Früh am Morgen verlassen die ersten kleinen vierplätzigen Kabinen die Talstation der Wankbahn in Garmisch-Partenkirchen. Seit nunmehr vier Jahrzehnten lässt sich dieses Schauspiel im Sommer wie im Winter beobachten. Die Wankbahn ist damit nicht nur eine gefragte Aufstiegshilfe in den bayerischen Alpen, sondern gleichzeitig eine der technisch und historisch bedeutsamsten Seilbahnen in ganz Deutschland.
Eine der technisch und historisch bedeutsamsten Seilbahnen in Deutschland
Bereits der Blick in die Talstation erinnert an manchen Stellen an eine ausgewachsene Maschinenhalle und nicht unbedingt nur an eine Seilbahn. Zwei grosse Seilscheiben lenken das Förderseil in den Spannschacht, dahinter warten auf den Abstellgleisen unzählige weitere Kabinen auf einen Einsatz. Nicht alle sind gleichzeitig am Seil, da ein Teil von ihnen stets zu Wartungszwecken in der Garage bleibt. Bei einer Bahn, die einen Grossteil des Jahres in Betrieb ist, nicht ganz ungewöhnlich. Der Rest reiht sich am Ende des Einstiegsbereichs auf und wartet darauf, dass der korrekte Abstand zum Vorgänger erreicht ist, und schon kurz darauf geht es unter lautem Getöse hinaus auf die erste Sektion.
Insgesamt befährt die Wankbahn zwei solche Abschnitte. Der erste Teil führt über bereits stattliche 1,7 Kilometer und überwindet dabei 428 Höhenmeter. Die Strecke ist in diesem Bereich von mehreren grösseren Gefällsbrüchen gekennzeichnet, woraus eine vergleichsweise grosse Zahl von Stützen resultiert. Die Trassierung verläuft ein wenig quer zum Hang. Erst in der Zwischenstation Mitterhütten biegt die Strecke schliesslich merklich nach links ab und nimmt daraufhin direkten Kurs in Richtung Wank-Gipfel.
Zur Entstehungsgeschichte der Wankbahn
Der Grund für diesen etwas ungewöhnlichen Umweg liegt in der Geschichte der Wankbahn. Denn der Vorgänger des heutigen Exemplars verläuft tatsächlich auf direktem Weg von Partenkirchen auf den Gipfel. Die Lage der Talstation wird in den 80er Jahren aber parkplatz- und verkehrstechnisch immer mehr zum Problem. Beim Bau der heutigen Anlage entscheidet man sich daher für eine Platzierung der neuen Talstation ausserhalb des Ortskerns auf einer bis dato unerschlossenen Fläche etwas oberhalb des Talgrunds. Seither bietet die Wankbahn ein für die zahlreichen Besucher ausreichend grosses Parkareal.
Die Zwischenstation in 1164 Metern über dem Meer kommt nach einem annähernd horizontal verlaufenden letzten Streckenabschnitt schnell in Sichtweite. Von weitem ist sie bereits zu hören, denn sie beherbergt auch die Antriebsanlagen der beiden Sektionen. Auf einem massiven Block im Inneren der Station sind die grossen Umlenkscheiben zu bestaunen, während die Kabinen automatisch zur jeweils nächsten Sektion weiterfahren. Ein Umstieg ist an dieser Stelle also nicht notwendig.
Eine vollautomatische Seilbahn mit Giovanola-Klemmen
Auch auf der zweiten Teilstrecke geht es zunächst eher gemächlich bergauf. Das ändert sich aber bereits nach kurzer Zeit, denn nach Passieren einer beeindruckenden Niederhaltekonstruktion schweben die Kabinen fortan steil durch den Wald hinauf. 582 Höhenmeter werden auf der zweiten Sektion auf unter 1,5 Kilometern Strecke überwunden. Im Gegensatz zu den Stationsein- und -ausfahrten befahren die Kabinen den Niederhalter ausgesprochen sanft. Das ist nicht ganz überraschend, sieht man sich die auf dieser Anlage eingesetzten Kuppelklemmen genauer an. Bei diesen handelt es sich um Klemmen, die auf eine Erfindung der Schweizer Firma Giovanola zurückgehen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie Niederhaltestützen unter einer Schiene befahren und dabei das Seil nach unten von den Rollen wegdrücken. Das sorgt dafür, dass das charakteristische Rattern, wie es bei den meisten anderen Systemen anzutreffen ist, bei Niederhaltestützen ausbleibt.
Tragende Rollenbatterien befahren die Klemmen dagegen ganz konventionell. Und so rumpelt es bei dem regelrechten Stützenwald kurz vor dem Gipfel noch einmal gewaltig, bevor die Kabinen schliesslich die Bergstation in 1746 Metern Höhe erreichen. Die Einfahrt ist gemessen an heutigen Standards wiederum etwas holprig. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die schräge Ebene zum Verzögern der Fahrzeuge, die ebenfalls auf das Prinzip von Giovanola zurückgeht. In seiner Ursprungsform kommt das Ende der 1940er Jahre patentierte System gänzlich ohne Fördereinrichtungen in den Stationen aus. Die schrägen Ebenen nutzen die Gravitation zum Beschleunigen und Verzögern, innerhalb der Stationen ist dagegen die Muskelkraft des Personals gefragt. Die Wankbahn weist dagegen schon bei ihrer Eröffnung einen vollautomatischen Betrieb mit Ketten- und Reifenförderern auf.
