hohen Berge sind zu sehen, und auch der Lake Pukaki kommt mit seinem milchigen Gletscherwasser etwas trist daher. Daher versuche ich erst einmal herauszufinden, ob weiter hinten im Tal das Wetter ähnlich ist, oder ob dort bereits die Sonne scheint. Eine Webcam im Mount Cook Village gibt recht schnell Aufschluss darüber, dass sich die Wolken nur noch im vorderen Teil des Sees halten und weiter Richtung Norden strahlender Sonnenschein vorherrscht Also nichts wie auf zum Mount Cook Village!

Atemberaubende Blicke auf den Mount Cook

Schon von unterwegs ergeben sich entlang der rund 60 Kilometer langen Straße sagenhafte Ausblicke auf den Aoraki, der hier wie eine Pyramide dominant und majestätisch empor ragt. Mit jedem zurückgelegten Kilometer wird das Wetter besser und mit jeder verstrichenen Minute werden die Blicke noch imposanter, So lege ich viele Fotopausen ein, ehe ich schließlich auch das nördliche Ende des Lake Pukaki hinter mir lasse und kurz vor dem Mount Cook Village in das Tasman Valley einbiege. Dieses Tal beherbergt auch heute noch den Tasman Glacier, den mit rund 24 Kilometern längsten Gletscher Neuseelands. Wie alle umliegenden Gletscher befindet sich aber auch der Tasmangletscher stetig auf dem Rückzug. Zwischen schwindelerregenden 400 und 800 Metern Länge verliert er pro Jahr.

Straße mit Blick auf den Mount Cook

Die beeindruckende Gletscherwelt im Mount Cook National Park

Der Rückzug hat inzwischen dafür gesorgt, dass sich ein weiterer Gletschersee oberhalb des Lake Pukaki gebildet hat. Der Lake Tasman, in den der gleichnamige Gletscher kalbt. Einige größere Eisschollen schwimmen auf dem See, als ich nach einer kurzen Wanderung vom Besucherparkplatz den Aussichtspunkt auf den Gletscher erreiche. Beim Bau dieses Weges war der Gletscher noch zum Anfassen nah. Heute braucht es schon gute Augen, um überhaupt das untere Ende auszumachen. Das liegt allerdings auch daran, dass der Gletscher auf den unteren fünf Kilometern mit Schutt und Gestein bedeckt ist, das sich von den umliegenden Moränen farblich kaum abhebt. Aber vielleicht hilft die Abdeckung ja wenigstens dabei, die Eisschmelze etwas zu dämpfen.

Eisschollen auf dem Tasman Lake

Der mit Schutt bedeckte Tasmangletscher

Am Tasman Glacier entlang zur Ball Hutt

Da mir der Ausblick aus der Ferne noch nicht genügt, entscheide ich mich zu einer weiteren Wanderung entlang der westlichen Gletschermoräne auf der Ball Hutt Route. Der Weg führt mich zunächst an zwei kleinen Seen vorbei, den Blue Lakes. Wer nun denkt, die Farbe des Wassers sei namensgebend für die Seen, der liegt nur teilweise richtig. Tatsächlich stammt der Name aus einer Zeit, als die Seen das typisch hellblaue Gletscherwasser führten. Heute sind sie dagegen lediglich noch mit Regenwasser und Algen gefüllt, was dazu führt, dass die Seen allesamt eine grüne Farbe besitzen.

Der Weg zu Ball Hutt ist zwar nicht anstrengend, da kein nennenswerter Höhenunterschied überwunden werden muss, er zieht sich aufgrund seiner Länge aber wie Kaugummi. Für die Motivation kommt erschwerend hinzu, dass aufgrund der Gletschermoräne rechter Hand weder ein Blick auf den Gletscher noch auf die umliegenden Berge möglich ist.

Nach gut einer Stunde und mehr als sechs Kilometern Marsch habe ich dann genug. Ich steige einfach entlang der zwar etwas rutschigen, aber doch halbwegs begehbaren Moräne auf, um wenigstens einen Blick auf den Gletscher werfen zu können. Dieser ist dann durchaus lohnend, wenngleich der ganze Schutt auf dem Gletscher den Ausblick doch etwas trübt. Schöner wäre natürlich schon ein weißes Band, das sich durch die Landschaft zieht. So beschließe ich, die restlichen drei Kilometer nicht auch noch aufzusteigen, sondern wieder umzukehren und zum Auto zurückzulaufen. Dort angekommen lege ich erst einmal meine Mittagspause ein, um anschließend zum Mount Cook Village weiterzufahren.