Drei Jahrzehnte Gravitation am Seil
Und trotzdem setzt sie in einem wichtigen Punkt nach wie vor auf die Gravitation als Hilfsmittel. Denn auch die Kraft zum Fixieren der Kabinen am Seil basiert einzig auf der Erdanziehungskraft. Anders als andere Hersteller nutzt die Firma Giovanola bei ihrer Erfindung diese Eigenschaft und kann so auf einen komplizierten Klemmapparat mit Federn verzichten. Die einfache und günstige Bauweise wird schnell zum Kassenschlager. Und so findet das System über drei Jahrzehnte später im Jahr 1982 auch am Wank noch Verwendung. An dieser Stelle ist es die deutsche Firma PWH, die das System in Lizenz nutzt. Diese Nutzung geht bereits auf die 50er Jahre zurück, als der Seilbahnpionier Julius Pohlig das System erstmalig unter eigenem Namen einsetzt.
Nach der Fusion von Pohlig mit Heckel und Bleichert zu PHB findet das System in den 70er Jahren erneut Verwendung bei mehreren Anlagen, von denen zahlreiche auch heute noch in Betrieb sind. Ein Jahrzehnt später zeichnet sich dann aber doch das Ende dieses wegweisenden Kuppelsystems ab. Der renommierte deutsche Seilbahnhersteller setzt die Giovanolaklemmen daher am Wank – inzwischen nach Fusion mit der Weserhütte AG unter dem Namen PWH – ein letztes Mal bei einem Neubau ein.
Technische Feinheiten an der Wankbahn
Die Konstruktion mit zwei Klemmapparaten pro Fahrzeug ist gegenüber dem Original übrigens leicht weiterentwickelt. So besitzt sie einen integrierten Zähler, der die Zahl der Kuppelvorgänge überwacht. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Klemme in regelmässigen Abständen gewartet werden kann, bevor eine zu starke Abnutzung droht.
Und so geht es sicher ans Seil geklemmt wieder mit der Seilbahn vom Wank zurück in Richtung Garmisch-Partenkirchen. Eine weitere Besonderheit wird übrigens beim Einkuppelvorgang ebenfalls überwacht. So sieht die Gesetzeslage in Deutschland vor, dass die Schwerkraftklemmen nicht im Bereich des Seilspleisses – also dem Bereich, an dem die beiden Enden des Förderseils miteinander verwoben sind – anliegen dürfen. Das wird bei der Wankbahn über mehrere Sensoren überwacht, die einen im Spleiss integrierten Magneten erkennen und die Freigabe zum Einkuppeln der Kabine in diesem Moment verhindern.
Ausgeträumter Traum vom Skifahren am Wank
Zurück in der Zwischenstation sind es wieder die Antriebsanlagen, die die Akustik dominieren. Etwa 800 Pfederstärken sorgen dafür, dass die Kabinen auf den beiden Sektionen mit 4 m/s in Richtung Wank und wieder zurück schweben. Drei verschiedene Bremssysteme wirken auf die jeweilige Antriebsscheibe der beiden Sektionen, um im Bedarfsfall die Anlage sicher zum Stillstand zu bringen. Bei einer technischen Störung ist ein zusätzlicher Dieselantrieb in der Lage, die Fahrgäste in die jeweils nächstgelegene Station zu befördern.
Rund 1000 Personen kann die Wankbahn stündlich je Richtung befördern. Das ist in der Regel völlig ausreichend, da sie heute kein Zubringer mehr in ein Skigebiet ist, sondern einzig von Wanderern und Ausflüglern genutzt wird. Eine Ski-Tradition hat der Berg aber dennoch. Ende der 70er Jahre entschliesst man sich in Garmisch-Partenkirchen, neben den bestehenden Skigebieten an der Zugspitze und zwischen Eckbauer, Hausberg und Alpspitze am Wank ein weiteres Areal zu erschliessen. Hintergrund ist damals die Austragung der alpinen Skiweltmeisterschaften im Jahr 1978. Die bestehende Zubringerbahn ist den Anforderungen mit ihrer Förderleistung von 125 Personen pro Stunde nicht mehr gewachsen. Auch, wenn es sich zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung um einen Meilenstein der deutschen Seilbahngeschichte handelt. Schon im Jahre 1929 befördert die Pendelbahn des Seilbahnpioniers Adolf Bleichert die ersten Fahrgäste. Ein gutes halbes Jahrhundert später weicht sie dem heutigen Exemplar.
Zukunft der Wankbahn
Der Skibetrieb am Wank wird mit immer weiter sinkender Nachfrage im Jahr 2002 schliesslich eingestellt. Die Zubringerbahn ist dagegen auch zwei Jahrzehnte später immer noch tadellos im Einsatz. Die faszinierende Mechanik einer kuppelbaren Seilbahn lässt sich hier auf ganz besondere Weise beobachten. Nicht zuletzt deshalb ist die Wankbahn mittlerweile ein historisch sehr bedeutsames Bauwerk, das es in dieser Form kein zweites Mal gibt.
Die von Giovanola entwickelten Schwerkraftklemmen sind hier auch über sieben Jahrzehnte nach ihrer Erstentwicklung anzutreffen, was die Langlebigkeit dieser Technologie unterstreicht. Kein anderes Kuppelsystem ist auch nur annähernd über einen solch langen Zeitraum und von so vielen verschiedenen Herstellern weltweit eingesetzt worden. Und doch ist die Zahl an verbliebenen Anlagen mit diesen Klemmen unterdessen verschwindend gering. Im Land der Erfinderfirma werden sie voraussichtlich im Jahr 2025 endgültig aussterben. In Deutschland bleibt dagegen zu hoffen, dass das System noch eine Weile im Einsatz bleiben kann. Die spektakuläre Wankbahn als eine der letzten je mit diesen Klemmen errichteten Anlagen darf daher auf der Liste der Ziele eines Seilbahnfans keinesfalls fehlen. Aber auch für alle anderen lohnt sich die Fahrt aufgrund der fantastischen Aussicht auf die Zugspitze und die umliegenden Berge allemal.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.