Das Mount Cook Village

Das Mount Cook Village ist genau genommen kein wirkliches Dorf, sondern besteht ausschließlich aus Unterkünften jeder Preisklasse für Wanderer und Erholungssuchende, die die Blicke auf den Aoraki genießen möchten. Auch ein Campingplatz ist hier anzutreffen, dieser liegt allerdings etwa zwei Kilometer vom Dorf entfernt und befindet sich am Ausgangspunkt zu den meisten größeren Wanderwegen. Der Platz ist ein einfacher DOC-Campingplatz mit Toiletten und einem kleinen Aufenthaltsraum, Duschen gibt es keine. Dafür besteht die Möglichkeit, im Dorf eine der öffentlichen Duschen zu nutzen. Das will ich heute auch noch in Anspruch nehmen. Zunächst starte ich aber zu einem nachmittäglichen Ausflug zum Kea Point, einer knapp halbstündigen Wanderung, an deren Ende man einen traumhaften Blick auf den Mount Cook genießt.

Wanderung zum Kea Point

Wie ich schon vermutet habe, verschwindet die Sonne in den engen Tälern recht schnell, sodass ich den Kea Point gerade noch rechtzeitig erreiche, bevor die Sonne hinter der bedrohlich wirkenden Bergkette im Westen mit ihren überhängenden Gletschern verschwindet. Die über den Berggrat hinwegziehenden Wolken bieten sich wieder einmal für eine Zeitrafferaufnahme an. So verbringe ich die nächste halbe Stunde damit, die Kamera arbeiten zu lassen und die Ausblicke zu bestaunen. Immer wieder ist linker Hand ein lautes Grummeln hörbar und bei genauem Hinsehen ist auch der Grund für den Lärm auszumachen. Große Mengen Gletschereis brechen hier an den steilen Hängen ab und donnern unter lautem Getöse in die Tiefe. Wie lange es wohl noch dauern wird, bis die Gletscher an dieser Stelle vollkommen verschwunden sind?

Ausblick vom Kea Point auf Mount Cook und Gletschermoränen

Aoraki / Mount Cook vom Kea Point gesehen

Nach meiner Rückkehr zum Auto starte ich noch einmal in Richtung Mount Cook Village, um dort meine dringend notwendige Dusche in Empfang zu nehmen. Unterwegs staune ich einmal mehr nicht schlecht über eine völlig sinnlose künstliche Verengung der Fahrbahn auf eine Spur in regelmäßigen Abständen. Was hat sich der Erbauer dabei nur gedacht? Das ständige Bremsen und Beschleunigen ist weder umweltfreundlich noch angenehm zu fahren.

Übernachtung im Hooker Valley

Wesentlich mehr auf die Nerven geht mir dann aber, dass eine Gruppe Franzosen die beiden Duschen für eine halbe Stunde blockiert. Dabei sollte ich doch eigentlich schon längst wieder am Campingplatz sein, um dort noch vor Einbruch der Dunkelheit mein Abendessen zu kochen. Als sie endlich fertig sind, lassen sie mich wissen, dass noch genug warmes Wasser vorhanden sein sollte, das ich zum Duschen nutzen könnte, ohne noch einmal neu zu zahlen. Na gut, dann hat sich die Warterei ja immerhin gelohnt. Tatsächlich kommt noch halbwegs warmes Wasser aus der Leitung, sodass ich mir die zwei Dollar sparen kann.

Am Campingplatz angekommen sichere ich mir einen der letzten noch verfügbaren Camper-Stellplätze und zahle den astronomischen Preis von 10 NZD. Also im Ernst, zehn Dollar für eine Toilette? Aber vermutlich zahlt man hier für die Aussicht mit! Da der Platz allerdings die einzige wirkliche Möglichkeit ist, hier hinten im Zelt oder Camper zu übernachten, bleibt einem auch nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und zu bezahlen. Überrascht bin ich aber doch, dass das Areal am Abend bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Wie geht das hier erst in der Hochsaison zu und her?

Eine kalte, sternenklare Nacht im Hochgebirge

Nach dem Abendessen ziehe ich mich in den schon recht kühlen Camper zurück. Diese Nacht könnte bei dem vorherrschenden klaren Himmel vielleicht die ungemütlichste der ganzen Reise werden. Draußen sollen Tiefsttemperaturen um den Gefrierpunkt herrschen, und drinnen ist es erfahrungsgemäß auch nicht wirklich viel wärmer. Dafür bedeutet die klare Nacht hier oben in den Bergen aber natürlich auch einen theoretisch guten Blick auf die Milchstraße. Die muss ich ja langsam aber sicher mal fotografieren. Viele Gelegenheiten werden sich zumindest in Neuseeland nicht mehr bieten.

Leider steht der Mond heute ungünstig, aber probieren möchte ich es trotzdem. Bei meinem nächtlichen Versuch stellt sich aber heraus, dass es aufgrund des Mondscheins einfach zu hell ist, um die Milchstraße in ihrer ganzen Pracht sehen zu können. Schemenhaft ist sie zwar erkennbar, aber nicht so, wie ich mir das hier auf der Südhalbkugel erhofft habe. Da der Mond in den nächsten Tagen noch weiter zunehmen wird, werde ich trotz des schönen Wetters auch in Tekapo keine Chance auf ein gutes Foto der Milchstraße haben. Sehr schade, dabei hätten heute alle anderen Bedingungen perfekt gepasst. Bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass es Anfang Mai in Australien klappt.

Milchstraße über dem Mount Cook Village

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